Mein Opa, der SED-Bonze: Ein Nachwendedrama
Von Alessandra Beck
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Buchvorschau
Mein Opa, der SED-Bonze - Alessandra Beck
Vorwort:
Geschichten, Erzählungen und Spielfilme über das Leben in der DDR gibt es viele. Aber wie ergeht es einem Mädchen, das langsam zur Frau wird und über ihren geliebten Großvater erfährt, dass er ein ehemaliger SED-Bonze war? Katarina wurde 1988, also ein Jahr vor dem Mauerfall, in der Bonzen-Siedlung Wandlitz in Ostdeutschland geboren. Sie wuchs im vereinten Deutschland auf, aber für andere bleibt sie ein ganzes Leben: „Das Mädchen aus dem Osten, das die Enkeltochter eines ehemaligen SED-Bonzen ist". Mit vielen Vorurteilen schlägt sie sich durch das Leben. Bei einem Terroranschlag verliert sie ihre Eltern und ihre Großmutter und wird nur wenige Jahre später selbst zum Opfer von Terroristen.
Das Leben meines Großvaters
Die Sonne schien und die Forsythien fingen an zu blühen als ich am 2. April 1988 in Wandlitz bei Berlin in der DDR zur Welt kam. Mama wollte eine Hausgeburt und so konnte ich gleich nach meiner Geburt mein schönes Kinderzimmer bewundern, das Papa und Opa mit Möbeln vom „Klassenfeind für mich eingerichtet haben. Alles war in pink und rosa, doch mein Kinderbett war aus Kiefernholz und mein Kleiderschrank, der war von Papa in blau gestrichen worden. Mamas und Papas Gedanke war, dass ich mich nach meiner Geburt gleich zuhause fühle und ich nicht mit anderen Kindern auf der Kinderstation im Krankenhaus liegen muss. Papa nahm mich nach meiner Geburt auf den Arm und sagte: „Katarina, hier bist du zuhause und du musst nicht das Geschreie von anderen Kindern im Krankenhaus ertragen.
So weit so gut, dafür schrie ich die ersten Nächte durch und hielt meine Eltern ordentlich „auf Trab. Immer wenn es langsam hell wurde, schlief ich auf dem Arm meiner völlig übermüdeten Eltern ein und sobald es wieder Nacht wurde, fing ich an zu schreien. Ich heiße übrigens Katarina Kallanska und genau heute feiere ich meinen 28. Geburtstag. Ich wurde ein Jahr vor dem Mauerfall geboren. Als ich das Licht der Welt erblickte, hatte ich die schwarzen Haare und braunen Augen meines Großvaters geerbt. Meine ganze Familie und ich, wir lebten in der ehemaligen Bonzen-Siedlung. Halt, nicht alle, denn meine Tante Anna, mein Onkel Bert und meine Cousine Mira, die sind kurz vor dem Mauerfall 1989 in die Botschaft der BRD nach Prag geflohen. Seit dieser Zeit ist viel passiert. Ich war das Lieblingsenkelkind von Opa. Opa Herbert wurde am 17. November 1931 in Leipzig geboren. Opa war groß, fast 1,80 m, aber hatte doch eher ein südländisches Aussehen, denn er hatte schwarze Haare und braune Augen und seine Hautfarbe sah immer leicht gebräunt aus. Als der 2. Weltkrieg begann, war Opa noch ein Junge. Opa erzählte mir, dass er und seine Eltern und Geschwister zu hungern hatten und die Winter kalt waren. Bei Bombenalarm musste Opa mit seinen Eltern und Geschwistern in den Schutzbunker rennen und einige Tage nach Kriegsbeginn musste der Vater von Opa in den Krieg ziehen. Opa wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass auch er nur einige Jahre später in den Krieg ziehen musste. Denn Hitler schickte zu Kriegsende die Jungen als „Kanonenfutter
an die Front und nicht etwa an irgendeine Front, nein, an die Ostfront. Doch Opa konnte fliehen und so schlug er sich von Russland bis nach Berlin mit dem Fahrrad durch. Als Opa völlig erschöpft Berlin erreichte, versuchte er sofort Kontakt zu seinen Eltern und Geschwistern aufzunehmen, doch niemand aus seiner Familie lebte noch. Der Vater war im Krieg gefallen, die Mutter und die Schwester begingen nach mehrfachen Vergewaltigungen durch die Russen Selbstmord und sein kleiner Bruder verstarb im kalten Winter 1944/ 1945 an einer Lungenentzündung.
Opa stand ganz alleine da. Was sollte er tun? Er musste überleben, nur wie? Er ging durch die zerstörten Straßen von Berlin, sah sich um und da sah er, wie ein junger Mann, vielleicht war er Anfang 20, seinen Eltern in die Arme fiel und alle vor Freude weinten, dass sie sich wiedergefunden haben. Die Sonne ging hinter der „Trümmerstadt Berlin unter und Opa übernachtete auf einem Stück Wiese zwischen Trümmern und Leichen. Am nächsten Morgen wurde Opa ganz früh geweckt: „Genosse, hier kannst du nicht bleiben!
Sagte ein Mann mit grau-meliertem Haar und einem Vollbart zu ihm. Moment, der Bart glich dem einer Ziege und insofern war der Bart kein Vollbart, sondern ein „Ziegenbart. Der Mann beugte sich zu Opa und gab ihm die Hand. „Komm mit mir! Wir bauen ein neues Deutschland auf und bei uns wird es nie wieder Krieg geben.
Sagte der Mann zu Opa. Nach einer halben Stunde Fußmarsch durch die zerbombte Stadt Berlin erreichten sie die Wohnung, in der der Mann mit dem „Ziegenbart wohnte. „Hier sind wir, komm herein, Genosse. Zuerst wäscht du dich und dann wird gegessen. Mein Name ist übrigens Walter. Meine Frau wird für uns kochen.
Opa war nun froh, dass er ein „Dach über dem Kopf hatte und so blieb er bei Walter und seiner Frau Luise. Walter wollte ein ganz anderes Deutschland, ohne Faschismus und das Muster der Vergangenheit kreieren. Tage und Nächte saßen Opa und Walter zusammen mit anderen jungen und älteren Männern, die sich alle untereinander mit „Genosse
ansprachen. Sie diskutierten darüber, wie sie besser, als der andere Teil Deutschlands sein könnten und wie sie weitere Personen für ihre Sache gewinnen könnten. Außerdem brauchte man auch einen Parteinamen und Frauen sollten nicht nur für den Herd bestimmt sein, wie das im Westen Deutschlands der Fall ist, sondern die Frauen sollten sich um Haushalt und Familie kümmern, aber auch einer Arbeit nachgehen, denn jede Hand wurde für den Aufbau des Sozialismus und der DDR gebraucht. …..
Nach zahlreichen Nächten voller Diskussionen manifestierten sich die Gedanken der Genossen, nämlich ein ganz anderes, besseres Deutschland mit zu gestalten und zwar von der ersten Minute an. Die Bundesrepublik Deutschland, kurz BRD, wurde am 23. Mai 1949 gegründet und nur einige Monate später, nämlich am 7. Oktober 1949 war es dann endlich soweit. Opa war nun Mitglied der ersten Stunde in der SED und im Politbüro und die Deutsche Demokratische Republik, kurz DDR genannt, wurde gegründet. Opa erzählte mir, dass Walter, der Chef der Partei, am 13. August 1961 eine Mauer errichten ließ, um „unser kleines Land, die DDR vor dem Faschismus aus dem Westen zu schützen. Deswegen wurde die Mauer, nicht Mauer genannt, sondern: „Antifaschistischer Schutzwall
. Damit die Bürger der DDR vor Menschen geschützt werden, die sich dem westdeutschen Faschismus zuwenden und somit Unruhe im Land verbreiten, ging Opa mit anderen Genossen ganz massiv gegen diese „Banditen vor. Opa wollte nur das Beste für sein Land und deshalb forderte er und sein Politbüro alle Bürger der DDR auf, wachsam zu sein und sollten Banditen „aufmüpfig
werden, dann sollen die guten DDR-Bürger das sofort der Staatssicherheit melden. Die Bundesrepublik war unser Feind. Komisch, wir waren ein Land, das hieß Deutschland, wir sprachen die gleiche Sprache, okay, die Bayern und die Sachsen sprechen schon sehr unterschiedlich und auch manchmal merkwürdig, aber trotzdem war die Bundesrepublik Deutschland unser Feind und Opa wollte unsere Familie und alle DDR-Bürger vor dem Westen beschützen ??? Und was bedeutet überhaupt das Wort „Faschismus"?
1961 ließ Walter eine große, graue Mauer um unser Land errichten. Diese Mauer hieß aber nur Mauer im Westen, also bei unserem „Klassenfeind, bei uns hieß sie: „Antifaschistischer Schutzwall
. Schon wieder war da das Wort Faschismus.
Als Opa 1962 Oma Helena bei einer Feier der Freien Deutschen Jugend traf, da war es um ihn geschehen. Opa war richtig „verknallt in Oma. Ein Jahr später, also 1963 heirateten Oma und Opa und im gleichen Jahr kam mein Papa Ludwig zur Welt. Nur 2 Jahre später wurde Tante Anna geboren. Papas und Annas Wege waren vorprogrammiert. Nach der Schule sollten Papa und Anna nach Moskau gehen, um dort zu studieren und später, also wenn sie das Studium beendet haben, sollten sie eine Funktion innerhalb der Partei einnehmen. Die Welt war heil und friedlich und anders als ich mussten Papa und Tante Anna keine eigenen Entscheidungen bzgl. der Berufswahl treffen. Einerseits war es schade, dass Papa und Anna keine eigene Entscheidung über ihre berufliche Zukunft treffen konnten, andererseits brauchten sich die beiden nie „den Kopf über ihre Zukunft zerbrechen
. Außerdem musste Opa nie Angst haben, dass Papa und Anna in die Arbeitslosigkeit abrutschen, denn „Banditen gab es ja gerade in der DDR sehr viele und unser Land musste vor diesen „Banditen
geschützt werden. Die schlimmsten „Banditen waren nicht etwa die, die einen Raub begingen, nein, das waren die, die Opa und seine Parteigenossen mit Worten angriffen oder die, die den Antifaschistischen Schutzwall überwinden wollten, um beim Klassenfeind zu leben.
Doch plötzlich ging es unserer DDR immer schlechter. Eigentlich ging es der DDR noch nie richtig gut, aber ich vergleiche das so: In den ersten Jahren hatte die DDR einen „Schnupfen und aus diesem „Schnupfen
wurde eine richtige „Grippe. Doch anders als im Westen hatten wir Vollbeschäftigung und nicht einen einzigen Arbeitslosen, aber das liegt auch daran, dass „unsere Banditen
nach einem Aufenthalt im Gefängnis gar nicht mehr in der Lage waren zu arbeiten. Im Westen dagegen versuchte man die „Banditen nach der Entlassung zu resozialisieren. Bei uns brauchte man das nicht. Doch dann gab es die ersten Unruhen in unserem kleinen Land. Die Bürger in der DDR wollten nicht länger auf Waren, wie z.B. auf Südfrüchte verzichten und sie wollten vor allem „die Welt sehen
. Aber das Wichtigste war, dass sich die Bürger der DDR „ihren Mund nicht mehr verbieten lassen wollten und ihre Meinung äußern wollten. Und plötzlich wurden die „Banditen
immer mehr.
Dann 1988 kam ich zur Welt und Opa war „ganz verrückt nach mir. Papa und Mama Jeanette erzählten mir, dass Opa an jedem Haus in der ganzen Siedlung klingelte, um mich persönlich jedem einzelnen vorzustellen. In seiner Freizeit ging Opa mit mir auf dem Arm spazieren und er kaufte mir vom „Klassenfeind
, das war die BRD, Spielzeug. Am 21. Oktober 1988 kam auch meine kleine Cousine Mira auf die Welt.
Das Ende der DDR, Bürgerrechtler,
Verzweiflung,
Wut,
Wahlbetrug,
Montagsdemonstrationen,
9. November 1989
Nein, zur Diktatur, ja zur Demokratie
Doch dann war der Frieden in unserem Land vorbei und auch der Frieden in unserer Familie. Immer öfters stritten sich Oma und Opa mit Anna und Bert. Anna und Bert schlossen sich „den Banditen an, sie nannten sich nun Bürgerrechtler. Einige Wochen nach meinem ersten Geburtstag stand die Wahl in der DDR an. Es war der 7. Mai und Anna und Bert waren nun auf der Seite der Bürgerrechtler. Mit anderen Mitstreitern überprüften sie die Wahl und stellten „Wahlbetrug
fest.