Sprachwurzelgeschichten
Von Hemma Schliefnig
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Über dieses E-Book
Hemma Schliefnig
Hemma Schliefnig geb. 1971 wohnt im Lavanttal in Kärnten. Nach mehreren Büchern die slowenisch-deutschen Familienbiografien gewidmet waren, begibt sich die Autorin nun einer höheren Ebene, wie sie es bezeichnet. Der Natursprache, jener zwischen Mensch und Tier.
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Buchvorschau
Sprachwurzelgeschichten - Hemma Schliefnig
Hemma Schliefnig, geboren 1971
Landwirtin, Autorin, Vortragende,
Bildnerische Künstlerin, Biografieforscherin
Aufgewachsen zwischen den beiden Kärntner Landessprachen, ohne die slowenische ihr Eigen nennen zu können; ohne irgendeine Fantasie davon gehabt zu haben, dass „dieses Slowenische" nicht nur das Slowenische der anderen, sondern auch das eigene ist.
Hemma Schliefnig war zwei Jahre lang freie Radiomacherin bei Agora 105,5 mHz. Im Zuge ihrer Sendereihe hörte sie Monat für Monat Personen zu, die darüber erzählten, mit welcher Sprache sie groß geworden sind.
Die Lavanttalerin wollte in dieser Sendereihe durch teilweise sehr intime Einblicke in den familiären sprachlichen Alltag von Kärntnern und Kärntnerinnen sensibilisieren, wollte Empathie für Menschen wecken, die sich in zwei Sprachen zuhause fühl(t)en – oder auch nicht.
Von Hemma Schliefnig ist außerdem erschienen
„Meine Mama hat außer Windisch nichts Deutsch können."
(2018, Verlag Smoliner)
Schief gewachsen – wenn Wurzeln keinen Halt finden
(2013)
Flieg für mich!
(2016)
Verbotene Früchte im Paradies Kärntens jeweils Books on Demand, Norderstedt
(2018)
Inhalt – Sprachwurzelgeschichten
Dank
Lückenfüller (anstelle eines Vorworts)
Coverbild
Helene (geb. 1970) aus Eberndorf
Lückenfüller II
Anna (geb. 1969) aus St. Andrä im Lavanttal
Stefan (geb. 1972) aus St. Kanzian
Marjan (geb. 1963) aus Abtei
Nante (geb. 1923) aus Völkermarkt
Lückenfüller III
Marjan (geb. 1951) vom Magdalensberg bei Klagenfurt
Franc (geb. 1951) aus Aich/ Dob
Miha (geb. 1949) aus Ludmannsdorf/ Bilčovs
Milan (geb. 1968) aus Bleiburg
Mini (geb. 1934) aus Wolfsberg
Hermann (geb. 1950) aus Ruden
Quelle für die „Sprachwurzelgeschichten" aus Kärnten waren Gespräche für die gleichnamige Radiosendung des Freien Radiosenders Agora 105,5 mHz.
Jede einzelne Geschichte ist eine Momentaufnahme aus dem Zeitraum 2015/2016.
Nun, als literarisches Protokoll auf Grundlage der Gespräche, vermischt Hemma Schliefnig Originalzitate aus den Sendungen, ihr Nachgefühltes und historische Hintergründe, sodass die Sprechenden als Sprachrohr für historische Entwicklungen der Geschichte Kärntens gesehen können.
Zum Nachhören:
https://cba.fro.at/series/sprachwurzelgeschichten
DANK
Ich bedanke mich bei jenen, die bereit waren Momentaufnahmen ihres Lebens für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, um damit stellvertretend Sprachrohr zu sein für die Geschichten anderer.
Lückenfüller (anstelle eines Vorworts)
„Ich möchte mich noch schützen", hörte ich soeben am Telefon. Dieser Platz war für eine Sprachwurzelgeschichte reserviert. Doch nicht jedem der Befragten war es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Büchlein schon – oder noch immer – möglich, sich zu exponieren. Denn die eigene Geschichte der Öffentlichkeit preiszugeben, macht angreifbar, verletzbar.
Also hänge ich selbst meinem Denken nach, um diese Lücke zu füllen. Es ist einer der äußerst heißen Sommertage 2019. Um meine Arbeit dem Wetter anzupassen, mache ich mich auf in den Keller unseres alten Bauernhauses; gehe dorthin, wo es Sommer wie Winter die gleiche Temperatur hat. Ich steige Stufe für Stufe hinab, entfliehe der mir unerträglichen Hitze. Der Keller steht in einigen psychologischen Denkschulen für das Unbewusste, einen Teil unseres Selbst, zu dem der Zugriff erschwert ist. Möchten wir an unserer gezimmerten Identität festhalten, wollen wir uns nicht in den Keller begeben; Angst davor, die sicheren Mauern des Identitätskonstrukts aufzugeben. Festhalten an dem, was man denkt, was man ist. Doch gerade damit wird man angreifbar. Jedes Wort, mit dem uns jemand beurteilt, welches nach unserem Denken nicht dieser Identität entspricht, wird uns verletzen. Die Mauern noch höher gebaut, nach noch mehr Schutz Ausschau haltend. Die Person wollte sich schützen vor der Veröffentlichung. Zu viele könnten das bestehende „Ich" verunsichern. Zu vielen könnte man sich ausgesetzt fühlen.
Manche persönlichen Prozesse gleichen einem Geburtsvorgang. „Können wir eine Geburt verhindern, frage ich mich? „Können wir das Neue verhindern?
Wenn wir ein „Nein, noch nicht!" spüren, dürfte der Austragungsprozess des Neuen noch nicht abgeschlossen sein. Wir sträuben uns. Und doch gibt es nur die eine Richtung – die nach vorne. Die letzte Schleuse auf dem Weg ins Neue gleicht einem Tunnel. Die Natur hat es so eingerichtet. Eng, anstrengend in der Überwindung, manchmal ein Kraftakt. Auf diesem Weg durch die Enge in die Weite; sehnen wir uns danach aufgefangen zu werden. Doch die Öffentlichkeit ist kein ersehnter mütterlicher Schoß. Die Reaktionen sind unberechenbar. Mitunter kann man auf Aussagen treffen und Begegnungen erleben, die verletzend wirken.
Mir sind in all den Jahren meines Wirkens sehr wenige Verletzungen zugefügt worden. Und wenn, dann haben sie mich weitergebracht. Weil es für mich nur diese eine Richtung gab. Weg vom Einengenden, dorthin, wo die Fahnen der Freiheit verlockend wehen. Viel zu neugierig, nach neuen Erkenntnissen lechzend, wirkte Unbekanntes auf mich anziehend. Und nun fühlt sich für mich auch die Begegnung mit der Öffentlichkeit wie das Aufgefangenwerden in einem mütterlichen Schoß an, denn letztlich begegne ich jedes Mal aufs Neue mir selbst. Friedlich fühlt es sich hier an. Frieden ist entstanden durch die Auseinandersetzung, ist entstanden indem ich mich stellte.
Und doch darf dieses Sich-Stellen zu jenem Moment und jenem Zeitpunkt geschehen, wo sich die Person bereit dazu fühlt.
Auch ich stehe nach wie vor überrascht vor einer neuen Tür und darf mich dem noch Unbekannten stellen. Zwischendurch sitzt die Angst vor der Idee davon, was hinter dieser Tür wartet, tief. Manches vermeintliche Wissen, überliefert aus dem Reich unserer Ahnen, macht uns schreckhaft; starr in unserer Wahrnehmung. Unsere Antennen sind ausgefahren, übersensibilisiert. Zu oft verhindern sie, was noch eindringen will, jenseits des Befürchteten. Denn eindringen möchte Eigentliches, Wahrhaftes, es kommt von dort, wo es mich einst hinzog.
Wenn ich weiß, auf meinem Weg wird es Erschreckende geben, die Erschreckenden aber als Teil des natürlichen Prozesses verstehe, werde ich auch den Dienst erkennen, den sie mir erweisen.
Ich war bereit, mein Eingemauertsein zu überwinden und es nahm seinen Lauf; jenseits meines erdachten Plans.
Natürlich begann auch ich diesen besonderen Weg mit Ängsten, im Rucksack ein Ungetüm, basierend auf Erspürtem und Erinnertem. Fast keines der vermuteten Szenarien traf ein. Es war gut weiterzugehen, denn so kam ich viel weiter, als dort zu verbleiben, wo ich mich geschützt fühlte. Der große Gewinn ist heute die Erfahrung: Meine Ängste waren nicht berechtigt.
Wie also uns selbst befreien? Schau es dir an, rücke näher, steige hinab, Stufe für Stufe in deinem Tempo, in den Keller des Unbewussten, um staunend festzustellen, das Beleuchtete wird sich auflösen und dir Freiheit schenken.