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Storch und Amsel
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eBook157 Seiten1 Stunde

Storch und Amsel

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Über dieses E-Book

Für den Schreiber, Denker und Dichter Giacomo Leopardi sind Vögel "die fröhlichsten Geschöpfe auf der Welt" – von den volatilen Wesen bezaubert ist auch unser Autor. So rät er einer möglichen Leserin dieser Schrift, im Freien oder zumindest bei geöffnetem Fenster zu lesen. Möge es ihr gelingen, sich durch bloßes Gezwitscher in den einen oder anderen Vogel zu versetzen, ihn, der beides kann – fliegen und singen.

Die Methode ist denkbar einfach: Hie die jeweils taxonomisch vorgeführte Spezies und da der Autor. Ob flugtauglich oder nicht, einerlei, sie treten auf, schlüpfen in eine Rolle und sprechen. In Form von Prosavignetten gelangen wir ins Innere einer Zwiesprache. Der Autor, der als Mensch einer viel zu aufgeblasenen Spezies angehört, tritt in diesem Buch verblüffend zurück. Es gibt viele Gründe, warum Vögel zu uns sprechen – sie tun das im Übrigen manchmal so lange, bis uns das Grinsen vergeht. Wenn wir nicht in uns gehen und bei den Vögeln sind, werden wir nie erfahren, welche Botschaft sie singen.

Indes, der Vogel bleibt, so wie der Mensch, ein Mirakel. Gegenstand der Neugierde bleibt der Vogelflug für uns allemal. Nur selten fliegen sie im Kreis. Wir, die wir laufend im Kreis gehen, wissen nicht, was kommt und ob wir uns nicht doch auf die Auflösung der Zeit zubewegen. Am Vogelgezwitscher erkennen wir die vielen unterschiedlichen Bedeutungen unserer gegenwärtigen Fragen.
SpracheDeutsch
HerausgeberWieser Verlag
Erscheinungsdatum1. Okt. 2019
ISBN9783990471067
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    Buchvorschau

    Storch und Amsel - Ingram Hartinger

    Welt?

    Wider die Beschwichtigung

    Like a bird on the wire

    Like a drunk in a midnight choir

    I have tried in my way to be free

    Leonard Cohen

    Die auf dieser Erde lebenden Vögel mögen es dem Verfasser, der als der Sterbliche selbst immer noch Grünschnabel im Leben und ein unverhohlener Pechvogel im Glück ist, verzeihen, dass sie ihm für dieses Buch vielfach als anthropomorphe Wesen dienen, sagen wir herhalten mussten, wenngleich er keine Sekunde auf sie vergaß – immer flatterten oder flitzten sie auf paralleler Bahn liebevoll in seinem Kopf herum. Pechvogel – gibt es den überhaupt?

    Er, der beschämt und entbrannt zugleich sowohl der Schönheit als auch dem schöpferischen Einfluss der Vogelwelt verpflichtet ist, ließ sich auf das Doppelbild jener fragil erscheinenden Lebewesen ein, zum Zwecke einer zweifellos überspitzten oder artifiziellen Übung. Ja, es ist der leibhaftige Vogel, welcher in der heiligen Unendlichkeit fliegt – dort, wo Evolution gewissermaßen weitergeht. Jedes Mal lebendiger, noch tiefer, noch höher. Und es ist der Geist, der fliegt.

    Und es gilt: Welt begann ohne die Menschen, die Vögel waren zuerst, das Drama des Menschen und ein neuer Ton kamen viel später. Vogel und Geist navigieren seither in der Luft, und es ist der bekannte Vogelfaktor, der uns vor der Verfinsterung durch Wissenschaft rettet. Als würden sie mit Benjamin subtil uns erklären: »Wir haben nichts zu sagen – nur zu zeigen.« Geist und Vogel erzählen, um vage sichtbar zu werden, um die Zunge von ihrer steinigen Last zu befreien. »Wir sind mit der Seele und ihren Phänomenen vertraut wie der Vogel mit der Luft, in der er schwebt. Deutlichkeit ist oberflächlich und bloß formal«, so Thoreau. Der Mensch hat sein Einhausen nie richtig zustande gebracht.

    Vögel hingegen machen in ihrem Freiheitsdrang keine halbe Sache, sie sind Wesen sowohl mit als auch ohne Anhaltspunkt. Sie verweigerten sogar dem toleranten Pythagoras, entlang den vor lauter Mathematik irisierenden Seiten seines berühmten Dreiecks zu fliegen. Was machten sie stattdessen? Alert flogen sie über alles Konstruierte hinweg und ließen Pythagoras allein zurück mit seinem flüchtigen Leben auf dem Feld und auf Samos – schrieben eine Geschichte, mit der sie auf nichts hinauswollten, außer auf vogelhafte Sehnsucht nach luftiger Rebellion am zerzausten Rand des Seins.

    Andererseits, Sehnsucht macht Mensch und Ding unwirklich. Das Ersehnte als das Andere ist wie eine Vogelfeder, gelandet auf der Erde. Was ist für diese Feder erreicht? Alles zwitschert in einer Tour oder redet dazwischen. Das ist vielleicht wirklich, woher die Sprache gekommen sein mag. Und was will das Vogelherz des Sterblichen ihm sagen? Dass man Träume nicht fangen kann. Was für ein Rätsel ist dieses Da vom Sein. Und wie sich das Menschlein herausdrehen möchte aus dem Ganz des Übrigen – als zünde es sich selber ein Licht an mitten in der Nacht. Eines Tages weckte den fest Verwurzelten das fahrige Gezwitscher der Vögel. Es gibt keine Sicherheit, schon gar nicht die eines unendlichen Flugs oder eine im Flug.

    Man hat sich den letzten Schlüssen zu verweigern. Der Paradiesvogel muss, als Folge seines farbenfrohen flatterhaften Putzes, ständig gegen den Wind fliegen, damit seine langen, dicht an den Leib gepressten Federn seine Bewegungen nicht behindern. Das Herbeirufen, Herbeizitieren der Vögel, die im Flug und als Schatten selbst ein wenig Dreiecken gleichen, als Mittel oder Möglichkeit zu einer umschriebenen philosophischen Störaktion – Umkehrungen, Purzelbäume oder Paradoxien erfindend –, zerfleddert das Denken aus Stein und Beton, nicht aber die Heiterkeit der Luft.

    Das und nichts Geringeres ist es, was dem Verfasser, dem von seiner Fluguntauglichkeit überzeugten Non-Sapiens, in dieser heutigen Denk- und Geisteskrise vorschwebt. Spürt er einen Hauch von blöd machendem Dualismus, dann ist das nichts für ihn – wie tief steckt er doch selbst noch darin. Alte Steine und Vögel sind seine Leidenschaft. Mit Monolithen fühlt er sich verwandt. Wenn ein einziger Vogel fliegt, ist Boden unter den Füßen.

    Von ganzen Horizonten

    Ein neuer Tag. Zwei alte aufgedonnerte Vogelscheuchen begegnen einander auf einem Flugplatz. Keine von beiden kann sagen, ob man sich etwas einbilden soll, indem man neidisch von frisch-fröhlichen und frechen Vögeln spricht. Die Vogelscheuchen reden vor sich hin, ohne zu wissen, was sie da von sich geben. Typisch daher der Neid, können sie doch keine Höhen durchqueren.

    Eine chinesische Kliffschwalbe segelt unterdessen wie im Märchen unverblümt in den vorhandenen Flugraum. Eine der Scheuchen packt plötzlich aus Reue der politische Wahnsinn, indem sie besagten Raum samt schlitzäugigem Vogel weit von sich schleudert. Das Ergebnis landet im Überall – auch im Buch.

    Redet die bewusste Seele jetzt mit sich selbst oder nicht? Würden die Scheuchen fliegen lernen wollen, schaute die Geschichte ganz anders aus. Mehr und mehr werden Vogelscheuchen in der Folge von Albträumen geschluckt, bis an diesem Ende die Vögel ganz frei sind und sich freuen.

    Der Traum des Flügellosen

    Freundlicher Wind, der von Osten kommt. Wolken türmen sich auf, wollen ein Wort formen – gar ein geflügeltes? Worte wie Wasser, das dann als überschwemmende Menge bedenklich aus dem Feld emporsteigt und denjenigen ohne Flügel ängstigt. Geheimnisvoller Buchstabe, klingend im Laut. Das ist wenig und viel zugleich.

    Tags davor ein nestelndes Rascheln im Laubwerk und ein tropischer Triumph, der das flatternde Traumwesen umgibt, neu kombinierend all das magisch Wahrgenommene. Das misstönige Krächzen der Dohlen, die verstohlen an ihm vorbeiflogen. Der Sterbliche heute dunkel, trüb, unergründlich.

    Sonderbar, er fühlt sich noch immer jung und hat immer mehr Beine wie ein Vogel. Er träumt vom Wort Vogel und bleibt dennoch in sich. Traum – was für ein Luxus im Denken. Flügge werden, das vielleicht. Dies ist mit wenigen Worten die Geschichte seines Lebens.

    Wieder hier

    Spärlich ein Epilog, ein verflochtenes Echo. Stößt da jemand eine Klage aus? Es war ein sommerheller Sonntag, und er lag im Liegestuhl, schattengeschützt auf der Terrasse. Sie war nicht mehr da. Abermals würde eine Trauerwelle auf ihn zukommen und ihn begraben. Wie den Kopf befreien von all den Abgründen und Unsinnigkeiten?

    Plötzlich segelte eine Schwalbe vor seinen Augen hin und her, knapp über dem Feld, und blieb eine ganze Weile dort. War sie also doch zurückgekehrt? Alles, was ihr Leben war, sah wie diese Schwalbe aus. Auf der Föhre hockte indessen ein unwirscher Rabe und in der Nähe das Nest samt verlassenen Jungen.

    Später würde er gesagt haben, dies sei nichts anderes als uralte Erinnerung an sie, die nun für immer fort. Die Kugel seines Gedenkens schlägt eine unregelmäßige Bahn ein, weicht seitlich ab. Dann öffnet sich die Tür des Seins. Und eine Meise meldet sich kaum hörbar von der Pappel.

    Lerchenschlag und Fichtensprossen

    Nichts geschieht? Oder ist alles schon vorbei? Seelenruhig verbannt zu leben – zwischen Orangenspalten und sonnigen Felsen, quasi im Neuen. Wie nach Belieben wohlauf sein? Wer ist er, dass er etwas tun kann? Das Selbsterlebt-Haben darf wohl bei allem Hören und Schauen nicht fehlen. Und sein Gedächtnis ist nicht seine Fantasie. Würde er schließlich auf Vogelfedern zu den fernen Planeten fliegen, mit Olivenblättern und Palmenblüten?

    Gegenwärtig schwankt er glaubenslos in größter Verdunklung. Mitten in der Ansammlung schierer Empfindsamkeit kommt ein Vogel geflogen. Setzt sich nieder auf seinen Fuß. Hat einen Zettel im Schnabel. Und von der Welt einen angestrengten Gruß: »Niemand muss hierbleiben.« Auch die Vögel schreiben die blutige Geschichte. Unsere Tage zittern wie die Blätter toter Bäume. Wann würden die Klassen aufhören? Aber die Zukunft immer noch offen durch ein Paar Augen.

    Mit Tao über den Fluss

    Schonungslos die Frage – weiß der Vogel im Käfig, dass er nicht fliegen kann? Jeder Vogel muss sich selbst aus dem Gefängnis befreien, das Alltagsgeschäft und Politik bilden. Aber es gibt nur wenige Menschen, die ihren eigenen Tod sterben.

    Ein Vogel mit dem seltsamen

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