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Wega Paket (1 bis 12): Miniserie
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eBook1.721 Seiten21 Stunden

Wega Paket (1 bis 12): Miniserie

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Über dieses E-Book

Als die Menschen ins All vorstießen, gelangten sie zuerst ins System der blauen Sonne Wega und ihrer 42 Planeten. Dort trafen sie nicht nur auf Außerirdische, sondern auch auf das Galaktische Rätsel. Nach vielen Abenteuern konnten sie es lösen.
Mehr als 3600 Jahre später sind die Bewohner des Wegasystems und die Menschen von der Erde längst gute Freunde. Doch als Perry Rhodan den Planeten Ferrol besucht, entwickeln sich auf einmal Raum-Zeit-Anomalien. Das gesamte System wird in einen undurchdringlichen Schirm gehüllt. In seinem Inneren sind Milliarden von Lebewesen gefangen.
Was steckt dahinter? Kann Perry Rhodan das neue Galaktische Rätsel lösen?

Zwölf packende Science-Fiction-Romane mit einer Prise "Sense of Wonder"!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Aug. 2021
ISBN9783845353753
Wega Paket (1 bis 12): Miniserie

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    Buchvorschau

    Wega Paket (1 bis 12) - Michael Marcus Thurner

    cover.jpg

    Cover

    Vorwort

    Nr. 1 – Im Licht der blauen Sonne

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1.

    2. Zwei Tage zuvor

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    11.

    12.

    13.

    14. Kurz zuvor

    15.

    16.

    17.

    18. Kurz zuvor

    19.

    20.

    21.

    Nr. 2 – Die Rollende Stadt

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    Prolog: Quingart – Tag 9999

    1. Irgendwo. Irgendwann.

    2. Quingart: Dasselbe Tor, irgendwo anders

    3. Perry Rhodan: Stunden zuvor

    4. Solsystem: Juli 1975 alter Zeitrechnung

    5. Quingart: Aus der Zeit gefallen

    6. Perry Rhodan: Da ist der Wurm drin

    7. 1975: In Terranias Kindertagen

    8. Quingart: Tag 10.000

    9. Perry Rhodan: Scharfkantiger Empfang

    10. Quingart: Lakramiel und sein Käfer

    11. Perry Rhodan: Der Fremde im Zug

    Epilog: Krakatau: Tag 10.004

    Nr. 1 – Im Garten des Unsterblichen

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    11.

    12.

    13.

    Nr. 4 – Feind der Harthäuter

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Mink

    2. Reginald Bull

    3. Gucky

    4. Mink

    5. Gucky

    6. Reginald Bull

    7. Gucky

    8. Reginald Bull

    9. Mink

    10. Gucky

    11. Reginald Bull

    12. Gucky

    13. Reginald Bull

    14. Gucky

    15. Taru-215.

    16. Reginald Bull

    17. Gucky

    18. Mink

    19. Gucky

    20. Reginald Bull

    21. Gucky

    22.

    23. Gucky

    Nr. 5 – Die Mission des Wurms

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Wegasystem – Marium Polescar

    2. Lanzette – Perry Rhodan

    3. Lanzette – Karyptichon

    4. MAREWIN – Marium Polescar

    5. Lanzette – Perry Rhodan

    6. Lanzette – Karyptichon

    7. MAREWIN – Marium Polescar

    8. Lanzette – Perry Rhodan

    9. Lanzette – Karyptichon

    10. MAREWIN – Marium Polescar

    11. Lanzette – Perry Rhodan

    12. Lanzette – Karyptichon

    13. MAREWIN – Marium Polescar

    14. Lanzette – Krakatau

    Nr. 6 – Hinter den Truhen

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    Prolog: Wega VIII – Ferrol

    1. 18. Mai 2059 NGZ – Lanzette – Deck 2

    2. Abstieg in die Unterwelt

    3. Anzugwechsel

    4. Deck 16

    5. Zwischendeck

    Zwischenspiel 1: Wega I – Maldonaldo

    6. Deck 12

    7. Zwischendeck

    8. Vormarsch zum Bohrkopf

    9. Irit

    Zwischenspiel 2: Wega XI – Naddir

    10. Deck 2

    11. Zwischendeck

    12. Zwischendeck

    Epilog: Wega XVII – Richya

    Nr. 7 – Oase der Mutanten

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Ghiafir

    2. Gucky

    3. Reginald Bull

    4. Ghiafir

    5. Reginald Bull

    6. Gucky

    7. Reginald Bull

    8. Gucky

    9. Ghiafir

    10. Gucky

    11. Reginald Bull

    12. Gucky

    13. Reginald Bull

    14. Gucky

    15. Reginald Bull

    16. Ghiafir

    17. Gucky

    18. Ghiafir

    19. Gucky

    20. Reginald Bull

    21. Ghiafir

    22. Reginald Bull

    23. Gucky

    Nr. 8 – Hort der Transformation

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Gegenwart

    2. Vergangenheit

    3. Gegenwart

    4. Vergangenheit

    5. Gegenwart

    6. Gegenwart

    7. Vergangenheit

    8. Gegenwart

    9. 18. Juli 2060 NGZ

    10.

    11.

    Nr. 9 – Leuchtfeuer auf Graborflack

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. 24. Juli 2060 NGZ: Pigell

    2. Zwei Tage zuvor: MARCUS EVERSON

    3. Zwei Tage später: Pigell

    4. 26. Juli 2060 NGZ: MARCUS EVERSON

    5. 28. Juli 2060 NGZ: Space-Jet

    6. Graborflack

    7. 29. Juli 2060 NGZ: Raumschiff der Blau-Nakken

    8. Raumschiff der Blau-Nakken

    9. Raumschiff der Blau-Nakken

    10. DERFAAR

    Nr. 10 – Finale auf Tramp

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1.

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    7.

    8.

    9.

    10.

    11.

    12.

    13.

    14.

    15.

    16.

    17.

    18.

    19.

    Nr. 11 – Der Bastardprinz

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Robogenesis, Erstes Buch

    2. Perry Rhodan

    3. Robogenesis, Zweites Buch

    4. Gillian Wetherby

    5. Robogenesis, Drittes Buch

    6. Gillian Wetherby

    7. Robogenesis, Viertes Buch

    8. Perry Rhodan

    9. Krakatau

    10. Robogenesis, Fünftes Buch

    11. Krakatau

    12. Gillian Wetherby

    13. Krakatau

    14. Robogenesis, Sechstes Buch

    15. Gillian Wetherby

    16. Krakatau

    17. Robogenesis, Siebtes Buch

    18. Perry Rhodan

    19. Perry Rhodan

    20. Krakatau

    Nr. 12 – Geschenke der Superintelligenz

    Vorspann

    Die Hauptpersonen des Romans

    1. Robby

    2. Perry Rhodan

    3. Marium Polescar, Tage zuvor

    4. Robby

    5. Perry Rhodan

    6. Marium Polescar, Tage zuvor

    7. Robby

    8. Marium Polescar, einige Tage zuvor

    9. Perry Rhodan

    10. Gucky, kurz zuvor

    11. Robby

    12. Perry Rhodan

    13. Gucky, kurz zuvor

    14. Robby

    15. Perry Rhodan

    16. Gucky

    17. Robby

    18. Perry Rhodan

    19. Gillian Wetherby

    20. Perry Rhodan

    21. Marium Polescar

    Risszeichnung Fiktivtransmitter

    Impressum

    PERRY RHODAN – die Serie

    Vorwort

    Als die Menschen ins All vorstießen, gelangten sie zuerst ins System der blauen Sonne Wega und ihrer 42 Planeten. Dort trafen sie nicht nur auf Außerirdische, sondern auch auf das Galaktische Rätsel. Nach vielen Abenteuern konnten sie es lösen.

    Mehr als 3600 Jahre später sind die Bewohner des Wegasystems und die Menschen von der Erde längst gute Freunde. Doch als Perry Rhodan den Planeten Ferrol besucht, entwickeln sich auf einmal Raum-Zeit-Anomalien. Das gesamte System wird in einen undurchdringlichen Schirm gehüllt. In seinem Inneren sind Milliarden von Lebewesen gefangen.

    Was steckt dahinter? Kann Perry Rhodan das neue Galaktische Rätsel lösen?

    Zwölf packende Science-Fiction-Romane mit einer Prise »Sense of Wonder«!

    img1.jpgimg2.jpg

    Nr. 1

    Im Licht der blauen Sonne

    Das neue Galaktische Rätsel – ein Wesen aus der Vergangenheit greift ein

    Michael Marcus Thurner

    Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

    Seit mehr als dreieinhalb Jahrtausenden bereisen die Menschen den Weltraum und erforschen die Wunder des Universums. Sie sind faszinierenden Fremdvölkern begegnet, haben zahlreiche Welten besiedelt und kosmische Geschichte gestaltet.

    Als die Raumfahrer einst zu den Sternen aufbrachen, war das Sonnensystem der Wega mit seinen zahlreichen Planeten ihr erstes Ziel. Im Jahr 2059 Neuer Galaktischer Zeitrechnung kehrt Perry Rhodan erneut dahin zurück, wo er das Volk der Ferronen kennengelernt und den Schlüssel zur Unsterblichkeit entdeckt hat.

    Der Freundschaftsbesuch nimmt jedoch einen verhängnisvollen Verlauf. Raum und Zeit scheinen sich überall im Wegasystem zu verändern – eine unbekannte Macht greift die Ferronen und Menschen an.

    Gleichzeitig trifft eine Botin aus ferner Vergangenheit ein und überbringt eine Nachricht des mysteriösen Geisteswesens ES. Um die Gefahren abzuwehren, muss Rhodan ein neues Galaktisches Rätsel lösen. Es nimmt seinen Anfang IM LICHT DER BLAUEN SONNE ...

    Die Hauptpersonen des Romans

    Perry Rhodan – Der Terraner besucht eine alte Wirkungsstätte.

    Reginald Bull – Rhodans Freund feiert ein unerwartetes Wiedersehen.

    Gucky – Dem Mausbiber gelingt eine waghalsige Rettung.

    Gillian Wetherby – Die Pilotin überbringt eine mysteriöse Botschaft.

    »Es ist der richtige Ort,

    es ist die richtige Zeit«,

    sagte der eine zum anderen.

    »Du weißt, was du zu tun hast, Bastardprinz?«

    »Selbstverständlich.

    Lass uns diesen Irrtum

    der Geschichte korrigieren.«

    1.

    Grelle Lichter flammten auf, jedes der Widerschein einer Detonation. Wie Blumen aus Tod und Feuer, die das All in Fetzen zu reißen schienen.

    Marium Polescar blickte auf das riesige Außenbeobachtungshologramm der CAMBOTH, konnte seinen Blick nicht abwenden. Er spürte, wie sich seine Lippen bewegten, als ob er heimlich ein Gebet spräche, aber er unterband es nicht. Der Kommandant wollte einfach nicht glauben, was zu sehen war.

    Überall Gefahr. Überall Feinde.

    Überall Tod.

    Bald ist es vorüber, dachte Polescar in ohnmächtiger Wut. Dass er so hilflos war, erfüllte ihn mit Grimm.

    Er ließ seinen Blick kurz durch die Zentrale schweifen. Er sah die Kollegen, die er seit Jahren kannte, mit denen er gelacht und gefeiert hatte. Manche waren zu Freunden geworden.

    Der Zweite Pilot schluchzte und schlug die Hände vors Gesicht, die Bordingenieurin betete zu irgendwelchen Göttern. Jemand in der Ortungsabteilung gab mit hektischer Stimme allerlei Anweisungen an die Positronik, die in den letzten zehn Sekunden ihres Lebens niemanden mehr erreichen würden.

    Polescars Erster Offizier, mit dem er vor wenigen Wochen in Szonterkamm noch eine große Hochzeit gefeiert hatte, sprang auf. Der schlanke Mann, immer gepflegt und sauber gekleidet, den nichts und niemand aus der Ruhe bringen konnte, sah sich wie ein wildes Tier um, das in eine Ecke gedrängt worden war. Mit einem Aufschrei stürmte er aus der Zentrale des Raumschiffs. Vielleicht wollte er seiner Frau noch eine letzte Botschaft schicken, vielleicht einfach nur einen Schrei zu den Sternengöttern schicken?

    Polescar hinderte ihn nicht daran. Er würde niemanden mehr an irgendetwas hindern. Tut, was ihr für richtig haltet!, dachte er, sprach es aber nicht aus.

    Die grellen Lichter kamen näher; sie schienen in den Holos noch größer zu werden. Der Tod kam näher.

    Aus den Lautsprechern in der Zentrale drang die Stimme der Positronik. Sie gab neue Informationen durch, meldete die aktuellen Probleme, benannte die Schwächen ihrer Technik.

    Polescar hörte es, nahm die Stimme wahr und ignorierte sie. Es hätte nichts geändert und nichts geholfen, wenn er versucht hätte, noch etwas in die Wege zu leiten. Sie waren alle verloren, er wusste das besser als jeder andere an Bord.

    Vor ihm aktivierte sich ein neues Holo, eine Anzeige, die ihm die Positronik direkt vor die Augen projizierte. Er starrte auf die Daten, auf das altmodische Balkendiagramm, das ihm aber keine grundsätzlich neue Information lieferte.

    Er wusste: Die Schutzschirme der CAMBOTH waren aufs Äußerste belastet. Sobald sie nachgaben, würde das Schiff wie eine reife Frucht platzen.

    Sein Schiff. Sein Ein und Alles. Der Stolz der Flotte. Das großartige Schiff des Thort.

    Polescar erhob sich, auf einmal wusste er genau, was er zu tun hatte. Er war der Kommandant, er musste eine Entscheidung treffen, auch wenn nur noch Augenblicke blieben. Mit einem Tastendruck – so etwas erledigte er lieber auf klassische Weise manuell – schaltete er die Rundrufanlage ein.

    »Lasst uns gemeinsam und mit Haltung dem Ende entgegensehen«, sagte er laut und deutlich. »Wir sind Ferronen, und das ist unsere Heimat. Wir sterben in Würde.«

    Er blieb stehen und starrte auf die Hologramme. Die Blicke seiner Kameraden in der Zentrale spürte er geradezu auf seiner Haut.

    Gespenstische Ruhe kehrte ein. Kein Schluchzen mehr. Kein Gegreine, kein Beten, kein Schreien. Alle Besatzungsmitglieder saßen einfach nur noch da und blickten dem Tod entgegen. Polescar nahm an, dass es in den anderen Abteilungen des Schiffs ebenso war.

    Der Thort, der bislang geschwiegen hatte, seufzte tief.

    Seine Stimme war voller Bitternis. »Schuld an unserem Tod ist nur dieser Terraner«, sagte er. »Perry Rhodan und seine Leute haben das verursacht ...«

    Sengend heißes Licht kam über Marium Polescar – dann war da nichts mehr.

    2.

    Zwei Tage zuvor

    Ein Ausflug in die terranische Nachbarschaft. Das war es. Nicht mehr und nicht weniger.

    Oder?

    Perry Rhodan atmete tief durch. Warum soll ich mich selbst belügen? Jede Reise ins Wegasystem ist mehr als das. Es ist, als würde ich auf meinen eigenen Spuren wandeln. Auf Spuren, die mehr als dreieinhalb Jahrtausende alt sind – und die man noch immer sehen kann. Schließlich bewegen wir uns auf historischem Boden.

    Rhodan setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen. So als müsste er sich vergewissern, dass er tatsächlich festen Grund unter den Füßen hatte.

    Das matt glänzende Deckmaterial, mit dem der Palastboden überzogen war, federte nach. Es gab einem das Gefühl besonderer Leichtigkeit.

    Wachen standen zwischen den schillernden Glassäulen links und rechts ihres Wegs. Sie steckten in schneeweißen Uniformen, hielten altertümliche Hellebarden oder Lanzen fest in den Händen und stierten stur geradeaus. Die Männer und Frauen trugen das kupferrote Haar kurz geschoren, die Gesichter waren mit einer Art glitzerndem Puder benetzt. Sie wirkten wie plumpe, grob gemeißelte Gestalten, die im Innern eines fragilen Puppenhauses platziert worden waren.

    »Bin ich hier in einer altertümlichen Trivid-Show?«, brummelte Reginald Bull.

    Der Freund zog die Schultern ein, als er das Echo seiner Stimme zurückgeworfen bekam, lauter als die eigentlichen Worte. Ein ferronischer Adjutant, der einige Schritte vor ihnen ging, zuckte zusammen. Er gab sich aber nicht die Blöße, auf Bulls unhöflichen Kommentar zu reagieren. Es wäre mit der steifen Etikette am Hof des Thort nicht vereinbar gewesen. Er räusperte sich bloß und zupfte am Kragen seiner Prunkuniform.

    »Ist das Fettnäpfchen noch so klein, Resident Bull tapst hinein«, reimte Gucky grässlich falsch und so leise, dass sein Wispern kein Echo verursachte. Der Mausbiber schwebte zwischen Rhodan und Bull, von seinen eigenen telekinetischen Kräften getragen. »Der Thort wird sich gewiss freuen zu hören, was du vom Neubau des Roten Palastes hältst.«

    Rhodan nahm den verbalen Ausrutscher seines ältesten Freunds gelassen hin. Bull war ein hervorragender Politiker. Aber auf dem diplomatischen Parkett war er schon öfter mal angeeckt.

    Rhodan konzentrierte sich stattdessen auf das, was er rings um sich sah. Der aktuelle Rote Palast ähnelte in keiner Weise jenem wuchtigen Bau, der so lange die Stadt Thorta geprägt hatte. Hatte der jahrtausendealte vorige Palast düster und bedrückend gewirkt, sah Rhodan nun Verspieltheit und Heiterkeit.

    Sie erreichten ein Portal, glänzend und mit Lichtverzierungen unterschiedlicher Strahlintensität versehen, die wohl einen leistungsfähigen integrierten Schutzschirm verhüllen sollten.

    Der Adjutant bewegte flüchtig die Hände, und mit einem Mal öffneten sich die beiden Torflügel geräuschlos nach außen. Der Raum dahinter lag in Dunkelheit. Bloß ein vager Lichtschein in einiger Entfernung deutete darauf hin, dass ihr Gastgeber anwesend war.

    Der Adjutant blähte seinen breiten Brustkorb auf und rief mit voller Lunge: »Liga-Kommissar Perry Rhodan, Resident Reginald Bull und Gefolge wünschen den Allerhöchst Erhabenen Thort zu sprechen!«

    Rhodan blieb ruhig. Ihn nervte dieses pompöse Getue ebenso wie Bull. Aber im Gegensatz zu seinem Freund wusste er die Contenance zu wahren.

    »Sollen eintreten«, war eine Stimme zu vernehmen.

    Der Adjutant runzelte die Stirn. Er war gewiss enttäuscht, dass der Thort weniger Wert auf Etikette legte als er selbst.

    Der Ferrone bedeutete Rhodan, den Raum zuerst zu betreten, und Rhodan tat ihm den Gefallen. Bull mochte der ranghöchste terranische Politiker sein. Aber im Palast des Thort galten andere Maßstäbe. In dieser Umgebung stand Rhodans geschichtliche Bedeutung im Vordergrund.

    Er ging auf die Lichtquelle zu, während ringsum automatisch Lampen den Raum zu erhellen begannen. Rhodan nahm weitere Eindrücke auf, ohne ihnen allzu viel Bedeutung beizumessen. Der Saal, in dem der Thort von Ferrol seinen Pflichten nachging, war spartanisch eingerichtet. Nur da und dort hingen Bilder an der Wand, die aus dem alten Gebäude übernommen worden waren. Das Gesicht eines der Porträtierten erkannte Rhodan auf den ersten Blick: Es zeigte jenen Thort, der im Jahr 1975 alter Zeitrechnung geherrscht hatte.

    Nirgendwo waren gekennzeichnete Reportersonden zu entdecken, die sie umschwirren und lästige Fragen stellen würden. Ferrols Regierungschef legte augenscheinlich Wert darauf, dass diese Begegnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.

    Ein grellblauer Läufer führte unmittelbar zu einem einfachen Schreibtisch, hinter dem der Gastgeber wartete. Rhodan blieb in gebührendem Abstand stehen, der Thort erhob sich langsam.

    »Willkommen auf Ferrol«, sagte der Ferrone namens Nactiel Ook mit leiser Stimme. »Ich hoffe, ihr hattet eine gute Anreise?«

    Rhodan ergriff die Hand, die ihm der Thort entgegenstreckte, und erwiderte den festen Gruß des nicht mehr jungen Ferronen. Bull und Gucky folgten seinem Beispiel. »Danke der Nachfrage«, antwortete Rhodan. »Die Distanz ist gering, und mein Schiff, die MARCUS EVERSON, bietet alle Annehmlichkeiten.«

    »Viel zu viele Annehmlichkeiten«, murrte Bull. »Würde ich mehr Zeit an Bord des Raumers verbringen, hätte ich mein Gewicht binnen Kurzem verdoppelt.«

    »Das geht, ohne dass du platzt?«, fragte Gucky und kicherte.

    Rhodan warf dem Kleinen mahnende Blicke zu, und der Ilt schwieg augenblicklich.

    Gucky und Bull benahmen sich manchmal wie kleine Schuljungen. Auch wenn dies ein Treffen unter Verbündeten war, galt es doch, das Protokoll zu wahren.

    Ook tat so, als hätte er die Frotzelei zwischen Gucky und Bull nicht bemerkt. »Es freut mich, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid«, sagte er. »Eure Anwesenheit wertet die morgen beginnenden Feierlichkeiten auf.«

    »Selbstverständlich sind wir gekommen. Unsere Völker eint viel. Nicht zuletzt die gemeinsame Geschichte, die Verbundenheit zur Superintelligenz ES und ...« Rhodan machte eine weitläufige Geste, die den ganzen Raum umfassen sollte. »... und die unglaublichen Dinge, die im Roten Palast geschehen sind.«

    »Richtig.« Ook wischte sich müde über die Stirn. »Der alte Palast war höchst geschichtsträchtig. Als ich noch klein war, habe ich mir alles über ihn erzählen lassen. Über seine Mythen und Geheimnisse, seine Bedeutung, seinen Platz in den Annalen der Milchstraße. Und als ich vor mehr als fünfzehn Jahren selbst im alten Palast eingezogen bin, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Wann immer sich die Gelegenheit für mich ergab, wanderte ich durch die alten Gemäuer und ließ mir von Historikern erläutern, was sie im alten Palast alles entdeckt, kategorisiert, katalogisiert und bewertet hatten.«

    »Warum hast du die alte Hütte dann abreißen lassen, wenn sie dir so viel bedeutete?«, mischte sich Bull in die Unterhaltung ein.

    »Ah. Das forsche Auftreten des terranischen Residenten Reginald Bull ist legendär.« Ook lächelte. »Wusstest du, dass du in unseren Geschichtsbüchern zumeist mit den Worten polternd und undiplomatisch in Verbindung gebracht wirst?«

    »Nicht mit Freiflug?,« piepste Gucky und zeigte seinen einzigen Zahn.

    »Wollt ihr euch bitte zusammenreißen?«, rügte Rhodan sie. An Ook gewandt, berichtigte er: »Du weißt, dass viele der Vorurteile nicht zutreffen, die man uns andichtet. Weder bin ich stets der ruhige und besonnene Terraner, der alles zu kontrollieren versucht, noch ist Resident Bull ein impulsiver und aus dem Bauch heraus handelnder Charakter. Nur Gucky ist, nun ja, immer Gucky.«

    Ook grinste, wurde aber gleich wieder ernst. »Ihr wollt wissen, warum ich den alten Palast abreißen ließ? Nun – es gab praktische Gründe. Der alte Kasten war feucht und unbequem. Letztlich war er nicht mehr zu sanieren. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er nur noch durch Klebemasse, sein Eigengewicht und über die Jahrtausende hinweg immer wieder eingespritzten Terkonitbeton zusammengehalten wurde. Eine weitere Renovierung hätte mehr gekostet als ein kompletter Neubau.«

    »Warum hast du den historischen Bau nicht konservieren lassen und das neue Regierungsgebäude an anderer Stelle errichtet?«

    »Ich möchte ganz Ferrol erneuern«, antwortete Ook überraschend offen. »Nicht das Gebäude an sich ist ein Symbol für unsere Kultur. Viel wichtiger für mein Volk ist der Ort, an dem der Palast steht. Unter unseren Füßen begann alles, nicht wahr?«

    Rhodan nickte. Unter dem Roten Palast waren Bull, Rhodan selbst und einige weitere Gefährten im Jahr 1975 in einen ganz besonderen Raum vorgestoßen, in die Zeitgruft. Von dort aus waren sie via Transmitter in eine Maschinenhalle mit einem Fiktivtransmitter gelangt. Das Gerät hatte sie zu den sonderbarsten Orten gebracht – und am Ende zu der Superintelligenz ES. Zu jenem Geisteswesen, welches das Schicksal der Menschheit über lange Zeit hinweg geprägt hatte.

    »Hast du es jemals bereut?«, fragte Ook.

    »Wie bitte?« Rhodan schreckte aus seinen Gedanken hoch.

    »Bereust du es, das Geschenk der Unsterblichkeit angenommen zu haben?«

    »Gegenfrage: Würdest du denn ablehnen, wenn du damit deinem Volk durch schwierige Zeiten helfen könntest?«

    »Natürlich nicht.« Ook blickte demonstrativ auf eine Uhr, die aus unzähligen Ferranitkristallen bestand und deren Teile seitlich seines Arbeitsplatzes hoch und nieder tanzten. »Ich würde diese Unterhaltung liebend gern fortsetzen und vertiefen. Allerdings erst morgen. Heute muss ich mich leider den Amtsgeschäften widmen: Dokumente prüfen, gegenzeichnen und an die Fachausschüsse weiterleiten. Ich muss mich mit den Zentralpositroniken beraten und anschließend dem Parlament gegenüber Rechenschaft über ein Entwicklungsprojekt auf Wega Siebzehn ablegen. Man wird meine Pläne blockieren und mir bürokratische Hindernisse in den Weg legen.« Ook seufzte.

    Rhodan kannte das. Der Thort wollte sie loswerden. Ferrol hatte viel zu bieten, litt aber auch seit jeher unter einer überbordenden Bürokratie.

    »Kalaman Pirlik wird euch zu den Quartieren geleiten. Euch stehen alle Annehmlichkeiten des neuen Palastes zur Verfügung.«

    Der Adjutant zuckte zusammen. Er runzelte erneut die Stirn. Die wulstigen Augenknochen, charakteristisch für sein Volk, traten deutlich hervor.

    »Es war geplant, dass wir die Nacht auf der MARCUS EVERSON verbringen«, sagte Rhodan zögerlich. »Wir wollten erst morgen, zu Beginn der eigentlichen Feierlichkeiten, zurückkehren.«

    »Ich weiß. Ich weiche vom Protokoll ab«, gab der Thort zu. »Aber ihr seid als Freunde gekommen, und ich möchte euch wie Freunde behandeln. Seht euch um, lernt den neuen Roten Palast kennen, genießt die ferronische Gastfreundschaft. Ich bitte euch darum.«

    »Gibt es Mohrrüben?«, fragte Gucky.

    »Unweit von hier, im Szechental, gedeihen die schmackhaftesten Gemüsesorten«, antwortete Ook. »Die Farmen werden von terranischen Auswanderern betrieben. Ich habe vorsorglich einige Kilogramm der besten Sorten herbeischaffen lassen.« Der Thort wandte sich Bull zu. »Darüber hinaus würde es mich freuen, wenn ihr den heimischen Whiskey und den besten Jahrgangswein unserer Anka-Ernte kosten würdet. Die Ankatolikabeeren sind voriges Jahr besonders gut gereift.«

    »Da will wohl jemand auf subtile Art und Weise den Außenhandel ankurbeln.« Rhodan lächelte. »Mein Freund Reginald scheint durchaus empfänglich für eine derartige Form von Bestechung zu sein.«

    »Und ob ich das bin! Die Kochkultur auf der MARCUS EVERSON ist ausgezeichnet, aber die Getränkeauswahl beschränkt sich auf Wasser oder Wasser.«

    »Ich sehe schon, ich muss mich geschlagen geben. Gegen einen Ilt mit leerem Magen und einen terranischen Residenten mit einer Vorliebe für alkoholische Getränke komme ich nicht an«, scherzte Rhodan.

    »Ausgezeichnet!« Nactiel Ook klatschte in die Hände, der Adjutant glitt an seine Seite. Der Thort unterhielt sich leise mit ihm.

    Rhodan wartete geduldig. Dieses Treffen verlief ganz anders, als er gedacht hatte. Abweichend vom üblichen Zeremoniell: informell, persönlich und von freundlicher, aufgelöster Stimmung geprägt.

    Ook reichte Gucky, Bull und Rhodan nochmals die Hand, bevor er sich in seinen Sessel zurückfallen ließ und sich wieder ums Tagesgeschäft kümmerte.

    *

    Perry Rhodan und seine Freunde gingen gemeinsam mit Kalaman Pirlik aus dem Arbeitsraum des Thort. Der Adjutant wirkte irritiert, vielleicht sogar verärgert. Er und der ferronische Regierungschef hatten spürbar nicht das beste Einvernehmen.

    Rhodan nahm es zur Kenntnis. Er würde später Notizen über diese Begegnung anfertigen und das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Ferronen erwähnen.

    Milchstraßendiplomatie war wie ein Balanceakt auf einer Messerschneide, sie erforderte viel Feingefühl. Der persönliche Gesprächston, den sie bei dieser kurzen und zwanglosen Begrüßung angewandt hatten, war bezeichnend für die Umgangsweise, die Nactiel Ook mit Verbündeten pflegte. Wenn er jedoch mit Vertretern anderer bedeutender Reiche als der Liga Freier Galaktiker verhandeln musste, galt der Thort als harter Knochen.

    Sie wichen nach wenigen Schritten von jenem Weg ab, der sie in den Arbeitsraum des Thort geführt hatte. Pirlik brachte sie in einen Bereich des Roten Palastes, der nicht ganz so luftig wie die zentralen Räume wirkte. Die Wände rückten näher, Säulen und Pilaster gaben diesem Gebäudeteil eine sonderbare Wuchtigkeit. Selbst das federnde Gefühl beim Gehen änderte sich, obwohl optisch kein Unterschied wahrzunehmen war.

    »Eure Räumlichkeiten.« Pirlik öffnete die Tür zu einer weiteren Zimmerflucht. »Euch wird es an nichts fehlen. Ab hier seid ihr völlig autark. Die Nassräume sind für terranische Gepflogenheiten adaptiert.«

    »Danke sehr, Kalaman.«

    »Ich bin Pirlik, Borq von Hopther«, verbesserte der Adjutant mit ausdruckslosem Gesicht. »Ich möchte dich bitten, die Form zu wahren.«

    Rhodan unterdrückte seine Irritation über den Standesdünkel des Ferronen. »Selbstverständlich, Borq.« Er deutete eine Verbeugung an und ging an dem Ferronen vorbei durch die Tür, ohne sich noch mal umzudrehen.

    Er hörte Reginald Bull etwas sagen und gleich darauf heftige Widerworte von Pirlik, ohne sich weiter darum zu kümmern. Es war klar, dass die beiden bei der erstbesten Gelegenheit hatten aneinandergeraten müssen.

    Rhodan sah sich in den insgesamt fünf Räumen um. Wäsche lag für sie bereit, ebenso diverse Ausrüstungsgegenstände und Lesegeräte. Es gab mehrere Positronikterminals, einen mobilen Schwebekühlschrank – sowie die versprochenen Getränke samt einem Bündel saftiger Mohrrüben.

    »...schloch, überhebliches!«, hörte er Bull hinter sich sagen.

    »Ihr hab euch also bereits angefreundet?« Rhodan ergriff eine Weinkaraffe und goss geringe Mengen dunkelroter Flüssigkeit in zwei Kristallgläser.

    »So einer hat mir gerade noch gefehlt! Der Herr Borq wollte vermutlich auch noch, dass ich den Buckel vor ihm krumm mache. Ja, sind wir denn hier bei den Arkoniden? ... Verdammt, schmeckt der Wein gut!«

    Rhodan kostete nun ebenfalls von dem Getränk. Der Wein war fruchtig und hatte einen nussigen Beigeschmack.

    Sie ließen sich auf zwei bequemen Sesseln nieder, Gucky lümmelte sich auf ein kleines Sofa und begann, an einer Mohrrübe zu kauen.

    »Was hältst du von dieser unerwarteten Einladung?«, fragte Bull nach einer Weile. »Im Protokoll war das nicht vorgesehen.«

    Rhodan wandte sich Gucky zu. »Hast du zufällig die Gedanken unseres Führers überprüft?«

    »Pirlik schirmte sich die meiste Zeit ab. Keine Ahnung, wie er das macht. Aber als er wütend wurde, wurde auch seine Mentalbarriere porös. Du weißt schon, Gelegenheit macht Diebe ...«

    »Also hast du ihn belauscht.«

    »Ein klein wenig.«

    »Hast du etwas über unsere Zimmerflucht herausgefunden?«

    »Rein zufällig ja. Pirlik ärgerte sich darüber, dass auf ausdrücklichen Befehl des Thort keine Spionsonden in unseren Räumlichkeiten versteckt wurden. Er dachte darüber nach, gegen den Willen seines Chefs Nanofühler über die Belüftungsanlagen einzufädeln. Aber er war sich nicht sicher, ob er sich trauen sollte. Er hat gehörigen Respekt vor Ook.«

    »Vorerst sind wir also sicher und können uns offen unterhalten.« Rhodan überlegte. »Dennoch werde ich Abschirmausrüstung aus der EVERSON anfordern. Ich möchte hundertprozentig sichergehen. – Um deine Frage zu beantworten, Bully: Wir sind Teil eines kleinen Schauspiels. Die Neugestaltung des Roten Palastes ist eine politische Inszenierung des Thort. Er will den Milchstraßenvölkern beweisen, wozu die Ferronen in der Lage sind. Ook möchte zudem nicht nur den Mitgliedern der Liga Freier Galaktiker ein Spektakel bieten, sondern mit dem Neubau des Roten Palastes auch intern punkten. Der Thort und sein Adjutant beispielsweise sind nicht die besten Freunde.«

    »Die Geheimdienstdossiers, die ich vor unserer Ankunft studiert habe, berichten von ernsthaften Zerwürfnissen zwischen Teilen der Bevölkerung«, bestätigte Reginald Bull. »Es riecht nach Bürgerkrieg, auch wenn nach außen nichts zu bemerken ist. Dass wir Ooks Einladung gefolgt sind und im Palast bleiben, ist ein Erfolg für den Thort.« Er fluchte leise. »Stehen wir denn auf der richtigen Seite? Und warum haben wir uns auf dieses Spielchen eingelassen, wenn wir ohnehin wussten, dass der Thort uns instrumentalisieren wollte?«

    »Weil wir ihn für einen guten Regierungschef halten. Weil er intelligent ist ...«

    »... und überehrgeizig«, warf Gucky ein. »Er herrscht absolut.«

    »Dennoch gibt es hier mehr Freiheit als auf den meisten anderen Welten der Liga Freier Galaktiker.« Perry Rhodan trank einen letzten Schluck Wein und stellte das Glas beiseite. »Sei's drum. Es wird Zeit, dass wir uns bei der MARCUS EVERSON melden und Kommandantin Abercroft über die Lage informieren.«

    3.

    Krakatau wartete. Lauerte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er seine Chance bekam.

    »Wie sieht es mit den Toren aus?«, fragte er Ginolinea, die wie zumeist an seiner Seite war.

    »Es dauert noch eine Weile, bis wir sie vollends entwickelt haben«, sagte die Maccanifrau. »Die Verhältnisse sind schwierig.«

    »Schwierigkeiten haben uns noch nie aufhalten können. Sie werden uns auch jetzt nicht daran hindern, die Aufgabe zur Zufriedenheit unseres Herrn zu lösen.«

    Ginolinea schwieg. Es war ihr anzumerken, dass sie Probleme mit seinen Worten hatte. Krakataus Quartalspartnerin war die nominelle Kommandantin des Raumschiffs. Sie mochte es ganz und gar nicht, dass man ihr reinredete oder ihr gar Anweisungen gab.

    »Also: Wie lange noch?«

    »Zwanzig Stunden«, antwortete Ginolinea. »Dann können wir uns auf den Weg machen.«

    »Der Prozess ist unumkehrbar?«

    »Ja. Nichts kann die Öffnung verhindern. Selbst wir nicht, selbst wenn wir es wollten.«

    »Sehr gut. Danke.« Er nickte seiner Quartalspartnerin zu und machte sich auf den Weg ins Quartier seines Herrn.

    Der hatte so seine Marotten. Er ließ sich nur selten in der Kommandozentrale des Schiffs blicken und zog es vor, die Geschehnisse von der Zurückgezogenheit seines spartanisch eingerichteten Zimmers aus zu verfolgen. Er schämte sich für sein Aussehen, obwohl es dafür keinen Grund gab.

    Nun, es war nicht Krakataus Aufgabe, den Herrn zu kritisieren. Auch nicht in Gedanken.

    4.

    »Es ist also alles in Ordnung?« Milenia Abercroft blickte Perry Rhodan mit treuherzigen Hundeaugen an.

    Die Kommandantin der MARCUS EVERSON hatte schon viele Leute mit einem gemütlichen Auftreten und scheinbarer Naivität über ihre wahren Qualitäten hinweggetäuscht.

    »Alles bestens.« Rhodan informierte sie kurz über das erste Zusammentreffen mit Ook und darüber, dass sie die Nacht im Roten Palast verbringen würden. »... wenn du also die Ausrüstung zusammenstellen und in den Palast schaffen lassen würdest«, schloss er.

    »Selbstverständlich. Und dazu noch einige TARA-Kampfroboter, die vor den Toren eures Trakts Wache stehen werden.«

    »Wir stehen unter dem Schutz des Thort, Milenia. Wir brauchen keine Leibwächter. Außerdem haben wir Gucky bei uns.«

    »Meine Position ist nicht verhandelbar, Perry«, stellte die Kommandantin klar, immer noch freundlich lächelnd. »Ich bin für eure Sicherheit verantwortlich. Aus meiner Sicht war es völliger Irrsinn, dass ihr den Roten Palast ohne robotische Leibgarde betreten habt. Ich habe verstanden, dass du den Herrscher eines befreundeten Volkes nicht bloßstellen wolltest, indem du Kampfroboter auftreten lässt. Aber ich werde euch ganz gewiss nicht ohne Schutz auch noch im Palast übernachten lassen.«

    »Sie hat recht, Perry«, sagte Reginald Bull und, etwas lauter, an Abercroft gewandt: »Einverstanden. Sechs TARAS werden vor dem Zugang zu unserem Quartier platziert. Zur Warnung: Ihr werdet es mit einem echten ferronischen Grafen zu tun bekommen. Mit dem Borq von Ork ... Verzeihung: mit dem Borq von Hopther namens Kalaman Pirlik. Er ist ein aufgeblasener Wichtigtuer mit Standesdünkel, der sich gegen die TARAS sträuben wird.«

    »Mit solchen Gestalten komme ich zurecht«, versicherte Abercroft, ohne mit der Wimper zu zucken. »Da wäre allerdings noch eine andere Sache ...«

    »Ja?«, fragte Rhodan. »Gibt es Probleme an Bord der EVERSON?«

    »Die gibt es, seit dieser unsägliche Kilian Gavril mein Schiff betreten hat. Er möchte dich unbedingt sprechen.«

    Kilian Gavril. Ein Genie und wissenschaftlicher Exzentriker. Ein Mann, der es sich darüber hinaus zur Aufgabe gemacht hatte, jedes Besatzungsmitglied der MARCUS EVERSON gegen sich aufzubringen. Rhodan hatte längst bereut, den fülligen Terraner mit an Bord genommen zu haben.

    »Also schön.« Rhodan seufzte. »Gib ihn mir.«

    Abercroft verschwand aus dem Kommunikationshologramm. Ein blonder Kerl mit wirrem Haar tauchte stattdessen auf. Der Mann bohrte ungeniert in der Nase und summte vor sich hin. Als er bemerkte, dass Rhodan, Bull und Gucky ihn beobachteten, wischte er sich die Hand an der Hose ab.

    »Wird aber Zeit, dass du mich anhörst«, nörgelte Gavril respektlos. »Du plauderst stundenlang mit dieser Giftnudel von Kommandantin, während es viel wichtigere Dinge zu besprechen gibt ...«

    »Was willst du, Kilian?«

    »Im Allgemeinen möchte ich mehr Geld für meine Forschungsarbeit über die Anwendungsmöglichkeiten von Parakräften im Bereich der Raumschifffahrt. Aber das ist wohl nicht das, was du als Antwort hören wolltest?«

    »Nein, ist es nicht, Kilian.« Rhodan hatte Mühe, ruhig zu bleiben. »Wenn du ein weiteres Bettelgesuch an mich richten möchtest, hat das Zeit, bis ich an Bord der EVERSON zurückgekehrt bin.«

    »Du findest ohnedies schon ein Dutzend Finanzierungsgesuche im deinem Komspeicher. Du scheinst deine Nachrichten nicht allzu oft zu lesen. Obwohl ich sie mit einem Dringlichkeitssymbol markiert habe ...«

    »Was willst du nun tatsächlich von mir?«

    »Hmpf. Du brauchst doch nicht gleich ungeduldig zu werden, Perry.« Gavril schüttelte den Kopf. »Ich habe auffällige hyperenergetische Energiespitzen der Wega angemessen.«

    »Das liegt in der Natur dieser Sonne. Wir wissen, dass sie Besonderheiten aufweist. Sie ähnelt gewissermaßen Sol, weil sie von der Superintelligenz ES ... hm ... berührt wurde. Unterhalte dich doch mit ferronischen Wissenschaftlern über deine Entdeckung. Es gibt Austauschvereinbarungen zwischen ferronischen und terranischen Forschern.«

    »Ich habe bereits Kontakt mit den Ferronen aufgenommen. Mit einem gewissen Gahabir Zocke, der im Auftrag der Regierung mehrere Messstationen nahe der Wega errichtet hat und sie leitet. Ein arroganter Kerl ist das, sag ich dir ...«

    »Was meint Gahabir Zocke zu deinen Beobachtungen?«, fragte Rhodan.

    »Er hat die Impulse ebenfalls registriert und misst ihnen keine Bedeutung bei.«

    »Ich würde auf die Worte des Ferronen vertrauen. Schließlich haben er und seine Kollegen es seit Tausenden von Jahren mit hyperphysikalischen Phänomenen zu tun.«

    »Und ich habe unsere Positroniken jahrhundertealte ferronische Datenreihen miteinander vergleichen lassen, die ein eindeutiges Ergebnis zeigen: Eine derartige Energieemission im UHF-Bereich des hyperenergetischen Spektrums bei knapp unter einem Pentakalup wurde noch nie angemessen.«

    »Also schön. Was könnte das für Auswirkungen haben?«

    »Mag sein, dass es gar nichts bedeutet und Teil eines erratischen, hyperenergetischen Sprühnebels ist«, räumte Gavril ein. »Zumindest hat das Gahabir Zocke angedeutet. Wenn wir aber das Bild vom Sprühnebel vertiefen, sehe ich auch eine Gefahr.«

    »Und welche?«

    »Ich habe die Theorie, dass die Impulse künstlich erzeugt werden. Einige Parameter deuten darauf hin. Die Berechnungen dazu laufen noch, aber ...«

    »Welche Gefahr, Kilian?«, wiederholte Rhodan.

    »Ich ... könnte mir vorstellen, dass das hyperenergetische Potenzial, das in der Wega reichlich vorhanden ist, von einer außen stehenden Beschussquelle gereizt wird, um den Normalraum zu perforieren. Um ihn durchgängig, dünner, fluider zu machen.«

    »Du sprichst von einer bewusst herbeigeführten Zerstörung des Raum-Zeit-Kontinuums. Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt? Und ist es überhaupt möglich? Wer sollte so etwas wollen?«

    »Es gibt genügend verrückte Forscher, die alles unternehmen würden, um mit Hyperenergie waghalsige Experimente anzustellen, die in drögen Forschungslaboratorien nicht gestattet sind. Ich zum Beispiel würde ... Aber lassen wir das.« Gavril räusperte sich. »Wir wissen viel zu wenig über die komplexen Zusammenhänge zwischen den höherdimensionalen Zuständen. Was ist, wenn jemand herausfände, wie sich mithilfe von Hyperenergie das Normalkontinuum perforieren und die Raumebenen miteinander verbinden ließen? Aller Wahrscheinlichkeit nach könnten Hunderte stecknadelkopfgroße Öffnungen entstehen. Und das ist verdammt viel, wenn man unsere eigenen technischen Möglichkeiten zum Vergleich heranzieht.«

    »Ich frage dich nochmals, Kilian: Warum sollte jemand so etwas tun?«

    Der Wissenschaftler ruderte mit den Armen umher und setzte mehrmals vergeblich zum Sprechen an. »Ich wollte dich bloß auf diese Gefahr aufmerksam machen«, sagte er schließlich leise.

    »Danke. Bitte bleib mit den Ferronen in Kontakt. Vielleicht bist du ja wirklich einer Besonderheit auf der Spur. Die Wega ist prädestiniert für ungewöhnliche Phänomene.«

    »Da wäre noch etwas.«

    Rhodan unterdrückte seinen Unmut. »Und zwar?«

    »Auf Höhe des fünfunddreißigsten Planeten mehren sich die Anzeichen für einen eng begrenzten Raum-Zeit-Riss.«

    »Was meinen die Ferronen dazu?«

    »Die kümmern sich nicht weiter drum«, antwortete Gavril. »Es gibt immer wieder höherdimensionale Aktivitäten im Bereich der Außenwelten. Alle paar Jahre entstehen dort Portale, ab und zu werden Gegenstände fremder Kulturen oder gar Kontinua ins Wegasystem gespült. Das ist eine Spätfolge der Eingriffe der Superintelligenz ES.«

    »Hängen diese beiden Phänomene miteinander zusammen?«

    »Ich vermute: Ja. Zocke allerdings ist anderer Meinung.«

    »Lass mit Erlaubnis der Ferronen ein Beiboot der EVERSON an die Position des mutmaßlichen Raum-Zeit-Risses entsenden. Meinetwegen kannst du diese Expedition selbst leiten.«

    »Einverstanden!«, freute sich Kilian Gavril. »Man kann ja doch mit dir reden. Und was mein Finanzierungsgesuch betrifft ...«

    »Gute Nacht, Kilian. Es ist immer wieder eine Freude, sich mit dir zu unterhalten.« Perry Rhodan beendete die Unterhaltung und atmete erleichtert auf.

    5.

    »Die Ferronen interessieren sich für die Sonnenaktivitäten«, meldete Ginolinea. »Sie sind uns auf die Spur gekommen.«

    »Falsch«, korrigierte Krakatau. »Sie bemerken, dass sich etwas geändert hat. Aber es fehlt ihnen der Ansatzpunkt. Der Hebel, um herauszufinden, was sie erwartet.«

    »Dennoch wäre ich vorsichtig. Schließlich befinden sich auch Perry Rhodan, Reginald Bull und Gucky im Wegasystem. Du weißt, wie viel Erfahrung diese drei mitbringen.«

    »Ich wiederhole mich: Die ferronischen Wissenschaftler und auch die terranischen haben eine hyperphysikalische Unwucht entdeckt. Aber sie wissen nichts damit anzufangen.«

    Mit einigen mechanisch wirkenden Schritten, wie immer, wenn sie verärgert war, stakste Ginolinea wortlos zu Beratungen mit den Waffenoffizieren davon.

    Krakatau zog seinen Wachsvogel hervor und streichelte das kleine Köpfchen. Der Vogel tschilpte fröhlich vor sich hin.

    Krakatau hörte dem Sprachgesang eine Weile zu und steckte den Wachsvogel dann an seinen Platz zurück. Er musste sich auf seine vordringlichen Aufgaben konzentrieren.

    6.

    »Lach du nur!« Mit zerknittertem Gesicht schob sich Reginald Bull aus seinem Bett. Er schüttelte den Kopf. »Was kann ich denn dafür, dass der ferronische Wein so verdammt gut schmeckt?«

    »Ein wenig mehr Selbstdisziplin könnte dir nicht schaden.« Perry Rhodan grinste. »Aber das versuche ich dir seit über dreitausendsechshundert Jahren beizubringen.«

    »Ach, lass mich in Ruhe, du Spaßbremse!«

    Rhodan kümmerte sich nicht weiter um seinen Freund. Er schlüpfte stattdessen in eine schlichte Borduniform, die er stets verwendete, wenn er Repräsentationspflichten zu übernehmen hatte. Dies war der Tag des Thort und seiner Ferronen. Die Planetarier würden in farbenfroher Tracht oder in mit Orden geschmückten Uniformen auftreten. Sie würden die offizielle Einweihung des neuen Roten Palastes zelebrieren, vor den Augen einer interessierten Öffentlichkeit, die über Tausende Welten der Liga Freier Galaktiker verteilt war.

    »Fesch siehst du aus«, lobte Gucky und watschelte auf Rhodan zu.

    »Was sind das für sonderbare Ausbeulungen in deiner Jacke?«, fragte Rhodan.

    »Reiseproviant. Schließlich zwingst du uns, den ganzen Weg zum Podest vor dem Tor des Roten Palastes zu Fuß zu gehen. Ich wollte ja teleportieren.«

    »Erstens sind es bloß fünfhundert Meter. Zweitens schickt es sich nicht, neben dem Thort aus dem Nichts aufzutauchen.«

    »Ich habe deutlich kürzere Beine als ihr. Für euch mögen es fünfhundert Meter sein, für mich sind es mindestens zwei Kilometer.«

    Der Ausflug ins Wegasystem entpuppte sich allmählich als wohltuender Kurzurlaub, dachte Rhodan. Es war schön, mit Gucky und Bull zu flachsen und ein wenig Zeit zu finden, die Freundschaften zu pflegen. In dem Leben, das sie führten, war sonst kaum Platz für Müßiggang.

    Kalaman Pirlik erwartete sie bereits vor dem Ausgang ihrer Gemächer. Er trug eine prunkvolle Uniform, an der jede Menge Orden glänzten. Ohne Begrüßung setzte er sich in Bewegung, Rhodan folgte ihm. Aus den Schatten links und rechts der Tür lösten sich zwei TARA-Kampfroboter, die über die drei Palastgäste gewacht hatten.

    Nirgendwo war einer der ferronischen Soldaten zu sehen, die am Vortag noch einen Teil des Wegs gesäumt hatten. Alles wirkte leer und verlassen, der Palast war wie tot.

    »Ihr verhaltet euch so, wie es das Protokoll vorsieht«, verlangte Pirlik. »Der Thort hat euch einen Platz in seiner unmittelbaren Nähe zugedacht. Unterhaltungen sind während des Zeremoniells nicht erwünscht. Ihr befolgt die Vorgaben und stört die Feiern nicht, wie ihr Terraner es ja sonst so gern tut.«

    »Selbstverständlich«, beteuerte Rhodan, bevor Bull seinem Temperament freien Lauf lassen konnte.

    Es ging an einer Reihe glasierter Säulen vorbei, in denen – scheinbar – Luftbläschen umhertrieben. Sie tanzten mal hoch und mal nieder. Ringsum gab es reichlich Sitzgelegenheiten, die zum Verweilen lockten. Der Anblick der tanzenden Blasen hatte eine entspannende Wirkung auf die Betrachter.

    Sie erreichten das große Tor, den Hauptausgang des Palastes. Vor dem noch geschlossenen Portal drängten sich weitere Ferronen in prächtigen Uniformen. Zeremonienmeister hetzten aufgeregt hin und her, begleitet von Wolken kleiner Kommunikationshologramme, über die sie mit ihren Mitarbeitern verbunden waren.

    »Bereit?«, fragte eine Ferronin in bunter Kleidung und drängte die terranischen Gäste in Richtung des Tors auf Plätze, die durch winzige Lichtpünktchen am Boden markiert waren. »Die Roboter bleiben aber drinnen, ja? Ihr werdet ab hier von ferronischen Sicherheitskräften bewacht. Sie schweben über den Gästen, im Schutz von Deflektoren.«

    Die Frau wartete keine Antwort ab. Sie eilte weiter, zu einer anderen Gruppe von Honoratioren, die ebenfalls ins Freie dirigiert werden mussten.

    »Den Teufel werden wir tun, und die TARAS zurücklassen!«, protestierte Bull.

    »Lass den Ferronen doch ihren Spaß.« Gucky zeigte seinen Nagezahn. »Es wäre eh schön, wenn endlich wieder was passieren würde. Ich komme sonst ganz aus der Lebensrettungsübung raus.«

    Rhodan nickte dem Kleinen zu. Er war sich sicher, dass die Kommandantin der MARCUS EVERSON, Milenia Abercroft, den Platz längst gesichert und ihre Sicherheitsleute in der Menge der Zuschauer vor dem Palast platziert hatte.

    Er sah sich um und entdeckte drei Topsider unter den Wartenden. Abkömmlinge eines Echsenvolkes, das einstmals als Eroberer ins Wegasystem gekommen war, aber längst zu Ferrols Verbündeten zählte. Dazu kamen Vertreter von Akon, die Gesandten mehrerer arkonidischer Baronien, ein Naat sowie ein auf einer diskusförmigen Schwebeplattform ruhender Swoon.

    Das Palasttor schwang auf, jemand schob Rhodan sanft nach vorn. Er setzte sich in Bewegung, kniff die Augen gegen die tief stehende Sonne zusammen und trat in die glühende Hitze des ferronischen Morgens hinaus. Es hatte gewiss schon 35 Grad Celsius, trotz der frühen Tageszeit.

    Links und rechts der breiten Treppe, die zum Palast hochführte, standen Tausende Ferronen. Sie blickten den Herauskommenden gespannt entgegen. Da und dort wurde auf terranische Weise geklatscht.

    Rhodan und Bull traten nebeneinander und im Gleichschritt die Treppe hinab. Jede Berührung der steinernen Stufen erzeugte einen individuellen Ton, einen Akkord, eine Melodie. Sie schufen Musik, die weithin zu hören war und dennoch nicht zu laut klang.

    Rhodan verbarg seine Überraschung. Als sie am Vortag angekommen waren, war von diesem besonderen Effekt nichts zu bemerken gewesen.

    Das Leuchtpünktchen vor Rhodans Füßen wies ihnen den Weg. Es ging an Ferronen vorbei, die Spalier standen und von Prallfeldern zurückgehalten wurden.

    Rhodan nickte nach links und rechts, winkte ab und zu, antwortete in ferronischer Sprache auf Zurufe. Es herrschte eine gelöste Stimmung. Bull, Gucky und er waren im Wegasystem beliebt.

    Das Leuchtpünktchen lenkte sie in Richtung einer hellen Freifläche, die aussah, als habe man ein Leintuch auf dem Steinboden ausgebreitet. Einige Honoratioren und Diplomaten hatten sich bereits eingefunden, langsam wurden es mehr.

    Ein livrierter Palastdiener wies Rhodan, Bull und Gucky Plätze zu. In der Mitte der Fläche blieb Raum frei. Dort würde der Thort stehen und seine Rede halten. Bislang war in dem Bereich nur ein imposantes Gestell zu sehen, an dem eine übergroße Triangel samt Schlägel hingen.

    Sie erhielten jeweils zwei stecknadelkopfgroße Sprechfunkgerätschaften, die sie sich in eine Ohrmuschel und an den Kehlkopf klebten. Die winzigen Dinger würden für beste Akustik sorgen und es Rhodan ermöglichen, im richtigen Augenblick Grußworte an den Thort zu richten.

    Der Alltag hatte Rhodan wieder. Er musste Reden schwingen, sein Gesicht herzeigen, interstellare Politik machen, Wirtschaftsallianzen schmieden und vieles mehr. Er hatte gehofft, sich irgendwann mal von diesen Teilen seines Daseins trennen zu können. Doch die Arbeit als Liga-Kommissar verlangte es, dass er seine diplomatischen Pflichten erfüllte.

    Ein leichtes Ruckeln ging durch die Bodenfläche. Sie dunkelte ab, leuchtende Muster huschten darüber wie Blitze über einen dunklen Horizont.

    Eine Antigravplattform, dachte Rhodan. So elegant und geschickt konstruiert, wie ich es noch nie gesehen habe. Die Aggregate sind nirgendwo zu erkennen. Womöglich ist das ein Prototyp oder der Teil eines Kunstprojekts, das ein kleines Vermögen gekostet hat.

    Sie schwebten sanft empor. Rings um die Plattform aktivierte sich ein schwacher, etwa eineinhalb Meter hoher Schutzschirm, der die Funktion eines Geländers übernahm.

    Ein leises Zischen erklang – und plötzlich stand der Thort wenige Meter neben Rhodan. Er lächelte, verließ seinen Platz und schüttelte die Hände völlig überraschter Ehrengäste, auch die von Rhodan. Der Regierungschef des Wegasystems winkte freundlich in Richtung eines Schwarms von Kamerasonden, die aus dem Himmel herabkamen und sie nun umlagerten.

    Ein Fiktivtransmitter!, dachte Rhodan überrascht. Das kann nicht sein! Oder?

    Er hörte das Raunen der Zuschauer unter sich. Beifall. Jubelrufe.

    »Das ist bloß Theaterdonner«, flüsterte ihm Bull zu, nachdem er den Sendeknopf von seinem Kehlkopf gezupft hatte. »Ich wette mit dir um ein Jahreseinkommen als Resident, dass die Transmitterempfangsstation rings um den Thort unter Deflektoren verborgen ist. Warum sonst hätte er derart viel Platz rings um sich frei gelassen?«

    Er hatte recht. Würden die Terraner zwei Schritte zur Seite gehen, würden sie fraglos gegen eine Außenwandung des Transmitters prallen. Dennoch stellte sich die Frage, wie es den Ferronen gelungen war, die notwendige Technik derart kompakt zu gestalten.

    »Da haben die Akonen ihre Hände im Spiel«, sagte Gucky, der sich ebenfalls von seinem Sender befreit hatte. »Der Thort hat horrende Summen aufgebracht, um heute Eindruck schinden zu können.«

    »Hast du in seinen Gedanken gelauscht, Kleiner?«

    »Wo denkst du hin?«, fragte Gucky empört und fügte leise hinzu: »Es gibt irgendwo im Kreis der Versammelten einen Techniker, der über diese Tricks Bescheid weiß und für die Absicherung sorgt.«

    »Ich verstehe.« Rhodan konzentrierte sich wieder auf den Thort.

    Der Ferrone war mittlerweile ins Zentrum der Plattform getreten und hatte mit seiner Ansprache begonnen. Nactiel Ook erzählte von der ruhmreichen Geschichte seines Volkes. Von dessen Rolle bei der Neu- und Umgestaltung der Milchstraße, die dank ES stattgefunden hatte. Von Schlachten, von Friedensverträgen, von der Bedeutung der Ferronen.

    In vielen Aspekten übertrieb der Thort die Rolle des Wegasystems und seiner Bewohner. Natürlich tat er das, schließlich ging es um Repräsentation und um das Hervorstreichen der eigenen Rolle im Konzert der Großen, die in der Galaxis den Ton angaben.

    Irgendwann wurde Rhodan gebeten, ein paar Worte zu sprechen. Er tat es ruhig und routiniert, betonte dabei die Rolle der Ferronen als Freunde der Terraner. Bull indes, der als Resident die Erde repräsentierte, hielt eine weitaus emotionalere Rede. Immer wieder kam er auf die wechselhafte Geschichte zwischen den beiden Völkern zu sprechen und auf die vielen Berührungspunkte, die sich im Laufe der Jahrtausende ergeben hatten.

    Die Plattform schwebte währenddessen in einer stabilen Höhe von etwa 30 Metern. Nachdem der letzte Ehrengast seine Ansprache beendet hatte, senkte sie sich allmählich wieder ab. Alle Aufmerksamkeit richtete sich nun auf den Roten Palast. Auf jenes Gebäude, das eigentlich im Mittelpunkt der Festivitäten stand.

    Rhodan wartete gespannt. Er ahnte, dass der Thort einige Überraschungen in petto hatte und die Fertigstellung des Gebäudekomplexes nicht nur mit trockenen Worten würdigen wollte.

    Die monumentale Größe der Palastanlage ließ sich selbst aus der Luft nicht richtig erfassen. Der Prachtbau breitete sich auf mehr als einem Quadratkilometer aus, war in verschachtelte und ineinander übergreifende Teile gegliedert, wirkte da verspielt und dort futuristisch, war Monument und bürokratische Hochburg zugleich.

    »Wir wissen«, deklamierte Ook mit einem Seitenblick auf Rhodan, »dass von dieser Stelle aus seit mehr als zehntausend Terrajahren Recht gesprochen wird. Eine seinerzeit archaische Wehrburg musste später einem weitaus größeren Bauwerk weichen, das über all die Jahrtausende hinweg einen Stabilitätsfaktor in unserer bewegten Geschichte darstellte. Der Rote Palast wurde zur Legende. Er war eines der ältesten durchgehend genutzten Regierungsgebäude der bekannten Milchstraße. Es galt als unser Anker. Als Mittelpunkt dieser Welt, dieses Systems, unseres Volkes.«

    Verhaltener Applaus. Es war den Ferronen anzumerken, dass ihr Thort in einer Wunde bohrte. Sie konnten nicht recht verstehen, warum der traditionsreiche Herrschersitz abgerissen worden war.

    »Aber es wurde Zeit für eine Veränderung«, fuhr Ook fort, nachdem sich der Applaus gelegt hatte. »Es ist schließlich vor allem dieser Ort, der Geschichte geschrieben hat – und nicht ein verfallendes steinernes Gebäude. Die Reise zu den Galaktischen Rätseln wurde unterhalb des Palastes angetreten. In den alten Gängen, Gewölben und Kellern, die nach wie vor intakt sind und tief ins Erdreich hineinreichen.

    Den oberen, sichtbaren Teil des Roten Palastes konnten wir daher erneuern, ohne damit einen Tabubruch zu begehen. Wir setzen dem Ursprung unserer Kultur vielmehr eine neue Krone auf. In den vergangenen Jahren ist hier ein Bauwerk entstanden, das die Milchstraße noch nicht gesehen hat. Und ich bitte nun Perry Rhodan, den neuen Roten Palast zum Schwingen zu bringen.«

    Rhodan lächelte unverbindlich. Was Ook damit meinte, dass der Palast zum Schwingen gebracht werden musste – verstand Rhodan nicht.

    Er folgte der Einladung des Thort trotzdem bereitwillig und trat zum Triangelständer. Das war es wohl, was Ook von ihm erwartete.

    Der alte Mann nickte aufmunternd, Rhodan nahm den Schlägel in die Hand. Er erwies sich als schwerer als erwartet, passend zu der an einer Seite offenen, wuchtigen Triangel.

    »Fest gegen alle drei Innenseiten schlagen«, raunte ihm der Thort zu. »Die Reihenfolge ist egal.«

    Rhodan gehorchte. Ein Ton erklang, dann noch einer und noch einer. Sie ergänzten einander und zauberten akustische Effekte, die er niemals zuvor gehört hatte. Die Triangel musste aus einer speziellen Legierung bestehen. Vielleicht verfügte sie zudem über klangverstärkende Elemente, die in dünnen Schichten über das Metall gelegt waren.

    »Fühlst du die Schwingungen?«, fragte Ook. »Sie sind der Schlüssel zum Roten Palast. Nur dank ihrer Hilfe kann die Erweckung des Gebäudes beginnen. Was du bislang gesehen hast, ist nichts im Vergleich zu dem, was der Palast eigentlich darstellt und was er ist.«

    Rhodan hob den Blick. Sein Herz schlug laut. Die Musik packte ihn, setzte etwas in ihm in Bewegung. Ganz klar: Da war ein Meister seines Fachs am Werk gewesen. Jemand, der auf eindrucksvolle Weise Musik mit Emotionen zu verbinden verstand.

    Und mit Architektur.

    Rhodan hielt den Atem an, als er bemerkte, wie sich der Rote Palast zu bewegen begann.

    Er schwebte hoch.

    Ganz einfach, ganz leicht, ganz zart. Es war, als brächte Gucky mithilfe seiner Telekinese einen Bauklotz zum Fliegen. Doch in Wirklichkeit bewegte sich ein riesiger Gebäudekomplex, der Tausende Tonnen schwer war.

    Der Rote Palast hing frei in der Luft, bereits etwa fünf Meter über dem Planetenboden. Teilsegmente verschoben sich zueinander. Außentürme wanderten umher und suchten sich einen neuen Platz, während ein kubisches Element emporstieg und sich sacht auf ein anderes, kleineres herabsenkte. Wegesteine klapperten gegeneinander, bevor sie neue Teile des Palastes miteinander verbanden. Türme, Erker, Mauerwerk verschoben sich, verwuchsen, trennten sich wieder, bildeten ein neues Ganzes. Immer und immer wieder.

    Jede Berührung verursachte Töne. Neue Melodien entstanden, die vielleicht noch nie ein Wesen gehört hatte. Die Gebäudeteile mussten mit einer Musikpositronik verbunden sein, die jeden Kontakt der Bauteile in Klänge umsetzte. Der Rechner reagierte darauf, als wären sie Fingeranschläge auf einem vieltausendteiligen Tasteninstrument.

    »Das Spielwerk des Friedens«, verkündete Ook, während der Palast immer höher stieg. »Das ist der Beiname des neuen Roten Palastes. Das Spielwerk wird ab nun in den Nachtstunden und zu besonderen Gelegenheiten durch den gesamten Bezirk wandern. Durch den Park der Unsterblichen, wie wir ihn nennen wollen.« Er gestikulierte mit der Rechten, als wolle er das ganze weitläufige Grünland ringsum umfassen.

    Rhodan stand einfach nur da und sah zu, wie sich die Gebäudeteile weiter über- und ineinander verschoben. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Der Thort hatte tatsächlich für eine Überraschung gesorgt. Wie hatte er es bloß geschafft, die Besonderheiten dieses Baus vor allen Bewohnern Ferrols und des Wegasystems – sogar vor den Spionagediensten anderer Völker – geheim zu halten?

    Die Melodie schallte weithin und veränderte sich, als eine weitere Umgruppierung stattfand. Rhodan hörte Marschklänge, die zu einem Walzer im Dreivierteltakt und schließlich zu einer tefrodischen Karatonka wurden, getragen und elegisch. Die Musik, die aus unzähligen unsichtbaren Lautsprechern drang, verhallte mit mehreren lang gezogenen Tönen. Die Gebäudeteile senkten sich wieder ab und standen still wie Musiker, die nach Verklingen des letzten gespielten Tons in ihren Grundpositionen erstarrten und auf den Applaus warteten.

    Und er kam.

    Die Ferronen jubelten, die Ehrengäste applaudierten begeistert. Rhodan musste neidlos anerkennen, dass dem Thort der ganz große Wurf gelungen war. Mit dieser Vorführung und einer nie zuvor erlebten Verschmelzung von Bauwerk mit Musik hatte Nactiel Ook tatsächlich etwas völlig Neues und bislang Unbekanntes erschaffen lassen.

    Der Applaus verklang, die nachfolgende Stille schmerzte beinahe in den Ohren. Perry Rhodan sehnte sich nach der Musik zurück. Er wollte mehr hören. Wollte in den Roten Palast und erleben, wie es sich anfühlte, Teil eines riesigen Klangkörpers zu sein.

    »Wir werden das Spielwerk des Friedens so oft wie möglich erklingen lassen«, versprach der Thort. »Die Musik, die dabei entsteht, wird auf einer eigens für diesen Zweck errichteten Hyperfunkrelaiskette in große Teile der bekannten Milchstraße ausgestrahlt. Billionen von Wesen werden diese Übertragungen hören können. Jederzeit. Künstler und Gestalter werden in eigens dafür adaptierten Palasttrakten neue Wege erkunden, um Musik, Sprachkunst, Literatur, Gesang, Kieksstoßgedichte der Jülziish und vieles mehr ins All zu übertragen. Das Wegasystem wird synonym für eine kulturelle Revolution stehen. Die schönen Künste werden auf Ferrol eine neue Heimat finden – und für die Willkommenskultur der Ferronen stehen. Ich danke euch allen für eure Aufmerksamkeit.«

    Der Thort trat zwei genau abgemessene Schritte rückwärts und verschwand ebenso abrupt, wie er erschienen war. Perry Rhodan, der nah am Innenbereich des unsichtbaren Transmitters stand, vermeinte eine Sogwirkung zu spüren, kümmerte sich aber nicht weiter darum.

    Er war wie betäubt. Nactiel Ook hatte einen beeindruckenden Auftritt zelebriert, der noch lange nachwirken und in weiten Teilen der Milchstraße für Aufregung sorgen würde.

    7.

    Nur noch 14, maximal 15 Stunden. Die Zapfgeräte liefen heiß, die Techniker waren mit Feinjustierungsarbeiten beschäftigt. Immer wieder kam es zu unvorhersehbaren Zwischenfällen, aber Krakataus Leute lösten die Probleme mit Bravour. Sie hatten sich jahrelang auf diesen Moment vorbereitet.

    »Die Terraner und die Ferronen werden immer unruhiger«, berichtete Ginolinea.

    »Müssen wir schon wieder darüber reden?« Krakatau hatte die Schwarzmalerei der Schiffskommandantin satt. »Sie werden uns nicht rechtzeitig entdecken, und sie werden unser Eindringen nicht verhindern können.«

    »Ich rede nicht von uns«, sagte Ginolinea zu Krakataus Verwunderung. »Die Terraner haben ein zweites Phänomen entdeckt. Es breitet sich auf Höhe der Umlaufbahn des fünfunddreißigsten Planeten aus. Es hat nichts mit unseren Aktivitäten zu tun.«

    »Eine Koinzidenz. Ein Zusammentreffen zweier höherphysikalisch bedingter Perforationen. Es würde mich nicht wundern. Schließlich befinden wir uns im Wegasystem.«

    »Die Terraner wundern sich sehr wohl. Sie haben ein Beiboot vor Ort stationiert, um der Ursache nachzuforschen. Und auch die Ferronen behaupten, dass alle Statistiken gegen einen Zufall sprechen. Laut unseren Messungen sind bei dem dortigen Phänomen andere Hyperfrequenzen und Energieparameter beteiligt, als wir sie für unsere Raum-Zeit-Perforationen einsetzen. Aber es gibt gewisse Ähnlichkeiten.«

    »Also schön«, gab Krakatau nach. »Sorge dafür, dass die Sache beobachtet wird.«

    »Du weißt, dass wir erst eingreifen können, wenn wir drüben sind.«

    »Natürlich weiß ich das!«, fuhr Krakatau sie scharf an.

    Alle Gespräche im Raum verstummten, alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Sie fürchteten ihn. Sie wussten, wer er war und was er war.

    Krakatau bedauerte seinen Gefühlsausbruch. Er tat Ginolinea unrecht. Sie war eine umsichtige und verantwortungsvolle Kommandantin. Sie trug einen großen Teil zum Erfolg dieser Mission bei. Er würde später unter vier Augen mit ihr reden und ihr begreiflich machen, dass selbst ein Wesen wie er nervös werden konnte.

    8.

    »Das soll dem Thort mal jemand nachmachen!«, sagte Gucky beeindruckt. »Mag sein, dass die Erde ein technisches, wirtschaftliches und militärisches Schwergewicht in der Milchstraße ist. Aber im Bereich Kunst und Kultur hat Ferrol euch anscheinend einiges voraus.«

    »Das ist kein Wettlauf um Aufmerksamkeit, Ruhm und Ehre, Gucky.« Perry Rhodan griff in die Schwebeschüssel mit den überbackenen Vegetarierchips und fischte einige der dünnen Plättchen heraus.

    »Der Thort sieht das womöglich anders. Er hat Verträge für Trivid-Übertragungen abgeschlossen, die jahrzehntelang gelten. Wega wird in aller Munde sein. Jeder Sänger, Skulpturist, Hologestalter oder Musiker wird sich darum reißen, Teil dieses Künstlerprojekts zu sein. Ferrol wird Geisteswissenschaftler anziehen, Sponsoren und Gönner. Ganze Wirtschaftszweige werden sich hierherverlagern.« Gucky rülpste unterdrückt. »Selbst die Mohrrüben schmecken hier besser als auf der Erde ...«

    »Kommandantin Abercroft von der MARCUS EVERSON möchte dich sprechen«, erklang eine sanfte Stimme, die der Hauspositronik ihrer Suite im Roten Palast gehörte.

    »Schalte eine verschlüsselte Verbindung und stelle Milenia zu mir durch!«, befahl Rhodan. Er setzte sich aufrecht hin und konzentrierte sich. Milenia Abercroft hatte die angenehme Eigenschaft, sich nur dann zu rühren, wenn es wirklich wichtig war.

    Das Bild der Frau erschien in einem kopfgroßen Kommunikationshologramm. »Kilian Gavril hat sich gemeldet«, sagte sie knapp. »Er ist noch gestern mit der ORINOCO, einer unserer Korvetten, in Richtung der Umlaufbahn des fünfunddreißigsten Wegaplaneten aufgebrochen. Er hat dort Position bezogen, in unmittelbarer Nähe dieser sonderbaren Perforationsphänomene.«

    »Und?«, fragte Rhodan ungeduldig.

    »Er hat tatsächlich etwas Ungewöhnliches entdeckt. Kilian rechnet damit, dass sich in den nächsten Stunden eine Art Ausbruch ereignen könnte. Er meint, dass das Raum-Zeit-Kontinuum aufgerissen wurde und etwas zu uns vordringen wird.«

    »Geht es etwas genauer?«

    »Nein. Kilian hat versucht, Sonden ins Innere des stetig breiter werdenden Risses zu schleusen, scheiterte aber. Er ist jedoch überzeugt, dass es sich nicht um einen natürlichen Vorgang handelt. Er bittet dich, Kontakt mit dem Thort aufzunehmen und Ook zu überreden, auch die Aufmerksamkeit der ferronischen Forscher und Wissenschaftler auf dieses Phänomen zu richten.«

    »Hält er es für gefährlich?«, fragte Rhodan besorgt.

    »Er erwähnte das Wort bedrohlich, ohne weiter ins Detail zu gehen. Und er redete von einer Ausspeiung. Ich habe das Gefühl, dass er selbst nicht genau weiß, was zu erwarten ist. Die Sache wird wohl sogar ihm zu groß.«

    »Kaum zu glauben, bei diesem aufgeblasenen Kerl«, ließ sich Reginald Bull vernehmen.

    »Er möchte moralischen Rückhalt von dir und den Ferronen haben«, fuhr Kommandantin Abercroft ungerührt fort.

    »Soll er bekommen! – Milenia, mach die EVERSON startbereit. Wir sind in zwei Minuten an Bord. Ich will mir einen persönlichen Eindruck von den Geschehnissen verschaffen. Kümmere dich um eine Notstarterlaubnis, ich rede mit dem Thort. Ich bin mir sicher, dass auch er erfahren möchte, was in seinem Sonnensystem vor sich geht. Rhodan Ende.« Das Holo erlosch.

    Er griff nach seiner Kleidung und Ausrüstung, packte alles zusammen und wies seine beiden Freunde an, es ihm gleichzutun.

    Eine Verbindung zu Nactiel Ook kam rasch zustande, der Thort reagierte erwartungsgemäß. »Ich schicke sofort Schiffe mit meinen eigenen Leuten los.«

    Sie wechselten einige banale Floskeln und beendeten die Unterhaltung. Liebend gern hätte Rhodan sie fortgesetzt und den Thort über seine weiteren Pläne mit dem Roten Palast ausgefragt. Aber dieses Thema war mit einem Mal nicht mehr wichtig. Im Wegasystem gingen Dinge vor, die unangenehme Erinnerungen weckten. Unkontrollierte hyperphysikalische Phänomene hatten stets den Beigeschmack von Problemen. Wenn man den Worten von Kilian Gavril vertrauen konnte, drängte sich etwas oder jemand durch einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum ins Normaluniversum herein. Das verhieß nichts Gutes.

    »Bring uns an Bord, Gucky«, bat er den Ilt und reichte ihm die Hand.

    Bull stand ebenfalls für die Teleportation bereit. Die Beschaulichkeit der vergangenen Stunden fand ein abruptes Ende, der Alltag voller Sorgen und Gefahren hatte sie wieder.

    *

    Die Reise zur ORINOCO nahm bloß eine halbe Stunde in Anspruch. Die 60 Meter durchmessende Korvette der AEOLUS-Klasse trieb antriebslos im All, etwa 30.000 Kilometer von Wega XXXV mit dem Eigennamen Maramal entfernt.

    Kaum ein Ferrone hatte dem erdgroßen Gesteinsklumpen jemals Aufmerksamkeit geschenkt. Maramal hatte bei der Besiedlung des Systems keine Rolle gespielt. Dort hatte sich niemals Leben entwickelt. Es existierten lediglich einige Forschungsstationen auf der Oberfläche. Außerdem durchfurchten eine Anzahl mindestens 100 Meter breiter Grabroboter den Planetenboden und schürften seit Jahrhunderten Erze. Auf den beiden Monden der Welt gab es Werften, die sich auf die Wartung von Raumstationen spezialisiert hatten. Das war alles, was über Maramal zu sagen war.

    Rhodan konzentrierte sich auf die Bilder, die ihm Gavril zusandte. Sie zeigten Schwärze, in der sich zwei dünne, gezackte Risslinien gebildet hatten. Sie strebten aufeinander zu und verschmolzen langsam zu einem breiteren Spalt.

    Wichtig waren die Datenreihen, die der Wissenschaftler beigefügt hatte. Sie wiesen auf eine explizite Gefahr hin, auf eine räumliche Zerstörung, die von Irregularitäten in der Fremddimension jenseits des Risses hervorgerufen wurden. Die Beweislage war eindeutig, und sie wurde von Gavrils Kollegen mit stetig neuen Messwerten immer besser abgesichert: Das Raum-Zeit-Kontinuum würde aufbrechen.

    »Im Bereich dahinter steckt etwas fest«, behauptete Gavril. »Es will sich durch die Membran pressen, die den Hyperraum vom Normalraum trennt.«

    Rhodan machte sich bewusst, dass der Hyperphysiker nicht vom Linearraum redete, der als energetisch schmale Übergangszone zur fünften Dimension angesehen wurde. Gavril wies ihn stattdessen auf ein temporales Element hin. Auf einen oder mehr Körper, die dort nichts zu suchen hatten.

    Oder? Dachte er falsch? Gab es vielleicht doch Lebensformen, die nun hervordrängten und sich im Einsteinuniversum umsehen wollten?

    Rhodan hatte bereits Lebewesen kennengelernt, die im Hyperraum existierten. Wilde, instinktbehaftete Geschöpfe, aber auch Intelligenzwesen.

    Er bedauerte, nicht die junge Mutantin Anzu Gotjian bei sich zu haben. Mithilfe ihrer merkwürdigen Fähigkeiten wäre es vielleicht möglich gewesen, zu sehen, was sich hinter diesem Kontinuumriss verbarg.

    »Die Ausspeiung wird in wenigen Minuten beginnen«, kündigte Gavril über Funk an.

    »Rückzug!«, befahl Rhodan. »Die ORINOCO schleust sofort an Bord der EVERSON ein.«

    »Aber Perry, ich ...«

    »Keine Widerrede! Vor Ort bleiben bloß die Forschungssonden. Los jetzt!«

    Rhodan gab weitere Anweisungen, die der Besatzung der MARCUS EVERSON galten. Die Kommandanten mehrerer anderer Korvetten wurden auf den Ernstfall vorbereitet, die Schutzschirme des Hauptschiffs aktiviert, die Waffensysteme justiert.

    Mehr als 20 ferronische Kugelraumer hielten sich mittlerweile ebenfalls in unmittelbarer Nähe auf. Auch sie alarmierte Rhodan und bat sie, den Abstand zu dem sonderbaren Phänomen zu vergrößern. Ihm erschienen selbst die 10.000 Kilometer als zu gering, die sie derzeit wahrten. Sie waren ein Zugeständnis an die Forscher und Wissenschaftler, aber für sein Dafürhalten verharrte die MARCUS EVERSON viel zu nah an dem Kontinuumriss.

    Die ORINOCO zog sich befehlsgemäß zurück und flog mit gemächlichem Tempo auf das Mutterschiff zu. Gavril, der mit dem Kommandanten seines kleinen Raumboots immer wieder diskutierte, war anzumerken, dass er mit Rhodans Anordnung nicht einverstanden war.

    »Kann sein, dass wir dich brauchen«, sagte Rhodan leise zu Gucky. »Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl. Die Ferronen nehmen die Gefahr auf die leichte Schulter, unsere Wissenschaftler ebenfalls.«

    »Die Ferronen sind derartige Phänomene gewöhnt«, gab Bull zu bedenken. »Das Wegasystem ist für sie wie ein tektonisch aktives Gebiet. Sie haben gelernt, mit den Risiken zu leben. Und unsere Forscher sind, nun ja, Forscher. Könnten sie diesen Riss mit ihren Händen erweitern, hätten sie es längst gemacht und wären auf allen vieren auf die andere Seite gekrochen.«

    Rhodan starrte auf die Bilder, die in den Außenbeobachtungshologrammen präsentiert wurden. Gavrils Stimme war bloß noch im Hintergrund zu hören. Die ORINOCO hatte mittlerweile die MARCUS EVERSON erreicht und glitt in den Beiboothangar.

    Minuten vergingen, ohne dass sich etwas änderte. Irrte sich Gavril? War der Kontinuumriss nicht das, was er vorzugeben schien? Gab es doch nichts oder niemanden auf der anderen Seite des Dimensionsspalts?

    Der Wissenschaftler stürmte in die Zentrale. Sein Arbeitsmantel wehte hinter ihm her, die langen, grauen Haare standen ihm zu Berge.

    »Du weißt gar nicht, was du mir da antust, Perry!«, klagte er und wollte zu einer längeren Litanei ansetzen – als er plötzlich erstarrte. Mit der Rechten deutete er auf ein

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