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Oliver Hell - Stirb, mein Kind: Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall
Oliver Hell - Stirb, mein Kind: Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall
Oliver Hell - Stirb, mein Kind: Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall
eBook593 Seiten8 Stunden

Oliver Hell - Stirb, mein Kind: Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall

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Über dieses E-Book

In einer Kiesgrube bei Swisttal-Heimerzheim wird die Leiche einer 14-jährigen gefunden. Niemand vermisst das Kind. Am Samstag darauf verschwindet eine gleichaltrige Schülerin. Auch nach Tagen hat das K11 keinen Hinweis auf ihren Aufenthaltsort. Als Hell einen Zusammenhang zu einem Vermisstenfall aus dem Jahr 2013, wittert, wird klar: Die Beteiligten in diesem Entführungsfall haben Kontakte bis in ganz hohe Kreise.
Je tiefer Hell und sein Team graben, desto mehr bekommen sie das Grauen. Ihnen bieten sich schockierende Einblicke in trügerische bürgerliche Idyllen und unvorstellbare menschliche Abgründe. Lesen Sie auch die anderen 9 Fälle um den Bonner Kommissar Hell.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Sept. 2017
ISBN9783742774651
Oliver Hell - Stirb, mein Kind: Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall
Autor

Michael Wagner

Michael Wagner is the author of more than 80 books for children including the much-loved Maxx Rumble series, the CBCA Notable picture books Why I Love Footy, Why I Love Summer and Bear Make Den (which he co-authored with Jane Godwin) and the So Wrong series which was shortlisted for multiple children's choice awards in 2019 and 2020.

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    Buchvorschau

    Oliver Hell - Stirb, mein Kind - Michael Wagner

    Sonntag, 07.07.2013

    Michael Wagner

    Oliver Hell

    Stirb, mein Kind

    Bonn Krimi: Oliver Hells zehnter Fall

    Thriller

    Ungekürzte Ausgabe

    1.Auflage

    Im Mai 2017

    Copyright © 2016 Michael Wagner

    Textur by Ruth West.

    Frame by Freepik.

    Coverfoto by Michael Wagner.

    Covergestaltung by Michael Wagner.

    Michael Wagner

    http://walaechminger.blogspot.de

    @michaelwagner.autor

    All rights reserved.

    Ein hartes Herz ist eine unendliche Wüste.

    Michael Wagner

    Irgendwo in der Hölle

    Der Raum lag fast im Dunklen. Wie jeden Tag, seitdem sie hier eingezogen war. Wobei eingezogen der falsche Ausdruck für den Zustand ihrer Anwesenheit hier war. Man hatte sie hierher verschleppt. Eingesperrt, an eine Pritsche gekettet und ihr nur so viel zu Essen gegeben, dass sie nicht verhungerte. Bis zu jenem Tag vor zwei Wochen. Diesen Tag konnte sie so genau bestimmen, da sie bis heute vierzehn Kerben mit ihrem Daumennagel in ihr hölzernes Bettgestell geritzt hatte. Wie lange sie schon in diesem Keller lebte, wusste sie nicht. Vor vierzehn Tagen hatte sich alles plötzlich verändert. Man brachte sie in einen anderen Raum mit einem Bett und einem Lichtschalter, an der Decke eine nackte Fassung mit einer 25-Watt-Glühbirne, die den Raum nur spärlich ausleuchtete. An der Wand klebte eine Tapete mit einem altmodischen Blümchenmuster. Kein Fenster, kein Tageslicht. Doch sie durfte sich dort frei bewegen, man kettete sie nicht mehr an. Die blauen Striemen an den Hand- und Fußgelenken, die ihr die Fesseln zugefügt hatten, verschwanden langsam.

    Sie wurde von da an täglich mit verbundenen Augen in einen ebenfalls dunklen Raum geführt. Dort setzte man sie auf einen Stuhl, blendete sie mit einem grellen Licht, träufelte ihr Tropfen in die Augen, die ihr die Sicht nahmen, alles um sie herum war verschwommen. In einer Dusche wurde sie gewaschen, vor allem im Intimbereich. Das süßliche Parfum, mit dem man sie einsprühte, nahm ihr fast den Atem. Man zog ihr Kleider an und auch wieder aus. Sie erinnerte sich an das Rascheln von Stoff, dass sie noch nie vorher gehört hatte. Ertastete Materialien, die sie nie zuvor an sich getragen hatte. Spürte Rüschen, Brokat und schwere Seide auf ihren nackten Schenkeln. Eilige und geschickte Hände schminkten sie, kämmten und frisierten ihr das lange blonde Haar.

    Von dort wurde sie in einen anderen Raum gebracht. Ihr schlug dort ein Geruch entgegen, den sie erkannte, aber nicht mehr zuordnen konnte. Sie wurde auf ein Bett, einen Stuhl oder auf eine Art Couch gesetzt. Jemand setzte sie in Pose, wieder raschelte der Stoff, derjenige hob rüde ihr Kinn an, drängte ihr eine Blickrichtung auf. Dann drang ein Geräusch an ihr Ohr, das sie sofort wiedererkannte. Das Klicken eines Auslösers und das Klappen des Spiegels einer Spiegelreflexkamera. Es wurden Fotos gemacht. Das erkannte sie sofort. Das Blitzlicht durchdrang den Schleier, aber es blendete sie nicht. Das Auslösegeräusch der Kamera kam erst von weiter weg, dann näherte es sich. Bald meinte sie, den Atem des Fotografen auf ihrem Gesicht zu spüren. Er roch nach Pfefferminz und Zigaretten.

    So waren die letzten vierzehn Tage abgelaufen. Niemals sprach auch nur einer der Menschen, die das alles mit ihr taten, auch nur ein Wort. Nach dem Fotoshooting wurde sie zurück in den Raum mit der Dusche gebracht. Dort schminkte man sie ab, zog ihr die Kleider aus, einen Jogginganzug an und führte sie mit verbundenen Augen zurück in den Raum, wo schon ein Tablett mit einem großen Napf aus Blech und einer Blechtasse mit Wasser auf sie wartete. Die schwere Eisentür fiel hinter ihr ins Schloss. Vivien nahm die Binde von den Augen, immer noch fast blind tastete sie sich bis zu ihrem Bett voran und fuhr vorsichtig mit der Hand über den derben Stoff der Bettdecke, bis sie das Tablett erreichte. Jemand hatte in ihrer Abwesenheit das Bett gemacht. Hungrig nahm sie den Löffel und den Teller in die Hand und setzte sich. Heute gab es Suppe. Morgen sicher wieder Brei. So wie jeden Tag. Die Suppe war heiß und köstlich. Sie führte den Löffel mehrmals hastig zum Mund und schluckte gierig. Und dachte darüber nach, ob ihr ihre Ohren eben einen Streich gespielt hatten oder ob sie tatsächlich eine weibliche Stimme vernommen hatte.

    „Seid vorsichtig mit der Kleinen. Sie wird uns viel Geld einbringen", hatte sie gehört. Konnte das sein? Das Denken fiel ihr schwer. Immer schwerer. Manchmal hatte sie Mühe, sich an Dinge aus ihrem alten Leben zu erinnern. An das Gesicht ihrer Mutter, das ihrer besten Freundin, an den Schulweg. An Tobias, ihre heimliche Liebe, der von ihrer Schwärmerei nichts mitbekommen durfte. Sie versuchte, sich das alles zu merken, doch mit jedem Tag fiel es ihr schwerer. Alles verblasste zusehends.

    Als sie die Suppe gegessen hatte, stellte sie den Napf zurück auf das Tablett, trank einen Schluck Wasser und legte sich auf das Bett. Bald taten die Drogen in ihrem Essen ihre Wirkung und sie fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit.

    *

    Bonn, Präsidium

    „Wir werden den Fall jetzt abschließen, sagte Kriminalhauptkommissar René Ostermann bitter. Sein Blick glitt forschend über die versammelten Kollegen und blieb bei Oliver Hell hängen. Als dieser nichts sagte, fuhr er fort. „Wir haben jetzt sechs Wochen lang ermittelt und alles was wir zusammengetragen haben, hängt an dieser traurigen Wand hier! Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Fotos auf der gläsernen Stellwand. Nahm eines der Blätter ab und hielt es den Anwesenden hin.

    „Der Fall Vivien Vandenbroucke, verschwunden seit Sonntag, dem 26. Mai 2013 wird heute zu den Akten gelegt. Wenn Sie mich fragen, ob mir das gefällt, dann muss ich Ihnen sagen: Nein, das gefällt mir überhaupt nicht. Aber wir haben nicht eine neue erfolgversprechende Spur aufzuweisen. Und meinem Team wächst die Arbeit über den Kopf. Wir haben noch drei weitere verschwundene Teenager in den letzten vier Tagen hier in Bonn und auf der anderen Rheinseite. Sobald sich ein neuer Sachverhalt ergibt, werden wir den Fall wieder aufnehmen. Vielen Dank, meine Damen und Herren!"

    „Diese neuen Sachverhalte werden sich kaum auftun, wenn wir nicht weitersuchen", gab Oliver Hell in diesem Moment als Antwort. Die Augen der Anwesenden Kollegen der Vermisstenabteilung und den Mitgliedern der soeben beendeten SoKo Vivien richteten sich sofort auf René Ostermann. Der drehte sich langsam um und musterte seinen Kollegen lange.

    „Wenn du Zeit und Muße hast, dann kümmere dich weiter um den Fall. Setz einen deiner vielversprechenden Neulinge auf ihn an, vielleicht seid ihr ja schlauer als wir alle zusammen", antwortete er pikiert. Weder sein Tonfall noch sein Gesichtsausdruck ließen einen Zweifel aufkommen, dass er Hell am liebsten in der Luft zerrissen hätte.

    „Du weißt genau, dass wir nicht weiterermitteln können, wenn du den Fall offiziell schließt. Was ist mit den Befragungen, die noch anstanden?"

    Ostermann sah Hell an, als wolle er auf ihn losgehen.

    „Du bist anmaßend, Oliver. Aber so kennen wir dich ja, sagte er und blickte in die Runde, als erwartete er Beifall. Doch keiner der Anwesenden tat ihm den Gefallen. Alle spürten, dass Oliver Hell mit seinem Zweifel recht hatte.

    Ich bin nicht anmaßend, ich möchte eine Antwort auf meine Frage haben, René."

    „Ich handele auf Anweisung von ganz oben. Verstehst du? Man hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich den Fall zu den Akten legen soll", antwortete er und biss die Zähne aufeinander.

    „Trotz der noch anstehenden Befragung des Ministers?", hakte Hell nach.

    Ostermann blieb sich und seiner Antipathie gegenüber Hell auch jetzt treu.

    „Geh hin und frage nach, wenn du mir nicht glaubst, zischte Ostermann, griff sich seine Aktentasche und verließ den Besprechungsraum. „Du darfst es ihren Eltern mitteilen!, rief Hell dem Kollegen nach.

    Oliver Hell atmete einmal tief durch. „Wem außer mir stinkt das hier ebenso gewaltig?" Alle nickten, doch keiner sagte etwas. Die Gleichgültigkeit seiner Kollegen brachte Hell erst recht in Rage.

    „Hier stinkt etwas ganz gewaltig. Kurz vor der Befragung von Dr. Walther Matheissen wird der Fall geschlossen. Hier nimmt die Politik Einfluss auf unsere Ermittlungen und ihr sitzt da und schweigt wie ein Haufen armseliger Würstchen! Ärgerlich stieß er die Luft aus. „Das müsst ihr mit euch ausmachen. Auf Wiedersehen, Kollegen! Er stand auf und ging. Er konnte es dort nicht mehr aushalten.

    Schnaubend durchquerte er den langen Flur des Dezernats und machte sich auf in Richtung seiner eigenen Räumlichkeiten innerhalb des Dezernats 11, dem Fachkommissariat für Tötungsdelikte. Der Drang, in diesem Fall endlich Gewissheit zu erlangen, war größer als der Respekt, den er seinen Kollegen gegenüber verspürte. Vielleicht verhielt er sich ihnen gegenüber ungerecht. Sie hatten die letzten sechs Wochen alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das vierzehnjährige Mädchen zu finden. Umsonst. Es gab keine Leiche. Vivien Vandenbroucke war von der Schule nicht nach Hause gekommen. Seitdem war sie wie vom Erdboden verschwunden. Die Befragungen der Freunde, der Lehrer und ihres gesamten Umfelds hatten keine Fahndungserfolge gebracht. Sie hatte Bonn auch nicht verlassen, jedenfalls nicht mit Bus oder Bahn, ebenfalls waren alle in frage kommenden Flüge vom Köln-Bonner Flughafen überprüft worden. Ihr Name tauchte auf keiner Passagierliste auf. Kollegen von der Autobahnpolizei hatten Tage damit verbracht, LKW-Fahrern ihr Foto zu zeigen. Ergebnislos. Es war zum Verzweifeln. Die letzte Spur, die noch hätte verfolgt werden können, war jetzt abgewürgt worden. Es gab die Aussage eines Schülers, der in eine Parallelklasse von Vivien ging. Dieser Schüler, sein Name war Tobias Ernst, hatte einen schwarzen Mercedes in der Nähe der Schule gesehen und sich das Nummernschild gemerkt. Er gab zu Protokoll, dass Vivien sich durch das geöffnete Fenster im Fond mit jemandem unterhalten habe. Die Halterabfrage dieses Wagens ergab, dass der Mercedes zum Fuhrpark des Innenministeriums gehörte. Und er wurde fast ausschließlich von Dr. Walther Matheissen genutzt. Natürlich fuhr er nicht selber, sondern bediente sich eines Fahrers. Das Ministerium hatte sich geweigert, den Namen des Fahrers zu nennen, der an diesem Tag den entsprechenden Wagen genutzt hatte. Genauso konnte nicht in Erfahrung gebracht werden, ob der Minister an diesem Tag seinen Dienstwagen genutzt hatte. Die Staatsanwaltschaft Bonn wollte keine weiteren Ermittlungen erlauben. So kam es noch nicht einmal zu einer Befragung. Wer da auf wen Druck ausgeübt hatte und ob überhaupt, würde nie ans Tageslicht kommen.

    *

    Drei Jahre später. Freitag, 15.07.2016

    Bonn, Hells Garten

    Niemand trachtete in diesen Tagen jemand anderen nach dem Leben. Man hätte von einem mörderischen Sommerloch sprechen können. Das Fachkommissariat für Tötungsdelikte hatte keine aktuellen Fälle zu bearbeiten, daher hatte Oberstaatsanwältin Brigitta Hansen darauf gedrängt, dass Hells Team seinen alten Urlaub nahm. Ihm selber standen noch zwei Wochen Urlaub aus dem Jahr 2015 zu. Ein paar Tage davon feierte er gerade ab. Hell lag auf der Liege auf der Terrasse, im Schatten eines Sonnenschirmes. Sein Hund Bond lag unter einem Busch und döste. Der belgische Schäferhund war vor mehr als einem Jahr bei ihm eingezogen. Als ehemaliger Polizeihund auf vorgezogener Rente nahm sich der Kriminalhauptkommissar des Tieres an und war glücklich, diese Entscheidung getroffen zu haben. Hinter der Sonnenbrille zog der Bonner Kriminalbeamte die Augenbrauen zusammen. Er blätterte in einem Magazin und dessen Inhalte waren in diesem Sommer wahrlich kein Genuss. Die Briten hatten sich vor kurzer Zeit entschlossen, die europäische Union zu verlassen. Dabei standen sich die Gegner und Befürworter so unversöhnlich gegenüber, dass sogar eine junge britische Labour-Abgeordnete ermordet wurde. Der offenbar psychisch gestörte 52-jährige Attentäter, rief bei der Tat „Britain first!" Nicht nur die Briten traten für den Austritt aus der EU ein, auch einige der Balkan-Staaten dachten mehr oder weniger laut nach. Nachdem seit dem September 2015 die Grenzen der europäischen Staaten von Tausenden von Flüchtlingen aus Syrien und anderen Staaten bestürmt wurden, stand die Union vor einer Zerreißprobe. Innerhalb von kurzer Zeit hatte Deutschland fast eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Die Kanzlerin sah sich mit ihrem Kurs einem harten Gegenwind gegenüber. Die Protest-Partei, die noch vor kurzer Zeit als Anti-Euro-Partei Schlagzeilen gemacht hatte, heftete sich jetzt dieses Thema auf die Fahnen und mutierte zur Anti-Flüchtlings-Partei. Alles, was die Koalition aus SPD und CDU in dieser äußerst schwierigen Zeit auf den Weg brachte, die Opposition schrie auf. Hätte man für jeden dieser Flüchtlinge sofort einen Arbeitsplatz gefunden, die Opposition hätte erneut geschrien und gefordert, dass man Flüchtlinge nicht bevorzugen dürfe. Man konnte als Regierungspolitiker nur einen miesen Job machen. Hell hatte sich seine Meinung über all das bereits gebildet. Er sah sich auf der Seite der Kanzlerin, was er selber nie gedacht hätte, da er diese Frau nicht gewählt hatte.

    Er blätterte weiter bis zum Leitartikel des Focus-Magazins. Die Frage war wirklich weltbewegend: Was und wie sollte man denn essen? Vegan, vegetarisch oder doch lieber alt hergebracht? Gottseidank blieb ihm die Antwort auf diese Frage erspart, denn in diesem Moment kam Bond vorbei und legte ihm die Pfote auf das Bein. Er legte das Magazin auf den Boden neben der Liege. „Du hast es gut, Bond. Brauchst nicht wählen, hast immer etwas zu fressen im Napf und auch sonst geht es dir doch hervorragend!"

    Bond bellte, als hätte er ihn verstanden. Hell füllte etwas Trockenfutter in den Napf und hörte in diesem Moment erfreut, dass Franziska die Haustür aufschloss. Vor zwei Monaten hatten sie ein gemeinsames Experiment gestartet – seine Lebensgefährtin lebte seitdem bei ihm in Bonn. Ihre Wohnung in Frankfurt hatte sie noch nicht aufgegeben, doch sollte das Zusammenleben weiterhin so aufregend sein, würde sie diesen Schritt gehen. Ohne Wehmut, wie sie ihm mitgeteilt hatte.

    „Es war kein Anschlag des IS, rief Franziska schon aus der Diele, „das steht definitiv fest!

    Hells gute Laune und seine Mundwinkel sanken schlagartig. Bei einem Anschlag in Nizza am Vorabend war ein Attentäter auf der Promenade des Anglais mit einem LKW durch eine Menschenmenge gefahren. Mindestens achtzig Personen wurden dabei getötet und mehr als vierhundert zum Teil schwer verletzt. Der Attentäter wurde von Sicherheitskräften erschossen. Die französische Polizei ging von einem Anschlag des Islamischen Staates aus, doch hatte sich die Terrororganisation noch nicht dazu bekannt.

    Hell trat in den Flur. „Wer sagt das?"

    „Der IS hat noch keine Bekennerschreiben im Internet veröffentlicht. Der Amaq, das Sprachrohr für die Propaganda der Terrormiliz Islamischer Staat, schweigt."

    „Woher weißt du das?"

    „Aus dem Radio. Wo lebst du denn heute?" Sie klang fast tadelnd.

    „Unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse!"

    „Und du hast kein Radio?"

    „Bei einem Kaffee kannst du mich bestimmt auf den neuesten Stand bringen, Schatz", sagte Hell und gab Franziska einen Kuss auf die Wange. Sie runzelte die Stirn, als könne sie sein scheinbares Desinteresse nicht billigen. Dabei war Hell alles andere als desinteressiert. Er hatte sogar auf dem Präsidium angerufen, um sich dort nach den neuesten Erkenntnissen zu erkundigen. Doch die Kollegen dort nannten ihm ebenfalls nur das, was in der Presse bestätigt wurde. Er schob sich die Sonnenbrille auf die Nase und ging zurück in die Küche, schaltete die Kaffeemaschine ein.

    „Was sagte die Meldung im Radio?", fragte er zehn Minuten später mit einem hohlen Gefühl in der Magengegend, nippte an seinem Latte.

    „Dass der IS keine Verantwortung für den Anschlag übernimmt. Sie gehen davon aus, dass es sich um einen einsamen Wolf handelt, der der Terrororganisation die Treue geschworen hat."

    „Und wo ist die Sensation?"

    „Hör mal, da fährt ein Kerl mit einem LKW in eine riesige Gruppe feiernder Menschen und du fragst, wo die Sensation ist? Seit wann bist du denn so elend zynisch, Oliver?"

    Hell stellte sein Kaffeeglas auf dem Tisch ab und legte die Sonnenbrille daneben. „Ich bin keinesfalls zynisch, die Franzosen haben ihn geradezu eingeladen, so etwas zu tun. Keine Sperren an dieser Strandpromenade, keine verstärkte Polizeipräsenz und das an einem Nationalfeiertag. Jeder kann sich denken, dass ein solcher Tag zu einem Anschlag einlädt."

    „Es ist nur dort etwas passiert!", protestierte Franziska vehement.

    „Gottseidank! Es wäre nicht auszudenken, wenn die Logistik des IS besser strukturiert wäre. Dann hätten wir nicht nur achtzig Tote, sondern mehr. So wie in Paris, wie im Bataclan."

    Franziska starrte ihn an, als sei er von einem anderen Stern. Mehrere Male stieß sie verächtlich die Luft aus. „Und das nennst du nicht zynisch?"

    „Nein, das ist nicht zynisch. Das ist zutreffend und wenn du deine Anteilnahme beiseitelegst, dann wirst du mir recht geben", sagte er teilnahmslos.

    „Ich bin aber stolz auf meine Anteilnahme, Oliver!"

    „Und ich bin stolz auf meine nüchterne Sicht der Dinge, äußerte Hell und zog die Augenbrauen hoch. „Ich sage nicht, dass mir die Toten nicht leid tun, aber es wäre vermeidbar gewesen, dass ein Attentäter mit einem LKW über eine so lange Strecke unbehelligt Menschen überfahren kann. Mit ein paar simplem Betonsperren oder ein paar schwerer LKW, die auf der Straße geparkt waren, sagte er und trank seinen Latte in einem Zug aus.

    „Aber so ist es nicht gewesen."

    „Eben."

    „Bekommt dir die Sonne nicht?", fragte Franziska provokant.

    „Wieso?"

    „Weil du im Moment ziemlich unausstehlich bist. Liegt es daran, dass du nichts zu tun hast?"

    Hell schürzte die Lippen. „Nein."

    „Gibt es etwas anderes, von dem ich nichts weiß?"

    „Ebenfalls nein."

    „Dann ist dir nicht zu helfen, sagte Franziska und stand auf. Er spürte, dass er eine Erklärung abgeben musste, sonst würde aus diesem Geplänkel ein Streit entstehen. „Vielleicht bin ich so mies drauf, weil so viel passiert, sagte er und sie hielt in der Bewegung inne. Wartete auf mehr.

    „Vielleicht liegt es daran, dass die ganze Welt im Moment aus den Fugen gerät und wir hier einfach tatenlos zusehen müssen, wie es passiert. Das geht mir auf den Geist. Alles, woran ich in den letzten Jahren geglaubt habe, geht den Bach hinunter. Unsere Demokratie, unsere Freiheit. Die EU zerfällt, der Euro steht auf der Kippe, in den Ostblockländern erstarkt der Nationalismus, ebenfalls in Österreich und Frankreich feiern die Rechten Erfolge. Kannst du mir erklären, was da passiert? Haben die alle nichts kapiert? Brauchen sie einen neuen Krieg? Ist es das, was auf uns zukommt?"

    „Ich teile deine Besorgnis, Oliver. Die Melodie hat sich verändert, sie hat mehr Moll-Töne als Dur-Akkorde. Sie kam auf ihn zu und er vergrub seinen Kopf in ihrem Schoß. „Aber wir sind noch am Leben, dieses Privileg steht uns noch zu.

    *

    Bonn, Innenstadt

    „Hallo-ho, Süße, schön dich zu sehen", flötete Lara Siemons und umarmte ihre Freundin Janine. Sie tat dies so überschwänglich, als hätten sie sich schon Wochen lang nicht gesehen, doch es war erst am Morgen gewesen, in der Schule. Lara küsste ihre Freundin rechts und links auf die Wange, fasste sie bei den Schultern.

    „Komm, lass uns sofort ins TK-Maxx gehen, ich brauche unbedingt ein neues Oberteil, sagte Lara und zog ihre Freundin schon über den Münsterplatz in Richtung des Kaufhauses davon. Neben dem Reiterstandbild hatte sich eine Gruppe Jugendlicher versammelt. Janine erkannte sofort einige ihrer Klassenkameraden. „Och, nein, diese Spakkos und Gehirnamputierten brauche ich nicht auch noch nachmittags, fluchte Janine. Sie wechselte auf die andere Seite, hakte sich bei ihrer Freundin ein. Doch zu spät. Einer der Jungs hatte sie bereits bemerkt, schlug seinem Freund auf die Schulter. „Wenn das nicht unsere liebe kleine Janine ist. Sieh mal, sollte sie nicht lieber daheim sitzen und Englisch pauken, tönte er und trat ihnen breitbeinig in den Weg. Der Freund drehte sich ebenfalls herum und ließ ein breites Grinsen auf seinem Gesicht erscheinen. „Stimmt, die dürfte nicht mehr auf die Straße. Frau Oberstein war not amused über ihre pronounciation today!, stimmte er seinem Kumpel zu.

    „Oh, nein, die Vollpfosten-Armee, zickte Janine und zog genervt die Augenbrauen hoch, „komm schnell weiter, die Doofheit dieser Kerlchen steckt an. Weißt du, Idioten-Viren verbreiten sich auch ohne Körperkontakt!"

    Der Junge, der sie entdeckte hatte, verzog verärgert das Gesicht. „Zieh Leine, Scha-nine! Deine scharfe Freundin kannst du aber gerne hierlassen."

    Lara verlangsamte ihren Schritt, zog Janine gegen deren Willen auf den Jungen zu. „Scharf, ja, ich bin scharf. Aber im Gegenteil zu dir stehe ich auf Männer!"

    Er fasste sich an den Schritt und grinste.

    „Hör mal, solche Typen wie du kotzen mich an. Geh und verschimmle hinter deinem Pubertätsgemüse. Soll das etwa ein Bart sein, das du da im Gesicht trägst? Lächerlich!" Lara lachte laut und gekünstelt auf. Sie war in ihrem Freundeskreis für ihre spitze Zunge berüchtigt.

    „Pass ma auf, Schlampe!, protestierte der Junge, kam einen Schritt auf sie zu. Blitzschnell langte sie in ihre Tasche und holte ihr Pfefferspray hervor. „Komm, Sackratte! Trau dich!, drohte sie ihm.

    „Hey, wie kommst du denn daher?", fragte er.

    „Zieh Leine, du Vollhorst! Ich vergesse mich sonst!", rief sie und warf keck den Kopf in den Nacken. Der Junge starrte fassungslos auf das Spray in ihrer Hand. Um nicht als uncool zu gelten, verzog er nur arrogant das Gesicht. In Wahrheit hatte er mächtig Muffe vor einer Portion Reizgas, doch das sollten seine Kumpels nicht bemerken.

    „Mach mal keine krassen Aktionen, Mädchen! Du hast sie doch nicht alle!, rief er ihr zu und verbarg seine Furcht hinter einer unflätigen Handbewegung. Janine zog Lara am Arm, sagte beinahe beschwörend: „Komm Lara, lass sie stehen. Die haben es nicht besser verdient! Lara ließ das Spray zurück in ihre Tasche gleiten und lächelte mild. „Hast recht, komm lass uns shoppen gehen. Das würde euch auch mal gut stehen, eure Klamotten sind sowas von out, ihr Looser!, gab sie den Jungs noch als Ratschlag mit. Dann hängte sie sich bei ihrer Freundin ein und nach ein paar Metern hatte sie die Situation schon vergessen. „Ich habe gestern dort ein D&G-Shirt gesehen. Hoffentlich ist das noch da! Und wenn nicht, dann kratze ich der Schlampe die Augen aus, die es gekauft hat!, flötete sie. Janine stimmte sofort in die affektierte Fröhlichkeit ihrer besten Freundin ein, obwohl sie es manchmal nicht nachvollziehen konnte, wie schnell Lara umschalten konnte. Von total sauer auf hyperfreundlich. Oder zurück. Aber so war sie eben. Kapriziös. Ein wenig so, wie die Models, die sie so verehrte.

    Neben der Filiale der Postbank am Münsterplatz, die in unmittelbarer Nähe zu dem Eingang von TK-Maxx lag, stand ein Mann mit einer Kamera. Er betrachtete die Fotos, die er in den letzten Minuten geschossen hatte. Der Fotograf betätigte das Wählrad und blieb bei einem Bild hängen, das ihn besonders faszinierte.

    Blaue Augen, braunes Haar. Schmales Gesicht und volle Lippen. Er zoomte auf die Augen, atmete einmal tief durch und packte mit zitternden Fingern die Kamera in seine Umhängetasche. Kurz drauf betrat er den Eingang zu TK-Maxx und ließ betont unauffällig seinen Blick schweifen.

    *

    Bonn

    Das Schweigen währte sehr lange. Der Fahrer des blauen Seat Ibiza starrte leer vor sich hin. Ebenso sein bärtiger Kompagnon auf dem Beifahrersitz.

    „Fahrzeugpapiere und Führerschein!", forderte der junge Polizeibeamte ihn erneut auf. Wahrscheinlich hatte diese wiederholte Aufforderung des Polizisten die kleinen grauen Zellen des Mannes erst jetzt in Schwung versetzt, denn plötzlich stieß er einen schrillen Fluch aus und gab Gas. Der blaue Kleinwagen schoss nach vorne, direkt auf den zweiten Beamten zu, der sich gerade das Kennzeichen gemerkt hatte und auf dem Weg zum Einsatzwagen war. Halterabfrage. Business as usual. Mit einem beherzten Sprung entging er der Kühlerhaube des Seat und landete dennoch unsanft hinter seinem VW-Passat. Der Seat rauschte davon.

    „Heilige Scheiße, was ist denn in die gefahren?", fragte er noch auf dem Boden liegend seinen jungen Kollegen. Der streckte ihm die Hand entgegen.

    „Los komm! Diese beiden Ärsche schnappen wir uns. Kannst sagen was du willst. Fahrer mit Bart und offensichtlichem Migrationshintergrund sind mir suspekt. Sehr suspekt sogar, und seit der Silvesternacht in Köln noch viel suspekter als jemals zuvor, rief der junge Polizist. Sein Kollege brummte eine Antwort, wuchtete sich hinter das Lenkrad des Einsatzfahrzeuges und hörte zu, wie sein junger Kollege eine Eisatzmeldung absetzte: „Luna 17 für Zentrale. Verfolgen ein blaues KFZ Marke Seat Ibiza Fahrtrichtung Medinghoven. Kennzeichen SU-RZ 257. Standort Bonn B56 Rochusstraße kurz vor der Straßenmeisterei. Erbitten Unterstützung. Mit Blaulicht und Martinshorn rasten die beiden Polizeibeamten los und nahmen die Verfolgung auf.

    *

    Bonn, Innenstadt

    Laras schriller Entzückensschrei hallte durch die obere Etage des TK-Maxx. Janine sah sich nach den anderen Kundinnen um, die über ihr Verhalten bereits die Nase rümpften. „Geht doch auch leiser, Lara", riet sie ihrer Freundin.

    „Voll das Zalando-Feeling, das geht nicht leise. Die Tussen sollen sich um ihren eigenen Kram scheren", rief sie und steckte einer Frau, die neben ihr im Gang stand, die Zunge raus. Diese Frau schüttelte den Kopf, zischte eine Beleidigung und ging einen Gang weiter.

    „So ist es brav, du olle Schrulle!, rief ihr Lara noch halblaut hinterher. Dann hielt sie sich erneut das D&G-Shirt vor die Brust und hüpfte vor Freude wie eine Dreijährige auf und ab. „Sehe ich damit nicht aus wie Milly? Sag! Sieht doch aus wie Milly auf ihrem Instagram-Account!

    Sie legte das Shirt spontan auf der Kleiderstange ab und zog sich ihr T-Shirt aus. Noch bevor ihre Freundin etwas sagen konnte, warf sie ihr das getragene Kleidungsstück zu und streifte sich das teure Shirt über.

    Gottseidank trägt sie wenigstens einen BH, dachte Janine. Sonst hätte es sicher keine Minute gedauert, bis jemand kam und sie vor die Tür setzte. „Du hättest damit schon in die Umkleide gehen können", tadelte sie halbherzig ihre Freundin.

    „Spießerin!"

    „Na, wie steht es mir? Sag jetzt bloß nichts Falsches, Janine. Sie blitzte ihre beste Freundin an. Natürlich stand ihr das Shirt hervorragend. So schlank und trotzdem weiblich ihre Figur mit fünfzehn schon war. Wo sie selbst doch hier und da etwas an ihrem Körper auszusetzen hatte. „Na?

    „Siehst toll aus, wirklich …, sagte sie, doch den Rest des Satzes verschluckte sie, denn hinter Lara stand plötzlich ein Mann mit einer Lederjacke. „Vorsicht!, raunte sie Lara noch zu. Die fuhr herum und erstarrte.

    „Ihr braucht keine Angst zu haben, sagte der Mann mit der Lederjacke und setzte ein gewinnendes Lächeln auf, „Ich bin nicht vom Haus. Er nahm die Sonnenbrille ab und seine hellblauen Augen verfingen sich in Laras Antlitz.

    „Hast du eben Milly Simmonds gemeint?", fragte er mit einer sonoren Stimme, die zu einem Mann passte, der selbstbewusst durchs Leben schritt.

    „Was … wann?", stotterte Lara mit offenem Mund. Sie erhielt ein mildes Lächeln seinerseits.

    „Du fragtest sie: Sehe ich damit nicht aus wie Milly? Und ich denke, die korrekte Antwort lautet: Ja, du siehst aus wie Milly Simmonds. Ich muss es wissen, ich habe sie noch vor drei Wochen in England fotografiert."

    Der Mann mit der Lederjacke und den stahlblauen Augen wartete auf eine Reaktion.

    Lara Siemons riss die Augen weit auf. „Sie haben was? Sie kennen Milly? Wie ist sie? Ist ihr Hund wirklich so niedlich?", bombardierte Lara ihn mit Fragen.

    Er strich sich betont langsam durch das Haar, suchte den Blick von Janine und saugte sich daran fest. Dann wechselte er wieder zu Lara.

    „Wenn ihr beiden Zeit habt, dann lade ich euch auf einen Kaffee ein … ihr trinkt doch Kaffee, oder?", sagte er nonchalant.

    „Sicher haben wir Zeit, haben wir doch!", sagte Lara und warf ihrer Freundin einen bittenden Blick zu.

    „Ich muss um halb drei den Bus bekommen, sonst warte ich eine halbe Stunde auf den nächsten", antwortete sie.

    „Okay, dann gehen wir ins Café Pendel und von dort aus kannst du den Bus sehen, wenn er kommt. Du musst doch von dort aus losfahren?", wollte der Mann wissen.

    Janine nickte, aber sie sah nicht wirklich glücklich aus bei dem Gedanken. Eine Befürchtung, die mehr als das war, kam in ihr auf. Woher wusste der Mann, von wo ihr Bus abfuhr?

    „Los komm, wir bezahlen das Shirt und dann gehen wir sofort los, rief Lara aufgeregt, und dann an den Mann gewandt: „Bitte warten Sie auf uns, nicht weg gehen!

    Er hob wie abwehrend beide Hände, ein Lächeln flog über sein Gesicht. „Natürlich warte ich", sagte er mit Nachdruck. Dann schob er sich die Sonnenbrille wieder vor die Augen, damit er unbeobachtet den beiden Mädchen hinterherschauen konnte. Sein Blick heftete sich auf den Popo von Lara Siemons und ganz automatisch fuhr seine Zunge über die Lippen.

    *

    Bonn, Präsidium

    Staatsanwalt Pavel Retzar lächelte maliziös. „Dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig, als Oliver Hell aus seinem wohlverdienten Urlaub zu holen", sagte er und konnte ein fieses Grinsen nicht verbergen.

    „Wenn Sie das so sehen, dann überlasse ich Ihnen gerne die Aufgabe, Kriminalhauptkommissar Hell persönlich anzurufen!", antwortete Oberstaatsanwältin Brigitta Hansen ohne mit einer Wimper zu zucken. Retzar schluckte.

    „Wenn Sie das so anordnen." Er wirkte plötzlich vergrätzt. Hansen trug weiter ihr Pokergesicht. Staatsanwalt Retzar war dagegen gewesen, dem gesamten Team von Oliver Hell Urlaub zu gewähren. Warum auch immer. Und jetzt hätte er es zu gerne gesehen, wenn Brigitta Hansen Hell persönlich aus dem Urlaub ins Präsidium oder besser noch, direkt nach Witterschlick in die alte Kiesgrube bestellt hätte. Er machte eine schnelle Bewegung nach vorne und wollte das Telefon Hansens für den Anruf nutzen. Doch sie legte mit einer unschuldigen Geste ihre Hand auf den Hörer, zog ihre linke Augenbraue hoch.

    „Nutzen Sie doch bitte Ihren Apparat, ich muss die Polizeipräsidentin informieren, dass das Sommerloch beendet ist und wir eine weibliche Leiche in einer Kiesgrube haben." Retzar zog die Hand so schnell zurück, als wäre er Gefahr gelaufen, von einer Tarantel gestochen zu werden.

    „Wie Sie meinen, Frau Oberstaatsanwältin", murmelte er und machte auf dem Absatz kehrt. Hansen nahm den Telefonhörer in die Hand, wartete, bis Retzar die schwere Holztür hinter sich geschlossen hatte, dann legte sie es wieder zurück. Der Hauch eines Lächelns war auf ihren Lippen zu sehen.

    Ein Anruf bei der Polizeichefin hatte Zeit. Stattdessen nahm sie ihr Handy zur Hand, tippte eine Kurzwahl ein und hielt es sich ans Ohr. Als der Angerufene das Gespräch annahm, seufzte sie. „Oliver, es tut mir fürchterlich leid. Aber du erhältst gleich einen Anruf von Retzar, der dich aus dem Urlaub zurückordert."

    Sie strich sich eine blonde Strähne aus der Stirn und wartete gespannt auf die Antwort. Zu ihrer großen Verwunderung kam kein Protest.

    „Gottseidank, ich dachte schon, ich müsste wirklich die ganzen zwei Wochen hier absitzen. Was ist passiert? Wo?", wollte Oliver Hell wissen, schien sofort bei der Sache zu sein.

    „Man hat eine Tote in einem gestohlenen PKW gefunden, der sich kurz zuvor eine Verfolgungsjagd mit einer Polizeistreife geliefert hatte. Näheres erfährst du gleich von Retzar. Aber tu bitte überrascht, Oliver", bat sie ihn. Sie hörte Hell lachen.

    „Keine Angst, Brigitta. Ich lasse ihn auflaufen, vernahm sie. „Es klopft an. Das wird Retzar sein. Dann war das Telefonat beendet.

    *

    Bonn

    Lara Siemons stand auf der Toilette des Café Pendel vor dem Spiegel und betrachtete sich kritisch. Oben im Café saß ihre Freundin Janine mit dem Mann, der ganz offensichtlich ein Promi-Fotograf war. Was für ein Glücksgriff. Er hatte ihnen auf dem Weg ins Café berichtet, dass er in Bonn sei, um sich hier mit einem Kollegen für ein gemeinsames Shooting zu treffen. Und es sei Zufall, dass er auf dem Münsterplatz gewesen sei, der Kollege hätte ihm kurz zuvor eine App geschickt, mit der Bitte, das Shooting um zwei Stunden zu verschieben. Daher hätte er auch Zeit für einen Kaffee mit den Mädels. Übermorgen sei er schon wieder auf dem Weg nach New York.

    Sie schob ihre Lippen nach vorne und zog sie mit einem roten Lippenstift nach. Sie nahm sich ein Papier aus dem Spender und nahm es vorsichtig zwischen die Lippen. Du siehst toll aus, dachte sie. Du siehst heute wirklich Milly Simmonds sehr ähnlich. Lara verehrte Models, und die Britin Milly Simmonds ganz besonders. Sie war hübsch, unglaublich hübsch sogar. Ihre Aufnahmen sahen so aus, als seien sie Schnappschüsse, keine gestellten Bilder. An ihrer Wand in ihrem Zimmer hingen viele Fotos, die das junge Model zeigten. Daneben ein Foto von Lara zusammen mit ihrem Hund, das sie einem bekannten Schnappschuss von Milly nachempfunden hatte. Lara schloss die Augen und begann zu träumen. Was hatte der Mann kurz zuvor gesagt?

    „Ich mache Fotos von dir, dann haben wir schon die Grundlage für eine Set-Karte. Die benötigst du für eine Anstellung als Model. Aber so wie du aussiehst und wie du dich bewegst, ist das kein Problem. Die Agenturen reißen sich nach jungen Dingern, die so aussehen wie du."

    Junge Dinger wie ich, dachte sie. Deine großen blauen Augen, deine schmale Taille und deine langen Beine hat dir Gott gegeben. Nutze sie!

    Lara ging mit klopfendem Herzen die schmale Treppe hinauf und sah, wie der Fotograf und Janine sich vor dem Display der Digitalkamera drängten.

    „Das musst du sehen, Lara, er hat sogar Fotos von Milly und ihrem Hund auf der Kamera."

    Lara ließ sich schnell auf dem Stuhl neben dem kleinen Tisch vor der Theke nieder.

    „Zeig!"

    Der Fotograf hielt ihr lächelnd die Kamera hin.

    „Wie süß!", kreischte sie verzückt.

    „Magst du Hunde?"

    „Ja, ich habe selber einen Hund. Willst du ihn sehen?", fragte sie aufgekratzt.

    „Gerne."

    Sie holte ihr Handy aus der Tasche und tippte darauf, hielt ihm kurz drauf ein Foto von ihrem Hund hin. „Das ist Lucy. Sie ist ein Doodle, wie der von Milly."

    Der Mann betrachtete das Foto, dann ließ er sich auf seinem Stuhl zurückfallen. „Ihr beiden könntet beinahe Schwestern sein", seufzte er.

    „Ehrlich?"

    „Kein Scheiß. Wir machen morgen die Fotos und dann sehen wir weiter. Aber wenn ich so nachdenke …", sagte er langsam, sah an ihr hinab und wiegte den Kopf hin und her.

    Lara ballte die Hände zu Fäusten, kniff die Augen zusammen und kreischte leise vor sich hin.

    „Jajajajajajaja!"

    Eine Viertelstunde später bestieg sie den Bus, ließ sich auf eine der Bänke fallen. Sie streckte die Beine aus und schloss die Augen. Sie würde es schaffen. Model sein. Und so bekannt sein wie Milly.

    *

    Bonn, Kiesgrube Flerzheim

    Franziska war nicht erfreut gewesen, dass Hell sofort nach dem Anruf von Staatsanwalt Retzar das Haus verlassen hatte. Im Schlafzimmer hatte sie ihm deutlich gemacht, wie sie zu dem plötzlichen Abbruch des Urlaubs stand. Doch schließlich hatte sie sich damit abfinden müssen. Während er sich ankleidete, versuchte er sie weiter zu besänftigen, versprach ihr, nur den Tatort zu besuchen und dann den Fall an Kollegen abzugeben. Völlig unüblich trug er allerdings keine lange Hose, sondern hatte direkt die Shorts anbehalten, die er im Garten getragen hatte. Immerhin gab ihm ein helles Hemd eine gewisse Seriosität. Zu den brauen Sneakers hatte er ebenfalls helle Socken gewählt. Als er so gekleidet am Fundort der Leiche auf dem Gelände der Kiesgrube Flerzheim auftauchte, fragten ihn die beiden Beamten, die dort die Absperrung sicherten, nach seinem Dienstausweis. Missvergnügt hielt er ihnen die Plastikkarte hin und erhielt eine halbherzig gemurmelte Entschuldigung wenigstens von einem der beiden. Die KTU hatte schon die Arbeit aufgenommen. Ein Einsatzfahrzeug stand etwas außerhalb, in Fahrtrichtung der Kiesgrube. Ein weiß gekleideter Tatortermittler kniete auf der Ladefläche des Spezialfahrzeugs, das pickepacke voll mit Spezialutensilien beladen war. Hell konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte, nur die Form des wohlgeformten Gesäßes ließ auf eine Frau schließen. Unter der weit nach oben aufragenden Heckklappe des Seat Ibiza machte ein anderer Ermittler Fotos von der Leiche.

    Hell trat zu ihm hin. „Urlaub beendet?, fragte dieser knapp, ohne das Display der Kamera aus dem Auge zu nehmen. Hell antwortete nicht direkt, weil er den Mann nicht sofort erkannte. Hell blickte in den Kofferraum und konnte sich einen Fluch nicht verkneifen. „Verdammte Scheiße, das ist ja noch ein Kind!, brummte er ärgerlich.

    „Dachte mir schon, dass Retzar dich deshalb haben wollte, antwortete der Tatortermittler und senkte die Kamera. „Ja, das ist noch ein Kind. Und wenn du mich fragst, dann ist die offensichtliche Herkunft des Opfers an sich schon eine Bombe. Hallo Oliver, sagte Tim Wrobel, der Leiter der Bonner KTU. Für einen Moment wunderte sich Hell darüber, dass er seinen Freund Tim nicht unter dem weißen Overall erkannt hatte. Doch dies hatte nur für ein zwei Sekunden Priorität. Dann war er wieder ganz gefesselt von der sehr jungen Toten. Die braunen Augen der Toten starrten ins Leere. Sie war ein hübsches Mädchen, mit langem dunkelbraunem, fast schwarzem lockigen Haar. Er beugte sich in den Kofferraum hinein und betrachtete die Würgemale am Hals den Kindes.

    „Wo sind die Typen, die das Auto gefahren haben?", fragte er, sicher neugierig, aber mehr, um sich selbst von dem flauen Gefühl in seinem Magen abzulenken. Wrobel verzog das Gesicht.

    „Weg, die sind filmreif flitzen gegangen."

    Hell hörte gar nicht richtig hin. Die junge Frau hatte massive Würgemale an der vorderseitigen Halshaut, es waren auch halbmondförmige Abdrücke der Fingernägel des Mörders zu sehen. Hell schluckte, achtete darauf, mit dem Kopf nicht gegen die Heckklappe zu stoßen, als er sich aufrichtete.

    „Was meintest du?", fragte er erneut nach.

    „Wozu?"

    „Entschuldigung, ich bin etwas geschockt. Ich hätte nicht gedacht, hier eine junge Türkin zu finden. Oder was denkst du, woher sie stammt?", fragte er und heftete seinen Blick auf Tim Wrobel. Auch dessen Gesichtsausdruck sprach Bände.

    „Du liegst damit sicher richtig, ich würde auch sagen, dass unser Opfer aus der Türkei, Syrien oder dem Irak stammt. Was Näheres kann sicher Stephanie beisteuern. Sie kommt übrigens etwas später, weil sie noch einen Suizid vor der Brust hat", informierte ihn der Tatortermittler.

    „Um Gottes willen! Die himmlische Ruhe ist vorbei, wie mir scheint."

    „Ja, wir kommen eben von dort. Ein älterer Mann, kein Vergleich zu dem hier", sagte Wrobel mit einer Kopfbewegung hin zu der Toten.

    „Kinder sollten nie vor ihren Eltern gehen. Und sie sollten nie so elend sterben müssen, wie dieses Kind hier!", fügte Hell an. Beide seufzten.

    „Ja, das ist übel", sagte Wrobel hart.

    „Was für ein Mädchen ist sie wohl gewesen?"

    Hell fuhr herum. Neben ihm stand die weibliche Tatortermittlerin, deren Hinterteil er im Fahrzeug der Ermittler schon heimlich bewundert hatte.

    „Ein sehr hübsches", antwortete Hell und sah die junge Frau fragend an. Sie hielt dem stand. Unter der Kapuze quoll keck eine blonde Strähne hervor. Knapp dreißig Jahre alt, eins sechzig groß und schlank, lustige Lachfältchen um den Mund herum. Ihre blauen Augen wirkten riesig in dem schmal geschnittenen Gesicht.

    „Ach ja, ich bin die Neue. Mein Name ist Constance Nimmermann. Sie müssen Kommissar Hell sein, stimmt’s? Sie hielt ihm ihre Hand hin. Hell schlug ein. „Ja, Oliver Hell, sehr angenehm, Frau Nimmermann. Ihr Händedruck war für eine Frau sehr fest.

    „Julian Kirsch hat sich eine Auszeit genommen. Er tourt mit einem Freund für ein halbes Jahr durch Neuseeland. Frau Nimmermann ergänzt unser Team in dieser Zeit", erläuterte ihm Wrobel nebenbei. Die junge Frau hatte aber schon die Freundlichkeiten abgehakt und widmete sich wieder der Toten.

    „Türkin? "

    „Vielleicht. Diese Frage haben wir uns auch eben gestellt", gab Hell zu. Frau Nimmermann trat einen Schritt nach vorne. Sie holte einen länglichen Gegenstand aus ihrem Ermittlerkoffer und kniete sich auf die hintere Prallfläche des Seat. Mit einer schnellen Bewegung hob sie damit den Rock des Mädchens hoch.

    „Upps! Eine junge Türkin, die Strapse trägt. Gewöhnungsbedürftig", stieß sie überrascht aus und sah über die Schulter hinweg zu den beiden Männern herüber. Beide Männer vergewisserten sich, dass sie zweifellos richtig lag, sie wurde dafür mit anerkennenden Blicken bedacht.

    „Allerdings, sagte Hell, „wir müssen die Kollegen von der Sitte befragen, ob sie die Tote kennen.

    „Klar."

    „Die Strapse sind übrigens keine aus dem Angebot von C&A oder so, die kommen aus einem speziellen Milieu", sagte sie ohne die Augen schamvoll niederzuschlagen. Sie schien sich damit auszukennen. Wrobel nahm es ebenso schweigend hin wie Hell.

    „Schon klar, was die Herren jetzt denken. Aber ich darf Sie dahingehend beruhigen. Meine Vorlieben für Unterwäsche liegen woanders. Ich war ein paar Jahre bei der Sitte, bevor ich zur KTU wechselte. Da lernt man sein Metier von der Pike auf."

    Hell interessierte sich nicht für ihre Geständnisse. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und überlegte. Innerhalb von ein paar Sekunden war aus diesem bedauernswerten jungen Opfer möglicherweise eine Prostituierte geworden. So schnell veränderten sich in der Polizeiarbeit die Perspektiven.

    „Gute Arbeit, Frau Nimmermann", sagte er anerkennend.

    „Danke, Herr Kommissar", sagte sie und lächelte.

    *

    Bonn, Ministerium des Innern

    „Schönen guten Tag, Herr Doktor Matheissen", grüßte die Büroleiterin freundlich. Matheissen nickte seiner Angestellten nur kurz zu und ging direkt weiter in sein Büro.

    Solche Arbeitszeiten hätte ich auch gerne, dachte sie und seufzte. Matheissen hatte angegeben, den Morgen über Termine zu haben, doch sie kannte seinen Terminkalender und wusste, dass er sich einen freien Vormittag gegönnt hatte. Bei seinem sonst prall gefüllten Terminkalender tat er das von Zeit zu Zeit. Mit einer Tasse dampfendem Kaffee betrat sie kurze Zeit drauf sein Büro und stellte die Tasse auf seinem ausladenden Schreibtisch ab.

    „Wie erbeten liegt die wichtige Korrespondenz in den Wiedervorlagemappen, erwähnte sie noch, war es allerdings klar, dass sie dafür gesorgt hatte, dass alles so arrangiert war, wie der Herr Doktor es wünschte. Matheissen konnte da sehr ungehalten sein, wenn es nicht so war. Doch diesmal nickte er nur konziliant und rang sich sogar ein Lächeln ab. „Ihr Kaffee, Herr Doktor, schwarz und mit zwei Stück Zucker.

    „Danke. Wann erwarten wir den Besuch aus den Niederlanden noch? Am 18.oder 19. Juli?", fragte er und vertiefte sich in seinen Outlook-Kalender.

    „Am 18. Juli, morgens um 10 Uhr, Herr Doktor", antwortete sie wie gewohnt gut informiert.

    „Dann habe ich das ja richtig im Kopf, antwortete er beiläufig. „Aber trotzdem Danke, wenn ich Sie nicht hätte, Frau Joachim, ich wüsste manchmal nicht, was ich tun würde!

    „Das ist meine Aufgabe, Herr Minister", antwortete sie und lächelte geschmeichelt. Doch schnell war sie wieder professionell und verließ den Raum. Matheissen sah ihr nach. Ihre Figur war nach wie vor tadellos, drall und an den richtigen Stellen gut proportioniert. Doch über kurz oder lang würde er sich eine jüngere Büroleiterin suchen. Eine mit weniger Falten im Gesicht. Frau Joachim tat zwar alles, um ihr fortgeschrittenes Alter zu verbergen, aber das gelang ihr nur noch mit großen Mühen.

    *

    Bonn, Präsidium

    „Weg!"

    Diese Antwort gefiel Hell überhaupt nicht. Er hatte die beiden Beamten vor sich stehen, denen die Verfolgung so gründlich missglückt war. Bedröppelt. Mit gesenkten Köpfen.

    „Und die Personenbeschreibung? Wie sieht es damit aus?"

    Hell musterte die beiden kritisch. Während einer der beiden Beamten über das wenig zufriedenstellende Ergebnis des Fahndungsaufrufes referierte, rührte Hell in seinem Kaffee. Obwohl dieser schon kalt sein musste.

    Was war bloß los mit dem Polizeinachwuchs? Warum begangen so viele junge Kollegen solche Fehler? Er machte sich ernsthafte Sorgen. Nicht nur um diese beiden, sondern auch um seinen Sohn Christoph, der in der kommenden Woche seinen Dienst bei der Einsatzzentrale in Bonn antreten würde. Als Frischling direkt von der Polizeischule in Münster.

    „Die beiden sind bisher nicht polizeilich aufgefallen, daher haben wir keine Chance, sie zu identifizieren, sagte der junge Beamte zerknirscht. Hell seufzte innerlich. „Ist in Ordnung, Sie können Ihren Dienst wieder aufnehmen!

    Die beiden verabschiedeten sich mit dünnen Stimmen und er war alleine in der Abteilung. Er hatte die Kollegen zusammengetrommelt, die sich wie er offiziell im Urlaub befanden. Daher würde es eine Weile dauern, bis sie gemeinsam loslegen konnten. Hell starrte aus dem Fenster, dorthin, wo auf der anderen Rheinseite sich die Höhen sanft gegen den blauen Himmel abhoben.

    Wer hatte diese junge Frau getötet? Und warum? War sie tatsächlich eine Prostituierte? Oder hatte man sie womöglich sogar unter Drogen gesetzt, um sie zu sexuellen Handlungen zu zwingen? Die Obduktion der Leiche würde darüber Klarheit bringen. Doktor Stephanie Beisiegel, die Chefin der Bonner Rechtsmedizin, hatte ihm versprochen, schnell Ergebnisse zu präsentieren. Was er schon jetzt allerdings spürte, war, dass ihm diese Sache hier schon gewaltig an die Nieren ging. War sie ein Opfer der Umstände geworden? Was hatten diese beiden Männer mit Migrationshintergrund mit ihrem Tod zu tun? Waren sie die Mörder? Hatte man sie nur engagiert, um die Leiche loszuwerden? Wohin wollten sie das Mädchen bringen? Man konnte davon ausgehen, dass sie aus der Not heraus die Kiesgrube ausgewählt hatten, um vor der Polizei zu flüchten. Oder war dies zuvor schon der Plan? Es gab nichts

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