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Ja und Amen: Was Christen glauben
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eBook366 Seiten4 Stunden

Ja und Amen: Was Christen glauben

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Über dieses E-Book

Was glaube ich? Und nicht minder wichtig ist wohl eine andere Frage, nämlich: Warum glaube ich? Oder auch: Warum glaube ich nicht (mehr)?
Dieses Buch legt das Apostolische Glaubensbekenntnis auf allgemein verständliche Weise aus und versucht Glauben begründbar zu machen. Denn die zentralen christlichen Glaubensinhalte sind über Jahrtausende hinweg in ganz unterschiedlichen Kontexten - oftmals inmitten von heftigen Auseinandersetzungen politischer Gegner oder theologischer Kontrahenten - entstanden. Kein Wunder also, dass sie vielen Menschen heute nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind und deshalb in eine zeitgemäße Sprache übersetzt werden müssen. Dabei räumt Josef Imbach auch mit einigen Missverständnissen auf, die sich im Laufe der Kirchengeschichte gebildet haben, und macht auch für Außenstehende christliche Glaubensaussagen leicht verständlich.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Feb. 2020
ISBN9783429064648
Ja und Amen: Was Christen glauben
Autor

Josef Imbach

Josef Imbach, Dr. theol., Jahrgang 1945, ist Publizist, Autor zahlreicher theologischer Bücher und unterrichtet an der Seniorenuniversität Luzern. Von 1975 bis 2002 war er Ordinarius für Fundamentaltheologie und Grenzfragen zwischen Literatur und Theologie an der Päpstlichen Theologischen Fakultät San Bonaventura in Rom und von 2005 bis 2010 Lehrbeauftragter für Katholische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Basel.

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    Buchvorschau

    Ja und Amen - Josef Imbach

    Warum glaubt (nicht), wer (nicht) glaubt?

    »W as macht es de facto für einen Unterschied, zu glauben oder nicht zu glauben? Ich kann doch auch an etwas glauben, was es nicht gibt, was nicht wahr ist, und tatsächlich glauben viele Leute von ganzem Herzen an die wildesten Sachen, an fliegende Untertassen, Vampire, daran, dass Hitler die Menschheit liebte und sie retten wollte […], aber macht ihr glühender Glaube ihre Überzeugungen vielleicht wahrer? Wenn sie jedoch nicht glauben, sich weigern zu glauben und behaupten, die Konzentrationslager hätte es nie gegeben, lässt ihr Nichtglaube den Rauch in die Schlote zurückkehren und die eingeäscherten Körper der Kinder wieder lebendig werden? Tilgt die Tatsache, dass sie nicht an die Krematorien glauben, etwa deren Existenz, macht sie weniger echt, verwandelt sie in Ziegelsteine, in Nebel? Dieses emphatische Herumreiten darauf, ob man glaubt oder nicht, kam mir schon als Kind übertrieben vor, wie ein künstliches Problem, eine Überbewertung, ein Totem. Der Glaube, egal welcher, war nichts anderes als der Versuch, die Wahrheit zu verstecken oder den Weg dorthin mit einer Art Bluff abzukürzen. Verstehen, ja, klar, erkennen auch, erfahren, suchen, aber glauben ? ¹«

    Es gibt eine ganze Menge Gründe, die für die Existenz Gottes sprechen. So ist der Verfasser des alttestamentlichen Weisheitsbuches davon überzeugt, dass die Größe und Schönheit der Geschöpfe Rückschlüsse auf den Schöpfergott erlaubt (vgl. Weisheit 13,5). Der Apostel Paulus schlägt in die gleiche Kerbe; im Römerbrief verweist er darauf, dass »Gottes unsichtbare Wirklichkeit aus den Werken der Schöpfung mit Vernunft wahrgenommen« werden kann« (1,20) – ein Gedanke, der Jahrhunderte später von Thomas von Aquin (1225–1274) aufgegriffen und zu einer Art Gottesbeweis ausgearbeitet wird. Wer aber von Geschöpfen oder von Schöpfung spricht, setzt – meist ohne sich darüber Rechenschaft zu geben – die Existenz eines Schöpfers voraus! Und begründet so den Gottesglauben aufgrund des persönlichen Glaubens.

    Andere denken ganz anders. Sie verweisen darauf, dass es gewichtige Gründe gibt, welche den Glauben in seinen Fundamenten erschüttern. Ihr Hauptargument: Wie kann Gott es zulassen, dass Unschuldige leiden? Angesichts dieses Einwands greifen keine noch so gut gemeinten theologischen Erklärungen. Hier müssen die Gottgläubigen passen (wir werden darauf später zurückkommen²). Darum wusste schon der Verfasser des Buches Ijob. Ijob, der über alle Maßen Geprüfte, gelangt am Ende zu einer Einsicht, welche die ganze jüdische und christliche und islamische Theologie seither unbeholfen oder gottesmutig nachstottert: Wir haben keine Antwort auf diese bohrendste aller Fragen.

    Manche Christgläubige haben ihren Glauben vom Elternhaus einfach mitbekommen, ohne sich je ernsthaft Gedanken darüber gemacht zu haben. Andere hätten Rückfragen, die sie aber nicht einmal vor sich selbst zu formulieren wagen, weil man (so wurde ihnen eingetrichtert) einfach akzeptieren muss, was die Kirche seit Jahrhunderten lehrt. Manche wagen sich weiter vor und bekennen sich bezüglich einzelner überlieferter Glaubenssätze offen zu ihren Zweifeln.

    Was glaube ich? Nicht minder wichtig ist wohl eine andere Frage, nämlich: Warum glaube ich? Oder auch: Warum glaube ich nicht (mehr)?

    Dieses Buch ist ein Versuch, das Apostolische Glaubensbekenntnis auf allgemein verständliche Weise auszulegen. Diesem Anliegen zugrunde liegt die Überzeugung, dass die vor Jahrhunderten formulierten Glaubensinhalte nicht mehr ohne Weiteres zugänglich sind und deshalb der Übersetzung in eine zeitgemäße Sprache bedürfen. Dabei geht es nicht nur darum, verbreitete Missverständnisse auszuräumen, sondern auch die christlichen Glaubensaussagen im Hinblick auf die Anforderungen und Herausforderungen unserer Zeit zu aktualisieren.

    Dass dabei Themen zur Sprache kommen, die ich bereits in anderen Publikationen behandelt habe, ergibt sich aus der Natur der Sache. Erwähnt sei noch, dass Leser und Leserinnen mit der Lektüre bei jedem beliebigen Kapitel beginnen können, da jedes eine Einheit für sich darstellt.

    Dank

    Wie bereits anlässlich zahlreicher früherer Buchpublikationen hat Imelda Casutt auch diesmal das Manuskript gegengelesen und die Korrekturen überprüft und mich dabei nicht nur auf stilistische Unebenheiten, sondern auch auf sachliche Ungenauigkeiten aufmerksam gemacht. Mein Dank gilt darüber hinaus Nadine Kastenhofer und Sonja Wiesner, die den Text ebenfalls kritisch durchgesehen haben. Danken möchte ich auch Thomas Häußner, dem Leiter des Echter Verlags, für die wie immer überaus gute Zusammenarbeit.

    1 E. Albinati, Die katholische Schule, München 2018, 251.

    2 Dazu mehr im Abschnitt Allmächtiger Gott? im folgenden Kapitel.

    Das Apostolische Glaubensbekenntnis

    ICH GLAUBE

    an Gott, den Vater, den Allmächtigen,

    den Schöpfer des Himmels und der Erde,

    und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,

    empfangen durch den Heiligen Geist,

    geboren von der Jungfrau Maria,

    gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben,

    hinabgestiegen in das Reich des Todes,

    am dritten Tage auferstanden von den Toten,

    aufgefahren in den Himmel;

    er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;

    von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

    Ich glaube an den Heiligen Geist,

    die heilige katholische Kirche,

    Gemeinschaft der Heiligen,

    Vergebung der Sünden,

    Auferstehung der Toten

    und das ewige Leben.

    AMEN

    Ich glaube

    Wer an etwas oder an jemanden glaubt, trifft eine ganz persönliche Entscheidung. Dafür gibt es bestimmte Gründe, welche andere nicht nachvollziehen können und deshalb nicht zu teilen vermögen. Das gilt auch im Hinblick auf das Glaubensbekenntnis der Kirche.

    Wer immer sich dieses Bekenntnis zu eigen macht, steht mit seiner ganzen Person dahinter. Eine solche Entscheidung bezieht sich auf den Glaubensschatz einer Gemeinschaft, die sich seit rund zwei Jahrtausenden auf Jesus beruft. Wer sich zum christlichen Glauben bekennt, zeigt, was ihn mit allen anderen Getauften verbindet. Mit einem Wort, mein Glaube ist deckungsgleich mit unserem Glauben.

    Deckungsgleich? Schon ein flüchtiger Blick auf die Entwicklung des Glaubensbekenntnisses zeigt, dass einzelne Aussagen häufig umstritten waren; dass es immer wieder zu Verketzerungen und Verfolgungen von Gläubigen kam, welche die ›offizielle‹ Interpretation von biblischen Aussagen und mancher darauf aufbauender Glaubenssätze nicht nachzuvollziehen vermochten; dass die daraus resultierenden Spannungen zu Spaltungen führten … Dass die damit verbundenen theologischen Auseinandersetzungen in etlichen Fällen auf Machtfragen zurückzuführen sind, wird geschichtskundige Christenmenschen kaum erstaunen. Gleichzeitig werden sie darauf verweisen, dass nicht nur leidige Rechthabereien zum Streit um eine sachgerechte Auslegung des Glaubensbekenntnisses führten.

    Glaube als Wissensersatz?

    Der folgende (stark gekürzte) Dialog aus Alberto Moravias Roman La Noia spielt sich zwischen dem jungen Maler Dino und Cecilia ab, der früheren Geliebten von Dinos verstorbenem Künstlerkollegen Balestrieri.

    »Warum legten Sie so großen Wert auf Balestrieris Lektionen?« »Ich hatte mich in ihn verliebt – oder vielmehr glaubte ich das.« »Und er reagierte darauf nicht? Warum nicht?«

    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, ich gefiel ihm nicht, das ist alles. So ging es zwei oder drei Monate lang weiter, er wich mir jetzt geradezu aus, und ich litt darunter.«

    »Glauben Sie, dass Balestrieri nichts von Ihnen wissen wollte, weil Sie ihm zu jung waren?«

    »Nein, das nicht.«

    »Oder weil er Sie ein wenig für eine Tochter ansah?«

    »Ich glaube nicht. Davon hatte er mir nie etwas gesagt.«

    »Oder glauben Sie, dass Balestrieri Angst hatte, Sie kennenzulernen?«

    »Angst, warum Angst?«

    »Angst, weil er vorhersah, was dann wirklich geschehen ist, nämlich dass er sich in Sie verlieben würde. Manchmal macht die Liebe Angst.«³

    Fünfmal ist in diesem Gespräch von glauben die Rede, und zwar stets in der Bedeutung von vermuten, mutmaßen, meinen, der Ansicht sein. Tatsächlich wird das Wort umgangssprachlich fast ausschließlich in diesem Sinn verwendet. Glauben heißt dann so viel wie nicht wissen. Ähnliches gilt für das Substantiv Glaube, dem, wenn es nicht gerade als Synonym für Religion oder Konfession verwendet wird (›der islamische Glaube‹), ein Beigeschmack von Naivität anhaftet. Begreiflich deshalb, dass auch beim Begriff Gottesglaube Bedeutungsinhalte mitschwingen, die eher an Köhlerglaube oder an Aberglaube erinnern. Das mag damit zusammenhängen, dass der religiös verstandene Glaube seit dem Beginn der Neuzeit immer häufiger im Hinblick auf das exakte Wissen definiert wurde, welches sich der Mensch mittels der immer stärker sich entwickelnden Naturwissenschaften aneignen konnte, deren Ergebnisse nachprüfbar sind. Was sich mit diesem Wissensbegriff nicht deckt, wäre dann dem Bereich des Glaubens zuzuordnen. Glaube erscheint so als Vermutung, die sich auf Gründe stützt, welche zu einer überprüfbaren und damit sicheren Aussage nicht ausreichen. Man glaubt etwas, beispielsweise dass man einem anderen Menschen sympathisch ist, weil gewisse Anzeichen dafür zu sprechen scheinen, wobei eine letzte Gewissheit fehlt …

    Vor diesem Horizont erscheint der religiöse Glaube fast notwendigerweise als eine Art Wissensersatz. Anhand eines Beispiels verdeutlicht: Aussagen über das menschliche Leben fallen in den Zuständigkeitsbereich der Wissenschaften, z. B. der Medizin, der Biologie, der Physik, der Chemie … Was nach dem Tod kommt, lässt sich weder nachprüfen noch beweisen; also kann man es auch nicht wissen, sondern bloß Mutmaßungen darüber anstellen. Man glaubt dann eben (oder auch nicht) an die Existenz Gottes, an ein Leben nach dem Tod, an die Auferstehung …

    Dagegen wäre allerdings zu fragen, ob die empirischen Wissenschaften und das von ihnen erarbeitete Wissen wirklich so objektiv sind, wie man gemeinhin annimmt. Beruht nicht auch die ›objektive‹ Forschung auf höchst subjektiven Voraussetzungen? Die Entscheidung, sich in Molekularbiologie zu spezialisieren und nicht Theologie oder Schmetterlingskunde zu studieren, ist sicher nicht objektiv-wissenschaftlicher Art, sondern eine persönliche (also subjektive) Entscheidung. Außerdem findet die wissenschaftliche Forschung nicht im luftleeren Raum statt, sondern wird von den Neigungen und Vorlieben und der Weltanschauung der Forschenden beeinflusst, was sich wiederum auf die Ergebnisse auswirkt. Wissenschaft wird ja kaum je um ihrer selbst willen betrieben, sondern ist interessengeleitet. In der Praxis bedeutet das, dass eine Wissenschaftlerin möglicherweise aus rein persönlichen Gründen ein Ziel verfolgt, etwa indem sie für ein Unternehmen arbeitet, das ihr in finanzieller Hinsicht besonders attraktiv erscheint. Solche subjektive Faktoren gehen allemal auf Kosten der wissenschaftlichen Objektivität. Daran sollte man schon denken, wenn man vom Glauben abschätzig als von einer subjektiven Angelegenheit spricht.

    Aber auch aus anderen Gründen hat sich die These von der Wertfreiheit der Wissenschaften als Mythos erwiesen. Die Entscheidung etwa, das menschliche Erbgut zu manipulieren, ist gewiss nicht wissenschaftlicher, sondern ethischer Natur.

    Schließlich ist daran zu erinnern, dass der mathematischnaturwissenschaftlichen Erkenntnis in unserem Alltag eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt. Bekanntlich befassen sich die Naturwissenschaften mit dem, was in Zeiteinheiten, Zahlen und Formeln festgehalten werden kann. Ihr Forschungsbereich begrenzt sich auf das Empirische, auf das Mess- und Wägbare. Die meisten menschlichen Lebensvollzüge aber spielen sich gerade außerhalb dieses Bereichs ab. Ein Geologe, der einen Stein untersucht, kann dessen Gewicht und Alter, seine Herkunft und seine Zusammensetzung feststellen. Aber wenn ich ihn frage, warum es besser sei, diesen Stein als Briefbeschwerer zu benützen, statt jemandem damit den Schädel einzuschlagen, betrifft diese Frage ihn in seiner Eigenschaft als Forscher überhaupt nicht, und zwar ganz einfach deshalb, weil es sich nicht um ein wissenschaftliches, sondern um ein ethisches und damit um ein im weitesten Sinn weltanschauliches Problem handelt. Gerade diese weltanschaulichen Fragen, welche die Wissenschaften nicht beantworten können, sind in unserem Alltag entscheidend. Warum soll sich eine Politik am Menschen und nicht an der Macht orientieren? Weshalb ist es besser, Nahrungsmittel statt Waffen zu produzieren? Welches ist der Sinn und das Ziel unseres Lebens? Angesichts solcher und ähnlicher Fragen lassen uns die empirischen Wissenschaften im Stich. Das bedeutet, dass ihre Forschungsergebnisse nicht ausreichen, um das Leben sinnvoll zu bewältigen. Und zwar reichen sie deshalb nicht aus, weil sie sich nur auf einzelne Aspekte der Wirklichkeit, eben auf das Mess- und Wägbare, beschränken, ja sich aufgrund ihrer Methode darauf beschränken müssen. Die Wirklichkeit als Ganze jedoch lässt sich bekanntlich nicht in mathematische, physikalische und chemische Formeln pressen. Wenn sich ein Physiker damit begnügte, anlässlich einer Aufführung von Carl Orffs Carmina Burana (die, während ich dies niederschreibe, eben vom Rundfunk ausgestrahlt werden) die Luftschwingungen und die Klangstärken zu messen, so würde er nie vom rauschhaft-überwältigenden Charakter dieses musikalischen Kunstwerks mitgerissen. Umgekehrt kann man von Orffs Musik schwärmen, ohne von Musikgeschichte und Tonlehre und der Anatomie des menschlichen Ohres ein umfassendes Detailwissen zu besitzen, eben weil es eine Art der Erkenntnis gibt, die ganz anders beschaffen ist als die empirische. Diese Erkenntnis kommt immer da zustande, wo ein Mensch nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen sieht.

    Man mag diese Art von Erkenntnis als unwissenschaftlich bezeichnen, aber man sollte darüber nicht vergessen, dass sie in unserem Leben eine entscheidende Rolle spielt. Überdeutlich zeigt sich das, wenn wir die beiden Arten von Erkenntnis miteinander vergleichen. Jedermann weiß, dass Wasser auf Meereshöhe bei null Grad den Gefrierpunkt erreicht. Diese Tatsache wird sicher niemanden aufrütteln. Und schon gar nicht würde jemand daran denken, dafür sein Leben einzusetzen. Wenn aber ein Mensch zu einem anderen sagt: »Ich mag dich, ich hab’ dich gern, ich liebe dich«, dann lässt sich auf eine solche Aussage ein ganzes Leben gründen, obwohl sie nicht beweisbar ist. Wie aber weiß ich, dass die Liebe nicht vorgetäuscht ist um irgendeines Vorteils willen, den man sich von mir erhofft? Obwohl diese Möglichkeit in keinem Fall mit mathematischer Sicherheit auszuschließen ist, geschieht es, dass man der Liebe eines anderen Menschen derart gewiss ist, dass nicht einmal der entfernteste Gedanke an eine mögliche Täuschung aufkommt. Warum das? Bestimmt nicht, weil Liebe blind machen würde (sie macht eher erfinderisch und sehend!), sondern weil es außer der wissenschaftlichen Erkenntnis eine Art des Erkennens und damit des Wissens gibt, die sich auf einer ganz anderen Ebene abspielt. Dieses Wissen als Gewissheit erwächst aus dem vertrauensvollen Umgang mit den Mitmenschen. Solche Gewissheiten sind kein Wissensersatz, bloß weil sie nichtwissenschaftlich sind. Es handelt es sich ganz einfach um einen anderen, erfahrungsbedingten Weg der Erkenntnis. Auf diesem Weg gewinnen wir die für unsere Daseinsbewältigung entscheidenden Einsichten, die unsere existenziellen Entscheidungen beeinflussen.

    Glaube als Ausdruck von Vertrauen

    Wenn wir die Begriffe Glaube und glauben wortgeschichtlich analysieren, stellen wir fest, dass ihre ursprüngliche Bedeutung auf dieser personalen Ebene festzumachen ist. Beide, das Substantiv und das Verb, leiten sich ab vom urgermanischen galaubjan (etwas lieb halten, hoch schätzen, gutheißen) und liubian (willfahren, nachgeben, freundlich sein), woraus dann im 12. Jahrhundert das mitteldeutsche Wort gelouben entstand. Damit haben die Germanenmissionare das lateinische credere (glauben; entstanden aus cor dare, sein Herz verschenken an …) übersetzt.

    In späterer Zeit gewinnt glauben auch die Bedeutung von für wahr oder für wahrscheinlich oder für möglich halten. Ursprünglich verweist das Verb auf die Beziehung zwischen Personen oder zwischen Mensch und Gott. Glauben besagt dann so viel wie jemandem Vertrauen entgegenbringen.

    Von dieser Grundbedeutung scheint noch etwas durch, wenn wir heute das Wort Glaube nicht im Hinblick auf eine Sache, sondern in Bezug auf eine Person verwenden. Angenommen, wir befinden uns in einer fremden Stadt und erkundigen uns nach dem Weg zum Bahnhof. Wir fragen jemanden und nehmen ganz selbstverständlich an, dass die Auskunft richtig ist. Augenblicklich lässt sich das aber gar nicht nachweisen; es wird sich erst später herausstellen, wenn wir aufgrund der erhaltenen Angaben das Ziel erreicht haben. Bis es soweit ist, sind wir dem oder der Unbekannten irgendwie ausgeliefert. Dies setzt die Annahme eines anderen Menschen als Person voraus. Wem das nicht einleuchtet, mache die Gegenprobe: Warum wenden wir uns nicht an die erstbeste Person, die vielleicht einen etwas zwielichtigen Eindruck macht? Ganz einfach, weil es am Vertrauen fehlt oder weil Misstrauen angebracht scheint. Ich glaube das (die Auskunft), bedeutet in diesem Zusammenhang zuallererst: Ich glaube dir das.

    Besonders deutlich wird das, wenn wir an unsere privaten zwischenmenschlichen Beziehungen denken. Wenn eine uns nahestehende Person sagt: »Du bist mir sympathisch, ich mag dich!«, werden wir bestimmt nicht antworten: »Du hast zwar keinen Beweis für deine Aufrichtigkeit geliefert, aber ich habe immerhin eine ganze Reihe von Gründen, die dafür sprechen, dass du es ehrlich meinst.« Eine solche Äußerung würde unser Gegenüber zutiefst verletzen, zu Recht! Wir sagen nicht: »Ich vertraue diesen und jenen Anhaltspunkten und Erwägungen«, sondern: »Ich glaube es, weil ich dir vertraue.« Glaube richtet sich nicht auf Dinge, auf Gegenstände oder auf Objekte, sondern immer auf eine Person. Weil wir gute Gründe haben, jemandem zu vertrauen, können wir glauben, was die betreffende Person uns mitteilt.

    Schließlich kann man auch an jemanden glauben. In diesem Fall stehen nicht mehr einzelne Äußerungen im Vordergrund (ich glaube etwas), an denen man keinerlei Zweifel anmeldet, weil man jemandem vertraut (ich glaube dir). Damit liegt das ganze Gewicht auf der Beziehung: Weil und wenn wir einer Person bedingungslos vertrauen, können wir sagen: Für diesen Menschen lege ich die Hand ins Feuer; ich glaube einfach an ihn.

    Wenn im religiösen Sprachgebrauch von Glauben die Rede ist, ist diese dritte Dimension letztlich mitgemeint, aus der die anderen beiden sich erst ableiten lassen. Ich glaube an Gott; deshalb kann ich ihm vertrauen und für wahr halten, was er mir mitteilt.

    Das Glaubensverständnis der Schrift

    Damit zeigt sich, dass dem Glauben, verstanden als Vertrauen, eine absolut zentrale Bedeutung zukommt. Und dass sich der Gottesglaube seiner Struktur nach von anderen menschlichen Vertrauensakten in nichts unterscheidet, sondern lediglich eine Art der Vertrauensäußerung (neben anderen) darstellt. Aber das Spezifische des christlichen Glaubensvollzugs ist damit noch nicht erfasst.

    Das hängt nicht nur mit dem Inhalt des christlichen Glaubens (warum Jesus und nicht Buddha?), sondern auch mit der Wesensdifferenz zwischen Gott und Mensch zusammen. Denn ein bedingungsloses Vertrauen ist, streng genommen, nur Gott gegenüber möglich, weil er allein die ganze Wahrheit und Wahrhaftigkeit und deshalb absolut treu ist.

    Diesen Tatbestand drückt das Alte Testament mit dem Verb aman aus, das fest sein, gegründet sein, sich stellen auf bedeutet. Aman (von dem sich das liturgische Amen herleitet) besagt, dass eine Sache hält, was sie verspricht. Auf Jahwe-Gott angewandt bedeutet das, dass er zu seinen Verheißungen steht und dem Menschen durch alle Gefährdungen hindurch die Treue hält. Dafür kennt das Alte Testament noch eine ganze Reihe anderer Begriffe, nämlich batah (hoffen auf, vertrauen auf), hasah (sich bergen, Zuflucht nehmen), emunah (Festigkeit, Sicherheit), emet (Glaube, Wahrheit, Stabilität). Diese Ausdrücke wurden in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, mit dem Substantiv pistis und dem Verb pisteuein übersetzt. Beide Wörter werden später im Neuen Testament zu Schlüsselbegriffen und bedeuten nichts anderes als Glaube(n) oder eben Vertrauen.

    Was das konkret bedeutet, führen uns zahlreiche biblische Episoden vor Augen. Erinnert sei etwa an jene missverständliche und in der Tat oft missverstandene Erzählung, die davon berichtet, wie Gott Abraham befiehlt, seinen einzigen Sohn zu schlachten (Genesis 22,1–19).

    Die Erzählung von der Opferung Isaaks könnte uns leicht auf den Gedanken bringen, dass Gott mit dem Menschen sein grausames Spiel treibt. Vermutlich neigen wir dazu, uns von vornherein und vorbehaltlos mit Isaak, dem Opfer, zu identifizieren. Aufgrund unserer Sympathie für ihn rücken wir ihn ins Zentrum. Im Mittelpunkt aber steht gerade nicht er, sondern Abraham: »Gott stellte Abraham auf die Probe«, heißt es schon am Anfang (Genesis 22,1). Abraham selbst gibt sich vorerst keine Rechenschaft darüber, dass Gott ihn prüft. Das weiß bloß der Erzähler – und er sagt es uns gleich. Die ganze Erwartung der damaligen Leser und Zuhörerinnen richtete sich überhaupt nicht darauf, was mit Isaak nun tatsächlich geschehen würde. Vielmehr war man gespannt zu erfahren, wie Abraham angesichts der absurden Forderung Gottes reagieren würde. Absurd ist diese Forderung deshalb, weil jeder Israelit genau wusste, dass Jahwe im Gegensatz zu den Gottheiten anderer Völker keine Menschenopfer wünschte. Absurd ist sie aber auch im Hinblick auf das Versprechen, das Gott Abraham gegeben hat, nämlich ihn zum Stammvater eines großen Volkes zu machen (Genesis 17,2). Wie soll sich diese Zusage erfüllen, wenn Gott Abraham befiehlt, seinen Sohn zu schlachten?

    Die Frage ist daher, ob Abraham auch jetzt noch an Gottes Treue glaubt, obwohl er nicht einsieht, auf welche Weise dieser unter den gegebenen Umständen sein Wort wird halten können. Denn nichts mehr hört Abraham von Gott während der ganzen dreitägigen Reise zum Opferberg. Buchstäblich bis zum letzten Augenblick hüllt sich Gott in Schweigen. Willkürlich hat er offenbar sein Versprechen rückgängig gemacht und grundlos seinen Treuebund aufgekündigt.

    Wenn dem tatsächlich so wäre, stünde diese Geschichte nicht in der Bibel. Dort steht sie aber, weil am Beispiel Abrahams gezeigt werden soll, dass man in jeder Situation felsenfest auf Gott zählen kann.

    Man kann diese Erzählung nur verstehen, wenn man keine falschen Fragen stellt, die an ihrer Sinnspitze vorbeizielen. Es handelt sich um eine Glaubensgeschichte, die dazu einladen will, sich mit Abraham und seiner Haltung zu identifizieren.

    Ihre jetzige Ausformung hat die besagte Episode im 9. vorchristlichen Jahrhundert erhalten, zu der Zeit also, als das Volk Israel sich in der gleichen Lage befand wie Abraham. Nach dem Tod König Salomos wurde das Reich geteilt. Ein Niedergang setzte ein, während die Nachbarvölker gleichzeitig immer stärker und mächtiger wurden und die Existenz Israels massiv bedrohten. Angesichts der zunehmend aussichtslosen Situation begann man sich zu fragen: Wozu hat Gott uns, seinem Volk, das Land verheißen; weshalb hat er uns aus Ägypten befreit und durch die Wüste hierher geführt, wenn jetzt doch alles zusammenbrechen soll? Warum liefert er uns anderen Völkern aus, obwohl wir doch sein Bundesvolk sind? Wie steht es mit Gottes Treue, die seit Abraham und Mose für alle kommenden Geschlechter gelten soll?

    Angesichts solcher Fragen war die Geschichte von der Erprobung Abrahams von einer ungeheuren Aktualität. Sie vermochte das Volk Israel in der Gewissheit zu bestärken: So wie Gott Abraham wider allen Anschein die Treue bewahrte, so wird er auch uns in unserer ausweglosen Lage beistehen. Gerade die Abrahamgeschichte vermochte Israel in der Gewissheit zu bestärken: Was Gott angefangen hat, führt er zu Ende, vorausgesetzt, das Volk ist gewillt, wie Abraham zu handeln, der bereit war, seinen Sohn zu lassen, aber nicht seinen Gott.

    Warum prüft Gott? Ist er grausam, unberechenbar? Auf diese Frage antwortet die Erzählung weder mit einem unmöglichen Ja noch mit einem vorschnellen Nein. Irgendwie macht sie die Frage gegenstandslos, indem sie zeigt: Gott ist wohl unbegreiflich, aber man kann immer auf ihn zählen.

    Was für Abraham gilt, der mit seinen 75 Jahren im Vertrauen auf Gott den Aufbruch wagte und seine Heimat mit einem unbekannten Ziel verließ; was für das auserwählte Volk gilt, das den Auszug aus Ägypten wagte und einer ungewissen Zukunft entgegenging; was für Jesu Jünger galt, welche »alles verlassen haben« (Matthäus 19,27) und sich seiner Führung anvertrauten, das trifft für alle Gläubigen zu. Der Glaube ist und bleibt ein Wagnis, das den bedingungslosen Einsatz der Person erfordert. Er ist deshalb nicht ein Akt neben anderen, sondern ein Grund-Akt des Vertrauens, der den ganzen Menschen in Anspruch nimmt und sich auf sein gesamtes Denken und Handeln auswirken muss.

    Kein toter Satzglaube!

    Selbstverständlich weist der Glaube auch eine inhaltliche Seite auf. Wenn und weil Menschen sich Gott anvertrauen, glauben sie ihm, was dieser ihnen offenbart.

    Dieses intellektualistische Glaubensverständnis war in der katholischen Theologie und

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