Gespräche In Dem Reiche derer Todten
Von David Fassmann
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Buchvorschau
Gespräche In Dem Reiche derer Todten - David Fassmann
Herausgeber
Erik Schreiber
Saphir im Stahl
Gespräche in dem Reiche derer Todten
David Fassmann
e-book 065 Erscheinungstermin: 01.11.2020
© Saphir im Stahl
Verlag Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Simon Faulhaber
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb: bookwire
ISBN: 978-3-96286-037-0
Gespräche
In
Dem Reiche derer Todten,
Hundert und Zwanzigste Entrevue,
Zwischen
Kunzen von Kauffung
Dem Sächsischen Prinzen-Räuber
Und
Aruch Barbarossa
Einem weltbekannten Türckischen See-Räuber, und nachmahligen König zu Algier,
Worinnen nicht nur sonderbare Nachrichten, von dem Raub derer beyden sächsischen Prinzen Ernesti und Alberti, ihrer Befreyung, und Kuntzens erfolgter Hinrichtung durch das Schwerdt enthalten, sondern auch Barbarossa Erstaunens-würdige See-Raubereyen, tessen Erhebung zum König zu Algier, und mit der Prinzeßin Zapphira gewechselten Liebes-Briefe, mitgetheilet werden,
Samt dem Kern derer neuesten Merckwürdigkeiten, und darüber gemachten curieusen Reflexionen.
Leipzig, verlegts Wolfgang Deer, unter Herrn Johann Schwabens Hause, in der Grimmischen Gasse, 1727. aufgelegt 1734.
Kuntz von Kauffung, ein bekannter Meißnischer von Adel und Churfürst Friedrichs zu Sachsen, des Sanfftmüthigen, gewesener Hof-Marschall, der seinem zu Kriegs- und Friedens-Zeiten erworbenen Ruhm, durch Raubung der beyden Sächsischen Prinzen Ernst und Albrechts, einem ewigen Schand-Fleck angehänget hat, stund für kurzer Zeit in dem Reiche derer Todten an dem Ufer eines Schiff-richen Flusses in tieffen Gedancken, und sann seinem auf der Welt gehabten Schicksal dergestalt nach, daß er darüber einmahl nach dem andern wehmüthig zu seuffzen anfieng. Indem er aber wieder zu sich selbsten kam, und bey sich erwegte, daß man ein erlittenes Unglück durch allerhand melancholische Betrachtungen über dasselbe dem Gemüthe nur desto tieffer eindrücke, und davon weiter keinen Vortheil habe, als daß das Herz mitten unter den sanfften Rosen einer unschuldigen Lust und Vergnügung von den empfindlichen Dornen einer unruhigen Bekümmerniß gestochen werde, wandte er seinen Fuß nach dem bishero betretenen Ufer nach einen daran stossenden Lust-Walde zu, sich darinne durch einen angenehmen Spazier-Gang, unter den Schattichten Zweigen, seiner traurigen Gedancken zu entschlagen, und lieber denen lieblich singenden Vögeln, als seinen bekümmerten Gedancken länger Gehör zu geben. Aber kaum war er ein wenig in diese belaubte Einöde hinein spazieret, und hatte nach Art eines von Unmuth und Kummer eingenommenen Menschens alles und jedes, was ihm zu Gesichte gekommen, mit flüchtigen Augen angesehen, ob dadurch sein unruhiger Sinn von dieser traurigen Materie ab- und auf etwas anderes und vergnügters gelencket werden möchte, als er bey Erblickung gewisser auf der Erde stehender Beere, welche jenen fatalen Beeren, (über deren Abpflückung er im Walde bey ‚Wiesenthal bey seinem Prinzen-Raube ertappet worden war,) nicht ungleich sahen, aufs neue von seinem im Leben gehabten Unglück mit einer solchen Ausbreitung seines Gemüths über dessen unbeschreibliche Grösse und Bitterkeit gerühret ward, daß er die bißhero stillen Seuffzer in folgende Anrede an diese leblosen Erd-Gewächse ausbrechen ließ: Betrüge ich mich, oder seyd ihrs, ihr mir so verhaßten Früchte, an denen ich mein Unglück und meinen eigenen Todt abgebrochen hae? wer hat euch hierher gepflanzt, daß, indem ihr mir auf euren Stengeln lauter traurige Bilder meines bey seiner Trennung von dem Cörper mit Blut gefärbten Kopffs für Augen stellet, ihr die ohne diß meine Seele fesselnde Unruhe noch mehr wider mich waffnen sollet? Stellet ihr auch an diesem Orte meiner Wohlfahrt nach, und wollet meine Verräther werden? Ihr, ihr seyd Schuld daran, daß ich meinen Raub, meine Freiheit, und mein Leben einbüssen, und auf einem blutigen Weg aus der Welt gehen müssen. Ach! daß ich euch nicht für mir sehen solte, ihr unglückseligen Beere! Doch was erzörne ich mich über dieser unschuldigen Kinder einer Mutter, die auch mich getragen hat? versetzte er hierauf bald mit veränderter Stimme. Warum lasse ich meinen Zorn nicht auf mich selbst zurücke fallen? Ach mich verwegensten Menschen unter der Sonne! Ist es denn möglich gewesen, daß ich mich durch eine ungegründete Rache, und unersättliche Begierde, mehr Reichthum und Güter zu bekommen, dahin habe verleiten lassen können, daß ich mich selbst an dem Fleisch und Blut des Durchlauchtigsten Churfürst Friedrichs zu vergreiffen keine Scheu getragen? mein Verbrechen ist um so viel desto straffbarer, je weniger es mit einer Ubereilung, oder einem andern Schein-Grunde entschuldiger werden kan. Ich habe zu dessen erschrecklicher Ausführung verschiedene Personen mit verleitet, die hernach, als ich von einem Köhler verrathen, und kurz darauf zu gebührender Straffe gezogen worden, gleichergestalt der Gerechtigkeit in die Hände gefallen sind, und durch meine Schuld nicht nur einen gewaltsamen, sondern zum theil noch viel schmählichern Todt, als ich, ausstehen müssen, welches mir sehr nahe gehet. Daß ich nicht gedencke, wie auch mein leiblicher Bruder Dietrich, als er mit einer allzufreyen Zunge von meinem Unternehmen gesprochen, dadurch in das größte Unglück gekommen, daß er seinen Hals dem Hencker-Schwerdt darstrecken, und auf gleiche Weise mir in die Ewigkeit nachfolgen müssen, dessen Todt mich gewiß nicht wenig schmerzet. Insonderheit aber dauert mich dieses von Herzen, daß, wie ich von einigen nach der Zeit in dem Reiche derer Todten angekommenen Passagiern vernommen, Churfürst Friedrich, nach seiner angebohrnen Sanfftmuth, mir hat Gnade wollen wiederfahren lasse, der dißfalls von Hofe abgefertigte Courier aber zu spat angelanget ist, daß ich durch einen einzigen Streich, der meine Seele von dem Leibe geschieden, eher in den Stand gesetzet worden, darinne ich von der hurfürstl. Gnade nicht mehr profitiren können, als mir das Verhängnis zu wissen vergönnet hat, daß er mich mit derselben beschencket habe. Ach demnach mich unglückseeligen Prinzen-Räuber!
Kunz wiederholte diese letzten Worte etliche mal, als ein in dem 16ten Seculo berühmter See-Räuber, mit Namen Aruch Barbarossa, welcher in eben diesem Lust-Walde sich ergötzete, und ihm eine geraume Zeit, ohne daß er es vermercket, von weiten zugehöret hatte, sich demselben näherte. Und weil er vernommen, daß Kunz auf der Welt einen Räuber agiret habe, so stünd er in den Gedancken, er sey eben dieser Profession zugethan gewesen, welche er ehemals bey seinen Leb-Zeiten getrieben hatte. Daher war er begierig sich mit ihm in ein Gespräch einzulassen, ud weil ihm eines und das andere in seinen Reden noch dunkel geschienen, von ihm selbst Nachricht deßwegen einzuziehen, dazu er den Anfang mit folgenden Worten machte:
Barbarossa.
Glück zu meines Gleichens! So viel ich aus euren Reden abnehmen können, habt ihr euch in der Welt aufs Rauben gelegt, welches auch meine ordentliche Handthierung gewesen ist. Aber wie habt ihr es so versehen, daß ihr euch auf derErde capern lassen, darauf man mit zwey Beinen nicht so geschwinde denen nachstellenden Feinden aus den Augen und Händen gehen kan, als mit einem Pfeil-schnellen Schiffe auf der See, da ihr vermuthlich auf derselben eure Caperey angestellet habt? hierauf antwortete der, mit einer ernsthafften Mine den ihm unbekannten Barbarossa anstehende.
Kunz von Kauffung
Ihr möget seyn, wer ihr wollet, der ihr mich in meinen rechtmässigen Klagen, über mein ungütiges Schicksal, daß ich in der Zeitlichkeit empfinden müssen, stöhret, so irret ihr euch doch gewaltig, wann ihr meynet, daß ich unter diejenigen zu zehlen sey, welche in ihrem Leben die Sicherheit derer, so auf der See fahren, beunruhigen, und als Ungeheuer von Menschen sich von Rauben ernähren, und auf dieses schändliche Art auf einmal reich zu werden trachten. Nein! ich habe dieses Handwerck jederzeit für eines der gottlosesten auf der Welt gehalten, und bin auch noch der gäntzlichen Meynung, daß es mit der größten Ungerechtigkeit verknüpfet, und als eine schändliche Lebens-Art billig zu verfluchen sey.
Barbarossa.
Es, was saget ihr! mit was für Gründen wollet ihr diese behaupten, da die Natur einem jeden vergönnet, sich dessen zu seinem Nutzen zu bemächtigen, worzu man die Kräffte und das Vermögen hat, auch worüber sich viel Völcker von alten Zeiten her, kein Gewissen gemacht haben.
Kunz von Kauffung.
Daß die See-Rauberey durch das Recht der Natur zu gelassen sey, ist grundfalsch, sintemal dasselbe nur solche Dinge billiget, die zur Erhaltung der menschlichen Gesellschafft dienet, wider welche aber ein dergleichen feindseeliger Zustand, als sich bey Rauben und Plündern findet, augenscheinlich streitet. Daß aber unterschiedene Völcker von langen Zeiten her, sich auf