Deutscher Kaiser und Muslim?: Über die Beziehungen Friedrichs II. von Hohenstaufen zum Islam
Von Gerhard Goldmann
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Über dieses E-Book
Der Stauferkaiser Friedrich II. war die mit Abstand bedeutendste Persönlichkeit des europäischen Mittelalters. Folgt man der Argumentation von Ustad Tarik Knapp, so war er darüber hinaus auch "der größte Muslim deutscher Herkunft" (so zu lesen in der Zeitschrift "Morgenstern", Ausgabe 2/1996). Damit kommt der deutsche Diplomat und Mitbegründer von Bündnis 90/Die Grünen zum gleichen Urteil wie Jahrhunderte zuvor der arabische Chronist Ibn al-Furât.
In diesem Buch werden alle Informationen zusammengetragen, die zur Rolle des Islam in den drei Reichen des "größten Friedrich" überliefert sind. Zusammen mit den steinernen Zeugnissen, die uns der Staufer hinterlassen hat, ergeben sie ein neues und verblüffendes Kapitel der europäischen Geschichte des dreizehnten Jahrhunderts.
Gerhard Goldmann
Gerhard Goldmann kam 1957 im nordhessischen Gudensberg zur Welt und lebt seit 1994 in Rudolstadt an der Saale. Er ist verheiratet und teilt sein Leben außer mit seiner Frau noch mit etlichen Kindern und Enkeln, einer Chihuahua-Dame und einem sprachbegabten Graupapagei. Neben seiner Tätigkeit als Umweltwissenschaftler und Vorsitzender des AutorenVerbandes Franken kann er auf zahlreiche belletristische Veröffentlichungen im In- und Ausland zurückblicken, für die er u. a. beim Putlitzer-Preis 2008, bei der Stadtinszenierung Esslingen 2009 sowie beim Ralf-Bender-Krimipreis 2015 und 2017 ausgezeichnet wurde. Bei Books on Demand erschien von ihm bereits "Deutscher Kaiser und Muslim - Über die Beziehungen Friedrichs II. von Hohenstaufen zu Islam" (ISBN:978-3-7494-0631-9).
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Buchvorschau
Deutscher Kaiser und Muslim? - Gerhard Goldmann
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Der Islam im Königreich Sizilien
Der Islam im Königreich Jerusalem
Der Islam im Heiligen Römischen Reich
Muslime im engeren Umfeld des Kaisers
Weitere Berührungspunkte
Die Erben des Kaisers
Friedrich als katholischer Kaiser
Die besondere Rolle der Zisterzienser
Zisterzienser u. Muslime – Parallelen und Gegensätze
Exkurs: Das Achteck
Clé de voûte: Das Castel del Monte
Schlussbetrachtung
Chronologische Aufstellung wichtiger Ereignisse
Literaturverzeichnis
Einleitung
Friedrich II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, König von Sizilien und Jerusalem, starb am 13. Dezember 1250 im apulischen Castel Fiorentino, achtzehn Kilometer nordwestlich der von ihm gegründeten Sarazenen-Stadt Lucera. Bekleidet war er auf dem Totenbett mit der schlichten Kutte der Zisterzienser, die er auch zuvor schon gelegentlich getragen hatte. Doch als man seinen Sarkophag im Dom von Palermo 1781 unter Aufsicht der königlichen Altertumsverwaltung öffnete, fand man ihn bekleidet mit wertvollen Stiefeln, einer seidenen Dalmatika und einem mit den kaiserlichen Adlern bestickten Mantel. Beigefügt waren dem Leichnam ein Schwert in einer sarazenischen Scheide, die kaiserliche Krone und ein Reichsapfel, dessen Kreuz entfernt worden war. Aufschluss über die Herkunft der Kostbarkeiten gab eine arabische Inschrift auf dem leinenen Untergewand. Sie lautete: „Das ist ein Geschenk für den Sultan."
Somit stiftet der große Staufer selbst im Sarg noch Verwirrung über seinen Glauben. Seine religiösen Anschauungen waren schon zu seinen Lebzeiten Gegenstand der widersprüchlichsten Spekulationen und haben seitdem Heerscharen von Historikern und anderen Gelehrten beschäftigt. Des Öfteren wurde ihm unterstellt, ein „Anhänger des sarazenischen Glaubens, orientalischer Ausschweifung und ähnlicher Dinge"¹ zu sein.
Lassen wir drei Zeitzeugen zu Wort kommen:
Den Franziskanermönch Salimbene von Parma: „Glauben an Gott hatte er nicht."
Einen christlichen Zeitgenossen: „Deshalb hatten der Papst und alle anderen Christen, die es erfuhren, große Besorgnis und großen Verdacht, dass er zum Glauben Mohammeds übertreten wolle."²
Den arabischen Chronisten Ibn al-Furât³: „In jenem Jahr starb Kaiser Friedrich … Man sagt, dass der Kaiser insgeheim ein Muslim war."⁴
Der Monarch selbst stellte sich dagegen bei seinen öffentlichen Auftritten und in vielen erhaltenen Dokumenten gern als katholischer Kaiser und als oberster Beschützer der Christenheit dar – auch wenn Hans Niese 1912 zu dem Schluss kam: „Dass Friedrich den Lehren des Christentums ungläubig gegenüberstand, sollte nicht bezweifelt werden."⁵
In diesem Buch werden nun zunächst sämtliche Informationen zusammengetragen, die zur Rolle des Islam in den drei Reichen unter seiner Krone überliefert sind. Weiterhin wird durch eine genaue Analyse bekannter Tatsachen und Texte deren teilweise recht stereotype Interpretation durch westliche Historiker infrage gestellt und widerlegt. Die zuverlässigste Auskunft zur Religion des Herrschers gibt schließlich sein berühmtestes Denkmal, das apulische Castel del Monte. Wie der Schlussstein eines Gewölbes krönt es das aufgezeigte Konstrukt aus Indizien und Hypothesen und verwandelt es in ein solides Bauwerk, das der europäischen Geschichte eine neue Dimension hinzufügt.
Briefmarke zu Friedrichs
achthundertstem Geburtstag
¹ Gabrieli: Stupor mundi; nach Horst, S. 109
² nach Heinisch, S. 190
³ Die Transkription arabischer Namen und Ausdrücke richtet sich nach den zitierten Quellen und weicht daher teilweise voneinander ab. Weiterhin sind die emphatischen Laute und das gehauchte „h aus technischen Gründen ohne Punkt geschrieben. Das „gain
wurde zu „gh" und zur Markierung langgezogener Vokale wurde statt eines Querstriches ein Accent circonflexe verwendet.
⁴ nach Crespi, S. 301
⁵ Niese, S. 32
Der Islam im Königreich Sizilien
In Tunesien regierten von 800 bis 909 ⁶ die Aghlabiden als Statthalter der abbassidischen Kalifen in Baghdad. Sie waren es, die 827 in Sizilien landeten, die Insel für mehrere Jahrhunderte in den arabischen Raum eingliederten und das Land zu einer einzigartigen kulturellen und wirtschaftlichen Blüte führten.
Später geriet Sizilien in den Einflussbereich des ismailitischen⁷ Fatimiden-Staates, der von 909 bis 1171 weite Teile Nordafrikas und Westasiens umfasste. 948 wurde al Hasan Ibn ’Ali al-Kalbî zum Gouverneur der Insel ernannt, der Berater des fatimidischen Kalifen al-Mansûr. Er begründete die Dynastie der Kalbiden, unter denen die islamische Kultur auf Sizilien ihren Höhepunkt erreichte.
Von der engen Verbindung zur muslimischen Welt zeugen in Palermo bis heute einige Baudenkmäler aus normannischer Zeit. Allen voran das Lustschloss La Zisa (vom arabischen „al-Aziz" – die Strahlende), das in seiner Fassadengliederung an die Moschee der drei Tore in Kairouan erinnert. Der Pavillon der Cuba greift Stilelemente des Dar al-Bahr (Palast des Meeres) auf, der von den Fatimiden hundert Kilometer südlich von Bejaïa im heutigen Algerien errichtet wurde und später den Ziriden als Regierungssitz diente. Für die Piccola Cuba diente vermutlich ein Kiosk im Hof der großen Moschee von Sfax als Vorbild und die Kirche San Giovanni degli Eremiti (erbaut 1143) wirkt selbst wie eine Moschee. Sogar in den Domen von Palermo, Cefalù und Monreale sowie in der Cappella palatina des normannischen Königspalastes finden sich fatimidische Einflüsse.
Nur der Halbmond fehlt: San Giovanni degli Eremiti
Während Sizilien zweihundertdreißig Jahre von Muslimen regiert wurde, beschränkte sich der Machtbereich der Sarazenen auf dem italienischen Festland mehr oder weniger auf die zwei Brückenköpfe Bari (Emirat von 847 bis 871) und Tarent (842 bis 880 und 927 bis 967). Garigliano am Golf von Policastro war kaum mehr als ein Piratennest, und in Reggio reichte die Zeit gerade aus, um eine Moschee zu errichten.
1061 landeten die Normannen auf Sizilien, 1072 eroberten sie Palermo, 1090 als letzte größere Stadt Noto und 1091 befand sich die ganze Insel in ihrer Hand. Doch dieser Machtwechsel hatte auf das tägliche Leben zunächst keine größeren Auswirkungen. Schon zu Beginn der Eroberung handelte Emir Ibn ath-Thumnah, als dessen Verbündete die normannischen Söldner ursprünglich gekommen waren, Garantien für die Muslime von Ostsizilien aus. Im westlichen Teil der Insel ließen die neuen Herren große Gebiete sogar völlig unbehelligt und achteten lediglich darauf, dass die Bewohner keinen Widerstand leisteten und ihre Steuern entrichteten. So konnte sich südlich von Palermo eine rein muslimische Enklave erhalten, die nominell zwar den Bischöfen von Monreale und Agrigent⁸ unterstand. De facto aber wurde sie von der islamischen Dynastie der Hammudiden beherrscht, die der britische Historiker und Cambridge-Professor David Abulafia als eine Art „westsizilianische Pfalzgrafen" bezeichnet.
Der muslimische Einfluss blieb also zunächst unverändert und der arabische Historiker Ibn al-Athîr⁹ konnte über König Roger II. berichten: „Er behielt die Gepflogenheiten der muslimischen Könige aufrecht (durch die höfischen Einrichtungen) von dschanib (Feldadjutanten), hadschib (Kämmerer), silâhî (Knappen), dschândâr (Leibwächter) und Ähnlichem. Dadurch unterschied er sich von den Franken, die diese Einrichtungen nicht kannten. Am Hofe Rogers wurde auch ein Diwân al-Mazâlim (zuständiges Gericht für Gewaltverbrechen) eingerichtet, wo die Betroffenen Klage erheben konnten und der König Recht sprach – und sei es gegen seinen eigenen Sohn. Roger respektierte die Muslime: Er pflegte den Umgang mit ihnen und verteidigte sie gegen die Franken. Deshalb begegneten sie ihm mit Liebe."¹⁰
Die Normannen übernahmen in weiten Bereichen die islamische Kultur und Gesellschaftsordnung, insbesondere aber deren vielgerühmte Toleranz in religiösen Fragen – nun allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Die Muslime behielten ihre Moscheen, ihre Märkte und Stadtviertel.