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Die Kupferstecher der Renaissance
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eBook291 Seiten2 Stunden

Die Kupferstecher der Renaissance

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Über dieses E-Book

Dieses Werk beabsichtigt, dem Leser die Kunst der europäischen Kupferstecherei im 15. und 16. Jahrhundert näher zu bringen. Die Meister der Renaissance werden als Personen der künstlerischen Perfektion angesehen, häufig studiert und oft kopiert.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Dez. 2019
ISBN9781783106172
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    Buchvorschau

    Die Kupferstecher der Renaissance - Jp Calosse

    Bibliographie

    Einleitung

    In Russland entwickelte sich echtes Interesse für die europäische Druckgraphik erst im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts. Auf breiter Ebene begann man damals mit der Anlage von Sammlungen. Die der Eremitage entstand im wesentlichen gegen Ende des achtzehnten und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Dem damaligen vorherrschenden Geschmack entsprachen in erster Linie Arbeiten der führenden Meister der Hoch-Renaissance, sie galten als der Inbegriff künstlerischer Perfektion, die sorgfältig studiert und nachgeahmt wurden. Am vorzüglichsten sind in den Sammlungen des Museums Stiche der italienischen und deutschen Schule vertreten. Sie umfassen eine Reihe von Graphiken von Marcantonio Raimondi und Künstlern aus seinem Umkreis, Chiaroscuro-Holzschnitte aus dem sechzehnten Jahrhundert sowie zahlreiche prächtige Drucke Albrecht Dürers und eine Unmenge von Beispielen für die Kunst der sogenannten Kleinmeister. Dennoch gibt es Lücken, die aber wohl auf eingeengte Geschmacksvorlieben der Sammler im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert zurückzuführen sind. Die Eremitage besitzt keine Graphik aus dem frühen fünfzehnten Jahrhundert, die die Frühphase der Druckgraphik illustrieren würde, und nur wenige Arbeiten aus der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts. Ebenso fehlen Beispiele der niederländischen Graphikkunst des fünfzehnten Jahrhunderts. Sehr gering ist auch die Zahl von Blättern italienischer Künstler des Quattrocento und kaum vertreten sind französische Graphiken des fünfzehnten Jahrhunderts – für die letzteren zeigten die damaligen russischen Sammler kaum Interesse.

    Die Graphik-Auswahl für diesen Band richtet sich folglich nach der allgemeinen Zusammensetzung der Sammlung und spiegelt wohl oder übel deren Grenzen. Es wird demgemäß nicht der Anspruch einer umfassenden Darstellung der Entwicklung der graphischen Künste in Europa zur Zeit der Renaissance erhoben. Hauptziel des Buches ist vielmehr, ihre Aspekte im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert zu veranschaulichen und gleichzeitig einen Überblick über die Bestände der Eremitage-Sammlung zu geben.

    Stiche

    1. Meister E. S. (tätig um 1450–1467). Die Madonna auf der Rasenbank zwischen Ss. Barbara und Dorothea. Um 1450.

    Unter den frühesten in diesem Buch vertretenen Graphiken sind drei Arbeiten des berühmten deutschen Stechers Meister E. S., der um 1450 bis 1467 in der Schweiz und am Oberrhein, etwa zwischen Konstanz und Strassburg tätig war. Es handelt sich um Madonna auf der Rasenbank zwischen SS. Barbara und Dorothea (L. 75), Die Wappen-Dame (L. 235) aus dem Kleinen Kartenspiel und Der hl. Johannes auf Patmos (L. 15l).

    Madonna auf der Rasenbank zwischen SS. Barbara und Dorothea stammt aus der frühen Schaffenszeit des Künstlers, etwa 1450. Die Graphik wurde im fünfzehnten Jahrhunden wiederholt kopiert und auch als Ölgemälde-Vorlage benutzt. Ihre Beliebtheit verdankt sie hauptsächlich dem gewählten Thema, das bei den Zeitgenossen großen Anklang fand. Die hl. Barbara und die hl. Dorothea waren Märtyrerinnen, die den Tod erlitten, weil sie an ihrem christlichen Glauben festhielten. Sie rahmen Maria ein, die ihrerseits auf einer grasbewachsenen, aus Torf geformten und — Ausdruck ihrer Jungfräulichkeit — mit einem Geländer eingefassten Bank sitzend dargestellt ist. Es war die Absicht des Künstlers, durch das Nebeneinander der Muttergottes und zweier jungfräulicher Heiligen christliches Märtyrertum und Jungfräulichkeit zu preisen, die in jenen Zeiten eine große Anhängerschaft hatte.

    2. Meister E. S. (tätig um 1450–1467). Johannes auf Patmos. Um 1460.

    Der hl. Johannes auf Patmos (L. 15l) zählt zu den herausragenden erhaltenen Graphiken des Künstlers; bemerkenswert ist vor allem die Perfektion bei der Wiedergabe pflanzlicher und tierlicher Motive, die, was Präzision und Lebhaftigkeit betrifft, den besten Arbeiten des Meisters auf diesem Gebiet in nichts nachstehen, etwa den Tierfiguren auf Spielkarten. Obwohl der Stich aus der mittleren Schaffensperiode von Meister E. S. stammt, enthält er beabsichtigte archaisierende Elemente: um die Effekte früherer Drucke zu imitieren, wählte der Künstler nicht die bereits von ihm eingeführten Kreuzlagen bei der Schraffierung, sondern beschränkte sich auf von seinen Vorgängern zu einer Zeit angewandte Techniken, als das Metallgravieren noch in seinen Anfängen steckte.

    3. Meister E. S. (tätig um 1450–1467). Wappen-Dame. Um 1463.

    Hinsichtlich der Technik ist Die Wappen-Dame (L. 235) ein typisches Produkt der frühen Jahre um 1460, denn hier wendet der Meister Punzieren auf tief eingestochene Umrisslinien in Verbindung mit sehr leichter Schraffierung an. Von einer so vorbereiteten Platte konnte nur eine begrenzte Anzahl guter Abzüge gemacht werden. Bald nach dem Tod von Meister E. S. wurde die Platte von Israhel van Meckenem neu bearbeitet. Neben dem Blatt der Eremitage gibt es nur einen einzigen erhaltenen Abdruck der Wappen-Dame von der Originalplatte des Meisters.

    Trotz einer gewissen Starrheit der Haltung sind die Personen des Meisters E. S. nicht ohne Anmut und Lieblichkeit. Seine Arbeiten unterscheiden sich von den ausdruckstarken deutschen Stichen jener Zeit durch eine lyrische Abwandlung der Spätgotik und einen Anflug sanfter, melancholischer Stimmung.

    4. Unbekannter deutscher Meister des 15 Jhs. Die Darstellungen der Passion Christi. Blätter 1–8. Um 1470–80.

    Den Stil des Meisters E. S. beeinflussten die Arbeiten des Bildhauers Nicolaus Gerhaert van Leyden, der in die deutsche Skulpturenkunst den Gewandfalteneffekt, die Modellierung des Faltenwurfs einführte. Auch Gemälde von Rogier van der Weyden und seinen Schülern sowie vor van Eyck entstandene Miniaturen der französisch-flämischen Schule hatten ihren Anteil an der Ausformung dieses Stils. Meister E. S. übte seinerseits einen starken Einfluss auf die Kunst seiner Zeit aus, dies geht aus der großen Anzahl von Kopien seiner Drucke hervor, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Niederlanden und Italien angefertigt wurden. Manche auf ihn zurückgehende Motive wurden häufig in der Bildhauerei und im Kunstgewerbe aufgegriffen. Die Folge der Rundbilder mit den Passions-Szenen im Besitz der Eremitage — vermutlich die einzige erhaltene Kopie eines Blattes (L. 20l) von Meister E. S. aus den Jahren 1470 — ist ein weiterer Beweis seiner außerordentlichen Beliebtheit zu Lebzeiten.

    Martin Schongauer (um 1450–1491) war der erste deutsche Bildstecher, auf den die Bezeichnung »Genie« zutrifft. Sein Werk ist in der Eremitage-Sammlung umfassender vertreten als das von Meister E. S. In diesem Buch sind Schongauer-Stiche aus verschiedenen Schaffenszeiten abgebildet, so dass ein allgemeiner Überblick über die Entwicklung seines Stils vermittelt wird.

    5. Martin Schongauer (um 1450–1491). Christus als Schmerzensmann zwischen Maria und Johannes. Um 1471–73.

    Christus als Schmerzensmann zwischen der Jungfrau Maria und dem hl. Johannes (L. 34), etwa zwischen 1471 und 1473 entstanden, dürfte der früheste unter allen uns bekannten Stichen Schongauers sein. Wie in der niederländischen Kunst ist auch hier eine mystische Szene in einen Architekturrahmen gestellt und wie durch ein Kirchenfenster gesehen: eine Anspielung auf die Kirche als das Haus Gottes.

    6. Martin Schongauer (um 1450–1491). Die Anbetung der Könige. Um 1470–75.

    7. Martin Schongauer (um 1450–1491). Der Auszug zum Markte. Um 1470–75.

    Auch Die Anbetung der Könige (L. 6) und Die Flucht der Heiligen Familie (L. 7) für die Marienleben-Folge (L. 5–8), etwa zwischen 1470 und 1475 gescharfen — zwei weitere Frühwerke dieses Meisters — sind stark von niederländischem Einfluss geprägt. Manche Kompositionselemente erinnern an die Arbeiten von Rogier van der Weyden, Hugo van der Goes und Dierick Bouts: vergleichbare Charaktere, Figurenfülle und die Landschaft in der Ferne, das alles wie von einer erhöhten Warte aus gesehen. Diese Anleihen bei der flämischen Kunst wandelt das individuelle Temperament des Meisters ab, so dass die Zeichnung in kraftvollem, rein Schongauerischem Stil erscheint. Teile des Landschaftshintergrunds lassen, wie auch in dem berühmten Stich Der Auszug zum Markte (L. 90), eine wahrhaft neue Einstellung erkennen: sie stützen sich auf die unmittelbare Beobachtung der Natur und waren wohl sogar in Skizzen vor dem Motiv festgehalten worden, in denen der Stecher die lineare und luftige Perspektive erfasste. Solche Neuerungen finden sich gepaart mit traditionellen Kunstgriffen, die Umrisse der kahlen Felsenklippen z.B. sind eine Variante des in den Andachtsbildern der Zeit üblichen Schemas. Schongauer besaß eine einzigartige Kompositionsgabe. In Die Anbetung der Könige (L. 6) ist die Wiedergabe der Ferne so berechnet, dass sie eine Vorstellung von der von den Weisen aus dem Morgenland zurückgelegten Strecke vermittelt. Die Prozession der von weither Anreisenden ist in dem Moment festgehalten, als sie den Fuß einer nackten, unwegsamen Bergkette umrundet haben und nun geradeaus auf den Betrachter zukommen. Die Reiter in orientalischen Gewändern überragen die Menge und lassen die zu Fuß Gehenden unbedeutend erscheinen oder entziehen sie dem Blick, so dass nur hier und dort einige Köpfe sichtbar sind und der Eindruck vermittelt wird, dass der Zug endlos ist und sich ins Unendliche fortsetzt. Diesen kompositorischen Kunstgriff übernahm Dürer in seinem gleichnamigen, um 1504 geschaffenen Holzschnitt (B. 87).

    8. Martin Schongauer (um 1450–1491). Die Flucht Nach Ägypten. Um 1470–75.

    Die Flucht der Heiligen Familie (L. 7) ist eines von Schongauers Meisterwerken. Die Detailwiedergabe ist streng lebensgetreu und akkurat, dennoch greift er gleichzeitig auf den allegorischen Bildkanon zurück: jeder Gegenstand ist nicht eine dem Künstler zufällig ins Auge gefallene Einzelheit, sondern wurde wegen seiner spezifischen symbolischen Bedeutung gewählt und kann als Schlüssel eines religiösen oder poetischen Konzepts verstanden werden. Schongauers Deutung der Episode zeigt seine Vertrautheit mit den apokryphen Schriften, insbesondere der als Historia de Nativitate Mariae et Infantia Salvatons (XX) bekannten, die Kindheit Christi und die Wundertaten jener Zeit beschreibenden. Aus dieser Quelle schöpft der Künstler, wenn er Palmen mitten in der Wüste als Antwort auf die Gebete des Jesuskindes abbildet, unter denen die Flüchtenden Schutz vor den sengenden Sonnenstrahlen finden und Labung erhalten.

    Links im Bilde steht der Drachenbaum, in der damaligen Vorstellung mit dem Baum des Ewigen Lebens aus dem Paradies in Verbindung gebracht. Einer spanischen Legende zufolge, die den Inhalt der apokryphen Historia aufgreift, drangen während der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten böse Geister in Drachenform in den Baum, um sich von den Vorbeikommenden anbeten zu lassen; doch als Christus sich näherte, warf der Baum sie hinaus und verneigte sich vor ihm in Dankbarkeit.

    Am Stamm des Baumes und an seinem Fuß hat Schongauer Eidechsen abgebildet, Geschöpfe, die traditionell den Drachen gleichgestellt wurden, z.B. in Hieronymus Boschs Garten der Lüste oder Der Garten irdischer Freuden (Prado, Madrid): auf dem linken Tryptichon-Flügel ist der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse dargestellt, die Schlange, die sich um den Stamm windet und satansgleiche Salamander ähneln den Eidechsen in Schongauers Stich. Diese feuchten schuppenlosen Kriechtiere wurden mit den Drachen auf eine Stufe gestellt, ein Detail, das zeigt, dass Schongauer nicht nur die berühmte apokryphe Schrift in Bilder umsetzte, sondern auch die erklärende Legende vom Sieg über die Mächte des Bösen, die beim Nahen Christi flohen. Die Historia de Nativitate Mariae et Infantia Salvatoris berichtet, wie der Heiligen Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten von freundlichen Tieren, geholfen wurde. Schongauers Landschaft enthält mehrere solcher Tierfiguren, ebenfalls Träger einer allegorischen Bedeutung und in gewissem Sinne Ausdruck der pantheistischen Tendenz, die der christlichen Mythologie innewohnt. Der Hirsch, Symbol des nach Gott dürstenden und glaubenseifrigen Christen, zählte zu den vorrangigen Emblemen Christi, ein Emblem so alt wie der Fisch und das Lamm. Der Papagei, Zeichen für Güte und Wohltätigkeit, galt als ein Emblem der Jungfrau Maria.

    Auf Schongauers Interpretation der Flucht nach Ägypten folgte etwas später die Darstellung Dürers, der dieses Thema in einem Holzschnitt von 1504 behandelte und dieselbe literarische Quelle, jedoch mit noch mehr Einzelheiten illustrierte, denn nicht nur Palmen, Drachenbaum und

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