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Kapitän Wakusch 2. Sachsenhäuschen: Roman
Kapitän Wakusch 2. Sachsenhäuschen: Roman
Kapitän Wakusch 2. Sachsenhäuschen: Roman
eBook615 Seiten8 Stunden

Kapitän Wakusch 2. Sachsenhäuschen: Roman

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Über dieses E-Book

Die ersten beiden Bände von Giwi Margwelaschwilis autobiographischem Romanwerk "Kapitän Wakusch" sind seit langem vergriffen und in Antiquariaten sehr begehrt. Nun sind sie endlich wieder zu haben!
Im ersten Band "In Deuxiland" beschreibt er seine Jugend als Ausländer im Dritten Reich. Doch ist er nicht nur ein Exiliantenkind in Deutschland – als Jazzliebhaber, der sich in der Jazzbar "Kakadu" der verbotenen Musik hingibt, ist er zugleich ein jugendlicher Rebell. Mit dem Kriegsende endet der erste Band, der zweite Band "Sachsenhäuschen" nimmt den Faden wieder auf – nun ist Wakusch, das alter Ego Margwelaschwilis, plötzlich ein Gefangener der Sowjets. Er wird nach einer Odyssee durch verschiedene Kerker in das berüchtigte Speziallager Nr. 7 verbracht, dem ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort erlebt er Elend und Demütigung, aber auch Lichtblicke, etwa eine Theateraufführung mit dem Mitgefangenen Heinrich George ...
In "Kapitän Wakusch" schildert Margwelaschwili die Welt- und seine Lebensgeschichte scheinbar leichthin, in origineller Sprache, ohne aber je die Möglichkeit der Selbstverständigung und der Selbstbefreiung aufzugeben – ein Zeitdokument und zugleich große Literatur!
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Jan. 2020
ISBN9783957324399
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    Buchvorschau

    Kapitän Wakusch 2. Sachsenhäuschen - Giwi Margwelaschwili

    Himmelfahrt

    Renaissance in Ostminster

    Jeder Exmamassachlissi, der von Mamassachlissi auf Dixiebahn überholt wurde, muß sich, wenn er den verlorenen Vorsprung nicht mit seinem Leben bezahlen – in sein erstes Häuschen (am Aragus) zurückgebracht und dort abgeurteilt werden – will, ganz still in seinem zweiten Häuschen (auf seiner Wartburg) verhalten. Er bleibe am besten im Luftschutzkeller, bis die Umstände in (und vor) den Häuschen wieder etwas geordneter sind, daß heißt, bis da wieder solche Leute zu Worte kommen, welche, dem Beispiel der linken Dixieländer folgend, möglicherweise auch an den Kolchos glauben, welche aber den Exmamassachlissis persönlich nichts weiter nachtragen. Wenn von den Siegermächten ein Abkommen getroffen wird, wonach die rechten Dixieländer (Vickers aus Charleston, Boston) das Recht erlangen, an der Spree (oder anderen Flüssen) ihre Truppenteile aufzustellen, Behörden einzurichten etc., dann haben solche Exmamassachlissis sogar die Chance, ihren Vorsprung vor Mamassachlissi auf der Dixiebahn zurückzugewinnen und den Kolchosischen unter der Nase nach rechts zu entwischen, dann brauchen sie bloß zu warten, bis die entsprechenden Vickers kommen, ihre Sektoren (Häuschen, Wartburgen) bekommen.

    Das Überholt-Werden auf der Dixiebahn ist das Schlimmste, was einem Exmamassachlissi passieren kann, nicht nur, weil er dadurch in die Hände seines Erzfeindes, nämlich des Mamassachlissimus von Kolchos aus Kolchis, gerät, sondern vor allem auch darum, weil ja so der ganze Inhalt seines Lebens, der doch darin bestand, den Mamassachlissimus (den Kolchos am Aragus und anderen Flüssen) in Deuxi- oder Dixieland zu überwarten, in nichts zusammenschrumpft, weil dann der Mamassachlissimus geschichtlich schneller (länger) und die Emigration zu langsam war, um noch sinnvoll aus dem Häuschen zu sein, bleiben. Jeder überholte Exmamassachlissi erhält ganz zuerst aber noch eine Art Gnadenfrist, die von dem Moment seiner Überholung auf der Dixiebahn bis zu jenem Augenblick reicht, wo Mamassachlissimus in sein Netz guckt, um nachzusehen, wer (was) ihm da hineingegangen ist. Diese Frist kann verschieden groß sein, sich sogar auf mehrere Monate belaufen, weil nämlich der Mamassachlissimus zunächst ganz andere Sachen im Kopf hat (den Goglimogli Nummer 27 aus allen deuxen Häuschen [Wartburgen] entfernen, seinen eigenen Goglimogli Nummer 17 [nebst Kolchos] dort anpflanzen, dann aber auch das Potsdamer Abkommen unterzeichnen und sich zum kalten Krieg gegen die rechten Dixieländer [Vickers aus Charleston, Boston] in den anderen Besatzungszonen rüsten muß und ähnliches), um an seine alten Pappenheimer – die kolchidischen Exmamassachlissis – zu denken. Er muß – da sein Einflußbereich sich ungeheuerlich vergrößert, über die verschiedensten (kleineren) Sprech- und Sprachzimmer (-räume) Osteuropas verbreitet hat – auch erst auf der Dixiebahn etwas selbstsicherer werden, muß, um da nicht seiner ganzen Länge nach auszurutschen und zum Gespött der Welt (der Vickers rechts) zu werden, sich wenigstens zu einem ganz kleinen Fuchstritt bequemen. Endlich braucht es auch Zeit, bis der kolchosische Sicherheitsdienst, die N.K.W.D., mit allen Karteien, Kammern und Speziallagern auf dem neuen (deuxen) Boden eingerichtet ist. Diese Vorbereitungsperiode können die überholten Exmamassachlissis noch sehr gut für ihre Flucht benutzen.

    Für jeden überholten Exmamassachlissi bestehen zunächst also reichlich Möglichkeiten, um ein Land oder für den Anfang wenigstens einen Fluß zwischen sich und den Mamassachlissimus zu bringen und sich dadurch selbst wieder in sein natürliches Lebenselement, nämlich in die gehörige Entfernung von alten Häuschen und Hüllen zu versetzen. Zur Rettung wichtig ist ferner, daß solche Exmamassachlissis nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Wartburg (auf der sie gerade sitzen, wenn Mamassachlissimus einmarschiert) als überholt betrachten, daß sie dem halbzertrümmerten Bau weiter kein Vertrauen mehr schenken und sich schleunigst daraus verziehen. Am besten geht es immer demjenigen, der sich, möglicherweise unter der guten Anleitung seines eigenen Kapitäns, entschließt, auf die Wartburgen modernen (charleston-bostonschen) Stils umzulernen. In absoluter Sicherheit wären solche Exmamassachlissis, wenn irgendein großer bostonscher Vicker vom Kaliber Signor Mobiglias sie unter seine Fittiche nähme, wenn er sie seinem Generalstab irgendwie anschlösse, vielleicht in der Funktion einer höheren Ordonnanz oder – falls ihre Wartburgserfahrung noch für Gegenwartsverhältnisse auswertbar ist – eines taktischen Beraters.

    Nun gibt es aber leider einen Umstand, der sich auf alle überholten Exmamassachlissis fatal auswirken, sie Mamassachlissimus immer, ja auch dann ausliefern kann, wenn ihre Vorsicht musterhaft ist, das heißt, wenn sie sich unsichtbar im Hintergrund beziehungsweise auf ihren alten Wartburgen, welche jetzt völlig abgerüstet, teils vielleicht wirklich zerstört sind, aufhalten. Die Exmamassachlissis können wohl hinter ihren Wohnungs (Wartburgs-)türen Zuflucht nehmen, aber in ihren eigenen Sprech(Sprach-)zimmern stille bleiben können sie nicht. Schuld daran ist ihre manchmal angeborene, meistens aber erst in der Emigration (im Iß-mich) ausgebildete Gesprächigkeit auf kolchosisch (russisch) und kolchidisch, welche sie immer wieder veranlaßt, vor den linken Dixieländern aus Kolchos (Kolchis) in den zwei verräterischen Mundarten zu reden. Die linken Dixieländer werden, verwundert, daß da jemand zwischen den deuxen Häuschen (zwischen den Deuxen in Deuxiland) genauso zwitschert wie sie, dieser Sprechzimmeridentität nachgehen und unweigerlich auf die alte kolchidische Wartburg zu Exmamassachlissi kommen und sich für seine Biographie interessieren. Sie werden über die Existenz solch seltsamen Vogels (Kakadus) nach oben, zu Mamassachlissimus, in die N.K.W.D. Bericht erstatten, wo man den Mann sofort genauer aufs Korn nimmt. Bis zur Entlarvung des Exmamassachlissi und bis zu seiner Verhaftung durch die linken Vickers ist es dann nicht mehr weit. In den Bedingungen der Überholung sind die Sprechzimmer, weil sie sich ja nicht abschließen lassen und ihr Radius über alle vier Wände weit hinausreicht, zweifellos die schwächsten Stellen an jeder Wartburg.

    Selbst der Kapitän ist unfähig, hier rettend einzugreifen, denn erstens kann er seinem (Ex-)Mamassachlissi und Erzeuger schwer den Mund verbieten, und zweitens hat er in seinem langjährigen Dienst bei den dixieländischen Vickers nur gelernt, Wohnzimmer (mit Dixiebahn und Generalstab) vor Mamassachlissi, nicht aber Sprechzimmer (mit Exmamassachlissi) vor Mamassachlissimus zu verteidigen. Drittens will es die Notlage des durch die kolchosischen Dixieländer (durch kolchosischen Generalstab) so brutal eingenommenen deuxen Häuschens, daß der Exmamassachlissi andauernd zwischen ihm und den Eroberern übersetzt, daß also sein ursprüngliches kolchidisch-russisches (kolchosisches) Sprechzimmer ständig sperrangelweit offensteht, bis die N.K.W.D. dort vorspricht. Viertens verpflichten den Exmamassachlissi seine höchsten Befugnisse als letztgewähltes Oberhaupt und nun auch noch als alleiniger offizieller Repräsentant der kolchidischen Emigration in ganz Deuxiland, sein kolchidisch-russisches Sprechzimmer weit offenzuhalten: die Siegermächte ehrenvoll darin zu empfangen.

    Theoretisch könnte der Kapitän seinen Exmamassachlissi (und auch sich selbst!) nur vor dem unvermeidlichen Untergang bewahren, wenn er ihn durch List oder Gewalt aus dem kolchidischen in das deuxe Sprechzimmer der Wartburg umsiedelte, wenn er den alten Mann irgendwie in seinem deuxen Eckchen anbände, das kolchidische Namensschild an der Tür der Wartburg mit einem deuxen vertauschte und jedem kolchidisch-kolchosischen Dixieländer, der da kommt, reinem Deuxi »guten Tag« beziehungsweise »auf Wiedersehen« sagte. Soviel theoretische und praktische Vernunft läßt sich aber von einem Kapitän, der kaum 18 Jahre alt ist, und um so mehr, da ja sein deuxes Eckchen durch Stalinorgel von der Wartburg weggerissen wurde, wirklich nicht verlangen. Außerdem wiegt vielleicht auch noch die Liebenswürdigkeit der kolchosischen Vickers den alten Exmamassachlissi in Sicherheit: Sie geben ihm in Naturprodukten (von denen dann das ganze Häuschen futtert) reichlich Entgelt für seine Übersetzungen, und was sein kolchidisches Sprechzimmer angeht, so dringen sie dort noch gar nicht tiefer ein, das heißt, der Exmamassachlissi braucht, wenn er auch die verschiedensten Fragen mit ihnen erörtert, vorerst noch nicht über sich selbst zu sprechen.

    Die alte kolchidische Wartburg ist jetzt niemals sicher vor Besuchen hochgestellter kolchosischer Offiziere, welche von dem Exmamassachlissi irgendeinen Dolmetscherdienst verlangen und ihn auch schon sehr häufig in ihrem Auto (meistens ein requirierter deuxer Privatwagen) zum kolchosischen Generalstab fahren. Manchmal kann der Kapitän Tage oder gar eine Woche lang auf seinen Erzeuger warten, den die Übersetzungsarbeiten bei den Vickers festhalten. Mit ihm zusammen dolmetschen da natürlich auch die Vertreter anderer, ebenfalls arg zersplitterter, aber scherbenweise doch immer noch irgendwo und irgendwie vorhandener Wartburgschaften: russische, ukrainische, armenische usw. Exmamassachlissis. Es sind – weil ja die meisten dieser seltenen Menschensorten sich noch zeitig nach dem Westen verzogen haben – viel zu wenige davon da, so daß der kolchosische Generalstab über nicht viel mehr als eine Handvoll qualifizierter Übersetzer verfügt, um den deuxen Häuschen seine Wünsche verständlich zu machen. Daraus erklärt sich die Schonung, mit der er zuerst alle in seinem Machtbereich verbliebenen Wartburgen dreistöckigen Goglimoglis (Nummer 17, 27, 37) behandelt, die freundliche Aufmerksamkeit, mit der er diesen Burgen begegnet, jede Bau- beziehungsweise Lebensmittelzufuhr, mit der er sie unterstützt. Er wird dafür auch reichlich entschädigt – nach allen (grammatischen beziehungsweise syntaktischen) Regeln der Kunst übersetzt. Wenn die Exmamassachlissis auf den alten Wartburgen mit dreistöckigem Goglimogli geschichtlich auch nichts weiter erreichten, so haben sie doch – dies ist unbestritten – in der Erschaffung von guten Verbindungstüren zwischen kolchosischen (russischen) und deuxen Sprachräumen (Sprechzimmern) vorzügliche Pionierarbeit geleistet. Diesen Trost können die Exmamassachlissis wenigstens noch mitnehmen, wenn sie dann – nach einer plötzlichen Anweisung aus der N.K.W.D. – in die kolchosischen Gefängnisse und Speziallager umsiedeln müssen.

    Abgesehen von ihrem allerdings prinzipiellen und das ganze Unglück dann auch notwendigerweise nach sich ziehenden Fehler, an der Spree geblieben zu sein, als kolchosische Truppen sie überquerten, benehmen sich alle überholten Exmamassachlissis gewöhnlich sehr vorsichtig, manch einer legt sogar ein dermaßen großes Verständnis seiner bedrohlich isolierten Lage an den Tag, daß man sich nur wundern muß, warum er überhaupt erst den prinzipiellen Fehler begehen konnte. Zum Beispiel tut er alles, um seine alte kolchidische Wartburg den neuen Verhältnissen anzupassen, ihr den neuen, wenn es sein muß auch dixieländischen beziehungsweise kolchosischen Ton zu geben, den diese Verhältnisse von allen (Häuschen) verlangen. Das allererste, was einem solchen Exmamassachlissi natürlich am Herzen liegen muß, ist, den dreistöckigen Goglimogli, der sich bei ihm über die Jahre angestapelt hat, entweder ganz abzuschaffen oder wenigstens den faulsten, nämlich geschichtlich überholten Teil davon heimlich wegzubringen. Was die Entfernung von mindestens zwei Etagen Goglimogli (desjenigen, der mit den Jahreszahlen 27, 37 gebucht ist) so nötig macht, sind die häufigen Besuche hoher kolchosischer Offiziere auf der Wartburg, welche das Vorhandensein eines solchen Goglimoglis bei Exmamassachlissi nicht nur befremden, sondern auch schärfstens gegen ihn einnehmen würde. Zwar ist dieser ganze Goglimogli in einer fremden, für die Offiziere kaum verständlichen Sprache (in Deuxi) geschrieben, aber weil ihn zwischendurch höchst unzweideutige Bilder und Zeichen des ehemaligen deuxen Mamassachlissimus (des deuxen Generalstabs etc.) begleiten, empfiehlt es sich doch, mit der Liquidierung dieses verräterischen (illustrierten) Goglimogli nicht mehr zu lange zu zaudern. So kann denn den Kapitän, wenn er eines Tages aufwacht oder von irgendwoher ins Häuschen kommt, ein Brandgeruch treffen, der ihn zuerst an neue Explosionen kolchosischer Geschosse (liegengebliebener Blindgänger etc.) denken und mit langen, angstvollen Schritten die Wartburg durchmessen läßt. Zu seinem großen Erstaunen wird er dann feststellen, daß der Brandstifter sein eigener Vater beziehungsweise Exmamassachlissi ist, der Bücher und altes Zeitungsmaterial wahllos in die lustig flackernden Öfen stopft oder vielleicht auch ein Feuer auf dem Küchenherd dafür entfacht hat.

    Weil der alte Exmamassachlissi bei dieser symbolischen Tätigkeit sehr oft von dickem Qualm eingehüllt ist und seine eigenen Augen wegen des Zwickers, der ihm oft von Nase rutscht, die meiste Zeit auch unbewaffnet sind, können diesen Verbrennungen oft Werke zum Opfer fallen, welche solch ein hastiges Todesurteil gar nicht verdienen, zum Beispielspiel Bücher über Kolchis, Iberien und Albanien, die der Exmamassachlissi selber geschrieben und herausgebracht hat, dann aber auch noch viele gültige »Schlangenhemden« und andere, bessere Iß-mich-Literatur. Darum wacht der Kapitän jetzt dicht vor der Feuersbrunst fachkundig über alle Titel und Überschriften, über Verlagsnamen und Herausgabedaten, damit kein schuldloser Text der Vernichtung anheimfällt. Im Ergebnis dieser stundenlangen Arbeit werden zwei ganze Etagen in dem breiten Bücherschrank von Erzeuger allmählich leerer und leerer. Doch wechseln verschiedene Hauptwerke des Goglimogli 27, 37 auch bloß die Plätze: Der Kapitän, der mit einem starken Sinn für historische Antiquitäten behaftet ist, tut sie heimlich beiseite für seine kleine dixieländische Privatbibliothek. Den gleichen Weg dorthin nehmen viele deuxe Zeitungsstöße von vor 45, alles gesammelte Berichte über deuxe Feldzüge (Vor- und Rückmärsche) in Frankreich, Norwegen und anderen Dixieländern. Wegen seiner immer stärkeren Unzulässigkeit in den neuen Lebensbedingungen ist dieser überholte deuxe Lesestoff jetzt schon dixieländisch bedeutsam: Er entwickelt sich zu einem Specchio von hohem Raritätenwert, zu einem warnenden Universalspiegel für alle Mamassachlissis, welche sich viel zuviel auf ihre Häuschen einbilden, die politisch-ökonomische Bedeutung der rechts und links von ihnen liegenden Dixiebahnen(-länder) unterschätzen und ähnliches, das heißt zu einer wahren Atomwaffe im Arsenal jeder guten (radikalen) Wartburg. Auf die zwei leeren Etagen im Bücherschrank von Erzeuger kommen jetzt – der Kapitän sieht es mit Verwunderung – ältere Werke kolchosischen Einschlags, also solche, die den Goglimogli Nummer 17 positiver beurteilen und bislang in den hintersten, verstecktesten Bücherreihen gestanden haben. Der Exmamassachlissi (der sich vor Zeiten auch einmal flüchtig als Sozialist betrachtete) zieht diese Bücher jetzt aber nicht so sehr aus Überzeugung, sondern aus Vorsichtsgründen hervor. Es ist immer eine gute Empfehlung, wenn man den Goglimogli Nummer 17 (oder damit verwandte Flüssigkeiten) im Häuschen hat, wo kolchosische Offiziere ein- und ausgehen.

    Wenn die allerersten, nötigsten Tarnungen besorgt sind, geht der Kapitän auf Kundschaft. Er will sehen, wie alle enger mit ihm befreundeten Pipos, Pipas, Kapitäne den Einzug der kolchosischen Dixieländer (Vickers) überstanden haben. Er möchte auch vor allem in Verbindung mit den guten Frontkämpfern auf der Dixiebahn nach Manila (über Charleston, Boston) treten und die alten, noch von Signor Mobiglia gelegten Positionen neu befestigen. Er hat ebenfalls die Absicht, bei den Pipos (Kapitänen) um ein paar Specchios (beziehungsweise Generalstabskarten von Tullio oder anderen Dixieländern) zu bitten, denn er selbst ist durch den verhängnisvollen, kolchosischen Kanonenschuß kurz vor Kriegsende um alle eigenen Bestände gebracht worden und hat nun keine Munition mehr auf der Wartburg. Ähnliches tut jetzt aber auch sein Vater, der alte kolchidische Exmamassachlissi, der sich als einziges gültiges Oberhaupt der Kolonie doch informieren muß, wer von der Emigration noch an der Spree (und in der Umgebung) ist. In seinen Übersetzungspausen und auch nur dann, wenn er sich unbeobachtet weiß, klappert der alte Exmamassachlissimus alle kolchidischen Wartburgen ab, wo seinen Berechnungen nach noch ein Landsmann sitzen müßte (um es am unauffälligsten zu machen, schickt er manchmal auch seinen Kapitän an die Adressen). Wen Vater und Sohn auf ihren Rundgängen finden, sind vor allem der dicke Kirile und Hans Georg.

    Von Kirile hört der alte Exmamassachlissi nach erster inniger Begrüßung sofort die heftigsten Vorwürfe über seine Unvorsichtigkeit, für die Kolchosischen als Übersetzer zu arbeiten. Was Kirile selbst betrifft, so war er klug beziehungsweise stumm genug gewesen: Er hatte während des kolchosischen Einzugs sein kolchidisch-russisches Sprechzimmer niemals aufgemacht, hatte, wenn überhaupt, immer bloß auf deuxi geredet. Darum wußte der kolchosische Generalstab bis jetzt noch gar nichts von ihm, und Kirile war fest entschlossen, ihn auch weiterhin in diesem Unwissen zu belassen. Er rät dem alten Exmamassachlissi, sich mit dem Interzonenzug schleunigst aus dem Staube zu machen (das heißt in den charleston-bostonschen Flügel Deuxilands zu verschwinden), bevor die Kolchosischen ihn einstecken, und kommt vorsichtshalber – was vielleicht auch das einzig Richtige war – niemals mehr zu Wakuschs Erzeuger zu Besuch.

    Das Wiedersehen der Kapitäne Wakusch und Hans Georg ist das rührendste. Sie stoßen einander in die Rippen und sagen: »Junge! Junge!« Dann tauschen sie ihre Erlebnisse mit den Vickers aus. Beide sind beeindruckt von der Macht und Autorität des kolchosischen Generalstabs auf der deuxen Dixiebahn. Sie bedauern nur, daß zur Zeit der Besetzung Signor Tullios Wartburg nicht mehr funktionierte. Sie hätte sonst alle (oder wenigstens die meisten) vernichtenden Schläge der Vickers auf sich nehmen und den Häuschen die Massenzufuhr von Goglimogli aus kolchosischen Feldbeuteln ersparen können. Hans Georg hält den kolchosischen Generalstab auch für viel gewaltiger als den charleston-bostonschen von Tullio und schwärmt davon, diesen Stab bei Gelegenheit zu fotografieren. Er möchte ihn auch nur zu gerne einmal in Aktion sehen und dringt in Wakusch, über seinen Erzeuger zu erfahren, wo (wann) der kolchosische Generalstab seine Manöver abhält.

    Daß die deuxen Mamassachlissis (darunter auch sein eigener) die linken Dixieländer mit Mißtrauen betrachten, daß sie die kolchosischen Reformen, welche die linken Dixieländer angekündigt haben und welche in der Enteignung aller Mamassachlissis und der unverzüglichen Errichtung demokratischer Selbstverwaltungsorgane in den Häuschen bestehen sollen, bespötteln, findet der Kapitän Hans Georg durchaus verständlich – der Gesinnung aller Mamassachlissis und Exmamassachlissis notwendigerweise entsprechend. Er selber ist als alter Freiheitskämpfer gegen jede Form von Usurpation durch Mamassachlissi sehr geneigt, die versprochenen Selbstverwaltungsorgane positiv einzuschätzen, sich ihnen sogar anzuschließen, wenn sie seine Erwartungen erfüllen. Die freie Dixiebahn in und aus den Häuschen – so dozierte ungefähr Hans Georg – sei nur auf der Basis solcher Organe möglich, deren richtige Handhabung alle vernünftigen Deuxen in Zukunft bemüht sein müßten, den Vickers links und rechts abzugucken und zum Nutzen der eigenen Nation zu verwerten. Kapitän Wakusch kann seinem Freund darin nur zustimmen, obwohl ihn, der doch auf seiner alten kolchidischen Wartburg gegen den Goglimogli Nummer 17 und dann auch noch im Iß-mich ganz anderes aufgeschnappt hat, ein unbestimmtes Gefühl nicht verläßt, daß es mit den von kolchosischen Dixieländern geförderten Selbstverwaltungsorganen nicht so rosig bestellt ist.

    In dem Häuschen von Hans Georg hat sich auch Beträchtliches verändert. Seine zwei Mamassachlissis (maskulin, feminin) sind jetzt nicht mehr so gebieterisch wie früher. Es ist zwar noch nicht so, daß sie überhaupt nichts mehr zu sagen hätten – in verschiedenen Kleinigkeiten wiegt ihr Wort immer noch schwer genug –, aber beide sind doch keine (oder wenigstens nicht nur die einzigen) Tonangeber mehr für das Häuschen. Hans Georg hat von ihnen vollkommen freie Hand bekommen, das heißt, er kann jetzt schon so lange aus dem ,Häuschen sein, wie – und alles im Häuschen machen, was – er will, sie mischen sich nicht mehr ein. Kapitän Wakusch sieht sie kaum. Die Mamassachlissis sind so still auf ihren Zimmern, daß man den Eindruck hat, sie seien gar nicht mehr da.

    Natürlich macht ihnen Wakusch auch seine Aufwartung. Er sitzt fünf Minuten mit ihnen zusammen, berichtet vom Neuesten und hört höflich zu, wie sie sich in gesetzten Worten über die Vickers beklagen. Er möchte den Mamassachlissis gerne sagen, daß sie sich nun aus ihrem Häuschen eine Wartburg machen müssen, aber er schweigt, da er weiß, daß Hans Georg diese historische Aufgabe besser und schneller lösen wird.

    Der Konstitutionswechsel ist dem Häuschen schon überall anzumerken: Es hat seine Türen und Fenster für alles aufgemacht, was von links und rechts herankommt, für die Dixieländer, Pipos, Pipas. Die Dixiebahn ist in ihrer ganzen süßen Verlockung unbehindert aufgerollt – die alten und ewig neuen Specchios von Tullio (von denen Hans Georg einen Haufen aufbewahrt) hängen, manche in körpergroßartigen Vergrößerungen, an der Wand. Den Tisch, um den Hans Georg einmal vor Jahren flüchten mußte, decken jetzt gute Generalstabskarten. Mit den Dixiebahnen befaßt sich Hans Georg – so erzählt er stolz Kapitän Wakusch – auch nicht nur allein in der Theorie, sondern ebenfalls in der Praxis, nämlich hier direkt im Häuschen, unter der Nase des Mamassachlissi, der entweder nichts sieht oder blind an den Pipas vorbeigeht. Wakusch vernimmt es mit Bewunderung und ist auch ein bißchen neidisch zugleich, denn solche dixieländischen Freiheiten sind auf der kolchidischen Wartburg seines Vaters nach wie vor undenkbar. Der geringste Specchio muß da immer noch sorgfältig getarnt werden, weil so was mit der Situation in den kolchidischen Sprechzimmern in keiner Weise übereinstimmt. Hans Georg schiebt die ganze Schuld an diesen vorsintflutlichen Zuständen auf Wakusch und rät ihm, die häufige Abwesenheit seines Exmamassachlissis von der Wartburg dixieländisch auszunutzen, den alten Mann, wenn er nach Hause kommt, einfach vor die vollendete Tatsache, das heißt vor einen vollendeten Pipao, zu stellen, und ähnliches.

    Dann machen die beiden Kapitäne einen Rundgang durch die Stadt, welche schon ihre Wunden leckt und bemüht ist, sich wieder aufzurichten. Die Freunde sind auch hilfsbereit und schleppen gerne Ziegelsteine, aber nicht für Häuschen, sondern nur für Wartburgen mit guten Pipos, Pipas. Beide werden häufig von den Kolchosischen angehalten, welche dicht zusammengedrängt, auch irgendwie festlicher aufgeputzt, auf ihren dunkelgrünen Lastautos sitzen; ein Offizier (möglicherweise Kapitän) in der Kabine fragt kehlig nach dem Reichstag. Die Kapitäne geben Auskunft und sehen sich später ebenfalls das alte deuxe Regierungsgebäude an, bei dem die siegreichen kolchosischen Dixieländer an allen Ecken und Enden ihre Namen mit genauem Besuchsdatum aufgeschrieben haben. Im Zentrum liegt noch viel Munition auf den Straßen herum, deuxe feldgraue PKWs stehen neben Kanonen aller Kaliber, dazwischen kriechen, klettern Pipos, die – sicher weil sie ihre zerstörten Wartburgen wieder neu aufbauen wollen – sich das Schießzeug haufenweise in die Taschen stopfen (manchmal sogar mit einem kleinen Geschütz davonziehen). Aus den aufgebrochenen Warenhäuschen nehmen sich die Vickers, Dixieländer, aber auch die deuxen Mamassachlissis (maskulin, feminin) mit, was sie für ihre Häuschen brauchen können, und zwar nicht nur die Waren, sondern ebenfalls alle noch irgendwie intakten Bestandteile des Häuschens selbst: Fensterrahmen, Türen, Klinken und was man sich sonst noch organisiert, um Häuschen mit Häuschen zu flicken. Aus einem solchen Warenhäuschen zieht Kapitän Wakusch einmal erschreckt seine Nase zurück: Er hatte da im ersten Stock die wächserne Figur eines älteren Mannes (vielleicht Mamassachlissis) liegen sehen.

    Vor einer Wandzeitung stauen sich stumme Deuxe und lesen die erste Bekanntmachung in der Nachkriegszeit. Ihr Text ist von dem neu begründeten deux-kolchosischen Zentralkomitee abgefaßt und – da dort der Satz: »Die Ausrottung des Mamassachlissimus liegt nicht etwa hinter uns, sie liegt noch vor uns« steht – für Mamassachlissis nicht sehr tröstlich. »Keine Wiederholung der Fehler von 1927!« lesen die Kapitäne auf einem anderen Anschlag. Darunter sind, ebenfalls in verneinender Befehlsform, alle Ursachen aufgezählt, welche die Deuxen – wenn sie sich diesmal nicht mehr in acht nehmen – wieder zu den alten Fehlern verleiten können. Die Kapitäne finden jedes Verbot normal und der Sachlage durchaus entsprechend. »Keine Spaltung des werktätigen Häuschens!« heißt es da und: »Keine Nachsicht gegenüber der Reaktion!« und: »Keine Hetze, keine Feindschaft mehr gegen Kolchos«, und hier stutzen die Kapitäne, denn es kommt etwas Alarmierendes: »Keine Wartburgen!« Solche Burgen, heißt es, sögen nur das Mark aus den Häuschen, machten sie leer und schwach für den Kampf gegen die imperialistischen Kräfte des Mamassachlissi. Nach mehreren Thesen ähnlichen Inhalts folgt abschließend der Hinweis auf die notwendigste Lehre, welche sämtliche Deuxe aus ihrer Vergangenheit ziehen müssen. Sie lautet: »Die Wartburgen geben der Reaktion freie Hand in den Häuschen!« Die Kapitäne sind von dem Verbot betroffen. Sie glauben zuerst, sich verlesen zu haben, aber es stimmt. Dann schreiben sie sich den Paragraphen genau ab, um im Häuschen darüber zu argumentieren. Der Punkt ist historisch zwar völlig korrekt, aber – so scheint es wenigstens den Kapitänen – in der Formulierung trotzdem nicht ganz so glücklich: Er wirft alle Wartburgen in einen Topf und bejaht nur die Aktivität in den Häuschen. In dieser allgemeinen Form war das Verbot – Kapitän Wakusch spricht es kopfschüttelnd aus – beinahe schon eines Mamassachlissis würdig. Weil er aber doch glauben möchte, daß die kolchosischen Dixieländer es nicht so streng gemeint haben, ist er später noch oft unterwegs, um in den Erlässen der Stadtkommandantur nachzusehen, ob die echten dixieländischen Wartburgen mit den guten Pipos, Pipas (Pipaos, Musipos etc.) nicht ausnahmsweise zugelassen seien. Seine Erwartungen werden nirgends bestätigt.

    Aber vielleicht war die Dixiebahn erlaubt? Vielleicht gaben die Kolchosischen ihre Zustimmung zu Charleston, Boston, zu jeder Art von Fuchstritt aus dem Häuschen? In solch einem Fall hätten sich die dixieländischen Wartburgen, deren historische Aufgabe doch eigentlich nur darin bestand, den Dixiebahnverkehr gegen Mamassachlissi (gegen die Häuschen) zu sichern, allerdings erübrigt. Leider sprechen die kolchosischen Erlässe und Aufrufe an die deuxe Bevölkerung ausschließlich nur davon, Häuschen, nicht aber auch die Dixiebahn aufzubauen. Diese wird bei der späteren Bodenreform und anderen ähnlichen kolchosischen Erneuerungen gar nicht in Betracht gezogen. Aber weil die kolchosischen Dixieländer sich doch in den deuxen Häuschen als gute Vickers vorgestellt hatten, glauben die Kapitäne Wakusch und Hans Georg zuerst immer noch an die reale Möglichkeit und Zulässigkeit einer freien Dixiebahn in Kolchos. Sie sagen sich auch, daß es vielleicht unpassend wäre, den unbegrenzten Dixiebahnverkehr durch ein Manifest zu dekretieren, daß man unter den Kolchosischen sicher stillschweigend und allmählich dazu übergehen würde. Doch bei den Freunden schwindet diese Hoffnung, je mehr Wasser die Spree hinunterfließt. Die erste kalte Dusche, welche die Kapitäne empfangen, ist von dem neu begründeten deux-kolchosischen Zeitungsorgan »Neues Häuschen«, Wie klar daraus hervorgeht (meistens auch zwischen den Zeilen zu lesen ist), sind Wartburg und Dixiebahn aus dem neuen Häuschen so gut wie ausgeschlossen. Nicht einmal für Specchios findet sich darin Platz. Das neue Häuschen hat auch keine Fenster oder Durchgänge auf seiner rechten Seite (in Richtung Charleston, Boston) und ist auf die Dixieländer jenes Flügels schlecht zu sprechen.

    Die zweite Enttäuschung für die Kapitäne, wie auch überhaupt für alle deuxen Pipos, Pipas ist die bestürzende Schwerhörigkeit der Kolchosischen in Sachen Dixieländer (Musik). Zwar haben sie hunderterlei Anweisungen darüber, wie man sein Häuschen sozialistisch bewirtschaften muß, aber sie haben keinen einzigen Schlager, der sich in den deuxen Sprechzimmern intonieren ließe. Sie kennen auch bloß die klassischen Foxtrotts (Tango, Walzer und ähnliches) und machen die anderen, neuen, aus Charleston und Boston gezogenen Tanzschritte einfach nicht mit. Darum ist es in den Kakadus, die sich gleich nach Kriegsschluß überall, sogar in Ruinen, eingenistet haben, meistens furchtbar langweilig. Man spielt da vor allem das, was den Kolchosischen lieb ist, nämlich Soldaten- beziehungsweise Zigeunerlieder, wie »Katjuscha«, »Schwarze Augen«, »Danke, Herz, daß du so lieben kannst« (einmal hört der überraschte Wakusch auch Ssuliko) und ähnliche, für die Dixiebahn völlig ungültige Weisen. Daher waren die Kakadus, solange Kolchosische drin saßen, wie ausgestorben, das heißt von Pipos, Pipas nur sehr wenig besucht. Das kolchosische Unterhaltungsprogramm konnte in den deuxen Sprechzimmern gar keinen echten Widerhall finden, weil hier nämlich Radio Charleston, Boston schon lange (seit 1927) vorgebaut: seine eigene, schillernde Dixiebahn provisorisch abgesteckt hatte, weil diese Bahn, über die Kriegsjahre durch Tausende von entsprechenden Wartburgen gestützt, auch jetzt, nach dem Einmarsch der kolchosischen Vickers, immer noch die Hauptstraße zwischen Pipos und Pipas war. Deshalb schalteten die Kakadus – wenn sich keine oder wenige Kolchosische dort befanden – immer gleich auf die richtigen, zumeist aber auch selbst von Pipos, Pipas gespielten Dixieländer um; dann war Schluß mit den schwarzen Augen, und es wurde gejazzt bis zur Bewußtlosigkeit. Daß die Kolchosischen solche Seitensprünge in den Kakadus nicht gleich bei sich verboten, erklärt sich aus ihrer Gründlichkeit: Sie verändern zuerst stets die ökonomische Basis des Häuschens und entfernen erst viel später auch seinen ideologischen Überbau: Specchios, Fuchstritt, Dixieländer etc.

    Die dritte Enttäuschung erfahren die Kapitäne durch kolchosische Filme, welche jetzt in den paar heil (stehen-)gebliebenen deuxen Lichtspielhäuschen über die Leinwand laufen. Sie hatten – weil selbst gewohnt, alle Lichtspiele als einen Teil der Dixiebahn zu betrachten, das heißt als einen glitzernden Specchio, der jeden sein Häuschen wenigstens für zwei Stunden vergessen läßt – erwartet, den Kolchos da in entsprechender Aktion, etwa die Vickers bei der Arbeit auf der Dixiebahn (auf den Philippinen, in Manila etc.) zu sehen. Statt dessen wird ihnen etwas ganz anderes, ihre Hoffnungen auf die linken Dixieländer völlig Niederschmetterndes geboten. Schon der Titel des Lichtspiels hört sich, obwohl er für die Kapitäne auch ein vertrautes Wort enthält und sie unendlich neugierig macht, ziemlich sonderbar an. Er heißt: »Die Kinder des Kapitäns Grant« und behandelt ein uraltes, historisch längst überholtes, für Pipos, Pipas in Deuxiland kurz nach 45 jedenfalls ganz unwahrscheinliches Thema: Ein schottischer Mamassachlissi (der Kapitän Grant), welcher irgendwo Schiffbruch erlitten hat, wird gesucht. Dergleichen mochte Mitte des 19. Jahrhunderts (wo der Film spielt) vielleicht noch möglich gewesen sein. Mitte des 20. aber, wo alle schiffbrüchigen Mamassachlissis dem sicheren Untergang geweiht sind und ruhig abgestrichen werden können, mußte die Geschichte von der Suche nach dem Kapitän Grant auf die Pipos, Pipas, Kapitäne den absurdesten aller Eindrücke machen. Die deuxen Kinder von 1945 fühlen nicht wie die Kinder des Kapitäns Grant, weil sie ihre versunkenen Mamassachlissis nicht mehr aus den Tiefen der Meere herausziehen können, wollen (abgesehen davon, daß diese Mamassachlissis, wenn sie noch leben, jetzt auf den Philippinen, auf den Archipelen des Stillen Ozeans etc. weit sicherer sind als in Deuxiland). Dem Film ist auch die altmodische, viel zu theatralische Inszenierung sehr abträglich: Es sieht so aus, als wäre er wirklich im 19. und nicht im 20. Jahrhundert gedreht worden. Sogar der an sich sehr gute kolchosische Schauspieler Tscherkassow in der Rolle des französischen Geographen Paganel, der im Film durch ein meterlanges Fernrohr andauernd nach dem verlorenen Kapitän und Mamassachlissi Grant Ausschau hält, kann die Handlung nicht lebendiger machen. Er wird von den Pipos genauso ausgepfiffen wie alle übrigen Personen des Lichtspiels.

    Der Film »Die Kinder des Kapitäns Grant« möchte, ebenso wie das dazugehörige, noch vor alters von Jules Vernes verfaßte Drehbuch gleichen Namens, irgendwie Stimmung gegen die rechten Dixieländer machen. Der schottische Kapitän und Mamassachlissi Grant, selbst unzufrieden über die Abhängigkeit Schottlands von Dixieland (von Charleston, Boston), will die Schotten in ein neues, freies Häuschen auf irgendeiner Insel im Weltmeer umsiedeln. Dieser edlen Aufgabe (deren Lösung viele Bösewichte aus Charleston, Boston, London unausgesetzt hintertreiben) sind alle Kräfte dieses Mamassachlissis und letztlich auch sein Schiffbruch gewidmet. Sein hohes Ziel werden – so verspricht es der Film – aber ganz bestimmt seine Kinder dereinst verwirklichen. Der kolchosische Film »Die Kinder des Kapitäns Grant« ist an der Spree das allererste Zeichen der schon etwas später mit ganzer Macht einsetzenden kolchosischen Propaganda gegen Charleston, Boston. Diese steckt da gewissermaßen noch in den Kinderschuhen, ist aber für den argwöhnischen Spürsinn der Kapitäne Wakusch und Hans Georg trotzdem eindeutig genug.

    Eine weitere, alle bisherigen Mängel resümierende Entmutigung erfahren die beiden Freunde dann noch, als sie am Bahnhof den langen Zug der Auswanderer in den rechten Flügel Deuxilands (nach Charleston, Boston) sehen. Es sind nicht nur Mamassachlissis (maskulin, feminin) darunter, sondern – und gerade das macht beide Kapitäne so besorgt – auch sehr viele Pipos, Pipas. Sie kennen verschiedene noch von Tullio her und geraten in ein Gespräch. Da zeigt sich, daß mehr als alle Einschränkungen der Dixiebahn durch die Kolchosischen der Film »Die Kinder des Kapitäns Grant« diesen Pipos, Pipas den endgültigen Anstoß gegeben hat umzusiedeln. Sie fürchten sich nämlich vor der Fortsetzung dieses – wie sie es selbst schon sehr gut verstehen – grenzenlosen Themas, vor dem sicheren Ruin der Dixiebahn und aller Lichtspielhäuschen durch die Kindeskinder, durch die Kinder der Kindeskinder, durch die Kindeskinder der Kinder der Kindeskinder von Kapitän Grant etc. Vergeblich versuchen die Kapitäne Wakusch und Hans Georg, alle (oder wenigstens einen Teil der) Pipos, Pipas am Bahnhof für die Wartburg zurückzuhalten, vergeblich mahnen sie die Pipos (Pipas), auch mit Hinweis auf die glorreiche Zeit unter Tullio, die Dixiebahn nicht zu verlassen: Der verheerende Eindruck, den die »Kinder des Kapitäns Grant« auf die Pipos, Pipas gemacht haben, ist zu groß und vertreibt sie aus dem Häuschen. Nach diesen und ähnlichen Abzügen fällt die Dixiebahn, welche unter den Kolchosischen ohnehin nur sehr locker bestanden hat, völlig auseinander. Wenn noch irgendwelche zusammenhängenden Streifen von ihr weiter existieren, so nur in der Form völlig abgerüsteter (von Charleston, Boston und ähnlichem meilenweit entfernter) Kindergärten des Kapitäns Grant.

    Die Kapitäne Wakusch und Hans Georg sind jetzt wieder hauptsächlich auf ihre Trichter angewiesen, wenn sie die echten Dixieländer (von charleston-bostonschen Vickers) wollen. Das ist seit Kriegsende auch viel einfacher, diese Dixieländer haben ihre Sender in direkter Nachbarschaft, in Bonn (jetzt Bonnston), eingerichtet und funken ungestört herüber. Am liebsten schaltet sich Wakusch auf seiner alten kolchidischen Wartburg die American Forces Network an und genießt die von diesem Netzwerk besonders kräftig ausgestrahlte Dixiebahn. Von dort kommt wieder die Musik, die sich ohne weiteres aufnehmen und weitergeben läßt, von dort kommt wieder der Fuchstritt wie ein neues, phantastisches Erdbeben über (unter) allen Häuschen der Welt. Durch die unausgesetzte Übung in den langen Jahren seit zirka Goglimogli 37 ist Wakusch, wie übrigens jeder andere Pipo seiner Klassennummer, jetzt schon fähig, Charlestonisch einigermaßen zu verstehen und zu plaudern. Wenn die charleston-bostonschen Vickers auch selbst noch nicht an der Spree vertreten sind, so gelangen doch schon ihre schillernden Kurzwaren über die Dixiebahn dorthin: Specchios in der Form von bücherdicken, bisher (seit 27) in Deuxiland noch nie gesehenen Zeitschriften. Eine heißt »Life« (Leben) und wird von allen Pipos, Pipas bei den teuersten Schiebern (dixieländischen Kurzwarenvermittlern) ohne Zögern abonniert. Sehr gefragt sind die bunten charlestonschen Zigarettenpäckchen Camel, Pal Mall, Navy Cut und andere, aus denen alle Pipos, Pipas paffen. Ja sogar charlestonsche Abzeichen, bostonsche Uniformstoffe und Soldatenstiefel werden verkauft. Mehrmals glaubt der überraschte Wakusch, vor echten Vickers aus irgendeiner Airborne Division zu stehen, die aber in Wirklichkeit bloß auf charlestonisch (bostonisch) herausstaffierte deuxe Pipos sind. Der Irrtum von Wakusch ist verzeihlich, denn das Gerücht, daß die Charlestonschen (Bostonschen) nun auch bald an der Spree installiert werden, liegt hartnäckig in der Luft. Anstelle dieser von Pipas, Pipos so heißersehnten Vickers trifft vorerst aber noch etwas ganz anderes ein, nämlich ein Lastwagen voller abgezehrter Konzentrationslager-Häftlinge, alle Opfer des alten Häuschens.

    Sie halten ein Spruchband mit der Aufschrift: »Wir kommen aus Sachsenhausen«. Wakusch ist entsetzt von dem gespensterhaften Aussehen dieser Menschen. Doch sie haben scheinbar noch immer nicht genug von Häuschen, denn einer von ihnen beendet seine kurze Ansprache mit einer Handbewegung gegen die Ruinen rings umher und mit den Worten: »Wir werden aus diesem Trümmerhaufen zusammen ein neues Häuschen aufbauen!«

    Opfer des alten Häuschens begegnen jetzt übrigens häufig. Viele von ihnen werden nach dem alten Gesetz »Auge um Auge, Zahn um Zahn, Häuschen um Häuschen« in die Wohnungen solcher deuxer Mamassachlissis eingewiesen, welche den kolchosischen Militärdienststellen als alte Anhänger des Goglimogli Nummer 27 bekannt(gemeldet) werden. Diese Mamassachlissis (genauer Exmamassachlissis) müssen jetzt mit der schäbigsten Ecke ihres Häuschens vorliebnehmen und noch froh sein, wenn man sie nicht gleich von der Stelle (von Häuschen) weg verhaftet. Der Aufschub ihrer endgültigen Aus(und Um-)quartierung dauert aber nicht allzu lange: Die linken Dixieländer haben nämlich schon leise angefangen, ihr Netzwerk zu besichtigen, seinen Inhalt zu klassifizieren und – wo es nötig ist – zu liquidieren. Viele von ihnen sieht man jetzt auch meistens nicht mehr in Uniform, sondern in Zivil herumgehen und die Tatbestände aufnehmen. Manche haben sich – was untrüglich auf ihre Absicht, länger, vielleicht für ewig, dazubleiben, hinweist – auch ihre Familien (Frau, Kinder, Großpapamamassachlissi) aus Kolchos nachkommen lassen und wohnen in halbprivaten Kasernenhäuschen außerhalb der Stadt.

    Eine große, von allen Haus- und Straßenobleuten (diese sind meistens aus den Opfern des alten Häuschens rekrutiert) betriebene Registrierung ist im Gang, welche den Kolchosischen am Ende genau zeigen wird, wie viele Häuschen und wie viele Wartburgen sich auf jeder Straße befinden, wie die Goglimoglis, besonders der Goglimogli Nummer 17, in den bezeichneten Gebäuden verteilt sind, und ähnliches. Es existieren auch schon sehr kitzlige Frageformulare für Mamassachlissis und Exmamassachlissis, wo sie angeben müssen, wann, wie und unter welchen Umständen sie ihre Häuschen oder Wartburgen erworben beziehungsweise verloren haben, usw. Zwar geht die Registrierung nur sehr langsam voran – einmal wegen der schweren Zerstörungen in Bezirken (von außen sehen viele Ruinen völlig leer aus, wenn man sie sich aber näher beguckt, sitzt da stillvergnügt Mamassachlissi oder Exmamassachlissi drin) und zweitens deswegen, weil alle Mamassachlissis beziehungsweise Exmamassachlissis in den Häuschen, Wartburgen es jetzt eh abstreiten, jemals etwas mit (gegen) Goglimoglis zu tun gehabt zu haben –, aber die kolchosischen Dixieländer sind in Fragen der Hausordnung die gründlichsten: Sie drehen lieber jeden Stein zweimal um, bevor sie ihn zurücklegen.

    Wenn dann die ersten Wahlen der neuen Stadträte beginnen, wenn dann auf den Versammlungen des neuen Magistrats die Abgeordneten ihre konkreten Vorschläge zu dem Wiederaufbau des Landes machen und etwas später noch die KPD sich mit der SPD feierlich vereinigt, verschwinden ganz langsam, von der Öffentlichkeit zuerst auch völlig unbemerkt, die ersten Mamassachlissis aus ihren Häuschen: Sie werden auf Lastwagen gesetzt und weggebracht. Das ist nämlich das Aktionsprogramm der N.K.W.D., oder anders gesagt: des kolchosischen Sicherheitsdienstes, der jetzt schon; überall gut Fuß gefaßt hat und sich beinahe wie zu Hause (zu Kolchos) fühlt. Er hat in den deuxen Archiven über Goglimogli 27 ein mehrere Kilometer langes Verzeichnis aller aktiven deuxen Mamassachlissis beziehungsweise Vertreter selbigen Goglimoglis mit Adresse, Telefon usw. gefunden und holt sich die Leute nach dem Alphabet. Aber nicht nur die Ehemaligen (Mamassachlissis), von denen viele es übrigens wirklich verdient haben, in ein festeres Häuschen zu kommen, bilden das Ziel der Verfolgungen durch die N.K.W.D. Diese ist argwöhnisch gegen jeden, der von rechts, das heißt von den charlestonbostonschen Vickers kommt, welche bekanntlich nichts von Kolchos wissen wollen und überall in der Welt, in Deuxiland gleich nach 45, dagegen Front gemacht haben. Deshalb verhaftet die N.K.W.D. jetzt alle, welche ihre Vorliebe für die Charlestonschen, Bostonschen unverhüllt bekunden und dadurch bei ihr in den Verdacht geraten, geheime Sendlinge (Spione, Diversanten) solcher Vickers zu sein. In erster Linie sind das natürlich die Pipos (Pipas), die ihr auf der Deuxi(Dixie-)bahn Charlestonisch (Bostonisch) sprechend, Pal Mall rauchend, teils auch in charlestonbostonscher Uniform begegnen. Die dritte Kategorie aller von der N.K.W.D. Gesuchten sind jetzt auch schon die alten Exmamassachlissis von (mit) Wartburgen gegen den Goglimogli Nummer 17.

    Zwar bedienen sich die linken Dixieländer noch immer dankbar der Übersetzungen dieser Exmamassachlissis, aber häufig fordern sie nun ebenfalls die Übersetzer auf, doch etwas von sich zu erzählen, das heißt, sie stecken ihre grünen Hüte schon durch die Sprechzimmertür aller alten Exmamassachlissis und wollen Genaueres über deren Vergangenheit wissen. Die Exmamassachlissis, welche noch glauben, man frage sie aus mitleidsvoller Anteilnahme an ihrem rauhen Emigrantenschicksal, aus Bruderschmerz über ihr nunmehr beinahe dreißigjähriges Ausdem-Häuschen-Sein, geben gerührt Auskunft. Soviel Verständnis haben sie von den Kolchosischen nicht erwartet. In Momenten scheint ihnen sogar, daß die Gleichheit der Häuschen (Sprechzimmer) die Meinungsverschiedenheiten in Goglimoglis überbrücken kann. Die linken Dixieländer geben sich vorsätzlich auch bloß in einem sehr allgemeinen (vagen) Sinne patriotisch, das heißt, sie sprechen anfangs nur von Häuschen an sich und niemals von Häuschen für sich, zum Beispiel immer von Kolchis für Kolchis und nie von Kolchis für Kolchos und ähnliches. Dadurch noch sicherer gemacht, bitten die Exmamassachlissis die grünen Hüte, doch näherzutreten, und fordern sie sogar auf, es sich in ihren Sprechzimmern bequem zu machen. Dann folgen zuerst mehrere gemütliche Sprechstunden zu einer Flasche Wodka oder zu ein paar langen Kantzis mit Wein. Aber nach einiger Zeit müssen die alten Exmamassachlissis eine bestürzende Feststellung machen: Ihr kolchosischer Besuch in den Sprechzimmern geht nicht mehr fort. Er bleibt, ganz im Gegenteil, eindringlich sitzen und gibt den Gesprächen eine neue, für die Exmamassachlissis höchst unangenehme Wendung. Die Kolchosischen wollen nämlich auf einmal ganz andere Sachen wissen, zum Beispiel, wie es kommt, daß die Exmamassachlissis nicht dort sind, wo sie von Geburts wegen hingehören, das heißt in ihrem Häuschen am Aragus (und anderen Flüssen), was sie seit Goglimogli 27 in Deuxiland getan haben, und was bis 45 der Sinn ihrer dreistöckigen Wartburgen war.

    Wenn die Exmamassachlissis, die vor Schreck Farbe und Sprache verloren haben, nicht gleich fähig sind, eine Antwort zu geben, tun es die Kolchosischen für sie. Zugleich verändert sich auch die ganze Situation im Sprechzimmer: Die Kolchosischen sind dort auf einmal der Wirt mit hoher Rechnung für Exmamassachlissi, welcher, ähnlich einem geprellten Gast, sich jetzt soweit wie möglich aus seinem Sprechzimmer (Häuschen, aus seiner Wartburg) nach Charleston, Boston hin fortwünscht. Aber das geht nicht mehr. Denn vor dem Sprechzimmer ist eine kolchosische Wache aufgezogen, welche durch den Spion in der Sprechzimmertür alle fünf Minuten zu dem Exmamassachlissi hineinguckt und ihn von dort aufs Klo oder zum Verhör abführt. Da müssen sie vor unbeweglichen, grünen Hüten ihren Lebensweg (in und aus dem Häuschen) tausendmal erzählen, müssen jeden Schritt angeben (auch aufschreiben), den sie auf der Deuxibahn gemacht haben. Was sie dabei auslassen, nämlich ihre Antipathie gegen Kolchos, Sympathie für privates Häuschen und andere prinzipielle Werte der Emigration, das fügen sich die Kolchosischen selber ein, oder sie sagen es den leichenblassen Exmamassachlissis auf den Kopf zu. Wie sehr die Exmamassachlissis dann auch behaupten mögen, daß sie in Deuxiland bloß in einfachen Häuschen und nicht in Wartburgen oder vielleicht in Wartburgen, aber ohne gegen (für) irgendwelchen bestimmten Goglimogli gelebt hätten, die Kolchosischen wissen es besser.

    Sie werfen den Exmamassachlissis vor, in deuxen Konzentrationslagern kolchosische – russische, ukrainische, kolchidische usw. – Kriegsgefangene für den Goglimogli Nummer 27 angeworben zu haben. Sie bezeichnen ihre Wartburgen als Sammelpunkte für Deserteure aus Kolchos (Kolchis), als Schlangen(hemd)nester der Reaktion, deren einziger Zweck darin bestand (besteht), in allen Häuschen links und rechts den Goglimogli Nummer 17 abzudrosseln. Wenn die Exmamassachlissis diese Anschuldigungen abstreiten, nennen ihnen die Kolchosischen viele Kriegsgefangene, welche seinerzeit aus deuxen Konzentrationslagern in das Iß-mich und von dort auf kolchidische Wartburgen verteilt wurden, direkt beim Namen. Sie wissen in einigen Fällen sogar, welcher kolchosische Soldat bei welchem Exmamassachlissi wohnte, weil nämlich dieser Mann in die Hände der N.K.W.D. gefallen ist und Angaben gemacht hat. Da helfen keine Beteuerungen der Exmamassachlissis, sie hätten die Soldaten nur vor den Konzentrationslagern in ihre Häuschen retten, ihnen das Leben auf der Deuxibahn sanfter machen (erhalten) wollen. Die Kolchosischen nehmen, weil die Soldaten nämlich auch eingestanden haben, daß sie in deuxe Schlangenhemden gesteckt wurden, solche Ausflüchte nicht an. Die Exmamassachlissis müssen es sich dann gefallen lassen, als Handlanger des Goglimogli 27 klassifiziert zu werden. Die Kolchosischen schreiben auch schon an einer Anklageschrift für jeden einzelnen, an einem riesigen Sündenverzeichnis, das den Holzweg der Emigration von 1917 bis 1945 beleuchtet. Jetzt kann die Exmamassachlissis nichts mehr vor dem Todesurteil bewahren. Ihre Vergehen sind zu groß, und auch die Tatsache, daß sie die Kolchosischen anfangs so schön übersetzt haben, ist für sie kein mildernder Umstand.

    Alle diese Entwicklungen gehen an dem Exmamassachlissimus von Kapitän Wakusch – wohl weil er in Karlshorst (wo der kolchosische Generalstab seinen Sitzplatz hatte) mit zu den kostbarsten (genauesten) Übersetzern gehörte – zunächst vorbei. Seine häufig wochenlange Abwesenheit von der alten kolchidischen Wartburg (die sich Kapitän Wakusch mit Hilfe einiger Pipos aus der Nachbarschaft wieder einigermaßen zusammengeflickt hat) bedeutet noch nichts Böses: er wird nur von den endlosen Übersetzungen für die Kolchosischen, nicht aber von den Kolchosischen selbst (von der N.K.W.D. und ähnlichem) festgehalten. Die Kolchosischen bitten ihn gelegentlich auch mal, ein paar Überstunden zu machen; die werden dann aber nicht zum Übersetzen, sondern zu freundlichen Gesprächen in ebenso freundlichen Sprechzimmern (in Villen für kolchosische Offiziere und andere Würdenträger) benutzt. Diese Gespräche, welche sehr oft über einem reich gedeckten Tisch (Kaviar, kolchosische Kognaks, Weine) hin- und hergehen, sind thematisch alles andere als beängstigend, sie zeugen eher für die Großmütigkeit der kolchosischen Dixieländer, für ihre Nachsicht mit Exmamassachlissis. Nur empfehlen und loben sie – was ja bei ihnen ganz begreiflich ist – immerzu den Kolchos. Der Exmamassachlissi von Kapitän Wakusch achtet in allen solchen Fällen peinlichst darauf, daß ihm kein unpassendes Wort (über oder gar gegen Kolchos) entschlüpft. Er ist innerlich sehr zufrieden, mit den Kolchosischen in einen Dialog gekommen zu sein, was – das sagt er sich und ganz offen auch vereinzelten kolchosischen Offizieren – die ganze übrige Welt und in erster Linie die Emigration (alle Exmamassachlissis auf ihren Wartburgen in Deuxi-, Dixieland) erst noch zu lernen haben.

    Um auch seinen Sohn, den Kapitän Wakusch, für diesen wichtigen Dialog zu schulen, legt er ihm eines schönen Tages mehrere Lehrbücher des Kolchosischen vor und erklärt ihm für allen Anfang erst einmal das Alphabet. Da geht es anders zu: Das H ist ein N, das P ein R, das B ein W. Vereinzelte Laute schreiben sich aber auch fast so wie auf deuxi. Auf kolchosisch sieht der Name Wakusch ungefähr aus wie Bakum und die N.K.W.D. wie H.K.B.D. Für das kolchosische und für das kolchidische Alphabet beginnen sich übrigens auch manche alte deuxe Mamassachlissis (jetzt Exmamassachlissis) zu interessieren. So läßt zum Beispiel der Direktor von Wakuschs Schulhäuschen (dem halbzerschossenen, aber doch noch irgendwie funktionierenden Bismarckgymnasium auf der Pfalzburger [jetzt Wartburger] Straße) Wakuschs Erzeuger bitten, ihm beide Alphabete aufzuschreiben, weil er seinem Latein nun auch etwas Kolchosisch und Kolchidisch zufügen will.

    Aber weder der Direktor noch Kapitän Wakusch kommen noch richtig dazu, ihre ersten kolchosischen Vokabeln (wie spassibo = danke, choroscho = gut, plocho = schlecht) praktisch anzuwenden. Etwas bis dahin völlig Undenkbares, für viele (insbesondere deuxe) Exmamassachlissis schon gar nicht mehr Vorstellbares geschieht: Die kolchosischen Dixieländer ziehen plötzlich ab. Man sieht, wie sie aus den Häuschen, wo ihre Kommandanturen eingerichtet waren, mit Sack und Pack hervorkommen. Große, grüne Lastwagen bringen sie fort. Hinter dem Gros der beinahe über Nacht verschwundenen kolchosischen Besatzungstruppen rollen Nachzügler die Kabel und Telefondrähte zusammen, nehmen alle Plakate (Aufschriften) in kolchosischer Sprache von den Häuschen. Auf jeder Wartburg reibt sich der Exmamassachlissi verwundert die Augen. Er glaubt zu träumen, denn in der Geschichte sind die Fälle, wo die Kolchosischen freiwillig Häuschen räumten, an einer Hand abzuzählen. Als dann aber auch noch über dem Reichstagsgebäude die Fahne der linken Dixieländer (rotes Tuch mit Hammer und Sichel, das heute übrigens alle Häuschen schwenken, welche ihre Mamassachlissis abgesetzt haben, und das – erstaunlich genug – gerade ein Landsmann von Wakusch, nämlich der Kolchide Kantaria dort erstmalig aufgepflanzt hatte) eingeholt wird, besteht kein Zweifel mehr: Der Abzug ist Wirklichkeit.

    Die Kolchosischen gehen allerdings nicht ganz weg, sondern verfügen sich nur hinter das Brandenburger Tor. Doch gibt es in dem ganzen übrigen (westlichen Stadtbezirk) bis zum linken

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