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Weltenerbe. Die letzte Katastrophe: Teil 3
Weltenerbe. Die letzte Katastrophe: Teil 3
Weltenerbe. Die letzte Katastrophe: Teil 3
eBook524 Seiten7 Stunden

Weltenerbe. Die letzte Katastrophe: Teil 3

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Über dieses E-Book

Ein riesiges Raumschiff mitten im Atlantik – cineastischer Horror wird Realität! Das Flugobjekt löst eine riesige Flutwelle aus, die unaufhaltsam auf die Küste Nordamerikas und Frankreichs zurast.

Daniél, Major Carson und Togan Brambesi werden gewarnt und können den totbringenden Wassermassen entkommen. Sie lassen alles zurück und flüchten in die sicheren Gebiete im Landesinneren. Die Rettung ist jedoch nicht von Dauer und bereits wenige Tage später erleben sie postapokalyptische Zustände, geprägt von Machtkämpfen, Nahrungsmittelknappheit, Plünderungen und Energiemangel.

Sämtliche Hoffnungen schwinden, als die Außerirdischen unaufhaltsam und flächendeckend alles zerstören, was ihnen in den Weg kommt. Und im Gegensatz zur Welle nimmt ihre Zerstörungskraft nicht ab …

Die Lage erscheint aussichtslos, bis die verschollen geglaubte Dr. Bolina mit einer erstaunlichen Entdeckung aus Grönland zurückkehrt …
SpracheDeutsch
Herausgeberacabus Verlag
Erscheinungsdatum30. Apr. 2014
ISBN9783862821570
Weltenerbe. Die letzte Katastrophe: Teil 3

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    Buchvorschau

    Weltenerbe. Die letzte Katastrophe - Umbrella Brothers

    1 Überraschung

    Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass sie auf die Hupe drückte. »Aus dem Weg!«, brummte sie in sich hinein. Schreien hatte keinen Zweck, der Mann im Auto vor ihr hätte sie ohnehin nicht hören können.

    »Penner!«, sagte sie, als sie endlich vorbeifahren konnte.

    Natürlich war sie es, die zu schnell fuhr. Für einen Moment berührte sie ihre überdimensionale Handtasche, die neben ihr auf dem Beifahrersitz lag. Diese war zwar nicht gerade prall gefüllt, aber in jedem Fall ein Grund, schnell zu fahren. Es kam ja nicht auf die Menge an, sondern auf den Wert der Scheine.

    Unglaublich, dass Clement so viel Bargeld in seinem Safe hatte.

    Er war ja auch ein Idiot, dachte Marie.

    Wie viele Jahre war sie mit ihm zusammen? Drei? Nein, es waren schon vier Jahre. Eine verdammt lange Zeit. Vier Jahre als seine Geliebte. Nie hat sie irgendetwas von ihm verlangt. Aber sie war immer da, wenn er sie brauchte.

    Fast nie zum Reden.

    Marie bog scharf ab und wurde dabei an die Tür gepresst. Das brachte sie wieder in die Realität zurück und sie trat auf die Bremse. Das Einzige, was bei ihrem Peugeot noch funktionierte. Das hatte der Wagen ihr voraus. Wenn Marie in ihrem eigenen Leben mal auf die Bremse getreten hätte, wäre sie jetzt nicht hier, sondern hätte einen Ehemann, drei Kinder und ein spießiges Häuschen.

    Vielleicht einen Hund. Marie mochte Hunde.

    Aber sie hatte sich in den grau melierten Clement verliebt, der zweimal im Monat für sie Zeit hatte. Oder nur einmal, wenn sie ihm mitteilte, dass sie gerade ihre Tage hatte.

    Der Mann war ein Idiot.

    Erneut tastete Marie nach ihrer Tasche. Sie war nervös. Und sie hatte auch allen Grund dazu, denn wenn man die Bündel zusammenrechnete, kam ein hübsches Sümmchen dabei heraus. Sie konnte wenigstens rechnen, bei Clement war sie sich nicht so sicher. Bestimmt rechnete er nicht damit, einen leeren Safe vorzufinden.

    Marie hatte noch etwas Zeit. Clement würde den ganzen Tag in der Firma verbringen. Vielleicht würde er auch heute Abend nicht den Inhalt seines Geldschrankes überprüfen. Aber ›vielleicht‹ war ein gefährliches Wort.

    Sie griff in die Handtasche und berührte ein Bündel Fünfhunderter. Mit dem Fingernagel glitt sie an den Scheinen entlang. Dann griff sie wieder mit beiden Händen das Lenkrad.

    Ein Glück, dass es nicht regnete. Ihre Scheibenwischer waren nicht mehr zu gebrauchen. Bei Regen musste sie zu Fuß gehen. Marie konnte es nicht begreifen. Sie saß in einem alten 206, der nur noch einen Außenspiegel auf der Fahrerseite hatte und Clement konnte sich mit seinem Geld ein ganzes Autohaus kaufen.

    Marie hatte es ihm zwar nie gesagt, aber natürlich wollte sie nicht auf ewig die zweite Geige spielen. Sie hatte sich bescheiden gegeben. Warum eigentlich? Verdient hatte sie das nicht. Vier Jahre ihres Lebens hatte sie ihm geschenkt. Und er hatte sie nur benutzt. Das Beste war ja, dass er nicht mal zu seiner Frau zurückging, sondern sich eine andere Mätresse zugelegt hatte.

    Jünger wahrscheinlich.

    Marie hupte. Ohne verkehrstechnischen Grund. Einfach nur, um zu hupen.

    Sie hupte, weil sie auf sich selber sauer war. Gut überlegt, war das mit dem gestohlenen Geld ja nicht. Sie konnte schlecht in der Stadt bleiben. Clement wusste, wo sie arbeitete. Den Job musste sie auch aufgeben. Der war sowieso nicht das Richtige gewesen. Hatte sie bisher irgendetwas richtig gemacht? War sie die Frau geworden, die sie mit siebzehn hatte werden wollen?

    Ja. Leider.

    »Live fast, die young«, hatte sie sich gesagt. Schöne Scheiße. Wenn sie ihre Flucht beendet hatte, wollte sie ihre Ziele noch einmal überdenken. Jetzt war sie dafür zu aufgeregt. Und zu sauer. Sie hupte noch einmal und es klang erbärmlich in ihren Ohren.

    Das Handy in ihrer Tasche klingelte. Mit einer Hand versuchte Marie, es zu ertasten. Aber natürlich war es ganz unten. Kurzum hob sie die Tasche an und diverse Dinge und Geldbündel fielen heraus. Unter anderem auch das Telefon. Marie sah den Namen ›Clement‹ auf dem Display. Starr hielt sie das Handy. Eine Ewigkeit. Sie wollte die Verbindung unterbrechen, entschied sich aber dafür, es nicht zu tun. Wenn es einfach nur klingelte, wäre es möglich, dass der Anrufer dachte, sie habe es irgendwo liegen lassen.

    Nein, darauf würde Clement nicht hereinfallen. Marie ging nirgendwohin ohne ihr Handy. Und er wusste das.

    Das Klingeln wurde immer lauter in ihren Ohren und wollte nicht aufhören. Die Vibration erschütterte ihren ganzen Körper. Als es endlich verstummte, steckte sie es in die Halterung in der Mittelkonsole. Eine neue Sim-Karte brauchte sie also auch. Konnte man mit diesen Dingern nicht geortet werden? Ja klar, aber nur wenn sie eingeschaltet waren.

    Marie schaltete das Handy aus.

    Nun hatte sie endgültig die alte Welt hinter sich gelassen. Alle Verbindungen waren gekappt. Was ließ sie zurück? Nicht viel.

    Erst jetzt registrierte Marie die Scheine auf dem Beifahrersitz. Sie blickte sich um, aber niemand achtete auf sie. Hastig stopfte sie das Geld zurück in die Tasche.

    Vor ihr lag das neue Leben. Noch einmal hupen? Aber nicht mit dieser Schrottkarre. Sie brauchte etwas Besseres. Marie wollte eine standesgemäße Flucht. Also fuhr sie in die Gegend, in der die Autohäuser Seite an Seite standen. Marie beschloss vorab, in das erste zu gehen, das sie fand.

    Sie war schnell an ihrem Ziel angelangt. Und sie glaubte ihren Augen nicht. Es war ein Mercedes-Händler. Hervorragend. Clement hasste deutsche Autos.

    Vorsichtig bugsierte sie ihren Peugeot zwischen den teuren Fahrzeugen hindurch, bis sie einen Parkplatz fand. Sie atmete einmal tief durch und öffnete die Tür, aber nur, um sie sofort wieder von innen zuzuziehen. Sie war noch nicht soweit.

    Wie sah sie aus? Gelenkig rutschte Marie auf den Beifahrersitz, nachdem sie die Tasche in den Fußraum gestellt hatte und klappte den Schminkspiegel herunter. Das ging ja gar nicht. So wollte sie nicht in ihr neues Auto steigen. Zwischen den Scheinen musste irgendwo ein Lippenstift stecken. Und mit etwas Glück auch eine Haarklammer. Mit einem rosa Touch auf den Lippen sah sie gleich zehn Mal besser aus, fand sie. Schminke hatte sie nicht dabei, aber das von heute morgen war noch in Ordnung. Tatsächlich fand sie eine Haarklammer. Nach einem Tag ohne Haare waschen war das ein probates Mittel, um dennoch sexy auszusehen.

    Nicht sexy genug, dachte sie. Sonst wäre Clement schließlich bei ihr geblieben. Am Reden konnte es ja nicht gelegen haben. Das hatten sie kaum gemacht.

    Sie betrachtete sich noch einmal in dem winzigen Spiegel und stieg auf der Beifahrerseite aus. Als sie neben der offenen Tür des Autos stand, bückte sie sich nach der Tasche im Fußraum. Die Beine schön durchgestreckt, so hatte sie auch Clement kennengelernt. Man wusste ja nie, wer einen beobachtete. Und sie wollte auch nicht als alte Jungfer sterben.

    Sollte die Tasche im Auto bleiben? Mit dem ganzen Geld? Marie zog sie heraus und warf sie sich lässig über die Schulter. Das passte eigentlich nicht zu ihr, weil sie nicht der sportliche Typ, sondern eher elegant war. Aber es war an der Zeit für Veränderungen.

    Marie schlug die Tür zu und wollte selbstsicher zwischen den Autos herumlaufen. Das funktionierte zwar nicht sonderlich gut, aber sie wurde bedeutend ruhiger. So fühlte es sich also an, wenn reiche Leute Dinge kauften.

    Waren hier keine Verkäufer? Beiläufig sah sie sich die Autos an. Die sahen alle sehr gut aus. Drinnen standen natürlich die neuen Wagen. Aber sie hatte vor, direkt weiterzufahren. Bestimmt bekam sie noch fünfhundert Euro für ihre alte Karre. Mit zweitem Außenspiegel wäre der Peugeot sicherlich doppelt so viel wert gewesen. Die Sonne spiegelte sich in den Karosserien der größtenteils silbernen Wagen. Es war Zeit für eine Sonnenbrille. Vielleicht sollte sie aufhören herumzulaufen. Sie blieb beim erstbesten Auto stehen und blickte durch die Scheibe. Marie war auf Anhieb begeistert vom Interieur. Das da drinnen sah aus wie echtes poliertes Holz. Clement hatte nur Plastik als Verkleidung der Mittelkonsole.

    Aus den Augenwinkeln sah sie einen Mann auf sich zukommen. Je näher er kam, desto breiter wurde sein Verkäuferlächeln.

    Dummchen oder arrogant? Marie musste sich für etwas entscheiden.

    Als der Mann an ihrer Seite war, legte er lässig eine Hand auf das Autodach. Sein Sakko stand nun weit offen und bot freie Sicht auf seinen kräftigen Oberkörper.

    »Hallo, schöne Frau. Wie kann ich Ihnen helfen?«

    Was für ein Arschloch, dachte Marie. Also Dummchen. Den wollte sie richtig fertig machen.

    »Mein Name ist Jean und wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen alle Modelle.«

    »Oh, danke! Das würden Sie für mich tun?«, fragte sie mit zuckersüßer Stimme.

    »Aber natürlich. Und mehr, wenn Sie wollen.«

    »Hihi.«

    Er löste seine Hand vom Autodach und ließ sie in die Hosentasche gleiten.

    Stumm leuchteten die gelben Lichter auf.

    »Wollen Sie mal reinhuschen?«

    Er tat wirklich so, als ob dies sein Auto sei und er kein einfacher Verkäufer. Galant öffnete er die Tür. »Bitte sehr!«

    »Danke«, piepste Marie und musste dabei aufpassen, dass sich ihre Stimme nicht überschlug. Sie setzte sich hinein und war überwältigt. Wie auf einer Sänfte oder Gondel mit Lederlenkrad, dachte sie. So musste sich Venedig anfühlen. Die Sitze waren unvorstellbar weich. Ihre Peugeot-Sitze waren Apfelsinenkisten dagegen. Marie ließ ihre Hände über die Armaturen gleiten. Da war sogar ein eingebautes Navigationsgerät in der Mitte. Und bestimmt war da noch mehr enthalten. Unglaublich, sie schaute durch die Frontscheibe und dachte, dass die Motorhaube so lang war wie ihr ganzer Wagen. Ein Schiff.

    »Wird das ein Geschenk von Ihrem Mann?«

    Marie kehrte von Venedig nach Bordeaux zurück und ihre Stimme war deutlich tiefer, als sie sagte: »Ich habe keinen Mann.«

    Der Verkäufer zuckte mit den Augenbrauen. Entweder war er erstaunt über die tiefen Töne aus ihrem Mund oder er freute sich, dass sie solo war. Er beugte sich zu ihr herunter. Etwas zu dicht, wie Marie fand.

    »Wenn Sie erlauben, möchte ich Ihnen einen Wagen zeigen, der vielleicht etwas besser zu Ihnen passt.«

    Klar, dieses Auto war schon toll, aber es war viel zu groß. Sie mochte den Typ nicht, aber seinen Job verstand er ganz gut.

    »Was denn für ein Auto?«

    »Kommen Sie mit, ich zeige es Ihnen.«

    »Ich möchte aber einen von hier draußen.«

    Er drehte sich kurz um und sagte dann: »Für Sie fahre ich ihn eben kurz raus. Sie warten hier!«

    »Ja, ich warte.«

    Der Verkäufer ging hinein und ließ Marie in der warmen Sonne stehen. Das dauerte alles zu lange, aber es gefiel ihr, wie sie behandelt wurde. Sie schaute auf ihre Uhr. In diesem Moment kam der Verkäufer zurück. Er saß in einem schwarzen Auto, das sie anlächelte. Ein superscharfes Auto. Der Mann hatte nur eine Hand am Lenkrad. Sein rechter Arm lag vor der Kopfstütze des Beifahrersitzes. Wahrscheinlich stellte er sich vor, dass sie neben ihm saß. Das konnte er natürlich vergessen. Der Mann ließ den Motor aufheulen und fuhr schnell über den Parkplatz, bis er neben Marie zum Stehen kam. Er wartete einen Moment und lächelte sie an. Dann stieg er aus.

    »Na? Wie gefällt er Ihnen?«

    »Ein Cabriolet?«

    Wahrscheinlich hatte sie etwas Falsches gesagt, weil er einen theatralischen Schritt rückwärts machte und sein Gesicht verzog.

    »Das hier ist ein Roadster!«

    Wahrscheinlich deutsch für ›Cabriolet‹, dachte Marie. Den genauen Unterschied hatte sie nie begriffen. Bestimmt gab es gar keinen.

    »Ja, ein Roadster. Gefällt mir!«

    Erst jetzt kehrte das Verkäuferlächeln zurück.

    »Dachte ich mir gleich, als ich Sie sah. Da gehören Sie einfach hinein. Los, probieren Sie mal!«

    »Was ist denn das für ein Auto?«, fragte Marie, als sie einstieg.

    »Das ist im Grunde egal«, meinte er. »Aber wenn Sie es unbedingt genau wissen wollen; Sie sitzen gerade in einem SL Roadster mit Ledersitzen in naturbeige.«

    Das fühlte sich auch super an. Nicht so wie in dem anderen Auto, aber hier drin fühlte sie sich viel wohler. Der Wagen war überschaubarer. Dennoch länger als der Peugeot. Gerade wollte der Mann seine Verkaufs-Kanonade beginnen, als Marie piepste: »Den nehme ich.«

    »Das ja exzellente Wahl«, stammelte er überrascht. »Wollen Sie eine Probefahrt machen?«

    Marie ließ ihre Finger über das Lenkrad gleiten. Sie träumte. Schließlich sagte sie: »Nein. Ich nehme ihn gleich mit.«

    Der Verkäufer machte einen verständnislosen Eindruck. Langsam sagte er: »Das ist ein neunzigtausend Euro Wagen.«

    Sie zog ihre Brille etwas herunter und schaute über den Rand in seine Augen. Dann nickte sie ein paar Mal.

    »Gut, dann gehen wir vielleicht hinein und regeln das Geschäftliche. Das muss ja auch. Lästiger Kram, aber das machen wir ganz schnell. In zwei Wochen können Sie dann den Wagen abholen.«

    »Zwei Wochen? Wieso das denn?«

    Er hob seine Schultern und sagte: »Ja, wissen Sie, das ist eine Vorsichtsmaßnahme. Sowohl für Sie, als auch für uns. Es kommt leider häufiger vor, dass die Kunden es sich noch einmal überlegen. Ist ja doch viel Geld, oder?«

    »Nein, ich brauche den Wagen sofort!«

    »Ja, aber …«

    »Ich will es mir nicht noch einmal überlegen. Ich nehme den Wagen.«

    Der Verkäufer schüttelte den Kopf. »Das geht leider nicht. Da kann man keine Ausnahme machen.«

    Damit hatte Marie nicht gerechnet. Ein Autohaus sollte doch Autos verkaufen. Sollte sie einfach gehen und mit ihrem Peugeot vom Hof fahren? Ihr erster Versuch, ein wenig reich zu sein, drohte zu scheitern.

    »Ich zahle bar.«

    Der Verkäufer zögerte einen Moment, sagte dann aber: »Das hat damit nichts zu tun. Das sind die Vorschriften. Die kann ich nicht ändern.« Er schaute auf etwas unterhalb ihres Gesichtes. »Auch für Sie nicht.«

    Daraufhin schob sie ihren Brustkorb etwas vor und machte ein trauriges Gesicht. Der Mann wankte. »Ich frag mal nach. Aber ich denke nicht, dass es gehen wird. Warten Sie bitte.«

    Er machte ein paar Schritte rückwärts und drehte sich dann um. Durch die Glasscheiben konnte sie seinen Weg zu seinem Büro verfolgen. Oder das seines Chefs. Noch einmal schaute sie auf die Uhr.

    Blödsinn, dachte sie. Ich habe so viel Zeit, wie ich will. Bordeaux war so groß, dass Clement sie nie finden würde. Sie schaute wieder zum Verkäufer und sah noch einen anderen Mann. Plötzlich drehten sich beide um und schauten in die gleiche Richtung. Marie konnte nicht erkennen, was ihre Aufmerksamkeit erregte. Vielleicht ein Fernseher. Aber beide verließen das Büro. Interessiert verfolgte Marie den Weg der Männer und fragte sich kurz, was da los war. Aber sie war zu sehr mit ihren eigenen Dingen beschäftigt.

    Der Verkäufer blieb stehen, während sein Chef weiterlief. Er ging dann zurück ins Büro, holte ein paar Zettel und eilte Marie entgegen. Was war da los?

    »Wissen Sie was?«, schrie er ihr schon auf dem Weg entgegen. »Wir machen eine Ausnahme für Sie!«

    »Wirklich?« Und schon hatte Marie das seltsame Verhalten vergessen.

    »Sie zahlen bar, ja? Sie haben neunzigtausend Euro dabei?«

    Marie hatte ein schelmisches Lächeln im Gesicht und nahm ihre Handtasche von der Schulter. Darauf hatte sie gewartet. Aber der Mann war nicht beeindruckt, als sie ein Geldbündel herausholte. Stattdessen schaute er nach links und rechts und sagte dann: »Ah, sehr gut! Hier sind Ihre Papiere. Ich brauche eigentlich nur eine Unterschrift.«

    Mit ein wenig Geld geht alles, dachte Marie. Sie unterschrieb den Zettel. Der Verkäufer gab ihr einen Durchschlag und wollte gehen.

    »Äh, und der Schlüssel?«

    »Ach ja, natürlich. Hier ist er.« Dann drehte er sich um und war wieder auf dem Weg zu seinem Büro. Aber Marie drehte sich um und freute sich über ihr neues Auto. Den Peugeot hatte sie ganz vergessen. Marie nahm den Schlüssel und suchte nach dem Knopf zum Öffnen der Wagentüren. Seltsam, der Mann hatte ihr gar nicht erklärt, wie alles funktionierte. Doch da leuchteten schon die Lichter auf. Es war natürlich ganz einfach. Sie öffnete, stieg ein und griff nach dem Lenkrad. Durch die Windschutzscheibe sah sie einen großen Geländewagen. Auch ein Mercedes, wie es schien. Das wäre nichts Besonderes gewesen, wenn nicht ihr Verkäufer am Steuer des Wagens gesessen hätte. Er raste mir quietschenden Reifen an ihr vorbei.

    Da stimmte etwas nicht, dachte Marie.

    Ihre Hände legte sie auf ihren Schoß und schaute sich um. Es war nichts zu sehen, was für eine Panik hätte sorgen können. Aber was war das für ein Geräusch? Wie ließ man die Scheiben herunter? Sie öffnete die Tür und konnte ein Brummen hören. Dann Geschrei.

    Marie stieg aus dem Auto und sah in den Himmel. Plötzlich sah sie eine gigantische Welle. Tobend näherte sie sich und Marie wusste, dass dies ihr Ende war. Was sie noch einmal richtig wütend machte, war, dass sie als Letztes an Clement dachte.

    2 Great Balls of Fire

    Es dauerte einen Moment, bis Robert d’Eglantines Erinnerungen zurückkehrten. Sein Gesicht schmerzte und er fuhr sich mit dem Handrücken über die Wange. Als er sich seine blutgefärbten Finger besah, erinnerte er sich wieder an die Frau. Sie war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte ihn mit dem Nunchaku bewusstlos geschlagen. Weiter spürte er einen unsäglichen Schmerz zwischen den Beinen. Seine Hose war im Schritt rot gefärbt. Dieses Miststück hatte ihm einen Hoden zertrümmert. Wo war Philipe? Er lag neben dem Auto und hatte eine Platzwunde am Hinterkopf. Stolpernd ging er auf ihn zu und rüttelte ihn, bis er wach wurde. In diesem Moment sahen sie einen Lichtblitz, der in den Himmel schoss.

    »Wir haben es geschafft, Carii’on.«

    »Na toll«, meinte Philipe und suchte seine Waffe, die er schließlich unter einem Auto liegend fand. Er steckte sie zurück in das Holster und klopfte zweimal auf seine Jacke. »Dann mal nichts wie los! Ich hoffe, die wissen noch, wer wir sind.«

    »Für sie hat die Reise nur einen Augenblick gedauert.«

    »Ja, aber für uns nicht. Sieh dich doch mal an. Also ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie du als Junge ausgesehen hast. Sag, ist das Blut zwischen deinen Beinen?«

    »Ja, die Frau hat mir die Stöcke zwischen die Beine geschlagen. Und ich glaube schon, dass sie noch wissen, wer wir sind.«

    »Ja klar. Das können die alles feststellen mit ihren Methoden. Ich hoffe nur, dass sie mich auch von meiner Krankheit befreien können. Dass sie zurückgekommen sind, kam keinen Augenblick zu früh. Wir müssen schleunigst dort hin.«

    Robert schaute in den Himmel, wo eben noch der Lichtstrahl zu sehen gewesen war. »Wenn die Basis plötzlich erscheint, wird das eine Menge Wasser verdrängen. Möglich, dass es eine Flutwelle gibt. Wir sollten erst einmal sehen, dass wir in das Landesinnere kommen. Möglichst schnell. Vor dort aus sehen wir weiter.«

    Philipe sagte: »Dann nichts wie zum Auto!«

    Robert schüttelte den Kopf. »Die Straßen werden überfüllt sein. Wir brauchen etwas Kleines und Schnelles. Ein Motorrad.«

    Sie stiegen in das Auto und fuhren in die Stadt Carnac. Überall standen Menschen auf der Straße und schauten in den Himmel, aber es gab nichts mehr zu sehen. Der Lichtstrahl war eine einmalige Angelegenheit. Vor einer Bar erblickten Robert und Philipe zwei Motorradfahrer auf ihren Maschinen, die eine war eine blaue Yamaha R1. Die andere Maschine kannte Robert nicht. Die jungen Kerle hatten ihre Helme über den Unterarm geschoben.

    »Die da!«, rief Robert und Philipe fuhr auf die beiden zu.

    Der eine Mann auf dem Motorrad schrie: »Ey! Spinnst du, du Arschloch!«

    Aber da hatte ihn Philipe schon auf der Motorhaube liegen. Sein Kopf knallte gegen die Scheibe, auf der sich ein langer Riss bildete. Sie stiegen aus und Robert sah auf das unter dem Auto liegende Motorrad. »Das ist nicht mehr zu gebrauchen.«

    Der andere Mann saß immer noch auf seiner Maschine und schimpfte: »Habt ihr ’se nicht mehr alle?«

    Philipe sagte: »Die Yamaha, die sieht noch gut aus«, zog seine Pistole und schoss dem Mann eine Kugel in den Kopf.

    »Headshot, darauf steht ihr Kids doch.«

    Robert kickte den toten Mann mit einem Fußtritt von der Maschine und sagte: »Los, aufsteigen. Wir fahren nach Paris. Das dürfte hoch genug liegen.«

    »Das sind gute sechs Stunden Fahrt«, sagte Philipe und schob ein neues Magazin in seine Pistole.

    »Nicht, wenn ich fahre«, sagte Robert und beschleunigte das Motorrad. Sie würden nicht bis nach Paris fahren müssen. Lediglich weit genug weg von der Küste. Robert raste durch die engen Gassen der Stadt. Dabei fragte er sich, warum die jungen Männer so große Maschinen besaßen. Zum Brötchenholen waren sie etwas überdimensioniert. Sie fuhren auf die kurvige Landstraße und Robert gab noch etwas mehr Gas. Es dauerte nicht lange und Philipe schlug seinem Freund auf den Rücken. Er wurde langsamer.

    »Wir brauchen Helme, das hält ja keiner aus!«

    Robert nickte. Es war zwar angenehm, den Fahrtwind zu spüren, aber überaus unangenehm bei Vollgas. »Gut, ich besorge uns welche.«

    Er beschleunigte noch einmal und fand nach ein paar Minuten ein Pärchen auf einem anderen Motorrad. Er schloss auf und nun fuhren beide nebeneinander. Philipe zog seine Pistole und zielte auf den Vorderreifen. Ein Schuss und die beiden taumelten und überschlugen sich. Robert riss die Yamaha herum und bremste. Schnell rannten sie zu den beiden und nahmen ihnen die Helme ab. Sie hatten überlebt, aber die Frau hatte sich das Bein gebrochen. Ihr Unterschenkel zeigte in eine ungewöhnliche Richtung. Der eine Helm hatte einen Riss.

    »Hauptsache er hält den Wind ab«, meinte Philipe und reichte Robert den größeren Helm. Er selbst probierte den kleineren. »Ist zu eng!«

    Robert legte beide Hände oben auf und drückte mit aller Gewalt nach unten. »Na bitte, passt doch«

    »Ja, aber bestimmt bekomme ich den nachher nicht mehr ab. Der drückt an der Seite!«

    »Nicht meckern. Aufsteigen!«, rief Robert durch das Visier und beide sprangen wieder auf die Maschine. Mit dem Helm war es deutlich angenehmer. Robert schaltete wieder die Gänge hoch und die beiden flogen über die Landstraße. Wenn er konnte, fuhr er auf der linken Seite. Aber gelegentlich überholte er auch auf dem Standstreifen. Nach einer halben Stunde fuhr Robert rechts ran und bremste. Er stieg von der Maschine ab und schüttelte seine Arme.

    »Ist was?«, fragte Philipe.

    »Das ist verdammt anstrengend. Jetzt bist du dran.«

    »Ja, ich bin ohnehin der bessere Fahrer.«

    »Ich weiß. Dann zeig mal, was du kannst.«

    Sie stiegen wieder auf und nach wenigen Minuten spürte Philipe, wie sich sein Freund fester und fester um seinen Bauch klammerte. Der Motor heulte unter der Dauerbelastung. Vielleicht war er kein besserer Fahrer, aber auf jeden Fall schneller. Sie fuhren auf die Autobahn und drängten sich durch eine gerade offene Mautschranke. Die Polizei brauchte einen Moment, bis sie reagierte. Aber da war es schon zu spät. Die beiden rasten davon und waren nur noch zu erahnen. Sicherlich hätten sie sich ein paar Kilometer weiter mit einer Polizeisperre konfrontiert gesehen, aber just in diesem Moment kam die Durchsage im Radio, die dazu führte, dass die Polizisten ganz andere Probleme hatten, sofern sie sich nicht um ihr eigenes Leben Gedanken machen mussten. Robert hatte Recht behalten. Mit dem Motorrad kamen die beiden sogar weiter, wenn die Autos fast die gesamte Straße blockierten.

    Die Welle blieb weit hinter ihnen. Sie sahen nicht mal einen Tropfen.

    »Ich denke, das reicht. Wir sind weit genug«, rief Robert.

    Philipe fuhr auf den Seitenstreifen.

    »So, jetzt geht es in die andere Richtung.«

    »Und dann? Wir brauchen ein Boot, um dort hin zu kommen.«

    »Ja und?«

    Robert meinte: »Ich vermute, dass die Boote an der Küste nicht mehr zu gebrauchen sind. Die Welle dürfte alles zerstört haben. Und die kleinen Dinger, die hier auf den Flüssen fahren, sind kaum seetauglich; außerdem würde es zu lange dauern.«

    »Dann müssen wir uns etwas anderes überlegen. Kannst du dich noch daran erinnern, wie wir damals das erste Mal zur Küste geflogen sind? Wir sind doch vorhin an einem kleinen Flughafen vorbeigefahren. Das wäre doch auch möglich. Ich bin schon lange nicht mehr geflogen.«

    »Wenn du das noch kannst.«

    »Natürlich. Los, steig wieder auf!«

    Nach ein paar Minuten kamen sie an dem kleinen Flugplatz an. Philipe hielt vor dem Zaun, der oben mit einer Stacheldrahtkrone versehen war.

    »Da rüber?«

    »Nein, wir gehen durch den Haupteingang.«

    Der Mann am Schalter sagte: »Hallo, meine Herren. Wir haben geschlossen. Niemand darf mehr starten. Wir fertigen nur die kleineren Flugzeuge ab, die noch in der Luft sind.«

    »Okay«, sagte Philipe und schoss dem Mann in die Brust. »Aber bei uns werden Sie sicher eine Ausnahme machen.«

    Draußen auf dem Rollfeld herrschte noch reger Betrieb. Viele Privatleute in teuren Anzügen und mit Pilotenkoffern rannten umher und fragten sich gegenseitig, was genau passiert war. Einige waren wütend, weil sie ihre Termine nicht einhalten konnten. Niemand wusste, warum die Maschinen landen mussten. Eine kleine Cessna war gerade heruntergekommen und auf dem Weg zur Parkposition.

    »Die sieht gut aus!«

    Der Pilot stieg aus und fluchte. Man konnte nicht viel verstehen bei all dem Lärm auf dem Flughafen, aber die ausgeprägten Adern auf seiner Stirn grenzten die möglichen Wörter sehr stark ein. Der Mann sah Philipe und Robert und ging auf die beiden zu. »Könnt ihr zwei mir sagen, was hier los ist? Die spinnen doch! Einmal in der Woche bin ich unterwegs und ausgerechnet da wird der Luftraum gesperrt. Weswegen überhaupt? Was soll der Mist?«

    Robert sah, wie sein Freund zur Waffe greifen wollte, legte ihm schnell die flache Hand auf die Brust, um dies zu verhindern, und sagte zu dem Mann: »Ein riesiges Raumschiff ist gelandet und deshalb wurde der Luftraum gesperrt. Es ist zu Ihrer eigenen Sicherheit.«

    »Was? Wo?«

    »Im Atlantik.«

    »Da fliege ich doch gar nicht lang, verdammt noch mal. Wer ist dafür verantwortlich?«

    Robert sagte nur: »Sie müssen sich sofort zum Schalter begeben. Alle Piloten sollen sich melden.«

    Für einen Moment sagte der Mann nichts und schaute sich nur die Gesichter der beiden an. »Okay, aber wenn das nicht wahr ist, verliere ich nicht nur den Deal, sondern ihr beide auch euren Job.« Wütend stampfte der Mann mit seinem Koffer davon, während Robert Philipe aufforderte, in das Flugzeug zu steigen. Als sich der Mann noch einmal umdrehte, um sich nach der Nummer des Schalters zu erkundigen, schloss sich gerade die Luke.

    »Hey! Kommt da sofort raus!« Der Mann rannte auf das Flugzeug zu, aber die Motoren starteten bereits. Mit voller Wucht warf er seinen Pilotenkoffer dagegen und schrie: »Raus da, ihr verdammten Kerle!« Aber es war zu spät.

    Im Flugzeug fragte Philipe: »Wieso durfte ich ihn nicht einfach abknallen?«

    »Weil da zu viele Leute waren, du Schwachkopf! Die haben hier ihre eigene Polizei. Ich habe keine Lust, mir in letzter Sekunde deinetwegen eine Kugel einzufangen.«

    3 Wasser

    Zusammen mit den anderen sah Daniél die gigantische Welle. Wie eine schwarze Wand baute sie sich vor ihnen auf. Und sie wurde begleitet von einem tosenden Geräusch, das den Boden erzittern ließ. Erst als jemand kreischte, zuckte Daniél zusammen und rannte davon. Aber es war sinnlos. Er wusste jedoch nicht, was er sonst hätte tun sollen. Vor ihm war der Kanal, der sicherlich ein paar Meter in die Tiefe ging. Hinter ihm näherte sich die todbringende Welle. Er rannte und rannte. Immer weiter auf den Graben zu. Auch alle Autofahrer um ihn herum gaben Vollgas, aber keiner war so schnell wie das Wasser. Als Daniél den Graben erreichte, sprang er, obwohl er wusste, dass er die andere Seite nicht erreichen würde. Als er in der Luft war, rauschte ein Teil der Welle unter ihm her, verfing sich im Graben und schoss wieder nach oben. Mit voller Wucht wurde er erfasst und in den Himmel geschleudert. Jedenfalls kam es ihm so vor. Während Menschen, Tiere und Autos verschluckt wurden, wurde Daniél getragen wie ein Surfer. Um ihn herum trieben Autos, Häuserdächer und ein paar Leichen. Daniél schlug wild mit den Armen um sich. Dann wurde er in die Tiefe gezogen. Man konnte nichts sehen. Er verlor sofort das Gefühl von oben und unten, weil das Wasser ihn wie wild herumwirbelte. Absolute Dunkelheit umgab ihn. Er schluckte Wasser und es schmeckte widerlich. Das Rotieren hörte auf und er trieb wie ein schwereloser Astronaut. Panisch begann Daniél zu schwimmen, obwohl er nicht wusste, ob die Richtung stimmte. Es wurde nicht heller. Etwas berührte ihn am Fuß und er zuckte zusammen. Vielleicht eine der Leichen. Sehen konnte er nichts mehr, weil seine Augen brannten und er sie schließen musste. Bestimmt war er schon mehrere Meter unter der Wasseroberfläche. Mit der Geschwindigkeit der Welle konnte er es niemals aufnehmen. Dennoch schwamm er wie ein Verrückter. Er erinnerte sich plötzlich an die Geschichte von den zwei Fröschen, die in der Milch schwammen. Der eine ertrank, weil er aufgegeben hatte. Der andere überlebte, weil sich durch das Paddeln die Milch in Butter verwandelte. Damit konnte er hier wohl nicht rechnen. Aber Aufgeben war keine Option. Das war die Moral, die er aus der Fabel herausholte. Weiter schwimmen! Aber das ging nicht ewig. Seine Kräfte verließen ihn und vor allem wurde die Luft knapp. Erneut schluckte er Wasser. Gleich würde er ertrinken. Scheiß Frosch, dachte er.

    Mit unerwarteter Wucht traf ihn etwas Großes am Rücken und riss ihn mit sich. Daniél konnte fühlen, dass es aus Plastik war. Er wurde beschleunigt und raste mit dem Ding nach unten. Da half auch kein Schwimmen mehr. Es würde ihn in die Tiefe zwingen und das war sein Ende. Plötzlich war er an der Luft. Offensichtlich war das, was er für unten gehalten hatte, oben. Er atmete tief ein und verschluckte wieder etwas von dem spritzenden Wasser. Tosender Lärm umgab ihn. Das Ding, das ihn mitgerissen hatte, war ein ziemlich großer Plastikbehälter. Daniél suchte nach einer Möglichkeit, sich fest zu halten. Noch einmal wollte er diese Tauchfahrt nicht machen. Am Einlassstutzen fand er eine Möglichkeit, es war jedoch nicht einfach. Der Behälter drehte sich und Daniél hing darunter im Wasser. Wie eine Schiffsschaukel baumelte das Ding hin und her, sodass er in fast regelmäßigen Abständen Luft holen konnte. Wenigstens befand er sich nicht mitten in der Welle. Als er wieder einmal auftauchte, sah er einen großen Balken auf sich zukommen. Er konnte sich gerade noch zu Seite drehen, wurde aber dennoch am Hinterkopf getroffen. Der Balken war mindestens 3 Meter lang und durchbohrte den Behälter. Für ein paar Sekunden wurde ihm schwarz vor Augen und er tauchte erneut unter Wasser. Als er wieder klar war, sah er das Loch: Der Behälter füllte sich. Ein Pochen am Hinterkopf machte sich bemerkbar. Sicherlich blutete er sehr stark, aber darum konnte er sich jetzt nicht kümmern. Das Loch weitete sich und plötzlich riss der Behälter auseinander. Ein paar Sekunden konnte er sich noch über Wasser halten, dann versank Daniél erneut in den Fluten. Wieder in der dumpfen Dunkelheit. Er wollte schon wieder seine Augen schließen, als er ein Licht sah. Es waren sogar zwei Lichter: Ein Auto. Schnell schwamm er darauf zu. Auch im Innenraum brannte Licht und Daniél konnte erkennen, dass sich eine Luftblase gebildet hatte. Das war also oben. Er tauchte auf die andere Seite und öffnete die Tür. Dadurch floss etwas Wasser herein, aber die Luftblase blieb erhalten. Er schob die erschlafften Airbags zur Seite, schwamm hinein und schloss die Tür hinter sich. Die feuchte Luft tat gut. Im schwachen Schein des Lichtes sah er auf der Rückbank einen Mann liegen, der sich in den Gurten verfangen hatte und damit wohl stranguliert worden war. Immer wieder drehte sich das Auto und Daniél kletterte von einer Seite auf die andere. Dann ging das Licht aus, was die Suche nach der sich bewegenden und kleiner werdenden Luftblase deutlich erschwerte. Jetzt musste er auf die Rückbank zu der Leiche. Er hatte das Gefühl, dass die Hand des Toten ihm in sein Gesicht fasste. Langsam musste er sich Gedanken machen, was er tat, wenn die Luftblase vollständig verschwunden war. In der Dunkelheit war es unmöglich die Stelle zu finden. Panisch tauchte er hin und her. Er musste atmen. Der erschreckende Gedanke kam, dass es vielleicht gar keine Luftblase mehr gab. In diesem Fall musste er so schnell es ging aus dem Wagen. Verzweifelt suchte er eine Tür. Plötzlich spürte er einen Ruck. Der Wagen war gegen irgendetwas geprallt. Dann sah er Licht und wurde geblendet. Durch die Frontscheibe fiel das Sonnenlicht.

    Die Welle hatte das Auto in Richtung eines kleinen Hügels getragen und nun war Daniél wieder an der Oberfläche. Der Wagen lag auf dem Kopf. Daniél fand die Tür und zwängte sich mit letzter Kraft ins Freie. Er stand immer noch bis zu den Oberschenkeln im Wasser, aber er konnte den Hügel noch ein wenig emporsteigen. Das Rauschen dröhnte in seinen Ohren. Dort oben war schon alles verwüstet. Wahrscheinlich wurde die Welle schon wieder kleiner. Er sank auf die Knie und blickte sich um. Die nasse Kleidung klebte an seinem Körper. Er zog sein tropfendes Handy aus der Tasche. Es funktionierte nicht mehr, dennoch steckte er es aus Gewohnheit zurück in seine Hosentasche. Der Jeep wurde erneut von den Fluten erfasst und fortgerissen. Daraufhin stieg Daniél noch ein wenig höher. Als er ganz oben angekommen war, schaute er sich um.

    Er war umgeben von Wasser und seine Insel war winzig. Die Fluten eilten immer noch in Richtung Landesinnere. Diverse Gegenstände rauschten an ihm vorbei. Dort war ein Teil eines Häuserdaches. Es fiel immer mehr auseinander. Daniél sah viele Bäume und auch viele Autos in der schwarzen Brühe. Hier und da schauten Körperteile aus dem Wasser und schossen an ihm vorbei, bis sie in der Ferne verschwanden. Der Pegel sank. Auch die Fließgeschwindigkeit verringerte sich. Es wurde immer leiser, bis das Wasser fast erstarrte und alles um ihn wie ein ruhiger Tag auf dem Meer aussah. Wie friedlich auf einmal alles wirkte. Dann drehte sich die Richtung des Wassers um. Als ob der Film nun rückwärts erneut abgespult wurde. Auch die Windrichtung änderte sich. Da vorne kam der Jeep zurück, der ihm das Leben gerettet hatte. Es konnte allerdings auch irgendein völlig anderes Auto sein. Zwar war er erschöpft, aber dennoch richtete er sich auf und schaute fasziniert zu. Das war alles so unglaublich. Der leichte Wind blies ihm ins Gesicht. Dann wurde etwas vor seine kleine Insel gespült. Das war ein Mensch! Vorsichtig näherte er sich und zog die Person etwas weiter nach oben. Es war eine kräftig gebaute Frau, ihr Gesicht zeigte nach unten. Als er sie umdrehte, musste er sich fast übergeben. Sie blutete überall und aus ihrem Mund quoll verdrecktes Wasser. Die Augen waren weit geöffnet. Es war so widerlich und für einen Moment dachte er daran, sie einfach wieder in die Fluten zu werfen. Aber das war mittlerweile schon gar nicht mehr so einfach, weil der Pegelstand drastisch zurückging. Seine Insel wurde immer größer und nach und nach konnte man auch andere Hügel sehen.

    Er war allein. Auf einer Briefmarke in der unglaublichen Weite. Allein mit dieser dicken toten Frau. Und sie war sicherlich nicht die einzige Tote. Wer konnte so etwas schon überleben. Ihm kam der schreckliche Gedanke, dass gleich noch weitere Leichen auftauchen würden.

    Es dauerte noch eine Weile, bis die Flut vorüber war. Seine Hemd und seine Hose waren mittlerweile schon wieder trocken. Nicht überall war das Wasser vollständig abgeflossen. Er war umringt von unzähligen schwarzen Tümpeln. Daniél blickte auf die totale Verwüstung. Die Straßen waren unterspült oder fehlten sogar teilweise. Es lagen überall kleine Steinbrocken herum. Welche Kraft musste man aufbringen, um den Teer zu sprengen? In der Ferne sah er Bäume, die wie aufgereihte Streichhölzer aussahen. Sie hatten ihre kleinen Äste und natürlich alle Blätter verloren. Viele waren entwurzelt und lagen traurig auf der Seite.

    Ihm selbst ging es nicht anders, dachte er. Sein Haus war sicherlich nichts weiter mehr als eine lose Steinsammlung. Bestimmt hatte nur der blöde Fernseher überlebt. Das Ding war ja nicht kaputt zu kriegen. Und er hatte sich Gedanken um den Garten gemacht. Welchen Garten? Dort war jetzt alles wieder so, wie es kurz nach dem Urknall ausgesehen haben musste.

    »Los! Weiter!«, sagte er zu sich selber. Etwas in ihm fragte, wohin? Ohne Ziel war es schwer, sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Der Spruch »Überall ist es besser als hier« half ihm auch nicht, weil soweit er schauen konnte, alles genauso aussah, wie auf seinem Hügel. Er setzte sich auf den Boden. Eigentlich war es mehr ein ernüchtertes Fallenlassen. Alles, was er noch hatte, war sein Leben und das, was er am Leibe trug.

    »Du hast es hinter dir«, sagte er zu der toten Frau und umarmte seine angezogenen Beine. Die Stille war bemerkenswert. So etwas hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Immer hatte wenigstens irgendein nerviger Vogel gezwitschert oder irgendwo war eine Auto-Alarmanlage losgegangen. Aber hier war gar nichts. Und über der Stille lag ein modriger Geruch. Alles war so trostlos. Die Sonne brannte auf ihn herab. Regen hätte noch gefehlt. Aber der Himmel war wolkenlos und Daniél spürte die heißen Sonnenstrahlen an seinem Nacken. Mit einer Hand verdeckte er den Bereich zwischen Hemd und Haaren. Noch einmal schaute er sich um: Er war weit und breit der Einzige, der überlebt hatte. Das bedeutete, dass er verdammtes Glück gehabt hatte. Wahrscheinlich war es nicht sehr schlau, hier einfach sitzen zu bleiben

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