gestaltung I TH Köln - volume I: studio for architecture + design
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Über dieses E-Book
Neben der Grundhaltung zu Architektur und Gestaltung und den entsprechenden Lehrmethoden wird eine facettenreiche Auswahl studentischer Projekte gezeigt.
Folgende Fragen versucht die Autorin dabei zu beantworten: Was ist Gestaltung? Wie wird man selbst zur guten Gestalter*in? Was bedeutet die Bildung einer Haltung im Architekturstudium und wie sehen die entsprechenden Entwurfs- und Gestaltungsaufgaben aus?
Das Vorwort von Andreas Denk versucht unter dem Titel ´Gestalten gestalten´ der Begrifflichkeit auf den Grund zu gehen. Verschiedene Gastbeiträge beschreiben die Arbeit im Studio aus der jeweils eigenen Perspektive.
Nadine Zinser-Junghanns
Die Architektin Nadine Zinser-Junghanns ist Professorin an der Architekturfakultät der TH Köln und leitet dort das Studio für Architektur und Design. Nach dem Architekturstudium an der TU Stuttgart und in Mendrisio sammelt die Autorin internationale Arbeitserfahrung in Sydney und Barcelona. Sie promoviert 2011 an der TU München bei Prof. Richard Horden am Lehrstuhl für Architektur und Produktdesign und gründet im selben Jahr ihr eigenes Büro. 2013 folgt sie dem Ruf als Professorin für Entwerfen und Gestalten an die TH Köln.
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Buchvorschau
gestaltung I TH Köln - volume I - Nadine Zinser-Junghanns
index
preface
Gestalten gestalten Andreas Denk
introduction
weil es mir gefällt! über die bildung einer haltung im architekturstudium
gestaltung I 6 thesen
studio
gestaltung I TH Köln studio for architecture + design
Form + Funktion Marcello Bonon
Forschendes Lehren + Lernen Sabina Priese
teaching
ba 1+2 grundlagen der gestaltung übungen + theorie
ba 5 + 6 angewandter entwurf + bachelor thesis
ba+ formfindung
Building the cologne s´ciopon Gilberto Penzo
appendix
teaching team
preface
Gestalten gestalten - zur Aktualität eines
komplexen ästhetischen Begriffes
Andreas Denk
Die Selbstverständlichkeit unserer Sprache ermöglicht Verständigung. In Fachsprachen aber kommt es mitunter zu Begriffsbildungen, die vermeintlich selbstverständlich, aber tatsächlich erläuterungsbedürftig sind. Mitunter verlieren solche Begriffe durch ihre gewohnheitsmäßige, unbedachte Verwendung an Schärfe, gewinnen aber durch eine Betrachtung ihrer Herkunft und eigentlichen Bedeutung wieder an Tiefe. Ein solcher Begriff ist ´Gestalt´. Wenn das aus dem Althochdeutschen stammende Wort ursprünglich die Beschaffenheit, das Äußere, die Figur, im adjektivischen Gebrauch auch das Aussehen oder sogar die Ursache bedeuten kann, dann wird seit dem 16. Jahrhundert das Wort ´gestalten´ als ´bilden´ oder ´formen´, das Wort ´Gestaltung´ aber als ‘Formgebung’ verwendet. Im weitesten Sinne wird das Wort in dieser Bedeutung auch im heute üblichen Sprachgebrauch verwendet. Dabei wird meist die geistesgeschichtlich bedingte Entwicklung des einfachen Wortes zu einem komplexen psychologisch-ästhetischen Begriff unterschlagen.¹ Die Dimension der Bedeutung von ´Gestalt´ läst sich jedoch daran ablesen, dass das Wort unübersetzt ins Englische übernommen worden ist und dort eine andere Bedeutung als die Worte ´shape´ oder ´figure´ hat.
Die inhaltliche Erweiterung des Begriffs geht bis auf Johann Joachim Winckelmann und Johann Gottfried Herder zurück, die am Beispiel der antik-griechischen Skulptur ein ideales Zusammentreffen von ´Form und Seele´ konstatierten. Friedrich Schiller nahm diesen Faden in seinen ästhetischen Briefen auf: ´Ein Marmorblock, obgleich er leblos ist und bleibt, kann darum nicht desto weniger lebende Gestalt durch den Architekten und Bildhauer werden; ein Mensch, wiewohl er lebt und Gestalt hat, ist darum noch lange keine lebende Gestalt. Dazu gehört, dass seine Gestalt Leben und sein Leben Gestalt sei. (...)
l + ll gestaltungslehre an der TH Köln l design principles l ordnung: addition, substraktion
Nur, indem seine Form in unsrer Empfindung lebt und sein Leben in unserm Verstande sich formt, ist er lebende Gestalt, und dieses wird überall der Fall sein, wo wir ihn als schön beurteilen.´² Diese Dualität von materieller Form und geistiger Vorstellung eines Wesens oder eines Dings hat im 19. und frühen 20. Jahrhundert das Verständnis des Worts ´Gestalt´ in zunehmenden Maße geprägt und es zu einem wichtigen Begriff der Ästhetik gemacht.
Für die Architektur von besonderer Bedeutung ist die Interpretation der ´Gestalt´ durch Johann Wolfgang von Goethe. Bei seiner Betrachtung des Straßburger Münsters schreibt er Erwin von Steinbach, dem Baumeister des Gotteshauses zu, der erste gewesen zu sein, ´aus dessen Seele die Teile, in ein ewiges Ganzes zusammengewachsen, hervortreten (...), der zuerst die zerstreuten Elemente in ein lebendiges Ganzes zusammenschuf.´³ Jedes einzelne Element des gotischen Doms ist in Goethes Reflexion durch einen gemeinsamen Gedanken begründet, unterliegt den gleichen gemeinsamen, ideellen Parametern der Formgebung. Durch diese innere Einheit des formal Vielfältigen ergibt sich für ihn ein großer gemeinsamer Eindruck, die ´Gestalt´. Von da aus ist es nur noch ein Schritt zu Goethes Überlegungen zur Morphologie in Zoologie und Botanik, die für die Theorie der Architektur von nicht zu unterschätzender Bedeutung gewesen sind. Mit Hilfe von formalen Entwicklungsketten versuchte Goethe, das Aussehen und die Funktion einer Urpflanze und eines Urtieres zu rekonstruieren, um schließlich der grundsätzlichen ´Idee des Tieres´ auf die Spur zu kommen.⁴ In seiner Auffassung sollte diese Idee grundsätzliche in allen, sich aus dem ´Urtyp´ entwickelnden Varietäten erkennbar bleiben, wenngleich durch die Anpassung an andere Zwecke und Lebensbedingungen in veränderter Form: ´Eine innere und ursprüngliche Gemeinschaft aller Organisation liegt zum Grunde; die Verschiedenheit der Gestalten dagegen entspringt aus den notwendigen Beziehungsverhältnissen zur Außenwelt, und man darf daher eine ursprüngliche, gleichzeitige Verschiedenheit und eine unaufhaltsam fortschreitende Umbildung mit Recht annehmen, um die eben konstanten als abweichenden Erscheinungen begreifen zu können.´⁵ Aus dieser entwicklungsgenetischen Betrachtung entwickelte Goethe schließlich einen Dualismus von der ´Gestalt und ihrer Bedeutsamkeit´⁶, der sich in die gemeinsame Existenz einer ´Kernform´ und einer ´Symbolform´ der Lebewesen auflösen lässt: Die ´Gestalt´ des Tieres sei ´gleichsam der innere Kern, welcher durch die Determination des äußeren Elementes sich verschieden bildet. Eben dadurch erhält das Tier seine Zweckmäßigkeit nach außen; weil es von außen, so gut als von innen gebildet worden´.⁷ Diese Vorstellung hat im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts Gottfried Sempers Bekleidungstheorie genauso geprägt wie Karl Böttichers Vorstellung einer Tektonik.⁸
l +ll gestaltungslehre an der TH Köln l design principles l ordnung: gruppierung, schichtung
Im späten 19. Jahrhundert sind es zwei Arbeiten von Ernst Mach und Christian von Ehrenfels, die unter Hinzunahme neuer psychologischer und neurophysiologischer Erkenntnisse den Vollbegriff von ´Gestalt´ weiterentwickeln. Mach erklärt die Problematik am Beispiel der Musik: Für die melodische oder harmonische Verbindung von Tönen führt er den Begriff der ´Tongestalt´ ein. Töne in einfachen Schwingungszahlenverhältnissen, so Mach, zeichnen sich ´1. durch Gefälligkeit und 2. durch eine für jenes Verhältnis charakteristische Empfindung aus.´⁹ Ehrenfels wiederum führt aus, dass den ´Tongestalten´ Machs ´Raumgestalten´ entsprechen, die ´Gestaltqualitäten´ haben, die mittels des Seh- und Tastsinns sowie durch Bewegungsempfindungen gespeist werden.¹⁰
l + ll gestaltungslehre an der TH