Thubano - Kleine Flügel bringen Abenteuer
Von Alexandra Bauer
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Thubano - Kleine Flügel bringen Abenteuer - Alexandra Bauer
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Telefon: 08382/9090344
Alle Rechte vorbehalten.
Originalausgabe (Taschenbuch) erschienen 2010
Illustrationen + Covergestaltung: Petra Rudolf
ISBN: 978-3-940367-69-3 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-86196-954-9 - E-Book (2020)
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
www.literaturredaktion.de
literaturredaktion@papierfresserchen.de
*
Inhalt
Langeweile
Steinwurf zur Freiheit
Die Perle der Luft
Der Sehende Wald
Die singenden Berge
Xira
Der Pakt
Bruder gegen Bruder
Elfenschnüre
Blutschwur
Das Golemorakel
*
Langeweile
Thubano und Lato saßen auf einem Felsvorsprung in den Steilwänden des Drachentals und ließen ihre Füße in die Tiefe baumeln. Wie jeden Tag waren sie den Berg hinaufgestiegen, um den Morgen zu begrüßen. Sie hielten ihre Köpfe in die frische Morgenluft und warteten schweigend darauf, dass die aufgehende Sonne ihre Gesichter mit warmen Strahlen liebkoste.
Lato blinzelte seinen Freund an. Zwei Monate waren ins Land gezogen, seit der kleine Drache seine Flughilfen von der Heilerin Masu bekommen hatte. Doch er war nur wenig geflogen. Das lag sicher daran, dass sein bester Freund ein Halbelf war und selbst nicht fliegen konnte, dessen war sich Lato sicher.
Die beiden hatten sich kennengelernt, als Thubanos Flügel noch zu klein zum Fliegen waren. Damals waren Lato und Thubano lange zusammen gereist und hatten einige Abenteuer erlebt, ehe sie die Heilerin Masu fanden, die eine Lösung für die viel zu kleinen Flügel des Drachens auftrieb. Aus ein paar Holzleisten und jeder Menge feinstem Leder hatte sie dem Drachen künstliche Schwingen gezimmert, die er nun über seinen eigenen kleinen Flügeln trug. Lato hörte noch immer die fröhlichen Schreie seines Freundes im Ohr, als er zum ersten Mal geflogen war, und er hatte noch immer das glückliche Strahlen von Thubanos Mutter vor Augen, als sie zurück ins Drachental gekommen waren. Der Halbelf hatte damals auf dem Rücken von Thubanos Vater reisen dürfen. Darüber war er sehr stolz gewesen.
Für Lato waren die Wochen im Drachental wie im Fluge vergangen. Er war im ganzen Tal das einzige menschenähnliche Wesen, und trotzdem von allen als Freund geachtet. Das lag wohl nicht zuletzt an seiner elfischen Herkunft und daran, dass Drachen und Elfen ein altes Band der Freundschaft einte. So hatte Lato viel von den weisen Drachen, die sich hier auf ihre alten Tage niedergelassen hatten, lernen können.
Krowál, Thubanos Vater, hatte Lato in den Kreis der Familie aufgenommen. Schließlich war es nicht zuletzt der Verdienst des Halbelfen gewesen, dass sein Sohn endlich fliegen konnte. So hatte Lato hier gefunden, was er seit dem Tod seiner Elfenmutter und seiner Vertreibung aus der Elfenstadt Silbermond immer vermisst hatte: eine Familie und eine Heimat. Halbelfen waren nämlich seit einem Krieg mit den Menschen nicht mehr geduldet im Elfenland Tirana.
Da! Endlich hatte es die Sonne geschafft, über die hohen Berge des Drachentals zu klettern. Thubano öffnete die Augen und lächelte Lato an. „Es ist jeden Morgen ein neues Gefühl."
Lato lächelte ebenfalls. „Da hast du recht."
Sie saßen eine Weile genussvoll in der Morgensonne, da sprach Thubano in die Stille hinein: „Ich will das Drachental verlassen. Es wird Zeit, dass ich auf die Drachenreise gehe."
Seine Worte trafen Lato wie ein Schlag ins Gesicht. Er fuhr herum und sah Thubano entgeistert an.
Der hielt noch immer die Nase in die Luft. „Es war ja ganz nett, wieder bei meinen Eltern zu sein, aber auf die Dauer wird es langweilig. Ich will meine Flügel benutzen und Abenteuer erleben."
Lato lachte abwehrend: „Unsere letzten Abenteuer waren dir wohl nicht Aufregung genug?"
Thubano strahlte seinen Freund an. „Wieso? Es ist doch alles gut gegangen!"
Lato nickte nachdenklich. Die Entscheidung des Drachen stimmte ihn traurig. „Hast du es schon deinen Eltern gesagt?"
„Noch nicht. Aber sie werden es verstehen. Die Zeit der Erkundung ist eine alte Drachentradition. Jeder junge Drache muss die Welt erkunden. Es war doch klar, dass wir hier nicht ewig bleiben."
„Mir gefällt es hier!", entgegnete Lato kleinlaut.
Thubano blickte seinen Freund erstaunt an. „Willst du etwa nicht weg?"
Lato zuckte verlegen mit den Schultern und flippte einen Stein in die Tiefe.
„Das verstehe ich nicht. Hier ist es doch so langweilig!"
„Aber hier hast du deine Familie und hier ist dein Zuhause", entgegnete Lato.
„Ja, und hier leben nur die Alten und die Kinder. Würdest du gerne unter Kindern und alten Elfen leben wollen?"
„Das ist immerhin besser, als irgendwo alleine zu sein", antwortete Lato.
Thubano legte die Pranke auf Latos Oberschenkel. „Aber das bist du doch gar nicht. Du hast doch mich!"
Lato lächelte müde.
Thubano sprang auf. „Außerdem gehen wir doch nicht für immer weg! Wir erkunden nur die Welt, und wenn wir damit fertig sind, kommen wir wieder zurück."
Lato blickte zu seinem Freund auf und lachte beherzt. „Du meinst also, wir kommen zurück, wenn du ein alter Drache bist und dich hier zur Ruhe setzen willst."
Thubano gab seinem Freund einen Knuff. „Zwischendurch sollten wir schon herkommen und eine eigene Familie gründen."
Lato kicherte. „Was? Na das ist dann erst langweilig!, rief er amüsiert und wurde ein bisschen fröhlicher. Er verstand seinen Freund. Thubano hatte schon viel zu lange damit gewartet seine Flügel zu gebrauchen. Es wurde höchste Zeit. „Los, lass es uns deinen Eltern erzählen!
„Juhu!", brüllte Thubano und hüpfte vom Felsvorsprung herunter.
Lato sah in die Tiefe hinunter. „Es wäre lieb, wenn du mich mitnimmst!", rief er dem Drachen hinterher.
Mit einem Mal flog Thubano vor ihm. „Es wird wirklich Zeit, dass du dir auch ein paar Flughilfen von Masu besorgst", scherzte der Drache, während er landete und Lato sich um seinen Hals klammerte.
„Ich werde darüber nachdenken", entgegnete Lato.
Thubano kletterte den Berg hinab. Auf der Wiese angekommen liefen sie um die Wette bis hin zur Drachenhöhle der Eltern. Thubano schummelte und gewann das Rennen, da er seine Flügel benutzte. Lato bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. Der Drache schmunzelte ertappt. „Aber dafür sind die Flügel schließlich da."
„Wie gut, dass du jedes Mal eine Ausrede parat hast." Lato schlang die Arme um Thubanos Hals und der Drache kletterte die Felswand zur Höhle der Eltern hinauf.
Wie Lato erwartet hatte, waren sie wenig begeistert vom Vorhaben ihres Sohnes.
„Das ist Drachentradition! Meine Geschwister sind auch schon alle fort", erinnerte Thubano aufgebracht und wechselte dabei immer wieder den Blick von Vater zu Mutter.
„Das ist doch etwas völlig anderes", erwiderte Molda verzweifelt.
„Wieso ist das etwas anderes?", fragte Thubano und schlug wütend mit der Faust in die Luft.
Krowál beäugte seinen Sohn achtsam. „Du hast deine Flügel noch nicht sehr lange. Bist du dir sicher, dass sie halten werden?"
„Ich wusste es doch!, grollte Thubano. „Ihr behandelt mich noch immer wie einen kleinen Drachen!
„Aber Thubano, seufzte Molda. „Wir verstehen deinen Wunsch. Aber lass uns wenigstens unsere Bedenken äußern.
„Ich will endlich behandelt werden wie die anderen Drachenkinder!, schimpfte Thubano. „Ich lasse mich nicht aufhalten. Ich gehe auf jeden Fall!
Krowál setzte sich, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Lato prüfend an. „Gehst du mit und bleibst du bei ihm?"
Lato war erstaunt über die Frage. „Natürlich. Thubano ist mein Freund."
Krowál nickte abwesend. Diese Antwort hatte er hören wollen, aber sie beruhigte ihn kaum. Er machte sich Sorgen um seinen Sohn. Obwohl er jetzt fliegen konnte, war er nicht wie die anderen Drachen, auch wenn Thubano das dachte.
Molda lächelte mild. „Thubano ist mehr als dein Freund. Er ist dein Bruder. Du gehörst schließlich zu unserer Familie. Und nun, ihr beiden, wird euch euer Vater auf die Reise schicken. So wie jeder Drachenvater eines Tages seine Kinder losschickt, damit sie die Welt erkunden."
Krowál sah seine Gefährtin erstaunt an.
Molda trat vor. Sie war nicht glücklich mit Thubanos Entscheidung, aber sie war vernünftig genug, um zu wissen, dass sie ihren Sohn nicht aufhalten durfte. Er war alt genug, um auf eigenen Füßen zu stehen.
Krowál baute sich räuspernd vor den beiden Reisefiebernden auf. Er wollte seinen Sohn nicht auf die Drachenreise schicken, aber es wäre ohnehin zwecklos gewesen, Molda zu widersprechen. Außerdem wusste er genau, dass er Thubano sowieso nicht aufhalten konnte.
„Seid wachsam, sprach er feierlich. „Seid stark. Seid wissbegierig und lernt. Seid hilfsbereit und freundlich. Nehmt euch in Acht vor Wesen der Dunkelheit und beschützt diejenigen, die auf der Seite des Lichts stehen, denn ihr seid Geschöpfe des Lichts. Habt Mut.
Er schloss die beiden in die Arme. „Und vergesst nicht Post zu schicken", sagte er weniger feierlich, lachte laut und entließ die beiden aus der Umarmung.
Molda schüttelte amüsiert den Kopf. „Er kann es nicht lassen. Sie breitete die Arme aus. „Jetzt kommt schon, ihr beiden. Ich möchte euch auch noch einmal drücken.
Sie wiegten sich eine Weile in der zärtlichen Umarmung der Drachenmutter. Dann sagte Molda: „Es ist jetzt an der Zeit. Und zu Lato gewandt sprach sie: „Krowál wird dich über die Berge bringen. Vom Fuße des Drachentals aus könnt ihr eure Reise leichter beginnen.
Noch einmal sah der Drachenvater zu seiner Gefährtin. Das war heute schon das zweite Mal, dass sie über seinen Kopf hinweg entschied. Er teilte ihr seinen Missmut brummend mit.
Lato war über Krowáls Reaktion sehr erschrocken. Augenscheinlich wollte Thubanos Vater ihn nicht über die Berge bringen.
„Ihr müsst das nicht tun", sagte Lato rasch.
„Darum geht es gar nicht, lächelte Krowál dem Elfenjungen zu. „Ich bringe dich gerne zum Fuß des Drachentals. Molda weiß, wie ich es gemeint habe. Steig auf!
Lato kletterte vorsichtig auf den Rücken des Drachens. „Bis bald, Molda", sprach er zur Drachenmutter gewandt und ein wenig Wehmut überfiel ihn.
„Ich werde deine Rückkehr mit Freude erwarten", erwiderte Molda zum Trost und lächelte dem Jungen gütig zu.
Thubano lief noch einmal zu seiner Mutter und drückte sie liebevoll.
„Nun los!", rief Krowál, faltete seine Flügel auseinander und ließ sich vom Vorsprung der Drachenhöhle gleiten.
„Dann los!", rief Thubano und sprang seinem Vater hinterher.
Molda ging zum Höhlenausgang und winkte ihnen mit einem Schnupftuch nach. Sie tat es aber nicht des Winkens willen, sondern vielmehr, weil Krowál das Tuch vergessen hatte.
Sie flogen eine ganze Weile über die schroffen Berggipfel hinweg, bevor sie am Fuß der Felswand landeten. Schon einmal war Thubano an dieser Stelle auf die Reise gegangen. Er schmunzelte, als er daran dachte, wie er hier, am Rand des weitläufigen Waldgebietes, den Fisch Noktus getroffen hatte. Plötzlich fragte er sich, weshalb sein Vater ihn nicht schon damals bis hierhin getragen hatte.
Lato sprang von Krowáls Rücken. „Danke. Ich glaube, selbst in meinen Elfenschuhen wäre es keine Freude gewesen, diese Berge zu überwinden."
Als Lato das erste Mal das Drachental überflogen hatte, war es Nacht gewesen. Aus dem Tal heraus war nicht auszumalen, dass die Drachen sich einen derart sicheren Ort gesucht hatten. Das Tal lag inmitten eines vulkanähnlichen Kraters. Schroff, lebensfeindlich und unüberwindbar wurde es von