Alles nur Lug und Trug?: Die neue Praxis Dr. Norden 26 – Arztserie
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Die neue Praxis Dr. Norden Nr. Alles nur Lug und Trug? »Es ist traumhaft schön«, versicherte Olivia ihrer Freundin Lotta, die in einem Brautkleid aus cremefarbener Brüsseler Spitze vor ihr stand. Es hatte einen ovalen Ausschnitt, der bis zu den Schultern reichte. Das Kleid war bis zur Taille schmal geschnitten, der Rock leicht ausgestellt, und die Ärmel bedeckten einen Teil der Hände. Es schien wie gemacht für die schlanke junge Frau mit dem hellbraunen Haar und den dunklen Augen. »Ich sehe ein bisschen aus wie Schneewittchen, zumindest so, wie ich mir diese Märchenfigur in meiner Phantasie vorstelle«, entgegnete Lotta lächelnd und drehte sich vor dem großen Spiegel, der in einem goldfarbenen Rahmen an der Wand neben der Kabine befestigt war. »In diesem Kleid bist du Schneewittchen«, entgegnete Olivia. Das zarte Gesicht, das dunkle Haar und das wundervolle Kleid, so wie Lotta gerade aussah, stellte auch sie sich diese Märchenfigur vor. »Ich kann nur zustimmen«, schloss sich auch die Verkäuferin an. Sie war Mitte fünfzig, hatte blondes kurzes Haar, trug ein elegantes cognacfarbenes Kostüm und hatte Lotta in der letzten Stunde fachkundig und geduldig bei der Wahl des richtigen Brautkleides beraten. Nicht jedes Kleid, das sie Lotta gezeigt hatte, erschien Olivia passend, aber sobald Lotta es anprobierte, musste sie zugeben, dass es ihr ausgesprochen gut stand. Die Wahl der Verkäuferin beruhte nicht auf einer vagen Annahme, sie wusste genau, welches Kleid zu ihrer Kundin passte. Der kleine Laden im Erdgeschoss eines der Prachtbauten in der Münchner Maximilianstraße war für seine exklusiven Brautmoden bekannt. Er war nicht sehr groß, wirkte aber mit seinem schwarzen Marmorboden, der weißen Marmortheke, den goldfarbenen Wänden und der weiten Fensterfront äußerst luxuriös.
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Buchvorschau
Alles nur Lug und Trug? - Carmen von Lindenau
Die neue Praxis Dr. Norden
– 26 –
Alles nur Lug und Trug?
Für die schöne Biologin Lotta bricht eine Welt zusammen
Carmen von Lindenau
»Es ist traumhaft schön«, versicherte Olivia ihrer Freundin Lotta, die in einem Brautkleid aus cremefarbener Brüsseler Spitze vor ihr stand.
Es hatte einen ovalen Ausschnitt, der bis zu den Schultern reichte. Das Kleid war bis zur Taille schmal geschnitten, der Rock leicht ausgestellt, und die Ärmel bedeckten einen Teil der Hände. Es schien wie gemacht für die schlanke junge Frau mit dem hellbraunen Haar und den dunklen Augen.
»Ich sehe ein bisschen aus wie Schneewittchen, zumindest so, wie ich mir diese Märchenfigur in meiner Phantasie vorstelle«, entgegnete Lotta lächelnd und drehte sich vor dem großen Spiegel, der in einem goldfarbenen Rahmen an der Wand neben der Kabine befestigt war.
»In diesem Kleid bist du Schneewittchen«, entgegnete Olivia. Das zarte Gesicht, das dunkle Haar und das wundervolle Kleid, so wie Lotta gerade aussah, stellte auch sie sich diese Märchenfigur vor.
»Ich kann nur zustimmen«, schloss sich auch die Verkäuferin an. Sie war Mitte fünfzig, hatte blondes kurzes Haar, trug ein elegantes cognacfarbenes Kostüm und hatte Lotta in der letzten Stunde fachkundig und geduldig bei der Wahl des richtigen Brautkleides beraten.
Nicht jedes Kleid, das sie Lotta gezeigt hatte, erschien Olivia passend, aber sobald Lotta es anprobierte, musste sie zugeben, dass es ihr ausgesprochen gut stand. Die Wahl der Verkäuferin beruhte nicht auf einer vagen Annahme, sie wusste genau, welches Kleid zu ihrer Kundin passte.
Der kleine Laden im Erdgeschoss eines der Prachtbauten in der Münchner Maximilianstraße war für seine exklusiven Brautmoden bekannt. Er war nicht sehr groß, wirkte aber mit seinem schwarzen Marmorboden, der weißen Marmortheke, den goldfarbenen Wänden und der weiten Fensterfront äußerst luxuriös.
»Ich traue mich gar nicht nach dem Preis zu fragen«, seufzte Lotta, als sie sich noch einmal vor dem Spiegel um sich selbst drehte. Sie hatte sich ein Limit für den Kauf ihres Brautkleides gesetzt, und ihr war klar, dass dieses Kleid dieses Limit sprengen würde.
»Es ist ein Designerkleid, da es aber aus einer Kollektion aus dem Vorjahr stammt, könnte ich es Ihnen für 3.500 Euro anbieten«, sagte die Verkäuferin.
»Das ist für das Kleid sicher nicht zu viel, aber weit über meinem Limit. Ich muss kurz nachdenken«, antwortete Lotta und schaute in den Spiegel. Sie hatte zwar einen gut bezahlten Job als Biologin in einem Labor für Pflanzenzucht und auch einige Ersparnisse, aber sie kam aus einer Familie, in der niemand je auf die Idee gekommen wäre, so viel Geld für ein Kleid auszugeben, nicht einmal für ein Hochzeitskleid.
»Deine Entscheidung«, sagte Olivia, als Lotta sie fragend ansah.
»Ich könnte Ihnen noch einen Rabatt geben, sagen wir 250 Euro«, schlug die Verkäuferin Lotta vor.
»Ich habe vor, nur einmal zu heiraten, und es soll ein unvergesslicher Tag werden, und ja, ich nehme es«, sagte Lotta kurz entschlossen.
»Lukas wird es den Atem verschlagen, wenn er dich in diesem Kleid sieht«, versicherte Olivia der Freundin.
»Dann ist dieser Kauf die richtige Entscheidung. Wer möchte seinen zukünftigen Ehemann nicht an diesem Tag mit seinem Aussehen beeindrucken«, erklärte Lotta.
Nachdem sie sich auch die passenden Schuhe, weiße Ballerinas aus Wildleder, dazu ausgesucht hatte, packte die Verkäuferin ihr das Kleid und die Schuhe in einen goldfarbenen Karton mit weißer Schleife.
Zufrieden mit ihrem Einkauf verließ Lotta wenig später das Brautmodengeschäft.
»Jetzt haben wir uns einen Kaffee und ein Stück Kuchen verdient«, sagte sie, nachdem sie den Karton im Kofferraum ihres Autos verstaut hatte, einem schwarzen Kleinwagen mit Schiebedach, der nur ein paar Meter von dem Brautmodengeschäft entfernt auf dem Parkstreifen stand. »Obwohl, das Kleid sitzt wie angegossen. Kuchen sollte ich mir vor der Hochzeit wohl verkneifen, damit es mir nicht zu eng wird«, stellte Lotta fest, als sie auf das Café auf der anderen Straßenseite schaute.
»Die Hochzeit ist erst in sechs Wochen, du darfst dir ruhig noch ein Stück Kuchen erlauben«, entgegnete Olivia schmunzelnd.
»Stimmt, ich kann mir diese Sünde noch erlauben«, antwortete Lotta lachend. »Also dann, komm«, sagte sie und hakte sich bei Olivia unter.
Ein paar Minuten später saßen sie an einem der Tische unter dem roten Stoffvordach des Cafés gegenüber des Brautmodengeschäftes, tranken den frisch gebrühten duftenden Kaffee und ließen sich den Käsekuchen mit Kirschen schmecken.
»Seitdem ich weiß, dass der Eisenmangel, den Daniel vor einigen Wochen bei mir festgestellt hat, vermutlich eine Folge meiner Glutenunverträglichkeit ist, achte ich noch strenger darauf, Gluten zu vermeiden«, sagte Lotta.
»Dieser Käsekuchen ist ohne Boden, das heißt, er ist ohne Mehl gebacken, der schadet dir nicht«, versicherte ihr Olivia.
»Deshalb werde ich ihn auch genießen«, erklärte Lotta und schob das nächste Stück Kuchen genüsslich in ihren Mund.
Wie an jedem Samstag waren in der Maximilianstraße, eine der exklusivsten Einkaufsstraßen der Stadt, neben Einheimischen auch viele Touristen unterwegs. Nicht nur die Geschäfte zogen die Menschen an, es waren auch die restaurierten Prachtbauten der vergangenen Jahrhunderte wie das Bayerische Nationaltheater, das Hotel Vierjahreszeiten oder die Münchner Kammerspiele, die in jedem Reiseführer als Anziehungspunkt angepriesen wurden, die sie sich anschauen wollten.
An den teuren Autos, die vor den Geschäften parkten, war unschwer zu erkennen, dass nicht nur das Angebot in dem Brautmodengeschäft im höheren Preissegment lag. Olivia nutzte die Einkaufsstraße meistens nur zu einem Schaufensterbummel. Für Kleidung oder Gebrauchsgegenstände so viel Geld auszugeben, erschien ihr übertrieben und sinnlos. Wenn es aber um einen ganz besonderen Anlass ging wie eine Hochzeit, konnte die Vernunft auch ausnahmsweise einmal außen vorbleiben, so wie gerade bei Lotta.
»Meinen Eltern verrate ich lieber nicht, was ich für das Kleid ausgegeben habe«, sagte Lotta, als ahnte sie, worüber Olivia gerade nachdachte. »Mama würde mir wieder einen Vortrag darüber halten, dass niemand verschwenderisch mit seinem Geld umgehen sollte, weil sonst ohne Zweifel irgendwann die Armut droht.«
»Sie wird dir diese Ausnahme nachsehen«, entgegnete Olivia lächelnd.
»Sie hat mich gelehrt, immer genau zu überlegen, wofür ich mein Geld ausgebe, damit ich niemals auf das wirklich Notwendige verzichten muss. Obwohl mein Vater als Autobauer recht gut verdient und er sich auch später durch die großzügige Betriebsrente, die er einmal erhalten wird, keine Sorgen machen muss, und meine Mutter auch zu unserem Familieneinkommen beigetragen hat, war sie niemals verschwenderisch.«
»Deiner Schwester und dir hat es aber nie an etwas gefehlt, nehme ich an.«
»Das stimmt, für uns Kinder war immer alles da. Uns ging es wirklich gut, und genau wie Sonja fand ich es ausgesprochen schön, dass unsere Mutter da war, wenn wir aus der Schule nach Hause kamen. Die Versicherungsgesellschaft, für die sie auch heute noch tageweise arbeitet, hatte schon vor vielen Jahren die Möglichkeit zum Homeoffice eingeführt.«
»Glücklicherweise wird das von einigen Firmen immer häufiger angeboten. Gerade für junge Familien ist das eine Chance, mehr Zeit mit ihren Kindern zu