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Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin: Forscher und Entdecker, Folge 4
Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin: Forscher und Entdecker, Folge 4
Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin: Forscher und Entdecker, Folge 4
eBook798 Seiten5 Stunden

Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin: Forscher und Entdecker, Folge 4

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Über dieses E-Book

Ein Sachbuch voller informativer, teils auch unterhaltsam-spannender Erzählung(en) der Lebens- und Entdeckungsgeschichte(n) wichtiger Biologen, Mediziner und anderer Naturforscher von der Antike bis heute, mit Beschreibung wichtiger naturwissenschaftlicher Entdeckungen und des historischen Umfeldes der Entdecker und Erklärungen einiger Zusammenhänge innerhalb der Naturwissenschaften sowie mit den anderen Naturwissenschaften. Es informiert z.T. auch über Grundbegriffe und -gesetze der Biologie und Medizin und Zusammenhänge zu Forschungsgebieten der anderen Naturwissenschaften.
Es wendet sich an alle für Naturwissenschaften, Technik und Geschichte offenen Leser/innen, auch ohne akademische Bio- oder Medizinkenntnisse - vom Abiturienten über Studierende, Lehrende und andere Berufstätige bis hin zu Senioren/innen (Grundwissen aus der Sek. I oder II genügt).
Wussten Sie z.B. schon, dass der Beruf "Feldscher" ein angesehener Handwerker war, der Wunden routinemäßig mit Glüheisen ausbrannte , dass das Wort Plombe daher kommt, dass früher bei so manchem Barbier Zahnlöcher wie beim Bleigießen mit geschmolzenem plombe (frz.: Blei) ausgefüllt wurden und dass man das Penicillin anfangs aus dem Urin der behandelten Personen zurückgewann, um es neu einsetzen zu können?
Diese und weitere überraschende Fakten aus Biologie und Medizin finden Sie im folgenden Buch. Die zahlreiche Abbildungen dienen der Veranschaulichung der Entdeckungs- und Erforschungsgeschichte(n). Und die Fußnoten bieten den fachlich näher interessierten Leser/innen weiterführende Informationen und Erläuterungen von Zusammenhängen und Belege aus der wissenschaftlichen Literatur.
INHALTE: Entstehung und Entdeckung des Lebens; Natur- und Heilkunde in Antike, Mittelalter und Neuzeit; Anfänge der Naturwissenschaften; Abstammung und Vererbung; Mikroben; Sterilität; Mutanten; Narkotika; Viren; Zellen; Ökologie; Gentechnik; Antibiotika; Gentechnik; Astrobiologie; Ursuppe und Urpizza; gerichtete Evolution u.a.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum5. März 2020
ISBN9783740764463
Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin: Forscher und Entdecker, Folge 4
Autor

Michael Wächter

Der Autor ist Lehrer, verheiratet, hat 6 Kinder und betätigt sich als Roman-, Sach- und Lehrbuch-Autor. Er war auch Hobbyastronom und in der wikipedia-Fachredaktion Chemie. (Website: https://michael-waechter.jimdosite.com/ )

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    Buchvorschau

    Entdeckungsgeschichte(n) der BIOwissenschaften und der Medizin - Michael Wächter

    Vorwort und Einführung

    Als der Mensch aus der lebenden Natur hervorging, begann er sich zu fragen, was Leben ist und wie man ein gutes Leben führt. Er betrieb Philosophie. Er sammelte sein Wissen über das Leben und über das Zusammenleben mit anderen Lebewesen in der Natur und gab es weiter (Naturkunde) – auch das Wissen darüber, wie man Leben erhält und es vor Krankheiten und Tod schützt (Heilkunde, Medizin). Der Mensch begann, die Lebensformen um ihn herum zu nutzen (Landwirtschaft) und experimentell zu untersuchen (die Natur- und Biowissenschaften). Dabei stieß er auf eine unglaubliche Vielfalt von Lebensformen – viele Millionen Arten sind inzwischen bekannt (Die genaue Anzahl der Arten von Lebewesen kann nur geschätzt werden. Diese Schätzungen lagen um 1995 herum noch bei 1,72 Millionen Arten weltweit. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden sie auf Werte zwischen 3,6 und 112 Millionen angehoben, bis dass der Weltrat für Biodiversität IPBES für die UN 2019 veröffentlichte, dass rund acht Millionen davon bekannt sind – und dass gegenwärtig eine ganze Million davon ausstirbt, von mehreren Schmetterlings- und Bienenarten bis zum Orang-Utan).

    Die Forscher, auch die auf dem Gebiet der Heilkunde und Medizin, trugen zu den Biowissenschaften bei (von griech. Βιός bios, Leben, engl. Life sciences). Sie untersuchten alles, was mit Lebewesen zu tun hat, auch ihre Strukturen, Prozesse und Umgebungen, sowie alle Vorgänge, an denen sie beteiligt sind – von den urtümlichsten Bakterien bis hin zu uns Menschen. Dieses Buch erzählt, wie die Wissenschaftler zu ihren Erkenntnissen über das Leben und seine Entstehung gekommen sind. Es beschreibt und erklärt die Zusammenhänge für Lernende und Lesende und berichtet von den unterschiedlichen Forschern, Entdeckern und Erfindern, die sich mit den „Lebewesen" befasst haben – vom Urmensch, der mit Ackerbau und Viehzucht begann, bis hin zum Gentechniker, der im Labor neue Arten von Lebewesen hervorbringt.

    Das Buch bringt hierzu interessante, oft auch überraschende und unterhaltsame Informationen: Wussten Sie z.B. schon, dass:

    es früher Giftfresser auf Tapeten gab?

    ein Rind von 500 kg in 24h 0,5 kg körpereigenes Protein produzieren kann – 500 kg Hefezellen jedoch mit ihrer milliardenfach größeren Oberfläche in der gleichen Zeit über 50000 kg Proteine aufbauen?

    dass der Beruf „Feldscher" ein angesehener Handwerker war, der Wunden routinemäßig mit Glüheisen ausbrannte (Kauterisieren)?

    dass das Wort Plombe daher kommt, dass früher bei so manchem Barbier Zahnlöcher wie beim Bleigießen mit geschmolzenem plombe (frz.: Blei) ausgefüllt wurden?

    dass es eine Laufkäferart mit stark ausgebildeten Gliedmaßen gibt, die deshalb Agra schwarzeneggeri heißt, und eine Hornmilbengattung Darthvaderum, deren Mundregion in den REM-Bildern an Darth Vader aus Star Wars erinnert (Und es sogar einen stachelhäutigen, fossilen Seeigel gibt, Tetragramma donaldtrumpi, benannt nach einem US-Präsidenten, ähnlich der neu entdeckten Mottenart Neopalpa donaldtrumpi, die mit gelbweißen Schuppen auf dem Kopf wohl an die Frisur dieses Politikers erinnert) ?

    und dass man das Penicillin anfangs aus dem Urin der behandelten Personen zurückgewann, um es neu einsetzen zu können?

    Diese und weitere überraschende Fakten finden Sie im folgenden Buch. Die zahlreiche Abbildungen dienen der Veranschaulichung der Entdeckungs- und Erforschungsgeschichte(n). Und die Fußnoten bieten den fachlich näher interessierten Leser/innen weiterführende Informationen und Erläuterungen von Zusammenhängen und Belege aus der wissenschaftlichen Literatur.

    Der Autor wünscht viel Spaß beim Lesen und Lernen.

    1 Entdeckung des „Lebens" – Naturkunde und Biowissenschaften?

    1.1 Der „Stammbaum des Menschen"

    1.1.1 Haeckel: „Generelle Morphologie" und die Systematik des Lebens (1866)

    Einer der berühmtesten, aber auch umstrittensten Forscher auf dem Gebiet der Biowissenschaften war Ernst Heinrich Philipp August Haeckel (1834-1919). Er war Zoologe, Mediziner, Philosoph und Freidenker zugleich, damals hochmodern und bis heute heiß umstritten. Er führte neue Begriffe wie „Ökologie und „Stamm ein. Politik war für ihn „angewandte Biologie", denn hier wollte er die damals ganz neue Evolutionstheorie von Charles Darwin anwenden – in Form einer speziellen Abstammungslehre.Als Sohn eines Juristen ging der junge Haeckel auf das Domgymnasium in Merseburg. Hier stieß er auf Texte von Darwin, von Humboldt und Schleiden, die ihn so faszinierten, dass er Mediziner und Biologe werden wollte. Also studierte er. Zum Abschluss seines Medizinstudiums reiste er nach Italien. Von dort aus schrieb er seiner Verlobten Anna Sethe, er werde bei einem längeren Aufenthalt in Rom sicherlich noch zum Heiden – wegen all der religiösen Kunst, den vielen Prozessionen und dem Papsttum (in: Ernst Haeckel: Italienfahrt: Briefe an die Braut, K. F. Koehler, Leipzig 1921, S. 8). Ab 1859 widmete er sich der Erforschung der Radiolarien. Diese Radiolarien (von lat. Radiolus. kleiner Strahl) oder Strahlentierchen sind mikroskopisch kleine, einzellige Lebewesen mit einem Skelett aus Opal. Sie kommen als Plankton im Meer vor. Ihre kugeligen oder mützenförmigen Skelette sind nur 50 bis 500 µm groß. Sie nehmen ihre Nährstoffe aus dem Meerwasser auf und bilden manchmasl mit einer Gallerte zusammengehaltene Kolonien. Sie faszinierten ihn so, dass er 1861 seine Habilitation über die Strahlentierchen Rhizopoda radiata schrieb.

    Er war unglaublich arbeitsam. Nach dem Tod seiner Frau Anna Sethe 1864 arbeitete er oft mehr als 18 Stunden am Tag, reiste 1866/1867 auf die Kanarischen Inseln und traf sich dort mit den Wissenschaftlern Charles Darwin, Thomas Huxley und Charles Lyell. Er verfasste fleißig meeresbiologische Forschungsarbeiten, über die Strahlentierchen (Radiolarien, 1862 und 1887), über Quallen (Medusen, 1879-1880), Kalkschwämme (1872) und Staatsquallen (1869 und 1888). Allein bei der Untersuchung der von der britischen Challenger-Experdition fand er in wochenlanger Mikroskopier-Arbeit über 3500 neue Radiolarien-Arten. Der Teil des Challenger-Reports, den er hierzu verfasste, füllte drei Buchbände mit 2750 Druckseiten und 140 detaillierten Bildtafeln. Vielen neu entdeckten Arten von Meeresbewohnern gab er hierin Namen, so z.B. der Diskusquallen-Art Desmonema annasethe. Haeckel benannte sie, weil er sie besonders schön fand, nach seiner ersten Frau Anna Sethe: Die Diskusqualle Desmonema annasethe.

    Haeckel war ein begnadeter Zeichner. Die aus seiner Hand stammenden Darstellungen und Bildtafeln zeigen das durch ihre Naturtreue und Plastizität. Schließlich nahm er die Gedanken Darwins auf, nach denen es eine Entstehung der Arten gibt. Haeckel verband verschiedene Teilgebiete der Biologie im Rahmen dieser Evolutionstheorie und verknüpfte biologische und weltanschauliche Aspekte. Sein Buch „Generelle Morphologie von 1866 wurde epochemachend. Jedes Kapitel begann mit einem Goethezitat und das Schlusskapitel stand unter dem Titel „Gott in der Natur. Hier zeigte er seine Weltanschauung, den Monismus, den er als reinsten Monotheismus bezeichnete – eine philosophische Anschauung, nach der alle Vorgänge und Phänomene der Welt angeblich auf ein einziges Grundprinzip zurückgeführt werden können. In seiner „Generellen Morphologie definierte er den Begriff „Ökologie. Hierin wies er auch den Protisten¹ ein eigenes „Reich" zu. Dann führte er abschließend noch den Gedanken der Abstammungslehre aus.

    Diese Gedanken beschäftigten ihn immer mehr. Wenn die Natur, wie Darwin entdeckt hatte, immer wieder neue Arten hervorbringt, dann müsste das eine Entwicklung sein, ein Streben von niederen Lebensformen wie den Protisten bis hin zu den höchst entwickelten Arten. Schon Aristoteles hatte in der Antike die ihm damals bekannten Lebewesen in einer Stufenleiter angeordnet, nach dem Grad ihrer vermeintlichen Perfektion, vom von primitivsten bis zum höchst entwickelten Lebewesen (dem Menschen).

    Zwei Jahre nach seiner „Generellen Morphologie" schrieb Haeckel die „Natürliche Schöpfungsgeschichte (1868). Hier führte er diese Gedanken weiter aus und versuchte, seine in der „Generellen Morphologie entwickelten Gedanken auch für Laien verständlich zusammenzufassen. Später bemerkte er dabei große Mängel, doch die „Natürliche Schöpfungsgeschichte verkaufte sich bereits bestens. Sie wurde bis zur Veröffentlichung seiner nächsten Schrift „Welträthsel (1899) bereits neun Mal neu aufgelegt und in zwölf Sprachen übersetzt. Seine weiteren Schriften, die „Welträthsel und die „Lebenswunder (1904) gingen noch über den Rahmen der Deutung biologischer Tatsachen im Kontext der Evolutionstheorie von Darwin hinaus.

    Haeckel bewegte besonders eine Frage: Wo stammen wir Menschen her? Er spekulierte: Die meisten Anzeichen deuten wohl auf das südliche Asien hin, doch: „Vielleicht war aber auch das östliche Afrika der Ort, an welchem zuerst die Entstehung des Urmenschen aus den menschenähnlichen Affen erfolgte; vielleicht auch ein jetzt unter den Spiegel des indischen Oceans versunkener Kontinent, welcher sich im Süden des jetzigen Asiens einerseits östlich bis nach den Sunda-Inseln, andrerseits westlich bis nach Madagaskar und Afrika erstreckte". Den von ihm vermuteten Urmenschen nannte er Homo prigenius oder Pithecanthropus primigenius².

    In seiner 730 Seiten langen Schrift „Anthropogenie" erstellte Haeckel dann 1874 die Stammesgeschichte des Menschen vor, vom „Moner", Urwurm und Schädelthier über den Urfisch und das Amnionthier (Gruppe aus Reptilien, Vögeln und Säugern) bis hin zum Ursäuger und den Affen. Den Schöpfungsglauben und die Auffassung von einer von den Hirnfunktionen unabhängigen Seele hielt Haeckel für widerlegt – die zeitgleich zu seinem Buch erschienene wissenschaftliche Schrift Darwins „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl" ignorierte er, denn sie richtete sich methodisch völlig anders aus. Haeckels Anschauung war der „Entwicklungs-Monismus", die volle Einordnung des Menschen in die sich immer höher entwickelnde Natur, ohne jeden Offenbarungs- und Wunderglauben – ein Atheismus bzw. ein Natur und Gott gleichsetzender Pantheismuis. Darwin hingegen hatte seit 1871 angenommen, dass sich der Mensch in Afrika entwickelt habe und sich die intellektuellen und moralischen Fähigkeiten des Menschen erst mit der Zeit entwickelten. Der Menschen war für Darwin eine einzige Art – die verschiedenen Rassen (Subspezies) seien keine unterschiedlichen Arten (vgl. dort in Kap.7: „Über die Rassen des Menschen). Er verwendete die Begriffe „sexuelle Selektion (geschlechtliche Zuchtwahl) und „Evolution". Seine Theorie von der Evolution (der Entwicklung durch die allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen), war nicht, wie bei Haeckel, mit einer Weltanschauung verknüpft. Sie blieb rein wissenschaftlich.

    Haeckel hingegen engagierte sich zunehmend politisch. 1904 nahm er an einem Internationalen Freidenker-Kongress in Rom teil. Anlässlich eines gemeinsamen Frühstücks wurde er von den Teilnehmern begeistert zum „Gegenpapst" ausgerufen und befestigte danach einen Lorbeerkranz am Denkmal Giordano Brunos. Die Folge war eine massive Kampagne mit Anfeindungen von kirchlicher Seite. Er wurde als „Affen-Professor" verhöhnt, obgleich 46 bekannte Professoren eine Ehrenerklärung für ihn abgaben. 1906 veranlasste er die Gründung des Deutschen Monistenbundes. Er vertrat einen naturwissenschaftlich orientierten Fortschrittsgedanken und wurde einer der führenden Freidenker. Seine Ideen, Anschauungen und Utopien waren attraktiv, nicht nur für rechte und national gesinnte, sondern auch für bürgerlich-liberale und linke Kreise. So schrieb er:

    „Die höhere Kultur, der wir erst jetzt entgegen zu gehen anfangen, wird voraussichtlich die Aufgabe stets im Auge behalten müssen, allen Menschen eine möglichst glückliche, d. h. zufriedene Existenz zu verschaffen. Die vervollkommnete Moral, frei von allem religiösen Dogma und auf die klare Erkenntnis der Naturgesetze gegründet, … führt uns zu der Einsicht, daß ein möglichst vollkommenes Staatswesen zugleich die möglichst große Summe von Glück für jedes Einzelwesen, das ihm angehört, schaffen muß. … Das Hauptinteresse des Staates wird nicht, wie jetzt, in der Ausbildung einer möglichst starken Militärmacht liegen, sondern in einer möglichst vollkommenen Jugenderziehung …. Die Vervollkommnung der Technik, aufgrund der Erfindungen in der Physik und Chemie, wird die Lebensbedürfnisse allgemein befriedigen; die künstliche Synthese vom Eiweiß wird reiche Nahrung für alle liefern. Eine vernünftige Reform der Eheverhältnisse wird das Familienleben glücklich gestalten." (in: Die Lebenswunder, 1904, Kap. 17, Abschnitt IV c, vollständig).

    Egoismus verachtete er:

    „Daher sind die Propheten des reinen Egoismus, Friedrich Hegel, Max Stirner usw. in biologischem Irrthum, wenn sie allein ihre ‚Herrenmoral‘ an Stelle der allgemeinen Menschenliebe setzen wollen und wenn sie das Mitleid als eine Schwäche des Charakters oder als einen moralischen Irrthum des Christenthums verspotten." (ebenda S. 131f).

    1.1.2 Haeckel und Darwin, Sozialdarwinismus und Rassenhygiene

    Haeckel sah Mitleid als eine edle Haltung. Doch es hatte für ihn seine Grenzen dort, als er über wissenschaftliche Methoden hinausgehend den Erbanlagen einen „Wert oder „Unwert zuerkennen wollte (Moralische Werte sind ein Begriff aus der Ethik und Philosopie – keine wissenschaftlichen Daten oder Messwerte). Haeckel spekulierte, im Sinne der „Höherentwicklung der Erbanlagen müsse eine Art Erbgesundheitslehre entworfen werden, um in der Politik den „Gen-Pool der Population zu „verbessern", also den Anteil der bevölkerungs- und gesundheitspolitisch als positiv bewerteten Erbanlagen zu vergrößern (positive Eugenik) und den negativ bewerteter Erbanlagen zu verringern (negative Eugenik). In „Die Lebenswunder" rechtfertigte er 1904 eine „Eugenik" (von griech. εὖ ‚ gut, und γένος génos‚ Geschlecht), wo die Spartaner eine Auswahl trafen, wer überleben durfte und wessen Erbanlagen nicht weitergegeben werden sollten:

    „Es kann daher auch die Tötung von neugeborenen verkrüppelten Kindern, wie sie z. B. die Spartaner behufs der Selection des Tüchtigsten übten, vernünftiger Weise gar nicht unter den Begriff des ‚Mordes‘ fallen, wie es noch in unseren modernen Gesetzbüchern geschieht. Vielmehr müssen wir dieselbe als eine zweckmäßige, sowohl für die Betheiligten wie für die Gesellschaft nützliche Maßregel billigen. … Hunderttausende von unheilbaren Kranken, namentlich Geisteskranke, Aussätzige, Krebskranke u.s.w. werden in unseren modernen Culturstaaten künstlich am Leben erhalten und ihre beständigen Qualen sorgfältig verlängert, ohne irgend einen Nutzen für sie selbst oder für die Gesammtheit." (ebd. S. 23 und 134)

    Kein Mensch kann wertvoller sein als ein anderer Mensch (Art. 1 GG). Haeckels „Bewertung" von Erbanlagen, seine Ideen von Selektionsgedanken und Menschenzüchtung bewirkten jedoch schließlich, so die Meinung vieler Historiker³, dass er einer der wichtigsten Wegbereiter der späteren Rassenhygiene und Eugenik in Deutschland wurde. Diese ging in die rassistische Ideologie des Nationalsozialismus ein und gipfelte im Zweiten Weltkrieg im schrecklichen und zum Schluss sogar industriellen Völkermord, der Schoah (von hebr. הַשּׁוֹאָה ha'Schoah, die Katastrophe, das große Unglück/Unheil; dem nationalsozialistischen Völkermord (Holocaust, von altgriech. ὁλόκαυστος holókaustos, vollständig verbrannt) fielen etwa 5,6 bis 6,3 Millionen europäische Juden zum Opfer⁴, zudem Zigtausende Angehörige weiterer Minderheiten).

    Haeckels politische Thesen gingen weiter. Er schrieb in „Ewigkeit (1915) über „die unheilbar an Geisteskrankheit, an Krebs oder Aussatz Leidenden, die selbst ihre Erlösung wünschen, über „neugeborene Kinder mit Defekten und „Mißgeburten: „Eine kleine Dosis Morphium oderCyankali würde nicht nur diese bedauernswerten Geschöpfe selbst, sondern auch ihre Angehörigen von der Last eines langjährigen, wertlosen und qualvollen Daseins befreien" (S. 35). Fünf Jahre später wurden seine Ideen fortgeführt und die Programmschrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens" von Alfred Hoche und Karl Binding erschien (1920). Haeckel hatte über den angeblich geringeren „Lebenswert" verschiedener Menschengruppen geschrieben (in Lebenswunder, 1904, S. 291–315), der Freiburger Arzt und Euthanasie-Befürworter Hoche sprach 1920 von „lebensunwertem Leben und „Ballastexistenzen – ein Propagandaausdruck, der in der Weltwirtschaftskrise mit den zunehmenden Kosten-Nutzen-Erwägungen zu rhetorisch-theoretischen Gnadentod-Diskussionen in der Weimarer Republik führte („Euthanasie"). Diese wurden dann im Nationalsozialismus in Form von Zwangssterilisation, Zwangsabtreibung und Krankenmord verwirklicht.

    Haeckel selbst hatte versichert: „Ich selbst bin nichts weniger als Politiker. […] Ich werde daher weder in Zukunft eine Rolle spielen, noch habe ich früher jemals einen Versuch dazu gemacht." (Freie Wissenschaft und freie Lehre, 2. Aufl. 1908, S. 69). Doch im hohen Alter zeigte er im Ersten Weltkrieg einen polemischen, deutschnationalen Chauvinismus:

    „Ein einziger feingebildeter deutscher Krieger […] hat einen höheren intellektuellen und moralischen Lebenswert als hunderte von den rohen Naturmenschen, welche England und Frankreich, Russland und Italien ihnen gegenüberstellen." (in: Ewigkeit. Weltkriegsgedanken über Leben und Tod, Religion und Entwicklungslehre. Berlin 1915, S. 36).

    1917 wurde er politisch aktiv und gründete die Deutsche Vaterlandspartei. In der „Generellen Morphologie hatte er seine dem entsprechende Anschauung bereits formuliert: „Die Unterschiede zwischen den höchsten und den niedersten Menschen [sind] grösser, als diejenigen zwischen den niedersten Menschen und den höchsten Thieren. Das konnte er allerdings nicht genetisch-naturwissenschaftlich begründen, sondern nur von der sozialdarwinistischen Theorie her. Der Sozaldarwinismus hatte Teilaspekte von Darwins Lehre auf die menschliche Gesellschaft übertragen. Auch sie zeige, wie die Natur, im Kampf ums Dasein eine natürliche Selektion. Diese Auslese, so die Annahme, sei in sozialer, ökonomischer und auch moralischer Hinsicht maßgeblich für die menschliche Entwicklung. Das war eine Annahme, eine Hypothese, für die kein wissenschaftlicher Beweis vorlag. Auch Darwin meinte, es gebe gutes und schlechtes Erbmaterial und schlechte sollen ausgelöscht werden. In „Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl" hatte er geschrieben:

    „Bei Wilden werden die an Geist und Körper Schwachen bald beseitigt und die, welche leben bleiben, zeigen gewöhnlich einen Zustand kräftiger Gesundheit. Auf der andern Seite thun wir civilisierte Menschen alles nur Mögliche, um den Process dieser Beseitigung aufzuhalten. Wir bauen Zufluchtsstätten für die Schwachsinnigen, für die Krüppel und die Kranken; wir erlassen Armengesetze und unsere Aerzte strengen die grösste Geschicklichkeit an, das Leben eines Jeden bis zum letzten Moment noch zu erhalten. (…) Hierdurch geschieht es, dass auch die schwächeren Glieder der civilisirten Gesellschaft ihre Art fortpflanzen. Niemand, welcher der Zucht domesticirter Thiere seine Aufmerksamkeit gewidmet hat, wird daran zweifeln, dass dies für die Rasse des Menschen im höchsten Grade schädlich sein muss. Es ist überraschend, wie bald ein Mangel an Sorgfalt oder eine unrecht geleitete Sorgfalt zur Degeneration einer domesticirten Rasse führt; aber mit Ausnahme des den Menschen selbst betreffenden Falls ist wohl kaum ein Züchter so unwissend, dass er seine schlechtesten Thiere zur Nachzucht zuliesse. […] Die Hülfe, welche dem Hülflosen zu widmen wir uns getrieben fühlen, ist hauptsächlich das Resultat des Instincts der Sympathie, welcher ursprünglich als ein Theil der socialen Instincte erlangt, aber später in der oben bezeichneten Art und Weise zarter gemacht und weiter verbreitet wurde. Auch könnten wir unsere Sympathie, wenn sie durch den Verstand hart bedrängt würde, nicht hemmen, ohne den edelsten Theil unserer Natur herabzusetzen. (…) Wir müssen daher die ganz zweifellos schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen ertragen; doch scheint wenigstens ein Hinderniss für die beständige Wirksamkeit dieses Moments zu existiren, in dem Umstände nämlich, dass die schwächeren und untergeordneteren Glieder der Gesellschaft nicht so häufig als die Gesunden heirathen; und dies Hemmnis könnte noch ganz ausserordentlich verstärkt werden, trotzdem man es mehr hoffen als erwarten kann, wenn die an Körper und Geist Schwachen sich des Heirathens enthielten. (Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl. Übers. v. J. Victor Carus, 3. Aufl. Bd. 1, 1875, S. 174.).

    Haeckels Ideen waren also eine Fortsetzung von Darwin. Spencer machte dann Darwins Begriff der Entwicklung (Evolution) populär, und auch das berühmte „Survival oft he fittest" kam von ihm, das Überleben des am Besten Angepassten.

    Die NS-Politik von Rassenhass, -hygiene und „Euthanasie blieb nicht unwidersprochen – nicht jeder passte sich hier an. Bekannt wurde z.B. im „Diritten Reich der Bischof von Münster Clemens August Kardinal Graf von Galen (1878-1946). Er trat öffentlich gegen die Tötung so genannten „lebensunwerten Lebens ein. Am 3.8.1941 predigte er in Münsters Stadtkirche St. Lamberti: dass Jesus über Jerusalem geweint hat, weil der Mensch seinen Willen gegen den Willen Gottes stelle und dass jetzt auch in der Provinz Westfalen aus Heil- und Pflegeanstalten Kranke abtransportiert werden und die Angehörigen nach kurzer Zeit die Mitteilung erhielten, der Kranke sei verstorben und die Leiche eingeäschert. Dabei äußerte er den „an Sicherheit grenzende[n] Verdacht, daß man dabei jener Lehre folgt, die behauptet, man dürfe sogenanntes ‚lebensunwertes Leben‘ vernichten, doch jede mit Überlegung ausgeführte vorsätzliche Tötung sei Mord. Da es nach dem Strafgesetzbuch schon strafbar sei, wenn man von einem bevorstehenden Verbrechen wider das Leben wisse und es nicht der Behörde anzeige, habe er bei der Staatsanwaltschaft Münster und dem Polizeipräsidenten Strafanzeige gestellt. Wer meine, man dürfe unproduktives Leben töten, stelle den Menschen mit einer alten Maschine oder einem lahmen Pferd gleich:

    „Nein, ich will den Vergleich nicht bis zu Ende führen –, so furchtbar seine Berechtigung ist und seine Leuchtkraft! Es handelt sich hier ja nicht um Maschinen, es handelt sich nicht um ein Pferd oder eine Kuh, … Nein, hier handelt es sich um Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Brüder und Schwestern! Arme Menschen, kranke Menschen, unproduktive Menschen meinetwegen! Aber haben sie damit das Recht auf das Leben verwirkt? Hast du, habe ich nur so lange das Recht zu leben, solange wir produktiv sind, solange wir von den anderen als produktiv anerkannt werden?" (aus o.g. Predigt)

    Wenn man den Grundsatz aufstelle, dass man den unproduktiven Mitmenschen töten dürfe, so fuhr er fort, dann sei keiner seines Lebens mehr sicher, keiner könne Vertrauen zum Arzt haben, und allgemeines gegenseitiges Misstrauen werde bis in die Familien hinein getragen.

    Mit diesen kritischen Predigten hatte von Galen sein Leben riskiert. Der NS-Gauleiter in Münster forderte in Berlin prompt dringend die Verhaftung des Bischofs. Der Stabsleiter bei Hitlers Stellvertreter Heß, erwog, von Galen dafür hängen zu lassen, doch Reichsminister Goebbels wollte keine katholischen Märtyrer während des Krieges. Er befürchtete Unruhen im Münsterland und verschob die Beseitigung von Galens auf die Zeit „nach dem Endsieg"⁵.

    Von Galen, der im Volksmund den Beinamen „Löwe von Münster" erhielt, wurde 1946 zum Kardinal erhoben und 2005 heiliggesprochen.

    1.1.3 Arten von Lebewesen und deren Abstammung

    Ein Lebewesen (Lebende Materie) unterscheidet sich von unbelebter Materie dadurch, dass es sich von der Umwelt abgrenzt, selbstreguliert Stoffwechsel betreibt (Verdauung, Atmung usw.), wächst und auf Umweltreize reagiert. Es vermehrt sich und gibt dabei Informationen an die Nachkommen weiter. Das Erbgut legt von Anfang an fest, zu welcher Art das neu heranwachsende Lebewesen gehört.

    Die „(Bio-)Systematik" (von griech. συστηματικός systēmatikós‚ geordnet) versucht, eine Ordnung in die Vielfalt von Millionen von Arten zu bringen. Sie benennt sie (Nomkenklatur), teilt sie ein (Taxonomie) und identifiziert Organismen (Bestimmung der Art). Sie versucht, die Stammesgeschichte zu rekonstruieren (Phylogenie) und die Vorgänge zu erforschen, die zu dieser Vielfalt führen. Neue Arten entstehen, andere sterben aus oder sind schon ausgestorben. Die Forschung versucht, die Verwandtschaft zwischen all diesen Arten zu klären und der Öffentlichkeit zu erklären – vom antiken Philosophen Aristoteles über Darwin und Haeckel bis hin zum neusten, offenen Web-Projekt Tree of Life Web ToL.

    Ursprünglich kannte man nur zwei „Reiche" von Lebewesen, die Pflanzen und die Tiere. Dann wurden im 19. Jahrhundert die einzelligen Organismen entdeckt (Protisten) und 1866 von Ernst Haeckel als dritte Obergruppe (Reich) eingeführt. 1874 hatte er einen „Stammbaum des Menschen erstellt. Er begann „unten im Reich der „Protisten („Urtiechen, nach Haeckel „Moneren und Amoeben), zeigte die Bereiche der Pflanzen und Tiere und endete „oben bei der „am höchsten" entwickelten Art, dem Menschen. Später wurde diese Systematik verfeinert: Man unterschied zwischen Pflanzen und Pilzen (lat. fungi), und Mitte des 20. Jahrhunderts zwischen einzelligen Organismen mit Zellkern, den Eukaryonten, und ohne Zellkern, den Prokaryonten (ab Robert Whittaker 1969). 1977 kam das von Carl Woese eingeführte, fünfte Reich an Lebewesen hinzu, die Archaeen, und 1998 wurde das Reich der Protisten (Einzeller) von Thomas Cavalier-Smith nochmals in „Stramenopile (Chromisten) und Protozoen („Urtierchen) unterteilt. Woese u.a. führten dann 1990 an Stelle dieser sechs Reiche drei Domänen als höchste Kategorie ein, weil man durch Untersuchungen der Nukleinsäuren zu einer neuen Einteilung gekommen war. Denn nun galt es, den grundsätzlichen Unterschied zwischen „Archaebakterien (nun: Archaeen) und „Eubakterien (nun schlicht „Bakterien" Bacteria) festzuhalten.

    Schon Aristoteles hatte in der Antike die ihm bekannten Lebewesen in einer Stufenleiter angeordnet, vom von primitivsten Lebewesen „unten bis zum höchst entwickelten Lebewesen „oben, dem Menschen. Dazu hatte er u.a. Wuchsformen (Kraut, Staude, Strauch, Baum) verglichen oder die Lebensweise (Nutz-, Wild-, Wassertier). Der Biologe Carl von Linné schuf dann im 18. Jahrhundert eine eigentliche Ordnung, die „hierarchische Taxonomie". Sie gliederte sich in Reiche, Stämme, Abteilungen, Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und die hierin vorkommenden, einzelnen Arten von Lebewesen. Die Klasse z.B. ist also eine hierarchische Stufe einen Rang oberhalb der Ordnung (ordo) und unterhalb des Stammes (phylum; dieser Systematik nach gehört die Art Mensch, homo sapiens, zur Gattung Homo, Menschen, die zur Familie der Menschenaffen gehört. Diese Familie ist Bestandteil der Ordnung der Primaten aus der Klasse der Säugetiere, und die Klasse der Säugetiere gehört zum Unterstamm der Wirbeltiere im Stamm „Chordatiere aus dem Reich „Vielzellige Tiere. Als dann die Ebvolutionstheorie aufkam, versuchten die Forscher ein Ordnungssystem zu entwerfen, das die Abstammungsverhältnisse (Phylogenetik) besser wiedergibt – bis hin zum Tree of Life Web ToL, in dem der Mensch nicht mehr an der Spitze steht, sondern am Rand des Kreises, von dessen Mittelpunkt (Ursprung) die Zweige des ehemaligen „Stammbaums" nach außen wachsen.

    Zunächst wurde dazu Linnès Systematik, so gut es ging, in den mikrobiologisch ermittelten „Stammbaum" eingefügt.

    Später, bevor das Projekt ToL den heute „gültigen" Vollkreis einführte, wurde der Stammbaum dann zum Halbkreis ausgeweitet.

    Die genaue Beziehung zwischen den drei Domänen ist noch immer Gegenstand wissenschaftlicher Forschung geblieben, denn es wurde auch in Frage gestellt, ob dieser Baum aufgrund des inzwischen entdeckten lateralen Gentransfers die beste Darstellung der genetischen Beziehungen aller Organismen sein kann (Es gibt genetische Hinweise, dass die Eukaryonten aus einer Vereinigung von einigen Bakterien und Archaeen entstanden sein könnten, wobei die einen zu Organellen wurden und die anderen zu richtigen Zellen). Somit gibt es auch hierarchische Darstellungen, die den Ursprung oben anzeigen und die einzelnen „Untergruppen" der Bakterien, Archaen und Eukaryonten (Einzeller, Pflanzen, Tiere, Pilze) unten.

    Das Reich der Archaen ist noch am wenigsten erforscht; man kennt erst rund 220. Sie wurden noch bis etwa 1977 für Bakterien gehalten. Archaen scheinen trotzdem der Haupt-Anteil der globalen Ökosysteme zu sein und stellen rund 20% der Mikroben-Zellen in den Ozeanen⁶.Beim Menschen wurden sie im Darm, in der Mundflora, im Bauchnabel und in der Vagina nachgewiesen – im Darm vor allem die Gattung Methanobrevibacter. Diese Archaeen vertragen keinen Luftsauerstoff (obligat anaerob), fluoreszieren, produzieren Methangas und vertragen auch extreme Lebensbedingungen (extremophil). Sie haben keine Zellkerne.

    Das Reich der Bakterien umfasst geschätzt bis zu einige Millionen von Arten. Allein auf und im Menschen leben einige hundert Arten. Allein im Mund des Menschen leben im Durchschnitt etwa 10¹⁰ Bakterien, und auf der menschlichen Haut befinden sich, bei ebenfalls durchschnittlicher Hygiene, etwa hundertmal so viele Bakterien, etwa eine Billion. 99 % aller im und am menschlichen Körper lebenden Mikroorganismen, nämlich mehr als 10¹⁴ mit mindestens 400 verschiedenen Arten, sind vorwiegend Bakterien, die Verdauungstrakt leben. Ein Mensch besteht aus etwa 10 Billionen (10¹³) Zellen, doch auf und in ihm befinden sich geschätzt zwei bis zehnmal so viele Bakterien ⁷. Auch das älteste bekannte Lebewesen ist ein Bakterium. Bacillus permians wurde im Jahr 2000 von einer Forschergruppe in Pennsylvania, USA, um Russel H. Vreeland entdeckt. Es stammte aus Bohrproben einer Höhle bei Carlsbad, New Mexico, die zur Erkundung einer möglichen Endlagerstätte für Atommüll gezogen worden waren. Es hat die Zeiten in einem größeren Salzkristall überlebt, in einer eingeschlossenen Salzlake in 609 m Tiefe (Bericht des Forscherteams in Nature v. 19.10.2000).

    Das bekannteste Reich, das der Eukaryonten, umfasst etwa 270000 bis 320000 Pflanzenarten, ein bis zehn Millionen Tierarten und 70000 bis 1,5 Millionen Arten von Pilzen⁸.

    1.1.4 Das Projekt open tree of life (2015)

    Ende der 1980er Jahre saß David Maddison mit dem Computerprogramm MacClade an einer philosophischen Doktorarbeit. Er wollte eine offene Datenbank schaffen, die die Verwandtschaft, den Stammbaum aller irdischen Lebensformen für alle Menschen zur Verfügung stellt – so wie sie die Molekularbiologen ermittelt hatten. Das Projekt startete offiziell am 5.1.1996 und wird von Hunderten von Wissenschaftlern unterstützt, aber auch von Biologielehrern und Laien. Es umfasst mittlerweile etliche Teile, auf mehreren Internetservern weltweit, und von 1996 bis 2001 haben über 300 Biologen rund um den Globus Webseiten mit dieser Datenbank verknüpft. Sie ist im Internet unter 9http://tolweb.org/tree/¹⁰ frei einsehbar. Dieses Tree of Life Web ToL stellt den neusten Stammbaum für alle bekannten Arten von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroben dar, den es gibt, zusammengefügt aus über 7500 von 2000 bis 2012 veröffentlichten Studien über die Verwandtschaftsbeziehungen von Arten – vom Ursprung des Lebens an, vor etwa 3,5 Milliarden Jahren.

    Nach Ansicht der Forscher kann das bessere Verständnis der Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den Arten hilfreich sein: bei der Entwicklung neuer Medikamente, bei der Steigerung landwirtschaftlicher Erträge und sogar bei der Erforschung der Herkunft und Verbreitung von Krankheiten wie Aids, Ebola und Grippe.

    1.1.5 Das Artensterben – der Baum wird beschnitten

    Die Artenvielfalt (Biodiversität) ist für die Lebensgemeinschaften von großer Bedeutung. Viele Arten sind ökologisch voneinander abhängig, unterstützen sich in einem Ökosystem gegenseitig (Nicht einmal eine Parasitenart überlebt, wenn sie ihre Wirte komplett ausrottet). Haeckel hatte den Begriff Ökologie als Lehre von den Wechselwirkungen der Organismenarten untereinander geprägt (von altgriech. οἶκος oikos‚ Haus, Haushalt, und λόγος logos‚ Lehre: „Lehre vom Haushalt"):

    „Unter Oecologie verstehen wir die gesammte Wissenschaft von den Beziehungen des Organismus zur umgebenden Aussenwelt, wohin wir im weiteren Sinne alle „Existenz-Bedingungen rechnen können. Diese sind theils organischer, theils anorganischer Natur; sowohl diese als jene sind, wie wir vorher gezeigt haben, von der grössten Bedeutung für die Form der Organismen, weil sie dieselbe zwingen, sich ihnen anzupassen.¹¹.

    Später wurde eine Aufteilung in die drei Bereiche Autökologie, Populationsökologieund und Synökologie vorgenbommen (Letzteres als

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