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Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertagesstätten
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Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertagesstätten
eBook389 Seiten2 Stunden

Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertagesstätten

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Über dieses E-Book

Die Praxis der Frühpädagogik steht derzeit wieder einmal vor großen Herausforderungen. Immer mehr und immer jüngere Kinder werden immer länger betreut. Viele von ihnen haben Migrations- oder Inklusionshintergrund. Erzieher*innen müssen in Zukunft mehr denn je in der Lage sein, die organisatorischen und institutionellen Zusammenhänge ihres professionellen Handelns mitzubedenken und prozessorientiert umzusetzen.
Hier setzt der Ratgeber an: Er vermittelt praxisnah und leicht verständlich die vielfältigen Rechtskenntnisse, ohne die Erzieher*innen heute in ihrer facettenreichen Arbeit vor Ort nicht mehr handeln sollten; so knapp wie möglich, jedoch stets so detailliert und anwenderorientiert wie nötig.
Der Titel stützt die steigenden Anforderungen an die Qualität professionellen Könnens von Erzieher*innen und nicht zuletzt die bewusste Herausbildung und Optimierung institutioneller Handlungsqualität.
Fachkräfte müssen in Zukunft mehr denn je darin bewandert sein, die organisatorischen und institutionellen Zusammenhänge ihres professionellen Handelns differenziert mitzubedenken und prozessorientiert umzusetzen. Das Buch hilft, dieser Herausforderung gerecht zu werden und gibt das Wissen der maßgeblichen rechtlichen und organisatorischen Abläufe. Es trägt zum Finden des eigenen – stets ganz individuellen und authentischen – Wegs bei, mit Organisationen, Institutionen und Gremien und deren jeweiligen Eigengesetzlichkeiten selbstbestimmt umzugehen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Dez. 2020
ISBN9783829316354
Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertagesstätten

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    Buchvorschau

    Rechtsverhältnisse und Aufsichtspflichten in Kindertagesstätten - Tanja von Langen

    Teil 1: Rechtsverhältnisse

    Einführung

    Niemand ist eine Insel. Eine Kita erst recht nicht. Hält der Träger die notwendige Betriebserlaubnis für die „Einrichtung, in der sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden" (Definition des § 22 Abs. 1 SGB VIII) in Händen, hat er in aller Regel bereits eine mehrmonatige Odyssee durch die Gänge der bundesdeutschen Sozialverwaltung hinter sich:

    Dem Antrag auf Erteilung der Betriebserlaubnis waren Stellungnahmen des Gesundheitsamtes, des Bauamtes, des Brandund Katastrophenschutzes, der Lebensmittelüberwachung und des Veterinäramtes sowie ein TÜV-Gutachten zur Stand- und Nutzungssicherheit der Außenspielgeräte beizufügen. Es musste belegt werden, dass Leitung und pädagogisches Fachpersonal über alle geforderten Ausbildungs- und Qualifikationsnachweise verfügen. Einrichtungen, die außerhalb des Bedarfsplanes der jeweiligen Kommune – beispielsweise durch eine Elterninitiative – betrieben werden sollen, müssen darüber hinaus auch durch Steuer- oder Unternehmensberatertestat nachweisen, dass der Betrieb rentabel geführt werden kann. Die Einrichtung muss über ausreichenden Haft- und Unfallversicherungsschutz verfügen und wird durch das Gewerbeaufsichtsamt im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften begangen. Das Landesjugendamt als überörtlicher Träger der Jugendhilfe prüft im Rahmen einer weiteren Begehung nach § 46 SGB VIII die Räume der Kita auf kindgerechte Ausstattung sowie die pädagogische Konzeption der Einrichtung. Diese musste schriftlich vorgelegt werden.

    Bevor auch nur eine einzige Betreuungsstunde geleistet wurde, ist die Kita eine Fülle von Rechtsbeziehungen eingegangen: zu Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde, Jugendamt, Träger, Eltern, Nachbarn. Und sie wird weitere eingehen, sobald sie ihren Betrieb aufnimmt: zu Elternbeirat, Förderverein, anderen Kindertagespflegeeinrichtungen im Sozialraum, Polizei, Feuerwehr, ASD, Sucht- und Schuldnerberatungsstellen, Ehe- und Erziehungsberatungsstellen etc.

    All diese Rechtsbeziehungen dienen demselben Zweck: Eine Gefährdung des Kindeswohles auszuschließen. Denn dies ist der Maßstab, an dem sich sowohl Erteilung als auch Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis stets messen lassen müssen. Ist Sicherheit und/oder Wohl der Kinder nicht gewährleistet, wird die Betriebserlaubnis versagt.

    Aber auch, wenn die Kita den Betrieb aufgenommen hat, wird die Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis im Rahmen von Revisionen laufend überprüft. Ergibt eine solche Überprüfung konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindeswohles, kann – wie im Fall des Kaloku-Kindergartens in Rotenburg jüngst geschehen – die erteilte Betriebserlaubnis jederzeit zurückgenommen bzw. widerrufen werden. Der Kindergarten war überprüft worden, weil mit den Kindern esoterische Rituale praktiziert worden sein sollen. Offenbar sollten sie im Sinne des keltischen Druidentums und der Huna-Lehre beeinflusst werden (www.hna.de/nachrichten/kreis-hersfeld-rotenburg/rotenburg vom 10. 2. 2011). Das Hessische Familienministerium hat nach Abschluss der Prüfung die Betriebserlaubnis für den Kindergarten mit sofortiger Wirkung widerrufen. Zur Begründung führte es aus, zwar könne man nicht von einem Sektenverdacht sprechen, sehe jedoch das Kindeswohl als gefährdet an.

    Der rechtliche Handlungsrahmen von Kinderbetreuungseinrichtungen für die Betätigung im „Rechtsraum Kita" ist für alle Bundesländer einheitlich geregelt im SGB VIII.

    1. Die bundesgesetzlichen Vorgaben des SGB VIII

    Im allgemeinen Sprachgebrauch auch von Juristen hat es sich eingebürgert, SGB VIII und das KJHG synonym zu verwenden. Tatsächlich sind es jedoch zwei verschiedene Gesetze: Das KJHG ist ein Artikelgesetz mit 24 Artikeln, dessen Art. 1 das gesamte SGB VIII mit derzeit 105 Paragrafen beinhaltet. Die Art. 2–24 des KJHG ändern andere Gesetze mit dem Ziel der Neuregelung der Kinder – und Jugendhilfe und beinhalten Regelungen zum Inkrafttreten.

    Art. 1 des KJHG bildet also das Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder und Jugendhilfe – und ist in zehn Kapitel – diese wiederum in Abschnitte – gegliedert. Im Ersten Kapitel „Allgemeine Vorschriften werden in den §§ 1–10 SGB VIII grundlegende Bestimmungen des Gesetzes aufgeführt, die für die folgenden Kapitel ebenfalls – eben allgemein – gelten. Das Zweite Kapitel führt die Leistungen der Jugendhilfe auf und bildet damit den inhaltlichen Schwerpunkt des Gesetzes. Im dort zu findenden dritten Abschnitt „Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen schreibt das SGB VIII mit den §§ 22–26 SGB VIII ausführlich die Rahmenbedingungen für die Kindertagesbetreuung fest. Eine weitere Norm mit Kindergartenrelevanz kommt mit § 45 SGB VIII hinzu, der Vorschrift über die Erteilung (oder Versagung) der Betriebserlaubnis. Und schließlich regeln die §§ 61–68 SGB VIII den Schutz von Sozialdaten.

    Die für eine Kita bedeutsamen Vorschriften des SGB VIII sind demnach:

    1.§§ 1–10 SGB VIII Allgemeine Vorschriften

    2.§§ 22–26 SGB VIII Kindertageseinrichtungen

    3.§ 45, 46 SGB VIII Betriebserlaubnis

    4.§§ 61–68 SGB VIII Datenschutz

    Nahezu alle für die Praxis einer Kita wesentlichen Rechtsverhältnisse haben in diesen Paragrafen ihren Ursprung. Die einzelnen Handlungsfelder werden im Folgenden erläutert.

    1.1Der Schutzauftrag nach § 8a SGB VIII

    „Jugendhilfe kann sich nicht darauf beschränken, Leistungen nur auf Antrag bzw. Nachfrage zu gewähren, sondern muss – jedenfalls bei Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Kindeswohls – von Amts wegen tätig werden, um sodann eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber treffen zu können, ob einer (drohenden) Gefährdung des Kindeswohls besser durch Hilfen mit der und für die Familie oder aber durch eine Anrufung des Familiengerichtes begegnet werden kann. Durch diesen Schutzauftrag unterscheidet sich das SGB VIII von allen anderen Büchern des Sozialgesetzbuches, indem er einem Dienstleistungsverständnis strukturelle Grenzen setzt". (BT-Drs.15/3676 S. 25/26)

    Aufgrund der Einordnung der Kinder- und Jugendhilfe in das Sozialgesetzbuch war überdies der Zwangscharakter, der mit Maßnahmen in diesem Rechtsgebiet u. U. verbunden sein kann, sehr in den Hintergrund getreten. Das Konzept der Freiwilligkeit, das das SGB VIII wie alle Sozialgesetze verfolgte, führte nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen (Mrozynski, § 8a Rz. 1). Es bestand daher Anlass, den Schutzauftrag der Jugendämter wieder stärker zu betonen. Dies ist im Rahmen des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe, kurz KICK genannt, geschehen. KICK hat dem SGB VIII den § 8a SGB VIII hinzugefügt. Das Gesetzespaket trat am 1. 10. 2005 in Kraft.

    In § 8a Abs. 1 SGB VIII heißt es:

    „Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte einzuschätzen. Soweit der wirksame Schutz dieses Kindes oder dieses Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird, hat das Jugendamt die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder den Jugendlichen in die Gefährdungseinschätzung einzubeziehen und, sofern dies nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist, sich dabei einen unmittelbaren Eindruck von dem Kind und von seiner persönlichen Umgebung zu verschaffen. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Erziehungsberechtigten anzubieten."

    § 8a Abs. 2 SGB VIII regelt die Voraussetzungen, unter denen das Jugendamt das Familiengericht anzurufen hat:

    „Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichtes für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen, dies gilt auch, wenn die Personensorgeberechtigten oder Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichtes nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen."

    § 8a Abs. 3 SGB VIII regelt die Einbeziehung anderer Stellen:

    „Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung der Gefährdung zuständigen Stellen selbst ein."

    Wer die Norm aufmerksam liest, wird feststellen: Bis hierhin sind ausschließlich die Jugendämter dem Schutzauftrag verpflichtet. Deswegen müssen nach Absatz 4 auch Kitas ebenso wie – die Verankerung der Norm im „Allgemeinen Teil" der §§ 1–10 SGB VIII ist daher folgerichtig – andere Einrichtungen und Dienste der Jugendhilfe im Falle des Vorliegens gewichtiger Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung den Schutzauftrag in entsprechender Weise wahrnehmen und eine insofern erfahrene Fachkraft beratend hinzuzuziehen. § 8a Abs. 4 SGB VIII bestimmt insoweit:

    „In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass

    1. deren Fachkräfte bei bekanntwerden gewichtiger Anhaltspunkte für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen.

    2. Bei der Gefährdungseinschätzung eine insofern erfahrene Fachkraft beratend hinzugezogen wird sowie

    3. Die Erziehungsberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche in die Gefährdungseinschätzung einbezogen werden, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird.

    In die Vereinbarung ist neben den Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft insbesondere die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte der Träger bei den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinwirken, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die Gefährdung nicht anders abgewendet werden kann."

    § 8a SGB VIII ist insoweit eine Festschreibung von Pflichten, die seit einem Beschluss des OLG Stuttgart vom 28. 5. 1998 (Az. 1 Ws 78/98 –, NJW 1998 S. 3131) für Mitarbeiter der Jugendhilfe als sog. Beschützergaranten entwickelt wurden. In dem Beschluss heißt es:

    „Die Mitarbeiter von kommunalen Jugendämtern und Sozialdiensten sowie die von ihnen beauftragten Mitarbeiter von Trägern der freien Jugendhilfe haben als Beschützergaranten kraft Pflichtenübernahme strafrechtlich dafür einzustehen, dass von ihnen mitbetreute Kinder nicht durch vorhersehbare vorsätzliche Misshandlungen durch die Mutter oder durch einen von ihr beauftragten ungeeigneten Dritten körperlich verletzt werden oder zu Tode kommen."

    Die Formulierung des § 8a Abs. 4 SGB VIII „nach diesem Buch" hat unmittelbare Konsequenzen für Einrichtungen, die Rehabilitation und Teilhabe geistig bzw. körperlich behinderter Kinder leisten. Denn diese werden gerade nicht nach dem SGB VIII, sondern vielmehr nach dem SGB IX tätig. Dieses gilt sowohl für behinderte Kinder in Regeleinrichtungen als auch heilpädagogische Einrichtungen, was aber nicht bedeutet, dass der Schutz dieser Kinder dort nicht in gleicher Weise gegeben wäre. Selbstverständlich bleibt es bei dem Schutzauftrag des Jugendamtes nach § 8a Abs. 1 SGB VIII, das intervenieren muss, wo auch immer das Wohl eines Kindes gefährdet ist.

    Allerdings können Kitas, mit denen keine Vereinbarungen zu schließen sind, auch nicht von sich aus den Mechanismus des § 8a Abs. 4 SGB VIII nutzen (Mrozynski, § 8a Rz. 21). Haben sie Anhaltspunkte für eine Misshandlung des behinderten Kindes, können sie selbstverständlich Hilfen anbieten, eine Information des JA jedoch ist nur unter den strengen Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII möglich (s. dazu u. 1.4).

    Der subtile Zwang, der von § 8a SGB VIII ausgeht, besteht vornehmlich darin, dass die Eltern bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mit einzubeziehen sind. Stellt sich dabei heraus, dass dieses Risiko von ihnen selbst ausgeht, kann dies zu Eingriffen in die elterliche Sorge nach § 1666 BGB führen (Mrozynski,§ 8a Rz. 1).

    1.1.1Das Kindeswohl – ein unbestimmter Rechtsbegriff

    Der Begriff des „Kindeswohles ist nicht nur im Rahmen des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII, sondern darüber hinaus im gesamten Bereich des Kinder- und Jugendhilferechtes sowie im Kindschafts- und Familienrecht des BGB die zentrale Bezugsgröße allen sowohl elterlichen als auch staatlichen Handelns. So sind beispielsweise nach § 1627 BGB die Eltern gehalten, die elterliche Sorge „zum Wohle des Kindes auszuüben, und § 1697a BGB erhebt das Kindeswohl zum allgemeinen Prinzip familiengerichtlicher Entscheidungen.

    Indes: In der bundesdeutschen Gesetzgebung findet sich an keiner Stelle eine Erklärung oder gar Definition, was eigentlich unter diesem Begriff zu verstehen ist.

    Da aber der Kindeswohlbegriff nun einmal der Schlüsselbegriff im Spannungsfeld von Elternrecht und staatlichem Wächteramt sowie das zentrale Instrument zur Auslegung von Kindesinteressen ist, bedarf er einer Definition. Nach Maywald (Kinderschutz, S. 38ff.) muss eine nähere begriffliche Bestimmung so präzise und trennscharf wie möglich und zugleich ausreichend flexibel sein, um der Kontextgebundenheit und Komplexität jedes Einzelfalles zu genügen.

    Danach sollten die folgenden vier Elemente Bestandteil einer Definition sein:

    •Orientierung an den Grundrechten aller Kinder (s. hierzu Übersicht 1.1.2) als normative Bezugspunkte für das, was jedem Kind zusteht, auch wenn unvermeidbar ist, dass die in den Kinderrechten enthaltenen Versprechen immer nur annäherungsweise eingelöst werden können;

    •Orientierung an den Grundbedürfnissen von Kindern als Beschreibung dessen, was für eine normale kindliche Entwicklung im Sinne anerkannter Standards unabdingbar ist;

    •Gebot der Abwägung als Ausdruck der Erkenntnis, dass Kinder betreffende Entscheidungen prinzipiell mit Risiken behaftet sind und daher versucht werden muss, die für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative zu wählen;

    •Prozessorientierung als Hinweis auf die Tatsache, dass Kinder betreffende Entscheidungen aufgrund ihrer starken Kontextabhängigkeit einer laufenden Überprüfung und ggf. Revision bedürfen.

    Darauf aufbauend kann im Sinne einer Arbeitsdefinition nach Maywald ein am Wohl des Kindes ausgerichtetes Handeln als dasjenige bezeichnet werden, welches die an den Grundrechten und Grundbedürfnissen von Kindern orientierte, für das Kind jeweils günstigste Handlungsalternative wählt.

    1.1.2Übersicht: Die Kinderrechte

    Aus dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten Nationen vom 20. November 1989:

    1.Das Recht auf Gleichheit: Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Egal, ob Mädchen oder Junge, arm oder reich, jedes Kind ist gleichberechtigt. Niemand darf wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, seiner Herkunft, seiner Sprache oder seiner Religion benachteiligt werden.

    2.Das Recht auf Gesundheit: Kinder haben das Recht, so gesund wie möglich aufzuwachsen. Jedes Kind hat ein Recht auf eine gute Gesundheitsvorsorge und auf medizinische Hilfe, wenn es krank ist. Jedem Kind sollen seine Grundbedürfnisse erfüllt werden: Essen, Trinken, Kleidung und ein Dach über dem Kopf. Kinder sollen vor Suchtstoffen geschützt werden.

    3.Das Recht auf Bildung: Jedes Kind hat das Recht, zur Schule zu gehen, zu lernen und eine Ausbildung zu machen, die seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten entspricht. Dabei sollen seine Persönlichkeit, seine Begabungen, seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten zur Erfüllung kommen können.

    4.Das Recht auf elterliche Fürsorge: Jedes Kind hat das Recht, mit seinen Eltern zu leben. Wenn diese getrennt voneinander leben, darf das Kind Kontakt zu beiden Eltern haben. Das gilt, solange es dem Kind gut tut. Eltern werden bei der Erziehung ihrer Kinder unterstützt. Wenn ein Kind aus wichtigen Gründen von Vater oder Mutter getrennt leben muss, so soll sorgfältig geprüft werden, was das Beste für das Kind ist und wo es am besten untergebracht wird.

    5.Das Recht auf Privatsphäre und persönliche Ehre: Kinder haben ein Recht auf ein Privatleben, darauf, dass ihre Würde, ihre persönliche Ehre und ihr Ruf geachtet werden. Es gibt Dinge, die niemanden etwas angehen, außer das Kind selbst. Das Recht auf Privatsphäre und persönliche Ehre müssen alle respektieren. Nicht nur Erwachsene, auch Kinder untereinander.

    6.Das Recht auf Meinungsäußerung, Information und Gehör: Jedes Kind hat das Recht, seine Gedanken, Wünsche und Bedürfnisse frei zu äußern, sobald es dazu fähig ist. Die eigene Meinung muss bei allen Dingen, die das Kind betreffen, mit beachtet werden: zu Hause, in der Schule, bei Ämtern und bei Gericht. Kein Kind darf bestraft werden, weil es seine Meinung sagt. Aber: Informationen und Meinungen dürfen nur so geäußert werden, dass sie keinem anderen schaden. Kinder dürfen sich friedlich versammeln, um gemeinsam mit anderen für ihre Meinung einzutreten. Jedes Kind darf entscheiden, welcher Religion es angehören und was es glauben will. Alle Kinder haben das Recht, sich geeignete Informationen durch Fernseh- und Radioprogramme, Zeitungen, das Internet oder Bücher zu beschaffen.

    7.Das Recht auf Schutz im Krieg und auf der Flucht: Kinder im Krieg und auf der Flucht haben besondere Schutzrechte, egal, ob sie allein oder mit ihren Eltern flüchten. Kein Kind darf in den Krieg zurück geschickt werden, wenn es auf der Flucht ist. Flüchtlingskinder haben in dem Land, in das sie geflüchtet sind, die gleichen Rechte wie alle anderen Kinder (Diesen Teil der UN-Kinderrechtskonvention hat die Bundesrepublik Deutschland bislang nicht anerkannt.) Kein Kind unter

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