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DER ELEGANTE MR. EVANS: Drei Romane in einem Band - erstmals in deutscher Sprache!
DER ELEGANTE MR. EVANS: Drei Romane in einem Band - erstmals in deutscher Sprache!
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eBook616 Seiten8 Stunden

DER ELEGANTE MR. EVANS: Drei Romane in einem Band - erstmals in deutscher Sprache!

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Über dieses E-Book

Begegnen Sie dem eleganten Mr. Evans und dem »Müller« im düster-zwielichtigen London der Jahre zwischen den beiden Weltkriegen...
Die EDUCATED-EVANS-Romane verbinden Edgar Wallace' Talent für Humor mit den für ihn typischen Krimi-Themen: Educated Evans, der von den meisten Themen, über die er etwas zu wissen vorgibt, nicht die geringste Ahnung hat, ist der amüsante Gegenspieler des »Müllers«, eines respekteinflößenden Polizeidetektivs, der seinen Namen seiner ständigen Angewohnheit verdankt, auf einem Strohhalm herumzukauen. Zusammen bilden beide eine Art Zweckgemeinschaft, während sie verschiedene Abenteuer in der Welt der Pferderennen und der Kleinkriminalität erleben...

Die drei EDUCATED-EVANS-Romane von Edgar Wallace erschienen in England in den Jahren 1924, 1926 und 1927. Der vorliegende Band enthält DER ELEGANTE MR. EVANS, NEUES VOM ELEGANTEN MR. EVANS und DIE RÜCKKEHR DES ELEGANTEN MR. EVANS als deutsche Erstveröffentlichungen, übersetzt von Wilfried Schotten.
Besondere Bekanntheit erlangte Educated Evans in den Jahren 1957/58 durch die gleichnamige BBC-TV-Serie – mit Charles Chester als Evans und Jack Melford als Miller.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum31. Okt. 2021
ISBN9783754174890
DER ELEGANTE MR. EVANS: Drei Romane in einem Band - erstmals in deutscher Sprache!
Autor

Edgar Wallace

Edgar Wallace (1875-1932) was a London-born writer who rose to prominence during the early twentieth century. With a background in journalism, he excelled at crime fiction with a series of detective thrillers following characters J.G. Reeder and Detective Sgt. (Inspector) Elk. Wallace is known for his extensive literary work, which has been adapted across multiple mediums, including over 160 films. His most notable contribution to cinema was the novelization and early screenplay for 1933’s King Kong.

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    Buchvorschau

    DER ELEGANTE MR. EVANS - Edgar Wallace

    Impressum

    Copyright 1924, 1926, 1927 © by Edgar Wallace.

    Die Romane Educated Evans, More Educated Evans und Good Evans sind gemeinfrei.

    Copyright der deutschen Übersetzung und dieser Ausgabe 2021 © by Apex-Verlag.

    Übersetzung: Wilfried Schotten.

    Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

    Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.

    Satz: Apex-Verlag.

    Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

    Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

    E-Mail: webmaster@apex-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Inhaltsverzeichnis

    Impressum

    Das Buch

    Der Autor

    DER ELEGANTE MR. EVANS

    ERSTES BUCH: DER ELEGANTE MR. EVANS

    ZWEITES BUCH: NEUES VOM ELEGANTEN MR. EVANS

    DRITTES BUCH: DIE RÜCKKEHR DES ELEGANTEN MR. EVANS

    Das Buch

    Begegnen Sie dem eleganten Mr. Evans und dem »Müller« im düster-zwielichtigen London der Jahre zwischen den beiden Weltkriegen...

    Die Educated-Evans-Romane verbinden Edgar Wallace' Talent für Humor mit den für ihn typischen Krimi-Themen: Educated Evans, der von den meisten Themen, über die er etwas zu wissen vorgibt, nicht die geringste Ahnung hat, ist der amüsante Gegenspieler des »Müllers«, eines respekteinflößenden Polizeidetektivs, der seinen Namen seiner ständigen Angewohnheit verdankt, auf einem Strohhalm herumzukauen. Zusammen bilden beide eine Art Zweckgemeinschaft, während sie verschiedene Abenteuer in der Welt der Pferderennen und der Kleinkriminalität erleben...

    Die drei Educated-Evans-Romane von Edgar Wallace erschienen in England in den Jahren 1924, 1926 und 1927. Der vorliegende Band enthält Der elegante Mr. Evans, Neues vom eleganten Mr. Evans und Die Rückkehr des eleganten Mr. Evans als deutsche Erstveröffentlichungen, übersetzt von Wilfried Schotten.

    Besondere Bekanntheit erlangte Educated Evans in den Jahren 1957/58 durch die gleichnamige BBC-TV-Serie – mit Charles Chester als Evans und Jack Melford als Miller.

    Der Autor

    Edgar Wallace.

    (* 1. April 1875, † 10. Februar 1932).

    Richard Horatio Edgar Wallace war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Er gehört zu den erfolgreichsten und populärsten englischsprachigen Kriminalschriftstellern.

    Wallace wurde in Greenwich bei London als unehelicher Sohn des Schauspielerpaares Mary Jane „Polly" Richards und Richard Horatio Edgar geboren und unmittelbar nach seiner Geburt von dem Londoner Fischhändler-Ehepaar Freeman adoptiert. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und brach im Alter von 12 Jahren die Schule ab. Nach diversen Jobs ging er als 18-Jähriger zur Armee und arbeitete sich im Zweiten Burenkrieg in Südafrika bis zum Kriegsberichterstatter hoch.

    Nach seiner Rückkehr nach London arbeitete er als Journalist und Sonderberichterstatter. 1901, noch in Südafrika, heiratete er Ivy Maude Caldecott (1880?–1926), Tochter eines Missionars. Mit ihr hatte er vier Kinder. 1918 wurde die Ehe geschieden. 1921 heiratete er seine Sekretärin Ethel Violet King (1896–1933), Tochter des Bankiers Friedrich König, mit der er eine Tochter hatte.

    1905 erschien im Eigenverlag sein erster Kriminalroman Die vier Gerechten (The Four Just Men), der zwar ein Publikumserfolg war, aber für Wallace ein finanzielles Desaster bedeutete. Er hatte jedem, der die Lösung des Buches erraten würde, einen Preis in Höhe von 500 Pfund versprochen, für damalige Zeiten eine ungeheure Summe: Zu viele Menschen errieten das Ende des Romans, und er war damit finanziell am Ende. Nur dem Eingreifen von Lord Harmworth von der Daily Mail war es zu verdanken, dass Wallace diese Pleite überstand. Bekannt wurde er vor allem durch seine journalistische Arbeit und seine Afrikaromane, deren erster 1911 unter dem Titel Sanders vom Strom (Sanders Of The River) erschien.

    Wallaces berühmtester Krimi war Der Hexer (The Ringer), der als Theaterstück am 1. Mai 1926 uraufgeführt wurde und ein riesiger Erfolg war. In Deutschland fand die Erstaufführung 1927 am Deutschen Theater in Berlin unter der Regie von Max Reinhardt statt. Für die erste Verfilmung seines Romans The Squeaker (dt. Der Zinker, 1930) schrieb er nicht nur das Drehbuch, sondern führte auch selbst Regie.

    Darüber hinaus verfasste er zahlreiche Kurzgeschichten, Essays, Gedichte und Theaterstücke. Ebenfalls begann er noch mit der Abfassung des Drehbuches für den später mit Fay Wray in der weiblichen Hauptrolle gedrehten Filmklassiker King Kong und die weiße Frau (King Kong, 1932), doch er verstarb in Beverly Hills, Hollywood/Kalifornien an den Folgen einer Lungenentzündung vor dessen Vollendung. Seine Frau Violet überlebte ihren Mann um nur 14 Monate, sie starb im Alter von 37 Jahren im April 1933.

    In der Nähe der Fleet Street erinnert am „Ludgate Circus" eine Gedenktafel an Edgar Wallace mit dem Text: Er lernte Reichtum und Armut kennen – er verkehrte mit Königen und doch blieb er sich selbst treu. Seine Talente widmete er der Literatur, doch sein Herz gehörte der Fleet Street.

    Sein Sohn Bryan Edgar Wallace (Death Packs At Suitcase, 1961, dt. Der Tod packt seinen Koffer) und seine Tochter Penelope Wallace (Kensington Gore, 1985, dt. Eine feine Adresse, 1987) waren ebenfalls Kriminalschriftsteller.

    Die Romane von Edgar Wallace wurden in vierundvierzig Sprachen übersetzt. Auch gab es nach dem 1959 gedrehten deutschen Spielfilm Der Frosch mit der Maske in den 1960er- und 1970er-Jahren einen regelrechten Edgar-Wallace-Boom in Deutschland mit 38 Wallace-Verfilmungen. Viele dieser Filme wurden mit dem Spruch „Hallo, hier spricht Edgar Wallace!" eingeleitet. In den Filmen stellte Klaus Kinski oft den Verbrecher oder einen Verdächtigen dar. Zu weiteren Stammschauspielern der deutschen Serie gehörten auch Karin Dor, Eddi Arent, Joachim Fuchsberger, Siegfried Schürenberg und Heinz Drache. Auch in Großbritannien entstanden in dieser Zeit viele Romanverfilmungen, die jedoch in Deutschland kaum bekannt sind.

    Der Apex-Verlag widmet Edgar Wallace eine umfangreiche Werk-Ausgabe.

    DER ELEGANTE MR. EVANS

      Vorbemerkung:

    Die mit * gekennzeichneten Wörter und Begriffe stellen keineswegs Übersetzungs- oder Übertragungsfehler dar; sie sind vielmehr dem Halbwissen des Educated Evans geschuldet.

      ERSTES BUCH: DER ELEGANTE MR. EVANS

    Kapitel 1: Die Bruderschaft

    Inspektor Pine war eigentlich etwas mehr als nur ein Polizeiinspektor. In bestimmten Kreisen nannte man ihn einen Christenmenschen. Er betätigte sich als Laienprediger, auch hatte er dem Alkoholgenuss den Kampf angesagt, galt sogar als Sozialreformer. Und wenn ein Mann es durch harte Arbeit geschafft hatte, Educated Evans zum Eingeständnis seiner Verfehlungen zu bringen, dann war es Inspektor Pine. Er hatte mit dem Teufel gerungen, als es um Evans’ geistige und moralische Erneuerung ging; er hatte für Mr. Evans gebetet, und einmal, als es sehr schlecht um ihn stand, hatte er Mr. Evans dazu bringen können, an einer Veranstaltung teilzunehmen, die unter dem Motto stand: Begegnung zum Lobe des Herrn.

    Educated Evans respektierte die Ernsthaftigkeit eines jeden Menschen, wenn er ihn auch als seinen natürlichen Feind ansah; als er aber feststellen musste, dass ihm die »Begegnung zum Lobe des Herrn« keinerlei finanzielle Vorteile brachte, lehnte er jegliche weitere Einladung ab und widmete bei künftigen Exkursionen seine Kräfte dem Sammeln von Informationen über ein bestimmtes Pferd, das am 2. Weihnachtstag im Hindernisrennen von Kempton Court an den Start gehen sollte.

    Dennoch – Inspektor Pine verlor keinesfalls den Mut. Er glaubte daran, dass man die Selbstachtung und das Selbstvertrauen eines Mannes wiederherstellen konnte; aber in diesem Punkt hätte er sich eine Menge an Mühe ersparen können; denn das Selbstbewusstsein eines Educated Evans war einfach enorm und so überzeugt wie nie, wenn er in eine Hymne einstimmte, wo es in zwei Zeilen heißt »Die Kräfte der Dunkelheit müssen fliehen; der kommende Tag triumphiert über die Nacht«.

    Evans nahm dies gerne als Omen an und schickte all seinen Wettkunden seine Tipps mit dem Hinweis »Informationen eines frischen Morgens – bedient euch«. Evans war bei allen anderen Beschäftigungen, denen er so nachging, auch ein Tippgeber und verfügte über eine Kundschaft, in der sich viele Gastwirte und die gesamte Belegschaft des Güterbahnhofs der Midland Railway befanden.

    Eines Tages im April lehnte Evans trübsinnig an einem breiten Brückengeländer und schaute mit mäßigem Interesse hinunter auf den Fluss. Sein melancholisches Gesicht drückte nichts als Schmerz und Enttäuschung aus, während sich seine Unterlippe kummervoll vorstülpte, und seine runden Augen drückten eine Qual aus, als habe er ihnen nur noch eine letzte Chance gegeben zu zeigen, was er wirklich sehen wollte. Und wenn sie diese Chance nicht nutzen wollten, brauchten sie ihm niemals mehr zu Diensten zu sein.

    Er war so in Gedanken vertieft, dass er den Mann nicht bemerkte, der einem völlig anderen und für Evans verhassten Beruf nachging, sich nun zu ihm gesellte und an den stillen Betrachtungen teilnahm.

    Kleine Schleppdampfer, langsame Boote, ein geschmeidig dahingleitendes Polizeiboot – all das beobachtete Educated Evans, aber anscheinend bekam er nicht das serviert, was er sehen wollte, und so wendete er mit einem ungeduldigen Seufzer seinen Blick ab.

    Dann erst sah er seinen stillen Begleiter und stellte fest, dass er hier, an diesem eintönigen Uferdamm, einen Mann traf, den er meilenweit entfernt glaubte.

    Der Neuankömmling war ein großer Mann Mitte dreißig, mit breiten Schultern, jeder Zoll eine kraftvolle Gestalt. Er trug schwarze Kleidung und die breite Krempe eines Filzhutes bedeckte seine Augen. Er kaute an einem Strohhalm, und wenn Evans ihn nicht an anderen Dingen erkannt hätte – spätestens daran hätte er ihn als den »Müller« identifiziert, dessen richtiger Name William Arbuthnot Challoner lautete.

    »Wie das, Müller, ich dachte schon, Sie seien tot! Ich spekuliere hier über 190 Millionen Kubikmeter Wasser, die täglich unter dieser Brücke durchfließen, und sinniere über die bemerkenswerten Veränderungen, die sich ereignet haben, seit der gute alte Christoph Columbus von eben diesem Pier abgelegt hat; er und die Pilgerväter, die 1579 Amerika entdeckt haben...«

    Der Müller hörte ihn, aber er hörte nicht zu. Der Strohhalm zwischen seinen starken Zähnen tanzte hin und her; sein langgezogenes, finsteres Gesicht war dem Fluss zugewandt und seine Gedanken waren weit weg.

    »Eine hübsche Gegend hier«, sagte Evans und legte Begeisterung in seine Stimme, während er auf den dunstigen Horizont deutete. »Genau, wie der gute alte Turner sie gemalt hat, und Fluter...«

    »Whistler«, sagte sein Begleiter abwesend.

    »Whistler – natürlich! Oh, mein Gott, wo bleibt meine Bildung!« Mr. Evans wackelte mit dem Kopf, unzufrieden mit sich selbst. »Whistler. Was für ein Künstler. Müller – wenn Sie diese Vertraulichkeit entschuldigen. Ich werde Sie sonst Challoner nennen, wenn es Ihnen besser passt. Was – für – ein – Künstler! Da gibt es ein paar Gemälde von ihm in der National Gallery. Und noch eines in dem – dem Praydo* in Madrid. Kunst ist eine meiner großen Schwächen, immer schon, als ich noch ein Junge war. Kennen Sie Sergeant? Großer amerikanischer Maler. Einer der größten Künstler auf der Welt. Und kennen Sie den berühmten französischen Künstler Carrot?«

    »Weißt du«, begann der Müller bedächtig und schaute dabei weiter auf den Fluss, »weißt du, wo du warst zwischen 19.30 Uhr und 21.15 Uhr am Abend des 8. in diesem Monat?«

    »Ja, das weiß ich«, erwiderte Evans prompt.

    »Weiß das sonst noch jemand – und zwar jemand, dessen Wort auch von einem Polizeirichter akzeptiert würde, der mit einem gesunden Verstand und ausgeprägtem Misstrauen der Unterwelt gegenüber ausgestattet ist?«

    »Mein Freund, Mr. Harry Sefferal«, begann Evans und der Müller lachte gekünstelt und etwas gequält auf.

    »Du musst nur deinen Freund in den Zeugenstand bringen«, sagte er, »und brauchst nur zuzulassen, dass der Richter seine düstere Visage sieht. Dann bist du ruckzuck in Dartmoor, und zwar für den Rest deines Lebens. Harry Sefferal könnte dich nur vor dem Gefängnis retten, wenn du des Mordes angeklagt würdest. Der Henker, der seine sogenannten Beweise liest, würde sofort seine Sachen packen, ohne auf den Freispruch zu warten. Harry Sefferal!«

    Mr. Evans zuckte mit den Schultern.

    »An dem bestimmten Abend spielte ich ganz ruhig für mich in der Gesellschaft eines bekannten und angesehenen Geschäftsmannes, Mr. Julius Levy...«

    »Du bist jetzt schon tot!«, knurrte der Müller. »Kennst du Karbolt Manor?«

    Mr. Evans dachte nach.

    »Nein, ich glaube nicht«, sagte er schließlich.

    »In der Nähe von Sevenoaks – das große Haus, das Binny Lester vor fünf Jahren ausgeraubt hat und entwischte.«

    Educated Evans nickte.

    »Jetzt, wo Sie von diesem prunkvollen Anwesen sprechen, Müller, kommt es mir wieder in den Sinn – wie ein Traum sozusagen oder eine Erinnerung an glücklichere Tage.«

    »Gibt es eine Leiter in deinem Traum? Eine Leiter, die zu dem Fenster von Lady Cadrington’s Schlafzimmer hochging, als die Familie zu Mittag saß? Träume bitte sehr sorgfältig, Evans.«

    Auf Mr. Evans Stirn, die normalerweise absolut glatt war, erschienen ein paar Falten.

    »Nein«, sagte er; »ich kenne den Ort, aber in der Nähe bin ich nicht gewesen. Darauf kann ich den heiligsten Eid...«

    »Tu’s besser nicht«, bat der Müller. »Ich habe lieber dein Ehrenwort. Es bedeutet mir mehr.«

    »Bei meinem Ehrenwort als Gentleman«, sagte Evans feierlich, »ich bin nicht sehr oft in der Nähe oder sagen wir so, anderweitig diesem Hause nahegekommen. Und wenn ich jetzt nicht die Wahrheit spreche, möge der Himmel mich in dieser Sekunde zu Boden schmettern.« Dabei warf er die Arme theatralisch nach oben, während der Müller wartete und zum Himmel hinaufschaute.

    »Der Himmel hat dich nicht gehört«, sagte er ungerührt und ergriff Evans am Arm. »Pine will dich sehen.«

    Mit einem Schulterzucken gab Evans auf.

    »Sie nehmen einen Unschuldigen fest«, sagte er würdevoll. Der Müller ertrug den kleinen Schlag gelassen.

    »Der Müller« war für eine bestimmte Klasse immer »der Müller«. Er wurde mit Namen und unter der Berufsbezeichnung eines Detektiv-Sergeant W. Arbuthnot Challoner in den Steuerlisten geführt und war eine Autorität in Sachen Einbruchdiebstahl, Tresoraufbrüche, Mord, Bandenwesen, Betrug, Pferde. Überall in Camden Town, wo viele seiner glühendsten Verehrer wohnten, wurde er wegen seiner Marotte des beständigen Strohhalmkauens »der Müller« genannt.

    Man achtete ihn; man liebte ihn zwar nicht und das tat nicht einmal Educated Evans, dieser weltoffene und tolerante Mann. Evans wiederum wurde geachtet und war beliebt. Im Norden Londons besitzt – im Unterschied zum Süden – das Wort Gelehrsamkeit einen gewissen Wert. Menschen mit weniger Begabung schauen mit einer Art von Lernwillen zu denen auf, die tüchtig und fähig sind. Selbst die gewalttätigsten und schlimmsten Zeitgenossen sprachen von Evans mit Respekt.

    Neben seiner Gelehrsamkeit (er hatte mehr Verteidigungsreden und Ansprachen verfasst als jeder andere Amateur-Anwalt) besaß er unzweifelhaft das volle Vertrauen der Pferdebesitzer, Trainer, Jockeys und Ersten Stallburschen. Dazu bekannte er sich. Er war der Mann, der den entscheidenden Tipp für »Braxted« im Steward’s Cup und »Eton Boy« im Royal Hunt Club gab. Es gibt in Camden Town wohlhabende Männer, die ihren Reichtum auf die Ratschläge von Educated Evans zurückführen könnten. Es gab ein Gerücht, von Neidern und Böswilligen gerne verbreitet, dass das St. Pancras Armenhaus niemals voller war als zu den Zeiten, nachdem der gebildete Mann eine schlechte Saison hatte.

    »Ich habe es sehr bedauert«, sagte Evans, als er an der Seite seines Fängers die Straße entlang schlenderte, »dass das Gesetz, von Moses und Lord So-und-so erfunden, immer nur dann angewendet wird, um die Schwachen sozusagen zu erdrücken. Und so lagen die Dinge auch am Vorabend des Frühlings-Handikaprennens von Newbury, als ich endlich hoffen durfte, über »Solway« ein ganzes Paket an Tipps zu packen.«

    Der Müller hielt an und betrachtete seinen Gefangenen neugierig und mit deutlichem Unverständnis.

    »’Solway’«, sagte er bedächtig, »steht gar nicht zur Debatte. ‚St. Albyn’ könnte ihn spielend abhängen.«

    Verächtlich schürzte Evans die Lippen.

    »’Solway’ könnte tot umfallen, dann wieder aufstehen und gewinnen«, übertrieb er. »’St. Albyn’ ist kein Pferd, sondern nur ein Torso mit Haaren. Der Mann, der auf ‚St. Albyn’ setzt...«

    »Ich habe auf ‚St. Albyn’ gesetzt«, sagte der Müller kalt. »Ich bekam den Tipp vom Cousin des Besitzers, Lord Herprest, demzufolge, abgesehen von Unfällen, ‚St. Albyn’ eine todsichere Angelegenheit sei.«

    Educated Evans lachte; es hörte sich nach dem Lachen eines Mannes an, der seinen Feind verlieren sieht.

     »Aber der arme alte Crippen wurde gehängt!«, sagte er.

    Es gab da so etwas wie ein zartes Band der Sympathie zwischen dem Müller und seiner legalen Beute: Sie waren beide passionierte Anhänger des Sports der  Könige. Wenn der Müller gerade einmal nicht damit beschäftigt war, gesellschaftliche Plagen zu verfolgen (unter welchen er Educated Evans als beinahe die Nummer Eins ansah), dann studierte er mit dem gleichen Ernst die unberechenbaren Rennen vollblütiger Rassepferde.

    »Was ist denn mit ‚Blue Chuck‘?«, fragte er. »Da soll es einen guten Tipp für ihn geben.«

    Evans kratzte sich an seiner langen Nase.

    »Das ist ein Pferd mit einer gewissen Chance«, stimmte er zu. »Canfyn’s Büro sagte seinen Kunden, dass es bis zum Rennen in Goodwood noch nicht fit genug sei, aber dieser Kerl würde auch seine eigene Großmutter verkaufen. Ich würde Canfyn immer noch nicht trauen, wenn er auf dem Schafott stünde und auf ‚Foxe’s Buch der Märtyrer’schwört.«

    Vorübereilende Passanten, die den schäbig gekleideten Mann in dem unordentlichen, langen Mantel und den Großen neben ihm sahen, würden niemals denken, dass sie soeben einen angesehenen Beamten von Scotland Yard und seine willkommene Beute erblickt hatten.

    »Evans, wieso glaubst du, dass ‚St. Albyn’ keine Chance hat?«, fragte der Müller besorgt.

    »Weil er nicht gefordert wird«, sagte Evans mit Betonung in der Stimme. »Ich habe es direkt von dem Pfleger, der ihn betreut. Er wird bis zum Ascot-Rennen nirgends an den Start gehen und dann glauben die noch, sie können ihn im Hunt Cup für sieben zu eins bringen.«

    Der Müller atmete heftig aus. An diesem Morgen hatte ihn Teddie Isaacheim, ein Straßenbuchmacher mit großem Reichtum und dementsprechender Immunität gegenüber polizeilichen Zugriffen, zu einer Wette von 50 zu fünfeinhalb Pfund für eben diesen »St. Albyn« überredet. Und fünfeinhalb Pfund zu verlieren war eine Menge Geld.

    »Hätten Sie mich vorher gefragt, hätte ich Ihnen das sagen können«, bemerkte Evans sanft. »Wären Sie zu mir gekommen von Mann zu Mann und als Sportsmann zu Sportsmann, anstatt mit all diesem lächerlichen und kindischen Unsinn, ich sei in illegale und sonstige Diebstahlfälle verstrickt. Dann hätte ich Ihnen die wahre Stärke von ‚St. Albyn’ gezeigt. Und dazu hätte ich Ihnen dann den Gewinner des morgigen Ein-Uhr-Rennens gesteckt

    - Spezial-Sparangebot – kein Yard in Kempton – nichts los in Birmingham – Blick auf Manchester – aber morgen ein Verlierer!«

    »Was bedeutet das, Evans?«

    Die Stimme des Müllers war sanft und weich geworden, geradezu verführerisch, aber Evans schüttelte den Kopf und sie marschierten weiter.

    »Niemals«, sagte der gebildete Mann mit deutlicher Bitterkeit in der Stimme, »niemals, seitdem man den guten Cardinal Wolseley verhaftete, weil er gegen König Charles aufmuckte, hat man einen Mann schmählicher eingebuchtet als mich. Wenn ich von der Polizei nicht zehntausend Pfund bekomme für falsches Einsperren... wenn ich nicht den alten Pine entlarven kann für dieses...«

     »Ist es ‚Clarok Lass’, alter Mann?«, fragte der Müller, als sie allmählich in die Nähe der Polizeiwache kamen.

    »Nein, ist es nicht«, giftete Evans zurück. »Und wenn Sie jetzt glauben, Sie kriegen mein Fünf-Pfund-Spezial für eine halbe Ration Kernseife, müssen Sie schon weiter raten. Mit Ihnen bin ich fertig, Müller, fertig! Habe ich Ihnen nicht voriges Jahr für Ascot zu ‚King Salomon’ und ‚Flake’ geraten? Bin ich nicht durch die ganze Stadt gerast, um Ihnen den guten Tipp für ‚Jordan’ zu empfehlen?«

    »Du hast sicherlich dein Bestes gegeben, Evans«, stimmte Challoner beruhigend zu, »und wenn ich ein gutes Wort für dich einlegen kann – wie sagtest du noch, wer das Ein-Uhr-Rennen gewinnen wird?«

    Educated Evans presste die Lippen fest zusammen und Sekunden später war der Müller die Geschäftsmäßigkeit in Person. »Hier ist Evans, Sir. Er gibt an, nichts von der Sevenoaks-Geschichte zu wissen und er kann zwei Zeugen beibringen, die beschwören, dass er sich zum Zeitpunkt des Raubes in der Stadt aufgehalten hat. Eventuell kann er bis zu 42...«

    Inspektor Pine kam gerade dazu, als der Gefängniswärter Evans durchsuchte, und schüttelte bekümmert den Kopf.

    »Oh, Evans, Evans!«, seufzte er. »Sie hatten mir doch hoch und heilig versprochen, niemals wieder hierher zu kommen.«

    Educated Evans rümpfte die Nase. »Wenn Sie glauben, Sir, ich sei freiwillig hier, dann liegen Sie falsch.«

    Und wieder einmal schüttelte der Inspektor seinen weißhaarigen Kopf.

    »In jedem Menschen steckt ein gutes Herz«, sagte er. »Ich will die Hoffnung bei dir nicht aufgeben, Evans. Wie lautet die Anklage?«

    »Da gibt es keine Anklage, Sir, nur eine Festnahme.

    Wir wollen ihn im Zusammenhang mit der Sevenoaks-Geschichte haben, aber da sind noch ein paar Alibis zu überprüfen«, sagte der Müller.

    Also steckten sie Educated Evans in die Nummer Sieben, seine Lieblingszelle, und Evans dachte darüber nach, welches Pferd im Programmheft des Newbury Cup die Nummer 7 trug.

    In dieser gewissen Nacht lieferten sich der ehrenwerte George Canfyn und die normalerweise recht liebenswürdigen Angestellten des Hippoleum Theaters einige recht hitzige Wortgefechte. George, der dort zu Abend aß, schlug recht heftig zurück.

    Er war ein vermögender Mann mit einigen Besitztümern, dazu Rennpferdeeigner und nach dem Gesetz ein rechter Gentleman. Sein Vater war Lord Llanwattock. Sein weiterer Name lautete auf Snook und er produzierte Kerzen in großem Stil. Darüber hinaus war er Margarinefabrikant, machte Geld und damit Freunde. Diese wiederum machten ihn zum Baron und das Gesetz schließlich zum Gentleman. Der liebe Gott wurde dabei nicht gefragt.

    George liebte das Geld um des Geldes willen. Die meisten Menschen erzählen einem, dass ihnen das Geld nichts ausmacht, bis auf die Dinge, die man damit kaufen kann. George mochte schlicht und einfach Geld. Er wollte alles Geld haben, das existierte, und es schien ihn schwer zu treffen, mit ansehen zu müssen, wie ein außergewöhnlich großer Betrag einfach an ihm vorbeilief. Er lebte sparsam, aß recht wenig und wechselte jedes Jahr seinen Trainer.

    Wenn eines seiner Pferde nicht gewann und er Geld verlor, dann unternahm er alles Mögliche, außer sich bei den Stewards zu beschweren. Er behielt denselben Jockey niemals mehr als für drei Rennen, weil er glaubte, dass Jockeys Rennen »kaputt reiten« konnten und den Sieger unter sich ausmachten, um in die eigenen Taschen zu wirtschaften. Er glaubte auch, dass alle Trainer inkompetent seien und alle Jockeys, die nicht für seine Farben ritten, in einer Verschwörung zusammenhielten, um »gut auf alles aufzupassen«.

    Wenn er gewann, (und das geschah recht oft), hatte er schon vor dem Rennen seinen Freunden erzählt, dass sein Pferd eine knappe Chance habe, und riet ihnen, nicht zu hoch zu wetten.

    George hasste fallende Preise, weil er konstant seine Wetten bei den S.P. Büros platzierte. (S.P. = starting price, also der Wettpreis des Pferdes beim Start  des Rennens, anstelle von geschätzten Quoten im zeitlichen Vorfeld. d.Ü.) Und wenn er gewann, spielte er den Überraschten und erzählte jedermann, wie nahe er daran gewesen sei, einen Fünfer zu setzen; aber nachdem er sich in einer ruhigen Minute das Ganze überlegt hatte, entschied er sich doch angesichts der fälligen Einkommensteuer, es sei eine beinahe kriminelle Geldverschwendung. Und es gab einige Leute, die ihm das abnahmen.

    George hatte einigermaßen gute Laune, als er sich hinaus ins Hippoleum begab; denn gerade an diesem Morgen war er von Wiltshire gekommen, wo er einen Probelauf von »Blue Chuck« beobachtet hatte, der für ihn im Newbury Cup starten sollte.

    »Blue Chuck« hatte die Pferde in diesem Vorlauf in Grund und Boden gelaufen und mit straff angezogenem Zügel um Längen gewonnen. Und keine einzige Person von der schreibenden Zunft hatte auf »Blue Chuck« getippt. Er war ein sicherer Tipp, als einer von den »anderen 100 : 6« zu starten, und George übte bereits sein völlig überraschtes Gesicht, das er seinen Bekannten präsentieren wollte.

    In fröhlicher Erwartung, wie sich der Mittwoch so anließ, brach Mr. Canfyn auf, mit drei alten, aber kostenlosen Brandies, die seine innere Zufriedenheit noch ein wenig mehr bestärkten (aus einer Musterflasche, die ihm ein fehlgeleiteter Weinhändler überlassen hatte). Und dann kam das Unheil.

    Drei Polizisten brachten ihn in die Hallam Street Station und hier hätte die Angelegenheit noch zu aller Zufriedenheit gelöst werden können, wenn nicht der dritte jener Brandies begonnen hätte, seine fatale Wirkung zu zeigen.

    »Ihr Halunken! Dafür ziehe ich euch die Hosen vom Arsch!«, kreischte er, als sie ihn gründlichst durchsuchten. »Ich bin der ehrenwerte George Canfyn, der Sohn von Lord Llanwattock...«

    »Wie lautet die Anklage?«, fragte der genervte diensthabende Sergeant, dem solche Aufruhr-Szenen  nicht fremd waren.

    »Betrunken und ungebührlich und tätlicher Angriff«, sagte der Polizist, der diesen Ausbund an Vornehmheit hereingebracht hatte.

    »Ich bin nicht betrunken!«, röhrte George. »Lassen Sie diese Dinge da, wo sie sind. Das sind meine privaten Papiere! Und zählen Sie gefälligst das Geld – wenn da ein Penny fehlt, sorge ich dafür, dass Sie aus der Polizei hinausgeworfen werden...«

    »Nummer acht«, sagte der Mann am Schreibtisch und man führte George hinunter.

    »Oh, wie kann ein Mann nur seinen Feind in den Mund nehmen, dass der sein Gehirn wegfrisst«, murmelte der Inspektor im Türeingang zu seinem Büro. »Saufen ist etwas Schreckliches, Sergeant!«

    »Ja, Sir«, antwortete der Sergeant und schaute zur Uhr an der Wand. Sie stand ganz knapp vor zehn.

    Der Inspektor ging seufzend in sein Büro zurück. Der große Schreibtisch war mit Karten und adressierten Briefumschlägen übersät und der Inspektor ein älterer Herr und rechtschaffen müde. Für einen langen Augenblick betrachtete er die Anhäufung von Arbeit, die erledigt werden musste, bevor um Mitternacht die Post hinausging.

    Inspektor Pine betätigte sich, neben anderen Tätigkeiten, als Sekretär der »Bruderschaft des Rennplatzes zur Unterdrückung der Spielsucht«. Und die Karten enthielten Einladungen zu einer Versammlung der Bruderschaft, auf der das Programm des kommenden Jahres besprochen werden sollte. Leider fehlte bis jetzt noch auf jeder der Tausenden von Karten der Hinweis, dass wegen eines dringenden Termins der Bischof von Chelsea nicht werde teilnehmen können.

    Pine war völlig in die Betrachtung des unfertigen Werkes vertieft, als nach kurzem Anklopfen der Müller den Raum betrat.

    »Es ist ein Wunder geschehen, Sir«, sagte er. »Ich habe drei ehrbare Leute gefunden, die beschwören können, dass Evans sich so gut wie in ihrem Sichtbereich befand, als der Diebstahl begangen wurde. Mr. Isaacheim, der bekannte und angesehene Kommissionär...«

    »Ein Buchmacher«, murmelte Inspektor Pine vorwurfsvoll.

    »Immerhin, er zahlt seine Steuern und auch die Kommunalsteuer«, sagte der Müller anstandshalber. »Und obwohl das Glücksspiel für mich so eine Art krimineller Verrücktheit darstellt, müssen wir seine Aussage zur Kenntnis nehmen,. Und Mr. Corgan vom ‚Blue Hart’...«

    »Ein Kneipenwirt«, sagte der alte Pine bekümmert.

    »Und ein alter Sünder. Aber er ist ein sehr bekanntes Mitglied des Stadtrates. Kann ich dem Wärter sagen, er solle Evans gehen lassen?«

    Inspektor Pine nickte und seine Augen kehrten zu der unerledigten Arbeit zurück.

    »Ich nehme an, dass Sie niemanden kennen, der mir helfen könnte, diese Karten in die Briefumschläge zu stecken?«

    Es hörte sich an wie ein SOS-Ruf: Ein Aufruf, an den Müller persönlich gerichtet.

    »Nein, Sir«, erwiderte der Müller prompt; und dann, als ihm ein bestimmter Gedanke kam: »Warum fragen Sie nicht den Evans? Er ist ein Mann von Bildung und wäre bestimmt froh über eine Pause von einigen Stunden.«

    Educated Evans hatte fünf schlaflose Stunden in einer großen und hygienisch einwandfreien Zelle verbracht, dort wechselweise über die Ungerechtigkeit der Menschen gegenüber einem einzelnen nachgedacht wie über den erschöpften Zustand seiner Barschaft. Denn seine Besitztümer bestanden aus ganzen zwölf Shilling und Sixpence für eine Bahnfahrt nach Newbury und die Eintrittskarte. Um noch in irgendeine Wette zu investieren, reichte es einfach nicht. Man stand erst am Anfang der Saison und seine Kundschaft hatte sich wegen seiner fehlgeschlagenen Versuche, einigermaßen durch den Winter zu kommen, beinahe aufgelöst. Er würde wohl bis zum Tag der Jubilee-Veranstaltung brauchen, bis er ihr Vertrauen zurückgewonnen hatte.

    Der Klang einer verärgerten Stimme ließ ihn durch das Gitter des Ventilators blicken; so erkannte er den ehrenwerten George Canfyn, der soeben in seine Zelle abgeführt wurde. Als der Wärter sich entfernt hatte: »Entschuldigen Sie, bitte, Mr. Canfyn!«, sagte Evans völlig aufgeregt und mit heiserem Flüstern durch den Ventilator.

    »Was wollen Sie?«, grollte es aus der Nachbarzelle.

    »Ich bin Johnny Evans, Sir, besser bekannt als Educated Evans, der berühmte Turf-Ratgeber. Was ist morgen mit Ihrem Pferd, ‚Blue Chuck’?«

    »Gehen Sie zum Teufel!«, donnerte die Stimme des Mitgefangenen.

    »Ich kann da vielleicht etwas Gutes tun«, bohrte Evans weiter. »Ich habe einen...«

    »Scheren Sie sich doch zum Teufel, Sie...«

    In all seinem Ärger bedachte er Evans mit etlichen Beschimpfungen.

    Der meditierte soeben über die seltsamen Wege des Schicksals, das den Sohn eines Millionärs in die Zelle Nr. 8 gebracht hatte, als das Schloss seiner eigenen plötzlich aufsprang.

    »Du kannst gehen, Evans«, sagte der Müller leutselig. »Ich habe keine Mühe gescheut, dich hier heraus zu bekommen – wie ich es versprochen hatte. Wie heißt das Pferd im Ein-Uhr-Rennen?«

    »’Clarok Lass’«, sagte Evans; und der Müller fluchte leise vor sich hin.

    »Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich dich hier verhungern lassen«, sagte er. »Du sagtest, es sei nicht ‚Clarok Lass’- hier, los, der Inspektor hat einen Job für dich.«

    Verwundert folgte Evans dem Detective zum Büro des Inspektors und dann wurde ihm in wenigen, aber höflichen Worten erklärt, wie sein kommender Job aussehen sollte.

    »Ich gebe Ihnen fünf Shilling aus meiner eigenen Tasche, Evans«, sagte Inspektor Pine, »und fühle gleichzeitig, dass ich Ihnen vielleicht wieder zum Licht verhelfen kann.«

    Educated Evans blickte mit geübten Augen über den Tisch. Vor Jahren hatte er 1000 Kunden in seinen Büchern; insofern war ihm die Aufgabe, Briefumschläge zu füllen, nicht unbekannt.

    Der Müller war froh, dass er alsbald eine Ausrede fand, sich verabschieden zu können, und der Inspektor gab sich daran, seinen Helfer noch etwas genauer über seine Aufgabe mit dem Stempelapparat zu instruieren.

    »Wenn die Matrize aufgebraucht ist, schreiben Sie eine weitere. Dann befestigen Sie sie auf dem Tintenkissen und machen weiter.«

    Es war ein seltsames Gerät, wie Evans es noch nie benutzt hatte. Es bestand aus einem länglichen Matrizenwachspapier, in einem steifen Rahmen fixiert, und einem metallenen Tintengefäß. Der Inspektor zeigte ihm, wie die Matrize auf einem steifen Brett mittels eines spitzen Schreibstiftes beschriftet, dann befeuchtet und anschließend abgelöscht wurde; und Evans, wissbegierig wie immer, schaute ganz genau hin.

    »Nun haben Sie Gelegenheit darüber nachzudenken, dass jeder dieser lieben Menschen ein Feind dieses bösartigen und schädlichen Pferdesports ist. Einmal in Ihrem Leben, Evans, tun Sie etwas Sinnvolles, diese Hydra-Bestie des Glücksspiels zu zerschmettern.«

    »Und wo sind diese fünf Shilling, Sir?« fragte Evans und der Beamte entfernte sich. Er war gerade dabei, Evans seiner Aufgabe zu überlassen, als der wachhabende Sergeant eintrat.

    »Hier sind Geld und Papiere dieses Betrunkenen, Sir«, sagte er und legte ein kleines Päckchen auf den Tisch. »Vielleicht legen Sie das besser alles in den Safe. Er hat nach seinem Anwalt geschickt, also wird er wohl bald gegen Kaution frei kommen. Aber er hat einen solchen Aufstand gemacht, dass man ihn angeblich beraubt hat, sodass es wohl besser sein könnte, man behielte das alles hier, bis er in nüchternem Zustand vor einen Richter gestellt wird.«

    Mr. Pine nickte und öffnete den großen Safe in einer Ecke des Raumes, während der Sergeant ging. Zunächst legte Pine das Geld, die Uhr mit Kette und das goldene Zigarettenetui in eine Schublade. Dann nahm er ein kleines Notizbuch heraus und blätterte darin mit professioneller Geschicklichkeit.

    »Noch ein Spieler«, bemerkte er traurig.

    »Wer ist das, Sir?«

    »Ein Mann – ein Gentleman, der unglücklicherweise heute Abend hier sein muss«, sagte der Inspektor und hielt für einen Moment inne. »Was bedeutet – ein Probelauf, Evans?«

    »Ein Probelauf, Sir?«

    »Es hat offensichtlich etwas mit Pferderennen zu tun«, sagte der Inspektor und las, wie für sich selbst: »’Blue Chuck’ 8 zu 7; ‚Golders Green’ 7 zu 7; ‚Milikin’ 7 zu 0. Gewann mit vier Längen in 1 min 39’. Das hat doch mit Pferderennen zu tun, Evans?«

    Educated Evans nickte, wagte aber nicht, sich dazu zu äußern.

    »Hier haben Sie Ihre fünf Shilling, Evans. Ich lasse Sie nun allein. Geben Sie dem Sergeant diese Briefe; er wird sie aufgeben. Gute Nacht.«

    In dieser Nacht spähte der Sergeant hin und wieder durch die offene Tür des Inspektorbüros; augenscheinlich war Evans sehr beschäftigt. Um Mitternacht, gerade als der Anwalt des ehrenwerten George Canfyn eintraf, trug er die Früchte seiner Arbeit zum Schreibtisch des Sergeanten, und nach einer schnellen Überprüfung des Büros, ob irgendetwas fehle, konnte Evans sich entfernen.

    Um zehn Uhr des folgenden Morgens, Inspektor Pine war gerade bei der Rasur, als sein Freund und Mitstreiter bei der Sozialarbeit, (Mr. Stott, der ehemalige Lebensmittelhändler), in großer Eile zu ihm kam, verwirrt und tief verärgert zugleich.

    »Guten Morgen, Bruder Stott«, sagte der Inspektor. »Ich habe es letzte Nacht geschafft, alle Karten herauszugeben – wenigstens hoffe ich das.«

    Mr. Stott atmete schwer.

    »Ich habe meine Karte auch bekommen, Bruder Pine«, sagte er, »und ich würde gerne wissen, was sie bedeuten soll.«

    Er warf ein Stück Karton in das schaumbedeckte Gesicht des Inspektors. Es gab nichts Außergewöhnliches auf der Karte zu entdecken. Sie enthielt eine Einladung zu einer Versammlung der »Bruderschaft zur Unterdrückung der Spielsucht«.

    »Nun?«

    »Schauen Sie sich die Rückseite an«, zischte Mr. Stott.

    Der Inspektor wendete die Karte und las die schablonierte Inschrift:

    Wenn jemand aus der Bruderschaft den Sieger des Newbury Hindernisrennens erfahren will, so schicke er 20 Shilling an den alten, aber absolut verlässlichen Educated Evans, 92 Bingham Mews. Das ist das größte Schnäppchen des Jahres! Niederlage ausgeschlossen! Auf, Brüder! Bedient Euch und überweist das Geld an E. Evans.

    »Natürlich wird niemand auf diesen Unsinn eines bösen Mannes reagieren«, sagte der Inspektor, als er dem Müller Anweisungen erteilte. »Jedes Mitglied der Bruderschaft wird dieses Papier mit Verachtung strafen; trotzdem, Sie hätten besser auf Evans achten sollen.«

    Als der Müller an Bingham Mews Nr. 92 ankam, (es war der obere Teil eines Stalles), traf er jenen melancholischen Mann an, wie er Telegramme öffnete, zwanzig pro Minute.

     »Und da kommen noch mehr«, sagte Educated Evans. »Es gibt keine besseren Wetter als die von der Bruderschaft.«

    »Wie heißt das Pferd?«, fragte der Müller atemlos.

    »’Blue Chuck’, bedienen Sie sich«, antwortete Educated Evans. »Und vergessen Sie nicht – Sie schulden mir ein Pfund.«

    Der Müller beeilte sich, Mr. Isaacheim zu sprechen, den bekannten und ehrbaren Turf-Buchmacher.

    Kapitel 2: Mr. Homasters Tochter

    Mr. Homasters Tochter war unzweifelhaft die Schönheit von Camden Town; und als sie sich vom öffentlichen Leben zurückzog, hatte in der Folge und ganz zweifellos Mr. Homasters Handel sehr darunter zu leiden.

    Aber Mr. Homaster bemerkte schon richtig, dass besonders eine Saloonbar kein geeigneter Ort für eine junge Dame sei. Viele Kunden, die bislang mit einigen Schwierigkeiten die Saloon-Preise ausgehalten hatten, kehrten nun als Reaktion auf ihren Rückzug scharenweise zur öffentlichen Variante des »Rose and Hart« zurück, wo Bier das einzige Handelsobjekt ist. Dennoch trug Mr. Homaster ( bis zum Krieg hieß er eigentlich Hochmeister) seinen Verlust mit Gelassenheit und sein Ruf, sowohl als Vater wie als Gentleman, stand besser da als je zuvor.

    Miss Belle Homaster war die schönste Frau, die Educated Evans je gesehen hatte. Sie war groß, mit goldenen Haaren und blauen Augen und einer tollen Figur. Quer über ihre schwarze, eng sitzende und wohlgefüllte Bluse zog sich das aus Diamanten geformte Wort »Baby«, wie ihr Vater und enge Verwandte sie stets zu nennen pflegten.

    Evans pflegte jeden Abend in die Saloonbar zu gehen, das Glück ihres Lächelns zu genießen, das sie ihm mit einem Augenaufschlag ihrer sorgfältig gemalten Lider schenkte.

    Niemals stellte sie unnötige Fragen. Ein Anheben dieser gebogenen Augenbrauen, ein gnädiges Nicken von Evans, das Leeren einer Flasche, das Sprudeln des Sodawassers, und Evans legte einen Halfcrown auf die Theke und nahm das Wechselgeld mit einem gezierten »Danke« entgegen.

    Manchmal sagte sie so etwas wie »Es war heute ein recht schöner Tag für diese Jahreszeit«. Manchmal, wenn es kein so schöner Tag gewesen war, fragte sie mit sanfter Verzweiflung: »Was kann man schon erwarten?«

    Es hieß allgemein, dass Evans ihr Lieblingskunde war. Ganz bestimmt genoss er unter allen Kunden ihr alleiniges Vertrauen. Nur Evans gegenüber bekannte sie ihre Schwäche für Spargel und nur er hörte von ihren eigenen Lippen, dass sie einmal als kleines Mädchen in demselben Bus gefahren sei wie Crippen.

    Einer seiner Freunde hatte auf seine dringende Bitte hin in den glühendsten Farben von ihm gesprochen, ihr von seiner Bildung erzählt und seiner Fähigkeit, bei den verrücktesten Fragen noch Wetten zu gewinnen, ohne dabei ein Buch oder Lexikon zu befragen. Nach diesen Vorbereitungen seines befreundeten Angebers ergriff Evans die erste günstige Gelegenheit, Beispiele seiner tiefen Gelehrsamkeit und Bildung zu offerieren.

    »Es ist seltsam, mein Fräulein, wie Sie und ich hier stehen, während die Welt sich in 24 Stunden um ihre eigene Achse dreht, wobei sie Tag und Nacht entstehen lässt. Nur wenige Menschen können sich, sozusagen, die Geheimnisse der Natur vergegenwärtigen, wie Mond und Sterne, die eine andere Welt sind als die unsere. Man sagt, es gebe Leben auf dem Mars wegen der Kanäle, die man über Teleskope beobachtet hat. Was uns zu der Frage bringt: Ist der Mars bewohnt?«

    Sie hörte hingerissen zu.

    »Die Entwicklung der Menschheit«, fuhr Evans freudig fort, »wurde von Darwin erfunden, was uns zu der Frage nach prähistorischen Zeiten bringt.«

    »Was Sie nicht alles wissen!«, sagte die junge Dame. »Hätten Sie gerne etwas mehr Sodawasser? Das Wetter entspricht doch recht gut der Jahreszeit, finden Sie nicht?«

    »Die Jahreszeiten werden hervorgerufen oder verursacht durch die Umdrehungen der Welt...« begann Evans.

    Aber ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt durch einen ungebildeten Mann, der ein weiteres Getränk bestellte.

    Jedermann kannte Mr. Homaster. Sogar der Müller. Wenn diese Leuchte der kriminalistischen Ermittlung ein Interview mit einem seiner zwielichtigen Bekanntschaften zu führen wünschte, konnte er sicher sein, denjenigen bei ihr zu finden, wie er einer Motte gleich um das Licht ihres Charmes und ihrer Schönheit herumschwänzelte.

    Ungefähr gegen acht Uhr abends würde dann Sergeant William Arbuthnot Challoner die Schwingtüren der Saloonbar aufdrücken und einen gelangweilten Blick in die Runde werfen. Sodann nickte er einigen alten Freunden zu, die er entdeckte, zog grüßend den Hut vor Miss Homaster und ging wieder.

    Ihre Verlobung verkündigte sie zwei Tage, bevor sie die Bar endgültig verließ. Es war ein unglücklicher Evans, dem sie die Nachricht unterbreitete.

    »Ich werde einen richtig guten Freund heiraten, einen Gentleman«, sagte sie, worauf Evans sich an der Ecke der Theke festhalten musste. »Ich halte viel von frühem Heiraten und von Treue. Eine Ehefrau sollte ihrem Mann ein Freund sein und ihm immer helfen. Sie sollte sich auch für seine Geschäfte interessieren. Da stimmen Sie doch zu, Mr. Evans?«

    »Ja, Miss«, erwiderte Evans mit einiger Anstrengung.

    »In guten wie in schlechten Zeiten, in Krankheit und Jammer, Asche zu Asche.«

    Der Müller erfuhr von der Verlobung durch Educated Evans.

    »Ich glaube an die Kraft der Ehe«, sagte er. »Sie gibt dem Scheidungsrichter Arbeit.«

    Ein harter, zynischer Mann, in dem die Quellen allen menschlichen Verständnisses versiegt waren.

    Es gibt die Legende, dass vor einiger Zeit der Müller ein Vermögen in der Hand hatte oder in seiner unmittelbaren Reichweite. Der Müller hatte nie über diese Angelegenheit gesprochen, nicht einmal mit seinen engsten Freunden. Selbst Educated Evans, der seine Bekanntschaft zu ihm als etwas enger betrachtete, kam mit selten geübter Zurückhaltung niemals auf diese enorme, verpasste Gelegenheit zu sprechen.

    Dennoch hatte es sie gegeben: Das Glück klopfte an seine Tür, mit einer Reihe von Häusern unter dem Arm, und der Müller, mit der Hand schon auf der Klinke, hatte gezögert.

    Reihen von Häusern, ein Automobil, jeden Tag seines Lebens zum Pferderennen, wann ihm danach zumute  war, und sein Ehrgeiz trieb ihn zu so einem hochfliegenden Ende – und Verlust, weil der Müller sich weigerte, dem Beweis zu vertrauen, den ihm seinen eigenen Ohren lieferten, oder der Maxime der Vorfahren zu glauben: in vino veritas.

    Mr. Sandy Leman hatte sicherlich dem vino zugesprochen, als der Müller ihn schnappte: a) wegen Trunkenheit, b) wegen ruhestörenden Lärms, c) wegen Landfriedensbruch, d) beleidigendes Verhalten.

    (»Er war«, um es in Educated Evans’ deutlicher Sprache zu formulieren, »so besoffen, dass er versuchte, auf einem fahrbaren Würstchenstand zu spielen in der Annahme, das sei ein Konzertflügel.«

    Was die »veritas« betraf, so hatte der Müller berechtigte Annahme zu glauben, dass nur ein einziges Pferd einen ernsthaften Probelauf in der Clumberfield Zuchtstation gestartet hatte und das sollte »Curly Eyes« gewesen sein? Auf dem Weg dorthin tat Mr. Sandy Leman der ganzen Welt diese Tatsache kund und bestand darauf, den Bezirksveterinär aufzusuchen, um auch ihn darüber zu informieren. Dazu unternahm er geradezu mitleiderregende Versuche, die Telefonnummer von Mr. Lloyd George herauszufinden, nur um ausgerechnet dem die gute Nachricht zu übermitteln, über den er aber (in Augenblicken völliger Trunkenheit) bittere Tränen zu vergießen pflegte.

    Dem Müller lag sozusagen der Markt zu Füßen und nach vielem Zögern setzte er fünf Shilling auf Platz und Sieg. Und das, nachdem er eine Nacht über die Entscheidung geschlafen hatte, ein Risiko einzugehen, um mit dem Einsatz von  50 gewinnen zu können. »Curly Eyes« gewann und brachte die Quote auf 100 zu 6. Der Müller las die Nachricht in der Zeitung, warf sie zur Erde und trampelte wütend darauf herum. Das ist die ganze Geschichte.

    Langsam und gelassen schlenderte Educated Evans auf dem Bahnsteig der Paddington Station umher. Seine Kopfhaltung drückte einen gewissen Stolz aus, seine Lippen hielten eine ausgefranste Zigarre, seine Augen hielt er halb geschlossen, als sei ihm der Anblick so vieler gewöhnlicher Pferdenarren auf der Fahrt nach Newbury zu viel. Groß und schwer hing der Feldstecher über seiner Schulter, aus jeder Tasche seines Mantels lugte eine Rennzeitung hervor.

    Educated Evans hielt vor der verschlossenen Tür eines Erste-Klasse Waggons an und betrachtete kühl und nüchtern den näher kommenden Schaffner.

    »Mitglied«, sagte er nur.

    »Mitglied des Parlaments oder der Rennställe?«, fragte der Schaffner sardonisch grinsend zurück.

    »Presse«, sagte Evans mit noch mehr Ernst in der Stimme.

    »Ich bin der Herausgeber der TIMES«.

    Der Schaffner machte eine bestimmte Geste.

    »Wo ist Ihr Ticket?«, fragte er und mit einem Seufzer präsentierte Evans das Dokument.

    »Dritter Klasse – und von gestern«, bemerkte der Schaffner böse. »Zum Teufel noch mal, einige von euch Typen geben es wohl nie auf, was?«

    »Ich werde mir Ihre Dienstnummer merken, mein Freund«, sagte Evans, zu einer Antwort gezwungen. »Der Railway Act von 1874 spezifiziert ganz genau, dass Tickets, die unter diesen Gesetzesbedingungen ausgegeben wurden, übertragbar und austauschbar...«

    Der Schaffner ging einfach weiter. Evans sah, dass eine Tür in dem Durchgangswaggon offen stand und der Schaffner sich soeben abgewendet hatte. Er betrat das Abteil, setzte sich in einen Eckplatz und verhüllte seine Identität mit einer auseinander gefalteten Abendzeitung.

    »Ich sage immer, Sir«, sagte er, als der Zug sich in Bewegung setzte und es kein Risiko mehr bedeutete, sich wieder der Allgemeinheit zu zeigen, »ein billiger Start ist ein guter Start. Nicht, dass ich nicht in der Lage wäre, mein Leben als Gentleman und Sportsmann zu bezahlen!«

    Sein einziger Abteilgenosse versteckte sich ebenfalls hinter einer ausgebreiteten Zeitung.

    »Es ist doch wohl klar«, so fuhr Mr. Evans fort, »dass ein Mann wie ich, der ich mich sozusagen des Vertrauens der meisten Rennställe in Wiltshire und Berkshire erfreue und meine eigenen Korrespondenten in Lambourn, Manton, Stockbridge und so weiter habe, so leuchtet es doch ein, dass ich Besitzer meiner eigenen Pferde – oha!«

    Der Müller betrachtete ihn kühl über den Rand seiner Zeitung.

    »Lass dich nicht stören, Evans«, sagte er höflich. »Ich höre dir sehr gerne zu, wenn du von deinen Pferden erzählst! ‚Tell-a-Tale’, Sohn von ‚Swan’ und ‚Gullibility’, dem Bruder von ‚Jailbird’ und Rennsieger; ‚Tipster’, Sohn von ‚Ananias’ und ‚Writer’s Cramp’, und so weiter und so weiter.«

    »Wir wollen uns doch keine Unannehmlichkeiten bereiten, Mr. Miller«, sagte Evans mit säuselnder Stimme. »Ich bin von Natur aus ein umgänglicher und redseliger Mensch, wie der berühmte

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