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Hainberg: Kriminalroman
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eBook259 Seiten3 Stunden

Hainberg: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Unweit des Göttinger Hainbergs wird der Kunstwissenschaftler Marcel Hofmeister tot aufgefunden. Als bekannt wird, dass der Doktorand unter Plagiatsverdacht stand, gerät seine Doktormutter und Geliebte Arlene unter Mordverdacht. Auch der Immobilienhai Gartner war nicht gut auf den Toten zu sprechen, denn dieser verhinderte sein Bauprojekt. Da geschieht ein zweiter Mord und Kommissar Christian Heldt findet sich zwischen dubiosen Kunstliebhabern und in einem mörderischen Beziehungsgeflecht wieder.
SpracheDeutsch
HerausgeberGMEINER
Erscheinungsdatum11. Sept. 2019
ISBN9783839261309
Hainberg: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Hainberg - Dominik Kimyon

    Zum Buch

    Mord am Hainberg In der Nähe des Göttinger Hainbergs wird ein Toter gefunden. Es handelt sich um Marcel Hofmeister, Doktorand am Kunstgeschichtlichen Seminar in Göttingen. Zusammen mit seiner egozentrischen Doktormutter Arlene Rossberg soll er seine Doktorarbeit plagiiert haben. Als herauskommt, dass die beiden außerdem ein Verhältnis hatten und Marcel alles andere als treu war, gerät Arlene unter Mordverdacht. Schnell findet sich ein weiterer Verdächtiger: Immobilienunternehmer Tobias Gartner. Dessen neuestes Bauprojekt verzögerte sich, weil sich sein letzter Mieter – Marcel – weigerte auszuziehen. Dann geschieht ein zweiter Mord. Die Kommissare Christian Heldt und Tomek Piotrowski decken verworrene Verbindungen auf und sind sich bald nicht mehr sicher, wer sie hier an der Nase herumführt. Als wäre das nicht schon genug, gerät auch Heldts Privatleben aus den Fugen und einmal mehr muss er der Wahrheit auf den Grund gehen …

    Dominik Kimyon wurde 1976 in Duderstadt im Eichsfeld geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Nordhessen, doch mit Anfang zwanzig zog es ihn zurück nach Niedersachsen in die Universitätsstadt Göttingen. Dort studierte er Medienwissenschaft und Sozialpsychologie. Der Autor arbeitete als freier Mitarbeiter für eine Lokalzeitung und in der Werbebranche. Seit einigen Jahren ist er in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig. Mit feinem Gespür für menschliche Abgründe gelingt es ihm, Figuren zum Leben zu erwecken, die niemand in der eigenen Nachbarschaft haben möchte – die aber mit Sicherheit genau dort leben.

    Bisherige Veröffentlichungen im Gmeiner-Verlag:

    Stallgeruch (2017)

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    © 2019 – Gmeiner-Verlag GmbH

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    info@gmeiner-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten

    1. Auflage 2019

    Lektorat: Teresa Storkenmaier

    Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

    Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

    unter Verwendung eines Fotos von: © Christian / stock.adobe.com

    und © voobino / stock.adobe.com

    Druck: CPI books GmbH, Leck

    Printed in Germany

    ISBN 978-3-8392-6130-9

    Haftungsausschluss

    Personen und Handlung sind frei erfunden.

    Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

    sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

    Bestimmte örtliche Gegebenheiten wurden aus

    dramaturgischen Gründen leicht verändert.

    Kapitel 1

    Kondome, Taschentücher und Pfefferminzbonbons – Marcel hatte an alles gedacht. Er tastete den Beifahrersitz ab, ja, auch die Decke lag griffbereit. Sein Weg führte ihn durch das noble Göttinger Ostviertel, um hinauf zum Wildgehege im Stadtwald zu gelangen, und er hoffte, dabei nicht ausgerechnet Arlene zu begegnen. Nicht, dass sie sich ewige Treue geschworen hätten. Aber auf eine Diskussion, wohin er um diese Zeit unterwegs war, hatte er keine Lust. Sie legte bisweilen einen Ton an den Tag, der ihn an seine alte Musiklehrerin erinnerte. Für gewöhnlich störte ihn das nicht. Im Gegenteil, es machte ihn sogar ziemlich scharf, und sie wusste das nur zu gut für ihre Bedürfnisse einzusetzen. Jetzt war er es, der den einen oder anderen Befehl aussprechen und einfach genießen wollte.

    Seine Zeigefinger trommelten rhythmisch auf das Lenkrad, während er an einer Ampel auf Grün wartete. Es war gerade kurz nach acht, längst dunkel und die Straßen wie leer gefegt. Die hängen alle vor der Tagesschau, dachte er amüsiert. Ungesehen erreichte er die Schillerwiesen aus nördlicher Richtung, die verwaist zu seiner Rechten lagen und bis hinauf an den Wald grenzten. Der Märzabend war mild und die Narzissen verströmten einen verheißungsvollen Duft durch das heruntergelassene Fenster.

    Er hatte sie online kennengelernt. Eine dieser Apps, die er installiert hatte und deren Zweck allein darin bestand, willige Frauen zum Sex zu finden. Im echten Leben stand er auf reifere Semester. Doch wenn es um den Moment ging, waren ihm diejenigen lieber, die noch von ihm lernen konnten. Marcel ließ die Schillerwiesen hinter sich und bog in die Straße ab, die hinauf zum Wildgehege führte.

    Es war ein ungewöhnlicher Treffpunkt. Sie hatte ihn vorgeschlagen, nachdem er ihr verklickert hatte, dass seine Bude für ein Date absolut ungeeignet war. Das war zwar gelogen, aber er hatte keinen Bock darauf, dass seine Abenteuer etwas bei ihm vergaßen, den Slip, die Hausschlüssel, was auch immer, und ihn damit in Schwierigkeiten brachten. Außerdem mussten sie gar nicht so genau wissen, wo er wohnte. Ihm genügte, dass sie Fotos von sich austauschten.

    Treffpunkt war der Parkplatz oben bei den Wildschweinen und dann würde sie ihn zu einer Stelle beim Bismarckturm führen, wo sie garantiert ungestört sein würden. Er dachte an ihren Profilnamen, LippGloss. Mann, war er reif für diesen Abend! Arlene hatte ihn zuletzt arg auf Distanz gehalten. Die ganze Sache mit der Doktorarbeit legte sie geradezu trocken. Aber das war nicht sein Problem. Zumindest nicht heute.

    Die noch kahlen Bäume verengten sich über ihm zu einem Dach, als er die Straße hinauffuhr. Mit den Scheinwerfern scheuchte er das Unterholz auf, das bis zum Straßenrand wucherte. Rechter Hand blitzten die Lichter der Stadt durch die Zweige, je weiter er in den Wald hineinfuhr. Marcel lächelte, denn der Anblick erinnerte ihn an eine dieser amerikanischen Jugendkomödien, in denen das Traumpärchen immer irgendwo nachts knutschend von einer Anhöhe auf eine erleuchtete City schaute. Schon nach der nächsten Kurve war von Göttingen allerdings nichts mehr zu sehen. Marcel schaltete in den vierten Gang. Eine weitere Biegung folgte, und erst im letzten Augenblick sah er es: Auf der Straße lag jemand! Ein Quietschen, und der Wagen stand.

    Er drückte den Hebel nach vorne, das Fernlicht flutete die Szene. Da lag tatsächlich ein Mann. Neben ihm ein Fahrrad, die Katzenaugen an den hinteren Speichen reflektierten gespenstisch.

    »Hey«, rief er durch das offene Fenster.

    Keine Reaktion. Ach du Kacke! Er löste den Gurt, ließ den Motor laufen, damit das Licht an blieb, und stieg aus.

    »Alles in Ordnung?« Er ahnte, dass nichts in Ordnung war. Zaghaft ging Marcel einen Schritt auf den Mann am Boden zu. Bizarre Schatten seines eigenen Körpers verzerrten seine Bewegungen. Dann war er endlich bei ihm. Marcel ging in die Hocke und streckte die Hand aus. Da erkannte er es erst: Das war gar kein Mensch! Warum stopfte jemand eine Jeans und eine Jacke mit Stroh aus und legte sie hier im Wald auf die Straße? Er kratzte sich nachdenklich an der Stirn.

    Auf einmal schlug die Autotür zu.

    Marcel fuhr herum, das Licht blendete ihn. Da heulte der Motor auf.

    »Hey!«, rief er wütend und stand wieder auf.

    Im nächsten Moment raste das Auto auf ihn zu.

    Kapitel 2

    Christian Heldt sah in den Spiegel und setzte an. Im nächsten Moment färbte sich der Schaum rot. Mist, er würde aussehen, als habe ihn Edward mit den Scherenhänden attackiert. Nach der Rasur duschte er heiß, was ihn nur noch müder machte. Lieber noch, als auf die Eröffnungsfeier der Galerie seiner Ex-Freundin Ellen zu gehen, Sekt zu schlürfen und Häppchen in sich hineinzustopfen, hätte er sich aufs Sofa geworfen. Die eine Hand an der Fernbedienung, die andere in der Chipstüte. Aber das konnte er Joshua nicht antun, ihrem gemeinsamen Sohn.

    Er streifte sich ein weißes Hemd über und schlüpfte in ein Paar dunkle Chinos. Dann überließ er das Badezimmer dem Jungen. Der Countdown lief. Wenn sie nicht pünktlich waren, würde Ellen ihnen mindestens den Hals umdrehen. Endlich war Joshua fertig, und Christian musste bei dem Anblick lächeln: Für den großen Abend seiner Mutter hatte er sich richtig in Schale geworfen. Kapuzenpulli und Baggy Jeans waren einem schicken Outfit gewichen. Mit dem Gel hatte er allerdings übertrieben, kein Sturm der Welt hätte seine Haare durcheinanderwirbeln können. Er nickte anerkennend, als Joshua sich vor ihn stellte. »Jetzt aber los«, hielt er ihn zur Eile an. »Wir sind spät dran.«

    Es war bereits dunkel und in den schicken Stadthäusern des Stegemühlenwegs mit ihren dekorativen Simsen und Eingangstreppchen, den Eisengeländern an Balkonen und Stuckdecken in den Zimmern, leuchteten die Fenster. Sie liefen eilig weiter bis zum Fußgängertunnel, der sie unter der vierspurigen Bürgerstraße hindurchführte. Auf der anderen Seite tauchten sie an den Wallanlagen wieder auf, die die Innenstadt wie ein grüner Gürtel umringten und an dieser Stelle einem kleinen Park glichen. Abends war es hier nur mäßig beleuchtet und dadurch attraktiv für Menschen, die sonst nicht wussten, wohin. Als Christian die Punks sah, die bei den milden Temperaturen biertrinkend auf einer Bank herumlungerten, zog er Joshua dichter zu sich heran. Sie eilten vorbei und die Jungs prosteten ihnen zu. Christian hob grüßend die Hand, froh, dass Joshua bislang keinerlei rebellische Züge zeigte.

    Endlich standen sie vor der »Black Bear Gallery«. In bemerkenswert kurzer Zeit hatte Ellen das Gebäude in der Altstadt in ein wahres Schmuckstück verwandelt. Den heruntergekommenen Fachwerkbau in der Fußgängerzone, dem der jahrelange Leerstand nicht gutgetan hatte, hatte sie zu einem lichtdurchfluteten Tempel der Kunst umbauen lassen und dabei so viel Feingefühl bewiesen, dass sich das Gebäude dennoch nicht wie ein Fremdkörper in der Kurzen Straße ausmachte. Ellen wollte Göttingen zu einer der ersten Adressen des Landes für zeitgenössische kanadisch-indianische Kunst machen und nichts in der Welt hätte sie aufhalten können. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, musste sie es umsetzen. Das galt im positiven wie im negativen Sinn. Andere hätten seine Ex-Freundin vielleicht als stur bezeichnet. Doch davon war sie weit entfernt, wie er inzwischen wusste. Wenn sie den Ruf hörte, konnte sie nicht anders, als ihm zu folgen. Obwohl er allen Grund gehabt hätte, ihr immer noch dafür sauer zu sein, dass sie ihn und Joshua nach dessen Geburt allein gelassen hatte und zurück nach Kanada gegangen war, hatte sie ihn seit ihrer spontanen Rückkehr im letzten Herbst mit ihrem Tatendrang überrascht. Außerdem genoss er es, wie Joshua seither aufgeblüht war. Er hatte in all den Jahren zwar regelmäßigen Kontakt zu Ellen gehabt, doch über einen Ozean hinweg war es schwierig für beide gewesen, eine innige Beziehung aufzubauen. Der Junge war jetzt bald zwölf Jahre alt und allem Anschein nach war es nicht zu spät, dass seine Mutter wieder eine größere Rolle in seinem Leben einnahm.

    Vor der Galerie standen ein paar Gäste, die Hände wahlweise mit Sektgläsern oder Zigaretten bestückt. Er kannte niemanden von ihnen. Christian ließ Joshua vorgehen und sie bahnten sich einen Weg nach drinnen. Hübsche junge Menschen flogen adrett gekleidet über das Parkett und verteilten Getränke und Canapés, hier wurde herzhaft gelacht, da steckten Köpfe über dem neuesten Tratsch zusammen. Schultern wurden getätschelt, Begrüßungsküsschen verteilt und über allem schwebte der Duft der großen, weiten Kunstwelt. Er schnappte sich zwei Gläser – einmal Sekt und einmal Orangensaft – von einem vorbeischwebenden Tablett, gab den Saft seinem Sohn und gönnte sich selbst einen Schluck Alkohol. Dann entdeckte er, wonach er die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte: Tanja! Ahnte sie, dass sie ihn allein durch ihre Anwesenheit betörte? Sie trug eine enge schwarze Hose und eine ebenso schwarze Bluse, die zwar ihre Blässe unterstrich, ihr aber dennoch nicht zum Nachteil gereichte. Um den Hals hatte sie als Farbtupfer ein seidenes Tuch gelegt, das in allen Regenbogenfarben schimmerte. Ihr Haar trug sie offen und es fiel in sanften Strähnen auf ihre Schultern. Das Bild wurde nur durch ihren Klotz von Ehemann getrübt, dessen Krawatte windschief am Hals hing. Markus und Tanja standen vor einem Sockel, auf dem eine Skulptur aus Holz ausgestellt war.

    Christian konnte Markus Kratzer nicht ausstehen. Es war die schmierige, immer ein Stück zu großkotzige Art, die der Staatsanwalt an den Tag zu legen pflegte. Und es rührte natürlich daher, dass er mehr für Tanja empfand, als er sollte. Mehr empfand? Jetzt mach dich nicht lächerlich, dachte Christian. Verknallt bist du, bis über beide Ohren! Tanja holte ihn aus seinem geistigen Selbstgespräch:

    »Du kommst gerade rechtzeitig«, begrüßte sie ihn. »Was soll das deiner Meinung nach sein?«

    »Ja, Herr Kommissar«, mischte sich Markus ein. Er zeigte auf die Skulptur. »Womit haben wir es hier zu tun? Oder hat Ellen dir damals nicht nur die Ehre, sondern auch den Kunstverstand geraubt, als sie dich verlassen hat?« Seine Lache war dreckig, und obwohl niemand einstimmte, nickte er eifrig, um sich selbst zu bestätigen.

    Wäre Tanja nicht dabei, wären sie nicht unter so vielen Gästen mitten in der Galerie, Christian hätte ausgeholt und ihm die Faust ins Gesicht gedrückt. Stattdessen antwortete er: »Ich kann verstehen, dass es dir schwerfällt, Kunst wertzuschätzen. Das ist auch nicht leicht, da mache ich dir gar keinen Vorwurf. Es liegt nicht jedem, das Schöne, das Wertvolle wahrzunehmen, selbst wenn es direkt vor einem steht.« Er schaute Markus direkt in die Augen und blickte dann zu Tanja. Christian war klar, worum es hier eigentlich ging. Denn auf den Kopf gefallen war Markus Kratzer nicht. Es direkt anzusprechen, dazu war der Herr Staatsanwalt aber doch zu feige. Tanja zupfte verlegen an ihrem Halstuch, wohl in der Hoffnung, dass die Männer nicht in einen Streit gerieten.

    Christian besann sich seiner Manieren und wendete sich der Skulptur zu. Indianisch, überlegte er, das würde selbst der Dummkopf Markus erkennen. Ellen hatte zu Anfang ihrer Beziehung in unzähligen Stunden versucht, ihn in die Kunst der kanadischen Ureinwohner, der »First Nations«, wie sie sich stolz selbst nannten, einzuweihen. Welche Bedeutung ihre Schnitzereien hatten. Was die Reihenfolge der Figuren auf einem Totempfahl zu bedeuten hatte, solche Sachen. Viel war nicht hängen geblieben. »Das ist ein Adler, der auf einem Pottwal sitzt«, antwortete er, obwohl er sich nicht wirklich sicher war.

    »Streber«, hörte er es hinter sich. Sein bester Freund Fabian gesellte sich leichtfüßig zu ihnen, und sie alle lachten.

    Dann erklang ein helles Klimpern; jemand schlug mit einem Ring gegen ein Sektglas. Das Gemurmel erstarb, die Gäste schauten auf den Treppenabsatz in der Mitte der Galerie. Dort stand Ellen. Sie hatte sich für ihren großen Abend herausgeputzt, das rubinrote Kleid schmeichelte ihrer yogagetrimmten Figur, ihre braune Mähne hatte sie zu einem strengen Zopf gezähmt, mörderisch hohe Absätze machten sie noch größer, als sie ohnehin war. Ellen wirkte beinahe zu kosmopolitisch für die beschauliche Studentenstadt. Zugleich machte sie einen aufgeregt glücklichen Eindruck und er gestand sich ein, dass er sich für sie freute.

    Kaum, dass Ellen ihre Rede beendet und sich für ihren starken kanadischen Akzent entschuldigt hatte, brandete Applaus auf. Christian hatte das Gefühl, dass Joshua von allen am lautesten in die Hände klatschte. Bald schon waren die Gäste wieder auf ihre Gespräche konzentriert, das Gemurmel startete von Neuem. Joshua hatte sich inzwischen einen Weg zu seiner Mutter gebahnt und auch Christian seilte sich von Tanja und ihrem Ehemonster ab, um Ellen zu gratulieren. Weit kam er nicht.

    »Heldt«, brüllte Markus so laut hinter ihm her, dass er neugierige Blicke auf sich zog.

    Christian drehte sich um und sah, dass Markus ihn mit Handy am Ohr zu sich winkte. Was sollte das jetzt bedeuten?

    »Die Pflicht ruft«, sagte Markus, als er das Telefon in die Hosentasche gleiten ließ.

    Nicht jetzt, dachte Christian. Trotz seiner anfänglichen Unlust hatte er gerade die Kurve bekommen und Gefallen an der Feier gefunden. Er ging auf den Staatsanwalt zu.

    Markus zog ihn konspirativ näher zu sich heran und flüsterte: »Deine Kollegen von der Polizeiinspektion haben ein Osterei entdeckt.«

    Christian war sofort hellhörig. »Schon irgendwelche Details?«

    »Männlich, 30 Jahre alt. Liegt tot auf der Rückbank eines Autos.«

    »Herzinfarkt?«

    »Ich denke, das herauszufinden ist nicht mein Job.« Kratzer schaute genervt von Christian zu Tanja und zuckte mit den Schultern. »Diese Party ist für euch wohl vorbei.«

    Kapitel 3

    Tobias Gartner liebte gesellschaftliche Anlässe wie diese Galerieeröffnung. Oberflächliche Gespräche, belangloses Palaver über alles und nichts. Seine Frau konnte er schon lange nicht mehr dafür gewinnen, ihn zu solchen Feiern zu begleiten, und er verübelte es ihr nicht. Sie war dafür zu pragmatisch, es langweilte sie. Aber sie hatte sich auch nicht wie er darauf spezialisiert, sich auf das zu konzentrieren, was nicht gesagt wurde. Zu beobachten, wer mit wem wie lange beieinanderstand. Genau diese Beobachtungen waren seinem Geschäft äußerst zuträglich. Auf so einer Stehparty hatte er vor einigen Jahren einen Investor kennengelernt, mit dem er nun im Norden der Stadt ein ganz neues Viertel aus dem Boden stampfte. Er genoss es, diese schnöden Meet ’n’ Greets zu seinem Vorteil zu drehen.

    Er hatte sein Auto am Geismartor stehen, also nippte er nur ein wenig an dem handwarmen Sekt. Mit einem Anzugträger, dem die Brause nicht schnell genug nachgeschenkt werden konnte, war er ins Gespräch gekommen. Erst hatten sie über das Wetter geplaudert. Dann kamen sie auf das Baugewerbe zu sprechen und schließlich erwähnte der Typ Tobias’ Großprojekt. Er hätte sich da eine Goldgrube geschaffen, lobte er ihn angesäuselt, und er würde sich freuen, bei einem Kaffee über die

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