Flugerinnerungen - Anker der Identität
Von Jörg Becker
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Buchvorschau
Flugerinnerungen - Anker der Identität - Jörg Becker
Zweiunddreißig
Der Autor
Jörg Becker hat Führungspositionen in der amerikanischen IT-Wirtschaft, bei internationalen Consultingfirmen und im Marketingmanagement bekleidet und ist Inhaber eines Denkstudio für strategisches Wissensmanagement zur Analyse mittelstandorientierter Businessoptionen auf Basis von Personal- und Standortbilanzen. Das Neue folgt aus dem Prozess des Entstehens, der seinerseits neues Denken anstößt.
Prolog
In politischer Sicht wird die Welt unruhiger und viele wissen nicht, was auf sie zukommt. Wie im Lotteriebeispiel aufgezeigt, hängen viele Entscheidungen stark von persönlichen Gegebenheiten ab. Menschen treffen oft Entscheidungen, die nach außen hin seltsam erscheinen. Man hat es mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Eigenarten in der Denkweise zu tun, die Menschen dazu bringen, Dinge zu tun, die auf den ersten Blick unlogisch, inkonsistent oder schlichtweg dumm erscheinen. Wer bemüht ist, das Heute zu verstehen, um wenigstens zu erahnen, was das Morgen sein könnte, wird nicht umhinkommen, auch das Gestern zu verstehen. Allerdings müsste er dazu wissen, was das Gestern überhaupt war. Viele, die im Heute leben und aufwachsen, wird das Gestern vermutlich aber wenig interessieren. Aber egal, die schon im Gestern dabei waren, für die ist es nicht nur Erinnerung, sondern ein realer Anker ihrer Identität. Ohne dieses Gestern wären sie nicht das, was sie heute sind. Schulzeiten waren gestern, sind heute und werden morgen immer ein Kern des Gestern sein. Mit einem Schritt in ein schwankendes Ruderboot kann jemand den Herrschaftsbereich des Alltags verlassen, gewinnt Abstand und lässt nach dem Ablegen vom Steg vieles hinter sich. Rudern ermöglicht durch gleichzeitiges Vorwärtsfahren und Rückwärtsschauen, mit dem Durchfahren einer schon verlassenen Gegenwart, eine besondere Wahrnehmung der Welt und sein Verhältnis zu ihr. Der Ruderer durchfährt eine Gegenwart, die schon hinter ihm liegt. Alles was er beim Vorwärtsfahren rückwärtsschauend wahrnimmt, ist schon vergangen. Mit vielen Gedankenflügen nicht nur zur eigenen, sondern auch zu anderen noch ungewiss hinter dem Horizont scheinenden Lebenslinien: ist es ein Wunder, dass Menschen sich danach sehnten, ihren Körper von der Erdenschwere zu lösen, dass sie nach Flügeln suchten, die sie nach den freien und unbetretenen Gefilden der Höhe tragen sollten? Der pommersche Flieger Becker schrieb: bist Du Amboss, sei geduldig, bist Du Hammer, schlage zu! Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt! Schon in der Sage vom Ikarus ist davon die Rede, dass sich ein Erdgebundener durch Nachahmung des Vogelflugs und mittels eines Werkzeugs aus seiner Hände Arbeit über die Erde erhob. Auf das Leben übertragen heißt das: nicht wankend werden in der Verfolgung eines einmal angepeilten Zieles.
Eins
Wir leben in einer Welt, die von vielen als wirtschaftlich und politisch unsicher empfunden wird. In einer Welt, in der auf altbekannte und (bewährte) Zusammenhänge kein Verlass mehr zu sein scheint, für die die es kein beschreibendes Lehrbuch gibt. In politischer Sicht wird die Welt unruhiger und viele wissen nicht, was auf sie zukommt. Wobei man zwischen Unsicherheit und Risiko unterscheiden sollte. „Mit Risiko ist eine Sicht der Welt gemeint, in der die Menschen die Zukunft nicht kennen, aber davon ausgehen, dass sie den denkbaren künftigen Entwicklungen einigermaßen zuverlässig Eintrittswahrscheinlichkeiten zuordnen können, die sie häufig aus vergangenen Erfahrungen ableiten." Eine Welt der Unsicherheit weicht von dieser Sicht ab, denn in ihr gibt es keine verlässlichen Aussagen über die Wahrscheinlichkeiten von Ereignissen. Man hat keine Erfahrungen mit ihr und keine Muster, die als Orientierungshilfe dienen könnten.
Wie immer aber, wird die Zukunft durch heutige Entscheidungen von Menschen bestimmt, die ihrerseits aber diese Zukunft nicht kennen (oder eine Vorstellung von ihr haben). „Es wird eine unvorhersehbare Gesellschaft sein, in der sich Momente oder Intervalle der Ordnung, Sicherheit und Schönheit mit plötzlicher Desintegration und Kaskaden abwechseln, die zu neuen Mustern führen. Tragfähige Prognosen sind kaum möglich, Überraschungen sind wahrscheinlich. „In orientierungslosen Zeiten ist aus wirtschaftlicher Sicht ein katastrophaler Konjunktureinbruch ebenso möglich wie eine unkontrollierte Inflation und die Zerstörung d er Währung oder des Vertrauens in der Gesellschaft
. Chancen gibt es immer. Aber auf Patentrezepte sollte man nicht hoffen.
Zwei
Im Mittelalter muss diese Stadt in Pommern, dieses Stettin eine schöne Stadt gewesen sein. Rotwein brachten die Stettiner immer mit von ihren Reisen. So manche Probe mag schon auf den Speichern gehalten worden sein, oder auch in den stattlichen Bürgerhäusern. Und auch so manche Tonne Bier ist hier wohl angezapft worden. Unter dem Alten Fritz nahm dann Stettins Entwicklung einen steilen Aufstieg. Denn jetzt begann sich die verkehrsgünstige Lage so richtig auszuwirken: die Lage an dem großen Strom, der die Seeschiffahrt bis tief in das Land hinein erlaubte. Der ehemalige Flieger ist ein Stettiner in jener Pionierzeit, in der sich (aus heutiger Sicht) wagemutige Piloten völlig auf sich allein gestellt und nur auf ihr Fluggerät, ihren Motor und ihr fliegerisches Können vertrauend auf die Reise durch die Lüfte machten. Er lebte den Traum, dass der Mensch die Luft unterjochen und sich über sie wird erheben können, wenn er gegen den Widerstand der Luft nach einem Auftrieb auch im Luftmeer sucht, um in diesem schweben, fliegen zu können. Er hatte das Glück, das Gefühl des Fliegens erleben zu dürfen, frei über der Erde zu schweben, mit den Winden zu kämpfen und zugleich mit ihnen eins zu sein.
Es geht um: Zeitgeist und Atemlosigkeit, Technik und Menschsein, Starts und Landungen im nassen Element, Nachdenken über sich selbst und die Welt, nicht glatt und fein sondern kernig, ein Pommer wie ein auf den Kopf gestellter Bayer. Mit vielen Gedankenflügen nicht nur zur eigenen, sondern auch zu anderen noch ungewiss hinter dem Horizont scheinenden Lebenslinien: Spiegelfechtereien, verhüllt und grau, Gefangenschaft mit Entlassung in die Reußenköge, wie Bäume ohne Laub, Neuanfang in den Trümmern einer Stadt, wieder Freude am Leben, als Flieger in Hanauer Altstadt, als Flieger wo schon die Römer waren, Pionier-Lebensräume als Biotop und Naturschutz innerhalb von Stadtmauern, als Flieger im weiten Meer der „regulären" Kreativwirtschaft, im Cockpit der Handlungsempfehlungen, Profilanzeigen mit einer Transparenz unterschiedlicher Dimensionen. Von den Anfängen der Fliegerei bis in die Digitalwirtschaft, eine Art von ewigem Gedächtnis, was geschrieben gefilmt, fotografiert oder gescannt wird landet früher oder später im Computer. Auf keinem Gebiet der Technik ereigneten sich so sprunghaft kühne Fortschritte wie im Flugwesen, die Entwicklung ist von Beginn an unaufhaltsam fortgeschritten. Der erste und größte Flugpionier der Menschheit war Leonardo: Flugzeug, Fallschirm, Hubschrauber, alles hat er vorausgedacht, gezeichnet, beschrieben. Unwürdig schien es ihm, immer an die Erde gefesselt zu sein. Fliegen war schon für ihn mehr als nur eine Frage der Technik. Es war ihm eine Frage des Menschseins. Als er noch Kind war zogen eines Tages Kraniche über ihn hinweg, mit gemessenem Flügelschlag, majestätisch in ihrem Reich der Lüfte. In Ungeduld bewegte er seine Arme wie Flügel. Doch sie hoben ihn nicht. Ist es ein Wunder, dass ein solcher Mensch sich danach sehnte, seinen Körper von der Erdenschwere zu lösen, dass er nach Flügeln suchte, die ihn nach den freien und unbetretenen Gefilden der Höhe tragen sollten?
Wasserpiloten dürfen keine Einzelgänger sein: denn anders als bei Flugzeugen, die auf Land starten und landen, brauchen sie fast immer fremde Hilfe, um ihre Maschine unbeschadet an eine Boje, den Anlegesteg oder vom Ufer wieder zurück aufs offene Wasser zu bekommen. Und anders als bei einem Flugzeug auf Land nützen die Bremsen im Wasser überhaupt nichts. Vorausschauendes Einschätzen von Wellengang, Strömung und eigener Geschwindigkeit ist also Voraussetzung, um ein solches Flugzeug unbeschadet an das gewünschte Ziel zu bekommen. Wasserfliegen dürfen ohnehin nur jene mit einer speziellen Ausbildung hierfür: mehrere Stunden Flugtraining und mehrere Dutzend Starts und Landungen im nassen Element sind hierfür erforderlich. In den zwanziger und dreißiger Jahren wurde Claude Dornier durch seine hochseetauglichen Flugboote, vor allem durch das damals größte Wasserflugzeug der Welt, die zwölfmotorige Do-X berühmt. Georg Buschan - Pommerscher Kindermund: Du bist so dumm wie ein Badegast. Denn Badegäste gehen unvernünftigerweise ins kalte Wasser, geben ihr Geld unnötigerweise aus und legen sich wider das Gebot eines gesunden Lebens in die pralle Sonne. Außerdem reden sie zu viel und fragen zu viel (unklar und unlogisch).
Der pommersche Flieger Becker schrieb: Bist Du Amboss, sei geduldig, bist Du Hammer, schlage zu! Nur die Sache ist verloren, die man aufgibt! Wenn Du geliebt sein willst – so liebe! Auch die Wüste hat ihre Brunnen. Trau dem nicht, der Dir schmeichelt. Wer viel von sich hält, hält viele von sich. Alles verstehen