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Sturm über Bluewater
Sturm über Bluewater
Sturm über Bluewater
eBook156 Seiten2 Stunden

Sturm über Bluewater

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Über dieses E-Book

Ein junges Mädchen wächst auf dem Bauernhof ihrer Eltern auf. Jennys Traum ist es, Lehrerin zu werden, aber die Realität ist weit von ihrem Traum entfernt, da sie selbst gar nicht einmal zur Schule geht, weil ihr Vater es verbietet. Auch den Umgang mit Indianern verbietet er ihr, da diese, laut Jennys Vater, alle Feinde sind und ihr Land stehlen. Wird Jennys Traum, in die Schule zu gehen und eines Tages selbst Lehrerin zu werden, in Erfüllung gehen? Und wird ihr Vater seine Haltung gegenüber "dem Fremden" ändern? -
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum13. Dez. 2021
ISBN9788726921724
Sturm über Bluewater

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    Buchvorschau

    Sturm über Bluewater - Stig Ericson

    Stig Ericson

    Sturm über Bluewater

    Aus den Erinnerungen von

    Jenny M. Lind, Nebraska 1890

    Aus dem Schwedischen

    von Regine Elsässer

    Saga

    Sturm über Bluewater

    Übersezt von Regine Elsässer

    Titel der Originalausgabe: Jenny från Bluewater

    Originalsprache: Schwedischen

    Coverbild/Illustration: Shutterstock

    Copyright © 1990, 2021 Stig Ericson und SAGA Egmont

    Alle Rechte vorbehalten

    ISBN: 9788726921724

    1. E-Book-Ausgabe

    Format: EPUB 3.0

    Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

    www.sagaegmont.com

    Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

    Erster Teil

    Sturm über Bluewater

    Gedungene Cowboys mit lose sitzenden Halftern und schnellen Pistolen unternahmen alles, um die Siedler zu verjagen. Höfe wurden angezündet. Schüsse hallten durch die Nacht, Leute wurden tot aufgefunden. Zeugen wurden gekauft oder zum Schweigen gebracht.

    Onkel Charles

    Ich weiß nicht, ob ich nur Angst hatte vor meinem Vater oder ob ich ihn wirklich haßte. Bis zu dem Sommer, in dem ich vierzehn Jahre alt wurde, hatte ich ihn meistens als eine Schreckfigur erlebt. Meine Gefühle für ihn umfaßten alles außer Gleichgültigkeit ‒ und Liebe.

    Aber trotz allem kam es manchmal vor, daß ich ihn bewunderte, daß ich stolz darauf war, seine Tochter zu sein.

    Meine Gedanken kreisten ständig um Vater.

    Er beherrschte meine ganze Kindheit und Jugend.

    Mein Vater war eine starke Persönlichkeit, im Guten wie im Schlechten, eine Führergestalt. Und trotz seines Eigensinns, trotz aller seiner kindischen Einfälle und gewalttätigen Ausbrüche wurde er von den Siedlern in der ganzen Gegend um Bluewater respektiert. Er muß so ungefähr 25 Jahre alt gewesen sein, als er seine ersten 160 Ar auf dem Plateau westlich des Flusses absteckte, aber es hat nicht lange gedauert, bis man ihn „Onkel" Charles nannte. Es gab in der Gegend mehrere Siedler, die Charles hießen, aber mein Vater hatte den wildesten Bart und den schärfsten Blick. Er war auch der erste, der den Spaten in die schwarze Erde zwischen dem Fluß und den Sandhügeln stieß.

    Ich sehe es förmlich vor mir, wie er gebeugt zwischen den wilden Sonnenblumen hockt. Die Hosen sind so kaputt, daß die Knie herausschauen. Er zerkrümelt die schwere Erde zwischen seinen groben und doch merkwürdig gefühlvollen Fingern und brummelt etwas in sehr gebrochenem Englisch oder vielleicht auch auf schwedisch. „Wo die Sonnenblumen so hoch wachsen, da muß man auch Mais anbauen können."

    Der erste wirkliche Bauer. Der dickköpfige Schwede. Der Rücksichtslose. Derjenige, zu dem man zuerst ging, wenn es zu trocken war, wenn die schneidenden Winde über das Plateau fegten oder wenn die Viehkönige, die Ranchbesitzer, den Siedlern mit Mord und Totschlag drohten, weil sie Stacheldraht um ihre neuen Besitztümer zogen.

    Mein Vater. Mr. Charles J. Lind from Sweden.

    Onkel Charles.

    Einmal schlug er mich fast tot.

    Es war im Spätsommer, die grünen Äpfel wurden reif, ich war vielleicht vier, fünf Jahre alt. Die Äpfel goren in meinem Bauch, es stach wie mit Messern, und ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Ich weinte und jammerte, und da kam Vater hochgerannt und fing an zu schlagen . . .

    Kindergeschrei war das Schlimmste für ihn. Es war Sache der Frau, die Kinder ruhigzuhalten.

    Er schlug immer weiter. Mutter versuchte, ihn davon abzuhalten. „Ach Charles . . ."

    Meine Mutter war Deutsche. Sie war einige Jahre nach Vater mit einem ihrer Brüder nach Bluewater gekommen, aber der Bruder starb durch einen Schlangenbiß, und dann kam es, wie es kommen mußte: Sie traf den Eigenbrötler aus Schweden und heiratete ihn. Es war keine Liebe. Es war noch nicht einmal Zugeneigtheit oder Sympathie. Es war eine Möglichkeit zu überleben. Was sollte eine alleinstehende Frau denn sonst tun in dieser primitiven Gesellschaft, wo man entweder Verwandte haben mußte, übermenschliche Kräfte oder Geld, wenn man nicht untergehen wollte, wenn der erste Schnee fiel?

    Und vielleicht wusch Vater sich damals auch öfter.

    Wenn meine Mutter aufgeregt war, fing sie alle Sätze mit „Ach" an ‒ wie an diesem Morgen, als Vater mich bewußtlos schlug.

    „Ach Charles, du bist ja ganz verrückt . . ."

    Mutters schrille Stimme. Vaters graugesprenkelter Bart und sein wild starrender Blick. Das Weiße der Augen in der kalten Morgendämmerung. Schmerz, Schmerz und kein Ende des Schmerzes ‒ und dann eine befreiende Dunkelheit.

    Das sind Erinnerungen, die ich behalten werde, solange ich lebe. Meinem Vater merkte man nichts an nach dieser schrecklichen Nacht. Als ich aufwachte, hörte ich ihn Geige spielen. Dann setzte er vermutlich seinen alten Hut mit der abgeschnittenen Krempe auf und ging in seinen geliebten Garten hinaus.

    Das erstaunte mich nicht, damals noch nicht. Vater schien eine erstaunliche Fähigkeit zu haben, alles abzuschütteln, woran er nicht denken wollte, alles, was ihn nicht interessierte. Und Kinder waren völlig uninteressant ‒ außer als Arbeitskraft.

    Ich erinnere mich an die spröden Geigentöne und daß Mutter auf der Bettkante saß und nach sauberem Leinen roch. Das tat sie immer, ich weiß nicht, wie sie das schaffte. Sie gab mir einen Becher warme Saftsuppe. Der Rand des Bechers war warm und glatt. Mutter sagte fast nichts, aber ihre Augen glänzten und waren gerötet. Danach ging ich Vater wochen- und monatelang aus dem Weg. Ich wünschte mir, daß er sterben würde, daß er verschwinden würde und nie mehr zurückkäme. Allein sein Geruch jagte mir Schrecken ein: Kautabak, alter Schweiß und irgend etwas Süßes, Scharfes, was eingetrocknetes Tierblut gewesen sein muß. Vater war ein eifriger Jäger, und obwohl Mutter protestierte, hatte er immer die gleichen Kleider an, bis sie ihm fast vom Leib fielen.

    Die Jagd war ein wichtiger Teil unserer Versorgung. Den ersten Winter wären meine Eltern bestimmt verhungert, wenn Vater nicht so sicher mit dem Gewehr gewesen wäre.

    Er trainierte gegen einen Sandabhang hinter dem Haus.

    Aber das war nicht das einzige Mal, daß ich meinem Vater den Tod gewünscht hatte, keineswegs.

    Ich werde nie den Tag im Spätwinter acht oder neun Jahre später vergessen. Ich war gerade vierzehn geworden, und ich saß in der Schule und buchstabierte mich durch eine Seite in einem Lesebuch mit grünen Deckeln. Ich hatte eine große Warze am Nagel des Zeigefingers, an der ich immerfort knabbern mußte.

    Ich ging das erste Jahr in die Schule ‒ davor hatte es noch keine Schule gegeben ‒ und ich hatte gerade mal eben lesen gelernt. Die Sonne schien, und das Schmelzwasser tropfte vom Dach. Es war ganz still in der kleinen Torfhütte und stickig. Viele Kinder in jedem Alter drängten sich auf den drei langen Bänken.

    Mrs. Ryan, die Lehrerin, hatte ihr rotes Kleid an. Es hatte einen runden Kragen und 15 Knöpfe, die wie kleine Sonnen glänzten. Das Kleid raschelte auf eine ganz bestimmte Art, wenn sie sich bewegte. Ich bewunderte sie grenzenlos. Sie gehörte einer anderen Welt an.

    Mrs. Ryan hatte gerade ein großes Q an die Tafel gemalt, als wir draußen Pferde hörten.

    Dann wurde die Tür aufgemacht, und Vater kam herein mit einigen der ältesten Siedler und einem großen, gebeugten Mann, den ich noch nie gesehen hatte. Ein Neuankömmling. Er hatte bestimmt viele Kinder. Er sah zumindest so aus.

    Vater hatte seinen alten Militärmantel an, und die Haare hingen in grauen Strähnen unter der zerrissenen Fellmütze hervor. Er sah schrecklich aus. Primitiv. Er glich irgendwie einem Tier. Es war peinlich. Wenn er wenigstens nicht diese furchtbare Mütze aufgehabt hätte.

    Aber Mr. Charles J. Lind nahm für niemanden die Mütze ab, nicht einmal für Mrs. Ryan.

    Das Schlimmste war der Blick, den er mir zuwarf, als er auf die Lehrerin zuging. Er war böse und gemein. Durchdringend. Ich begann zu ahnen, was los war.

    Vater war der Meinung, daß die Schule unnötiger Luxus sei, und diese Meinung verheimlichte er auch nicht. Zuerst und vor allem sollten alle dabei helfen, das neue Land zu bebauen, sein Land. Vielleicht träumte er davon, König in einem mächtigen Land mit wogenden Maisfeldern und blühenden Gärten zu werden. Aber ich weiß es nicht. So einfach war das nicht mit meinem Vater.

    Einmal habe ich gesehen, wie er LINDSDORF mit dem Gewehrkolben in den Sand hinter dem Haus gemalt hat. Der Ort, der sich im Entstehen befand, hatte noch keinen Namen, der Fluß hieß Bluewater. Und er hatte jede Menge Briefe an die Behörden geschrieben, um die Erlaubnis zu bekommen, ein Postamt zu eröffnen. Ich erinnere mich an das Kratzen der Feder und an Mutters unruhige Augen. Es mußte totenstill im Haus sein, wenn Vater schrieb: Weh dem Kind, das es wagte, den Mund aufzumachen. Und wenn Vater die Erlaubnis bekommen würde, die Post zu verwalten, hätte er auch die Möglichkeit, den neuen Ort zu taufen. Lindsdorf.

    Warum nicht?

    Ich glaube nicht, daß jemand etwas dagegen gehabt hätte.

    Wir Schulkinder wurden hinausgeschickt, und dann waren die Männer allein mit Mrs. Ryan. Nach einer Weile kamen sie heraus. Mrs. Ryan hatte rote Flecken auf den Wangen. Vater kam zu mir und sagte: „So, Jenny, so wird es also gemacht."

    Er schaute mich wieder so an, schwer, grau, aus halbgeschlossenen Augen. Und dann setzten die Männer sich in den Wagen und rollten davon.

    Mrs. Ryan schaute mich nicht an, als sie alles erklärte: Wir wüßten ja alle, wie eng es im Schulhaus war, und jetzt hatte eine neue Familie sich ganz in der Nähe niedergelassen, eine Familie mit vielen Kindern. Es gab ganz einfach nicht genug Platz für alle, und deswegen konnte sie diejenigen, die es am weitesten hatten, nicht mehr aufnehmen. Es tat ihr so schrecklich, schrecklich leid, aber es war ja am praktischsten so, und man konnte das Haus auch nicht vergrößern. Im Herbst vielleicht . . . Diejenigen, die es am weitesten hatten ‒ das waren ich und mein Bruder Daniel.

    Ich weiß nicht mehr, wie es mir gelang, die Tafel und die anderen Sachen in der Felltasche zu verstauen und wegzukommen. Ich weiß nur, daß ich so weinte, daß ich mich in den weichen Schnee setzen mußte, und mich vorbeugte, damit ich nicht erstickte.

    Mein Bruder Daniel versuchte, mich zu trösten.

    Daniel war vier Jahre jünger als ich. Er war klein und krummbeinig und hatte Mutters hellbraune, milde Augen. Er war bestimmt nicht sehr traurig: Er würde wieder mehr Zeit haben, hinter den Büschen am Fluß zu sitzen und Katzenfische zu angeln ‒ zumindest dann, wenn Vater nicht zu Hause war.

    Aber das Angeln war meistens nur eine Ausrede, ein Vorwand, um allein sein zu können und über das Wasser zu schauen.

    Er war ein Träumer, mein Bruder, und der netteste Mensch, den es gab. Er war fast

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