Fußball-IQ - Dinge, die clevere Spieler tun: Spielsituationen richtig lösen
Von Dan Blank
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Buchvorschau
Fußball-IQ - Dinge, die clevere Spieler tun - Dan Blank
1. KAPITEL
Der Heilige Gral
Fangen wir am Anfang an. Mit dem Spieltempo. Das Spieltempo ist der Heilige Gral des Fußballs. Das zu wissen, ist eine Grundvoraussetzung für cleveres Spielverhalten. Frag mich nicht, warum. Schnell ist besser als langsam. So ist das eben. Und deine Aufgabe ist es, alles zu tun, was du kannst, nur noch schneller.
Wenn du diese Einstellung, dass schnell grundsätzlich besser ist als langsam, verinnerlichen kannst, ist das bereits die halbe Miete. Wenn du dann noch deine Mannschaft davon überzeugen kannst, werdet ihr viele Spiele gewinnen.
Den Ball mit einer Berührung von A nach B zu bringen, ist besser, als dafür zwei Ballkontakte zu brauchen – vorausgesetzt alle anderen Faktoren sind gleich. Warum? Weil es mit einem Ballkontakt schneller geht als mit zweien, und schnell ist besser als langsam. Sicher, es gibt Ausnahmen. Aber du spielst viel zu oft so, als wäre die Ausnahme die Regel.
Mein guter Rat:
•Wenn du den Ball mit einem Kontakt an den Mitspieler bringen kannst, versuch es nicht mit zweien.
•Wenn du den Pass mit zwei Ballkontakten spielen kannst, versuch es nicht mit dreien.
Je mehr Ballkontakte du für deine Aufgabe brauchst, desto langsamer wird das Spiel. Die Aufgabe eines intelligenten Spielers besteht darin, mit möglichst wenigen Ballberührungen größtmögliche Wirkung zu erzielen. Versetz dich zurück in dein letztes Spiel und überlege: Wie hättest du das, was dir in diesem Spiel gut gelungen ist, auch mit weniger Ballkontakten erreichen können? Dafür müsstest du schneller denken. Du müsstest Entscheidungen treffen, bevor der Ball bei dir ist. Du müsstest deine Ballbehandlung weiter verbessern. Kurz gesagt: Du müsstest das tun, was ein besserer Spieler täte.
Zu viele Spieler verstehen den Wert des schnellen Passspiels nicht. Anstatt einen schnellen und einfachen Pass zu spielen, der zu einem hohen Spieltempo führt, wird der einfache Pass ihre letzte Möglichkeit – nachdem sie alle anderen Optionen überlegt und ausgereizt haben. Viel zu oft glauben sie, jetzt, wo sie den Ball am Fuß haben, unmittelbar Einfluss auf den Spielstand nehmen zu müssen. Jedes Mal, wenn der Ball bei ihnen landet, versuchen sie den tödlichen Pass zu spielen. Sie suchen nach der einen siegbringenden Aktion. Und weil sich nicht immer gleich eine Lösung anbietet, sehen sie sich in ihren Spielmöglichkeiten eingeengt, während der Spielfluss der Mannschaft immer mehr ins Stocken gerät.
Der Feind heißt langsames Spiel. Eine langsame Spielweise ermöglicht es dem Gegner, sich zu organisieren. Langsames Spiel führt zu Ballverlusten. Mit langsamem Spiel verliert man Spiele.
Nicht jeder Pass, den man spielt, muss der entscheidende Pass sein. Du musst nicht mit jeder Ballberührung das Spiel gewinnen. Manchmal genügt es voll und ganz, den Ball zu einem Mitspieler zu bringen. Und den Ball schnell zu spielen ist besser, als ihn langsam weiterzuleiten.
Schau dir ein Spiel des FC Barcelona an. Kein Barça-Spieler wird jemals den Vorwurf zu hören bekommen, er versuche, mit jeder Ballberührung das Spiel zu gewinnen – nicht einmal der herausragende Torjäger Lionel Messi. Barcelonas Spieler gehen so geduldig vor, wenn sie den Ball haben, dass ihnen manchmal gar nicht mehr bewusst zu sein scheint, dass es auf dem Spielfeld auch noch Tore gibt. Das sieht mitunter so aus, als sei das Passen für sie ein Selbstzweck. Die Art, in der sie andere Teams mit ihrem ausgefeilten Ballbesitz-Fußball in Grund und Boden spielen, ist auch schon als »Tod durch 1000 Pässe« bezeichnet worden. Aber trotz aller Geduld im Großen und Ganzen lassen sie den Ball mit einem Minimum an Berührungen sehr schnell durch die eigenen Reihen laufen. Die Pass-Maschine mag zwar insgesamt als langsam oder abwägend empfunden werden, aber die einzelnen Teile bewegen sich dennoch mit höchstem Tempo. Geduld und Tempo sind hier in verblüffender Harmonie vereint. Die Barça-Spieler haben dieses Konzept verinnerlicht. Jeder einzelne Spieler versteht die Bedeutung des schnellen Passspiels; und jeder Spieler weiß, dass der Mitspieler, an den er den Ball weiterleitet, vielleicht die Lösung parat hat, die ihm selbst in diesem Augenblick, mit dem Ball am Fuß, nicht einfällt. Bei Barcelona macht das Spieltempo die Spielkultur aus.
Mach dir folgende Tempo-Reihenfolge beim Fußball klar:
•Am langsamsten: Ein Spieler dribbelt mit dem Ball am Fuß und macht dabei Seitwärtsbewegungen und Finten.
•Langsam: Ein Spieler läuft mit dem Ball in höchstem Tempo geradeaus.
•Schneller: Ein Spieler läuft ohne Ball.
•Am schnellsten: Ein Ball in Bewegung.
Nichts auf dem Fußballplatz ist schneller als ein Ball, der in Bewegung ist. Der schnellste Spieler auf dem Platz kann keine zehn Meter so schnell zurücklegen wie ein gespielter Ball. Das gilt auch für dich. Und jetzt musst du dich entscheiden zwischen einem überflüssigen Führen des Balles, das allenfalls dem eigenen Ego schmeichelt und sonst rein gar nichts bringt, … und dem Gewinnen. Wenn du den Ball 20 Meter weiter bringen willst, geht das mit einem Pass sehr viel schneller als mit einem Dribbling. Und schnell ist besser als langsam.
Ich möchte an dieser Stelle noch eine wertvolle kleine Weisheit einflechten: Wer ein schnelles Spiel aufziehen will, muss das wirklich wollen. Diese Entscheidung muss man vor Spielbeginn treffen. Man muss sich bewusst für eine schnelle Spielweise entscheiden. Man muss sich bewusst für möglichst wenige Ballberührungen entscheiden. Ein schnelles Spiel entwickelt sich nicht durch Zufall. Wenn man es nicht wirklich will, wird nichts daraus.
Das Spieltempo ist mehr als eine Gewohnheit, es ist eine Lebenseinstellung. Zugriff darauf hat man erst, wenn man die Vorstellung, dass das Spieltempo das Allerwichtigste ist, vollkommen verinnerlicht hat. Schnell ist besser als langsam. Mit Spieltempo gewinnt man Spiele. Kluge Spieler bevorzugen das schnelle Spiel.
Hinweis für Trainer: Es ist erstaunlich, wie gut unser Team spielt, wenn wir bei einer Übungsform im Training verlangen, jeweils mit nur einem Ballkontakt auszukommen. Es ist ein wunderbarer Anblick, wenn unsere Spieler den Ball in einem Höllentempo laufen lassen. Die Herausforderung für den Trainer besteht darin, die Spieler dazu zu bringen, dieses Tempo auf ein Spiel zu übertragen, bei dem es keine Vorgaben solcher Art gibt. Sind zwischen Training und Spiel erhebliche Unterschiede zu erkennen, haben die Spieler die grundsätzliche Bedeutung des schnellen Spiels noch nicht verinnerlicht. Sie müssen Ihre Spieler dazu bringen, dass sie schnell spielen wollen.
Im 8. Kapitel werde ich eines meiner bevorzugten Ballbesitz-Spiele vorstellen, das Spiel »31«. Es ist eine hervorragende Übung, die den Spielern hilft, zu entscheiden, wann sie den Ball direkt weiterleiten können und wann sie ihn halten sollten.
2. KAPITEL
An Ort und Stelle spielen
»An Ort und Stelle spielen« bedeutet, den Ball sicher anzunehmen und dann von dort, wo man gerade ist, weiterzuspielen oder zu schießen. Klingt ziemlich einfach, nicht wahr?
Stellen wir uns vor, ein Spieler nimmt den Ball in der Spielfeldmitte an, mit Blick zum gegnerischen Tor. Der nächste Gegenspieler ist zehn Meter weit weg, unmittelbar vor dem Spieler am Ball. In diesem Augenblick hat dieser Spieler ein Zehn-Meter-Polster, das ihm ermöglicht, den Kopf hochzunehmen und eine Anspielstation zu finden. Das Sinnvollste wäre jetzt, den eng am Fuß liegenden Ball an Ort und Stelle zu spielen und so den Abwehrspieler zu zwingen, die ganze Entfernung Zentimeter für Zentimeter zu überwinden, wenn er den Ball erobern will.
Stattdessen nimmt der Angreifer den Ball mit der ersten Berührung drei Meter weit mit. Der Gegner verringert den Abstand seinerseits und kommt vier Meter näher. Jetzt sind von dem Zehn-Meter-Abstand noch ganze drei Meter übrig, und innerhalb von Sekundenbruchteilen sind die auch weg. Als Nächstes folgt ein Tackling und man kann zusehen, wie der Ball unkontrolliert zu einem Spieler des gegnerischen Teams rollt.
Es verblüfft mich, wie viele Fußballer und Fußballerinnen spielen, als wären sie Runningbacks in einem Football-Team. Sie nehmen einen Pass an, laufen mit Ball nach vorn und suchen den direkten Zweikampf. Ich werde nie verstehen, wieso ein Spieler freiwillig den Abstand aufgibt, der ihn von einem Verteidiger trennt. Dieses Polster verschafft dir Zeit. Es verschafft dir Zeit für eine gute Entscheidung und Zeit für ein Spielen des Balles unter möglichst wenig Druck. Warum sollte man darauf verzichten?
Mit dem längeren Ballführen in Richtung des Gegners nimmt man dem die halbe Arbeit ab! Es ist nicht deine Aufgabe, ihm den Ball näherzubringen. Er muss näher rücken, um dich unter Druck zu setzen. Spiel nicht für den Gegner! Mach nicht ihm das Leben leichter, indem du dich selbst in Schwierigkeiten bringst!
Wenn du den Ball geschickt angenommen und spielbereit am Fuß hast, ist es an dir, ihn jetzt sofort nach vorn zu spielen. Denn das stellt den Verteidiger vor ein Problem. Er muss überlegen, wie er den Pass nach vorn verhindern kann, anstatt zum Tackling anzusetzen. Der Angriff auf den ballführenden Spieler fällt aus, der Gegenspieler muss sich auf Seitwärtsbewegungen einstellen, wenn er den Pass abfangen will. Mit dem einleitenden Bewegungsablauf für ein Zuspiel hält man den Gegner letztlich an seinen Platz fest und erhält sich so das Polster.
Noch erstaunlicher ist, wie oft ein Spieler bereit ist, dieses Polster herzugeben, noch bevor er den Ball unter Kontrolle hat. In jeder Begegnung fallen mir Spieler auf, die mit dem Ball laufen, ohne ihn zu kontrollieren. Er verspringt ihnen vom Knie, vom Schienbein, vom Oberschenkel, vom Bauch. Was hofft man denn zu erreichen, wenn man den Ball nicht einmal sicher am Fuß liegen hat? Hol um Himmels willen erst einmal kurz Luft und sorg dafür, dass du den Ball am Fuß hast! Das Wichtigste zuerst, nicht wahr? Glaub mir, du bist besser beraten, wenn du auf die Bremse trittst und erst einmal den Ball kontrollierst, bevor du dich auf den 50-Meter-Sprint zum Ruhm begibst.
Wenn ich einer Mannschaft »An Ort und Stelle spielen« erklären will, setze ich sie dazu vor eine Aufzeichnung von einem Spiel der englischen Premier League, aber auch jede andere Profiliga käme infrage.
Immer gibt es kluge Spieler, die verstehen, wie wertvoll es ist, wenn man sich nicht selbst unter Druck setzt. Im Profifußball erhalten die Spieler vor allem im Abwehrbereich und im Mittelfeld regelmäßig Zuspiele, die sie so annehmen, dass der Ball sofort spielbereit am Fuß liegt. Ihre nächste Ballberührung ist meist ein Pass zu einem Mitspieler, wobei der Gegner gar nicht erst dazu kommt, Druck auszuüben.
Schau dir einmal eine Halbzeit eines Premier-League-Spiels an und zähle mit, wie oft beide Mannschaften den Ball an Ort und Stelle spielen. (Auch das direkte Weiterleiten des Balles mit nur einem Kontakt fällt in diese Kategorie.) Sieh dir dann eines eurer Spiele an und zähle auch hier mit. Es gibt schon einen Grund dafür, warum deine Mannschaft den Ball so oft verliert. Es gibt auch einen Grund dafür, warum man selten eine Jugendmannschaft sieht, die drei aufeinanderfolgende Pässe zustande bringt. Es liegt daran, dass die Spieler dieses ganz einfache Konzept noch nicht verstanden haben. Man kann nicht erwarten, im Ballbesitz