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GOTTESZONE: Die Reise ins Licht
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eBook320 Seiten3 Stunden

GOTTESZONE: Die Reise ins Licht

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Über dieses E-Book

Die Lieferungen aus Gordian Prime sind ausgefallen. Alle Kontaktversuche zu den Siedlern bleiben erfolglos.
Der Konzern chartert die Golombek, um vor Ort die Situation zu rekognoszieren. Gerlach und sein Expeditionsteam treffen in der Kolonie auf einen Toten und ein altes Ehepaar. Die restlichen Siedler sind spurlos verschwunden. Die beiden Alten sind verwirrt und apathisch und nicht in der Lage, darüber zu berichten, was vorgefallen ist. Pitou, die Medizinerin, diagnostiziert eine krankhafte Hyperreligiosität.
Noch bevor sie klären kann, ob fanatische Ideen oder ein Parasit die Hirne der beiden manipuliert haben, beginnt sich die Krankheit in den Köpfen des Expeditionsteams einzunisten …
SpracheDeutsch
Herausgeberp.machinery
Erscheinungsdatum31. Juli 2019
ISBN9783957659163
GOTTESZONE: Die Reise ins Licht

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    Buchvorschau

    GOTTESZONE - Tom Turtschi

    Regula

    Teil I

    1

    »Und?« Captain Gerlach drehte sich fragend zu Koendrink.

    Der First Officer saß angespannt über den Screen gebeugt und setzte unentwegt Rufsignale ab. »Tote Hose auf allen Frequenzen – da meldet sich keiner …«

    »Versuchen Sie es weiter!« Gerlach rieb die Nasenwurzel und gab sich alle Mühe, die Müdigkeit aus seinen Augen zu bügeln. Er setzte sich wieder aufrecht hin und verfolgte konzentriert die Koordinaten, die ihm der Bordcomputer auf die Retina projizierte. Kurz bevor sie über die Kolonie glitten, schaltete er die Bugkamera ein. Die virtuelle Steuerkonsole verschwand und er starrte durch das Kameraauge angestrengt auf die Zone ihres Überflugs. Kein Licht durchbrach die Dunkelheit, keine einzige Funzel brannte in der Kolonie. Vergebens wartete er auf das bläuliche Schimmern der Kuppel, auf die Scheinwerfer der Erntestände und die kriechenden Glühwürmchen der Transporter.

    Zwei Minuten später passierten sie die Küstenlinie. Gerlach doppelzwinkerte auf das Kreuzchen der Bugkamera am oberen Rand des Blickfeldes und die Projektion im Auge poppte weg. Er lockerte den verspannten Nacken, drehte sich zur Seite und äugte durch die Luke.

    Ein Silberstreifen durchbrach die Nacht.

    Der Schimmer war nicht das erhoffte Licht, trotzdem atmete er auf. Am Horizont drückte zum neunten Mal die Sonne durch den Dunst und tauchte Gordian Prime in eine überbordende Morgendämmerung. Ein unwirkliches Gleißen aus Lila und Orange, das an den hemmungslosen Barock alter Bibelfilme erinnerte, an die Pfirsich- und Aprikosenhimmel kurz vor der Offenbarung. Kitschig, aber allemal eindrücklich. Fasziniert blinzelte Gerlach in den anbrechenden Tag. Jeder neue Tag ist eine Offenbarung, musste er sich eingestehen, selbst wenn dieser auf ihrem Orbit nur gerade eine Stunde dauerte. Der Tag übertünchte die abweisende Nacht, als ob es sie nie gegeben hätte.

    »Transit neun abgeschlossen. Beim nächsten Mal werden wir weiter südlich über die Gebergründe fliegen. Vielleicht hat sich jemand in die Sümpfe durchgeschlagen und wir haben da mehr Glück.« Gerlach beendete die Durchsage, neigte den Kopf zur Seite und schaute auf den Planeten hinunter. Das insellose Meer füllte die Luke zur Hälfte; beim gekrümmten Horizont Gordian Primes kippte die glitzernde See in das Kobaltblau des Himmels.

    In seinem Rücken zischte die Tür zur Brücke. Schritte eilten herbei, stoppten hinter dem Kommandostand.

    »Sie beabsichtigen sicher, bald runterzugehen –«

    Gerlach hörte Jastrofs Bemerkung und vermisste das Fragezeichen am Ende des Satzes. Ein Gruß als Einleitung hätte ihn auch nicht gestört – aber ihr Gast hatte die letzten drei Wochen keinen Hehl daraus gemacht, wie viel ihm an Umgangsformen oder der Meinung des Captains lag.

    Charmant schob Jastrof nach: »Ich fahre gerne Karussell und genieße die Aussicht! Und Ihre Gesellschaft! Der Konzern erwartet aber mehr von uns. Das haben wir doch beide verstanden, Captain.«

    Sicher doch, dachte Gerlach und beschwichtigte sich: Ein Kunde ist König und braucht kein Freund zu sein. Langsam drehte er sich zu Jastrof um. Sein Blick kletterte die hagere Gestalt hoch, über das weiße Hemd, den markanten Adamsapfel, über die schmalen Lippen zu der scharf geschnittenen Nase. Jastrofs Augen fixierten ihn von oben herab. Nicht arrogant, im Blick lag viel mehr eine gelassene Selbstsicherheit. Gerlach musste an einen russischen Aristokraten denken, für den es seit Generationen eine Selbstverständlichkeit bedeutet, seine Wünsche erfüllt zu sehen. Ohne Wenn und Aber. Er verbiss sich eine Antwort.

    Er wusste, Jastrof stand unter Druck. Der Konzern saß ihm im Nacken, X-Logistic erwartete lieber gestern als heute ein Ergebnis. Nur erleichterte dessen überhebliche Art nicht gerade, ihn zu unterstützen. Jastrof stellte keine Fragen und erteilte keine Befehle, aber alle seine Bemerkungen hatten die penetrante Eigenschaft, das Gegenüber zu vereinnahmen und zum gefügigen Komplizen seines Willens zu machen.

    »Sie sind intelligent, Captain Karl Gerlach: Ihnen ist bewusst, was die ausstehenden Lieferungen bedeuten. Jeder weitere Tag bringt uns näher an den Kollaps! Wir …«

    »Jastrof, ich bitte Sie! Ich habe den Job durchaus verstanden. Wir ziehen am selben Strang, nur will ich verhindern, dass der zu unserem Galgen wird. Die Sicherheit der Crew hat oberste Priorität. Ich werde eine Landung in Betracht ziehen, wenn wir von hier oben alles in Erfahrung gebracht haben, was möglich ist. Weiß der Teufel, was uns da unten erwartet …«

    2

    »Kurz: Ich kriege nichts rein. Sie antworten auf keine Nachricht. Ich kann keinerlei Aktivität registrieren, elektromagnetisch scheint alles tot zu sein.« Leon Koendrink verwarf entschuldigend die Hände, als sei er persönlich dafür verantwortlich und hätte seinen Job schlecht gemacht.

    »Sonst? Was wissen wir?« Gerlach blickte auffordernd in die Runde.

    Neben Koendrink saßen Pitou und Cejka, die beiden Frauen. Masha Cejka – mit ihren zerzausten blonden Haaren, die wringenden Hände auf dem Tisch gebändigt – wirkte angespannt. Ihre Halswirbelsäule neigte sich nach vorne und schob den Kopf eine Handbreit vom mädchenhaften Körper, so als könnte sie kaum erwarten, auf die Ereignisse loszustürmen. Wie eine Katze in Lauerstellung fixierte sie mit ihren Smaragdaugen den Captain. Sie schwieg.

    Auch Solène Pitou sagte nichts. Die Ärztin stützte die Ellbogen auf, legte die Fingerkuppen aneinander und massierte gedankenverloren mit den Zeigefingern die Nasenspitze. Sie dachte angestrengt nach. Die LEDs ihres Exocortex hinter dem Ohr orgelten durch das Farbspektrum und tauchten die Haarstoppeln im Nackenbereich wie das Gefieder eines Raben bei Sonnenlicht in ein changierendes Leuchten.

    Spiro Obonai saß mehr unter als an dem Tisch. In den Sessel gefläzt markierte er Desinteresse, seine Wurstfinger spielten lustlos mit einem Hologramm auf dem Flat herum, dann kratzte er sich am Hals, bohrte in der Nase. Halblaut murmelte er zu Koendrink: »Die Siedler sind doch den Schnecken auf den Schleim gekrochen …«

    Leon Koendrink verzog keine Miene, auch die anderen überhörten die Bemerkung. Nur Jastrof strafte Spiro mit einem Pastorenblick ab, missbilligend, aber nachsichtig. Er stand als Einziger. Mit einem Becher Kaffee in der Hand lehnte er an der Stirnwand der Lobby und wippte mit dem Spielbein. Das rhythmische Rascheln seiner Hose unterstrich die Stille im Raum.

    Masha Cejka, die Exobiologin, räusperte sich. »Wir kennen die Nexen als friedliche Spezies. Sie ähneln unseren Schnecken, auch wenn sie beträchtlich größer sind – ausgewachsen erreichen sie gut und gerne das Gewicht von drei, vier Elefanten. Sie sind keine Räuber, nicht einmal Pflanzen fressen sie: Die Pigmente ihrer Haut beherrschen die Fotosynthese. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Nexen etwas mit dem Verschwinden der Farmer zu tun haben.«

    »Jaja, dumme brave Kühe – habt ihr schon mal eine Horde brünstiger Kühe erlebt? Oberfail, solche hormongesteuerten Biomorpher, ich sage euch: Die Biester haben sie kaltgemacht!«

    Masha warf Spiro einen vernichtenden Blick zu. Alles, was nicht mit Strom betrieben wurde, machte den molligen Jungen hysterisch. »Niemals wurde bisher ein hitziges Tier oder eine aggressive Population beobachtet. Da ist kein Raubtiergebiss, nicht einmal über zahnlose Münder verfügen sie – wie sollten sie für die Siedler gefährlich werden? Ich möchte daran erinnern: Seit vier Jahrzehnten wird auf Gordian Prime Lox ohne Zwischenfälle gewonnen. Exoloxan ist nun mal ein Biopolymer, das sich bei uns nicht ohne beträchtlichen Aufwand produzieren lässt. Die Tiere sind ein Segen. Sie scheiden Exoloxan als Produkt ihres Stoffwechsels in rauen Mengen aus. Sie werden artgerecht gehalten, in großen Gehegen, die völlig ihrer natürlichen Umgebung entsprechen. Die Tiere sind friedlich, dafür bürge ich!«

    Spiro zog eine Fratze und versetzte dem Hologramm einen Klaps, dass die Elektronen zitterten. »Scheißviecher«, murmelte der junge Techniker, »diese prämetabolistischen Aggregate sind mir nicht geheuer, allen Beteuerungen zum Trotz …«

    Solène Pitou fuchtelte mit den Armen und ruderte wie eine Polizistin mit den Händen, bemüht, das aufkommende Gespräch in geordnete Bahnen zu dirigieren und einen Crash zu vermeiden. »Wie ich im Briefing lese, ist die Produktivität über Wochen gesunken, die Ernteleistung brach ein. Die Chargen wurden geringer, peu à peu, zuletzt blieben die Lieferungen ganz aus …« Sie wandte sich zu Jastrof und kippte ihre Hände um die Achse. Die Handflächen schauten zur Decke, als wollte sie ihm die mageren Befunde aus dem Papier zurückschieben: »Voilà, c’est tout, das ist alles, was ich Ihrem Bericht entnehme. Und was ist der Grund? Litten die Tiere an Verstopfung? Maschinendefekte? Eine feindliche Invasion? Warum schweigen sich die Siedler aus? Verehrter Herr Jastrof: Die Faktenlage ist mehr als dürftig. Sie haben uns engagiert und verlangen eine Expedition auf den Planeten. Als Medizinerin muss ich sagen, sie fordern eine Operation ohne Diagnose. C’est irresponsable!«

    Jastrof nickte Pitou zu. Er zerknüllte den leeren Pappbecher, stieß sich mit dem Bein von der Wand ab und begann auf und ab zu gehen. »Sie haben das Briefing gelesen. Schön. Sie kennen also den Ernst der Situation: Die letzte Lieferung aus Gordian Prime traf vor siebzehn Monaten auf der Erde ein – ein halbes Jahr, bevor die Siedler den Kontakt abbrachen. Das entspricht in der Weltproduktion einem Rückgang von dreiundzwanzig Prozent der Jahrestonnen – die Preise von Lox sind explodiert! Für die Weltwirtschaft eine Katastrophe. Fakt ist weiter, dass ohne das Oligomer nichts läuft, ohne Loxan wird die Zivilisation in das Erdölzeitalter zurückkatapultiert. Niemand will das …«

    »Das steht alles im Bericht von X-Logistic!«, fuhr Leon Koendrink unwirsch auf, »Und wie Sie richtig bemerkten: Wir haben in Ihrem Wisch auch das Kleingedruckte gelesen! Aber das beantwortet nicht Solènes Frage: Warum meldeten sich die Siedler nicht, als Probleme bei der Förderung auftauchten?«

    Jastrof nickte verständnisvoll, dazu zückte er aus seinem mimischen Repertoire ein eingespieltes Lächeln, das er zwischen die Mundwinkel legte.

    Gerlach legte seine Hand auf Koendrinks Schulter. »Lassen Sie Jastrof sprechen, Koendrink …« Er wusste, wie pikiert sein First Officer auf dieses Qualitätslächeln reagieren konnte. Koendrink hielt absolut nichts von Männern mit manikürten Fingernägeln und Gelfrisur, er hielt genauso wenig von Diplomatie – aber jetzt war nicht der Moment, ihren Auftraggeber zu brüskieren.

    »Ich sehe: Sie haben die Problematik erfasst. Unsere Aufgabe besteht darin, genau das herauszufinden. Seit der letzten Transmission vor vierzehn Monaten, die uns von Gordian Prime erreichte, haben wir nichts mehr erfahren. Als ein halbes Jahr später auch keine Lieferung auf der Erde eintraf, mussten wir handeln. Ich wurde auf die lange Reise geschickt und ich habe Sie vor drei Wochen gechartert, um die Situation vor Ort in Augenschein zu nehmen. Wir müssen in der Kolonie nach dem Rechten sehen …« Jastrof blieb stehen. Jetzt kam die ernsthafte Miene eines Politikers zum Zug, der die Tragweite der Worte unterstreichen will, die er gleich in die Kamera sprechen wird. »Es gibt Vermutungen … Im Briefing wird Jair Weiss erwähnt. Beiläufig, Sie werden dem keine große Beachtung geschenkt haben. Gerne ergänze ich den Bericht mit einigen Aspekten, die mir über Jair Weiss bekannt sind …« Er trat neben den Captain und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Sein Blick schweifte durch die Runde, und nach einer Kunstpause fuhr er eindringlich fort: »Seit die Kolonisten den politischen Wirrkopf zum Sprecher ernannt haben, bereitet uns die Kolonie nichts als Ärger. Erst verknappte er die Lieferungen, trieb die Preise hoch, missbrauchte seine Stellung und Macht, um untragbare Sozialleistungen durchzusetzen, dann machte er uns das Leben mit übersteigerten Tierschutzideen schwer. Ich gehe von einem Boykott aus, auf Gordian Prime findet so etwas wie ein Aufstand statt. Dort gibt es subversive Elemente, die auf die Grundfesten der freien Weltgemeinschaft zielen. Ich bin sicher, uns allen ist klar, worin bei dieser Situation unsere Aufgabe besteht.« Jastrof beugte sich herausfordernd über den Captain und fixierte ihn durchdringend.

    Gerlach hielt seinem Blick stand.

    Jastrof richtete sich auf, ging um den Tisch und ließ sich neben Spiro in den freien Sessel fallen.

    »Sie stellen Vermutungen an, Jastrof … Mir wären gesicherte Fakten lieber. Koendrink, haben Sie die Daten der Überflüge ausgewertet? Keinen verdächtigen Hinweis übersehen?«

    »Hmm …«, Leon Koendrink massierte bedächtig seine Bartstoppeln, »die Infrastruktur scheint intakt. Die Kuppel, die Ausfallstraße, die Gehege – das ist alles da. Auch der Orbitalaufzug für die Ware weist keinen Defekt auf, soweit ich das zurzeit beurteilen kann. Nein, Captain, muss passen … keine sachdienlichen Hinweise.«

    »Was ist mit der letzten Nachricht der Siedler?« Spiro tauchte schlagartig aus seinem Dämmerzustand auf. »Die letzten Zeichen von Aktivität in der Kolonie wurden von einer automatischen Relaisstation im Sombreronebel aufgefangen. Steht im Briefing von X-Logistic. Ist die Meldung zugänglich?«

    Leon Koendrink blickte Spiro verwirrt an. Schließlich begriff er, dass wohl nicht alle das Briefing bis zum Ende abgearbeitet hatten. »Die Datei, die vor vierzehn Monaten von der Relaisstation A13 registriert wurde, befand sich im Anhang des Berichts. Kein Notsignal, nichts deutet auf Schwierigkeiten hin. Die Aufzeichnung ist einfach wirr, unverständlich – und das rührt nicht nur von der lückenhaften Aufzeichnung her.« Er legte die zentrale Datenbank aus dem Gubernator des Schiffes auf das Display in seinem Auge und zwinkerte durch die Navigation. Suchte die Datei, startete den Player und sagte: »Die Bildqualität ist unbrauchbar und die verständlichen Stellen der Sprachaufzeichnung, na ja – hören Sie selbst … Öffnen Sie den Port für Audiostreams in Ihrer Brain-Bridge.«

    Ein Fiepsen und Surren machte sich im Innenohr der Anwesenden breit, dann kristallisierten sich aus dem akustischen Brei einige Wortfetzen heraus.

    … die Schwi-- … ist -elle … -rkenne dich, f-lge! …Synchr-nisi-re, -szilli-e … wir surfen … wie die Schwingung auch sein wird: sie enth-lt die Generalschwing-ng des Göttl-chen, worin das unbew-sste …

    3

    Leon Koendrink war in der Küche verschwunden und Gerlach hatte ihm angeboten, die Golombek im Clark-Orbit in einer stationären Umlaufbahn zu parken und die Anpassung der Bordzeit an Gordian Prime vorzunehmen. Das verstand er genauso gut wie der First Officer – mit Koendrinks Fertigkeit an den Kochtöpfen konnte er nicht mithalten. Alle schätzten Koendrinks Essen, und er wollte der Crew die Vorfreude nicht verderben. Wahrscheinlich würde es einige Tage dauern, bis sie wieder gemeinsam und gemütlich an einem Tisch saßen. Während der Einsätze kam es selten dazu: Koendrink fand nicht die Zeit, sich in der Kombüse auszutoben, jeder verpflegte sich auf die Schnelle aus dem Nutrimat und würzte die fahlen Lox-Derivate mit dem Gedanken, dass sie irgendwann wieder unterwegs sein und reichlich Gelegenheiten bestehen würden, sich an Koendrinks raffinierter Kochkunst gütlich zu tun.

    Die Bahngeschwindigkeit war eingestellt und die Höhe ausgependelt, der Inklinationswinkel lag stabil bei null: Die Golombek saß über dem Äquator und drehte mit dem Planeten in den Nachthimmel.

    Gordian Prime benötigte ziemlich exakt sechsunddreißig Stunden für eine Eigenrotation – ein langer Tag. Das konnte strapaziös werden. Trotzdem wusste er, nichts führte daran vorbei, sich an die örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Gerlach skalierte den Tag in vierundzwanzig Einheiten, die Stunde zu neunzig Minuten und stellte die Bordzeit neu ein. Ein Tag mit sechsunddreißig Stunden schien ihm absurd: Mittag um achtzehn Uhr, Nachtessen um siebenundzwanzig Uhr. Das versprach vor allem Orientierungslosigkeit. Wenn schon Biorhythmus und Schlafwachzyklus des Körpers geschunden wurden, brauchte das Hirn nicht eine zusätzliche Vergewaltigung. Die Siedler mochten sich durch die Jahre an die sechsunddreißig Stunden gewöhnt haben, aber für Kurzaufenthalter wie sie würde das im Kopf einen Jetlag bewirken, auf den er gerne verzichtete.

    Neunzehn Uhr zweiundsiebzig – Gerlach nickte, zwinkerte das Fenster mit der Zeiteinstellung aus dem Auge, kappte die Brain-Bridge zum Kommandostand und stand auf.

    Die Messe lag unmittelbar hinter der Brücke.

    Nach wenigen Schritten trat Gerlach durch die Tür.

    Spiro Obonai kniete am Boden und hantierte am Servicewägelchen, das kopfüber vor ihm stand. Die beiden Frauen fläzten sich auf der Couch und verfolgten interessiert Spiros Geschäftigkeit.

    Spiro setzte die vier Räder des Servierboys in Schwung. Er nickte befriedigt, stand auf und stellte das Wägelchen auf die Rollen. »Ha! Wer sagt’s denn! Viermal pusten, und das Ding funktioniert besser als frisch aus dem 3-D-Plotter.«

    »Chic, chic!« Solène schürzte die Lippen und nickte anerkennend. Sie setzte eine erstaunte Miene auf, und mit einem schelmischen Augenzwinkern schob sie nach: »Und warum musste das jetzt zehn Monate quietschen? Du hast das rascher hingekriegt als eine Totalrevision des Reaktors samt Rekalibrierung der temporalen Antimaterieschlaufen!«

    Spiro überhörte das Kichern der beiden Frauen und hielt Solène die Dose vors Gesicht.

    »WD-40! Bewährt durch die Jahrhunderte, echt antik!« Er drehte sich zu Masha um. »Da hat es nicht mal Schneckenschleim drin. Das ist gutes altes Erdöl!«

    Masha sah ihm zu, wie er die heilige Dose sorgsam in der unteren Seitentasche seiner Cargohose verschwinden ließ.

    »Sag mal, trägst du eigentlich eine Werkzeugkiste oder eine Hose?« Die beiden Röhren buchteten an unzähligen Stellen, Balkone und Erker wuchsen wie bei einer Säule von Gaudì in alle Richtungen. »Kannst du dich damit noch hinsetzen?« Sie rückte zur Seite und deutete kokett auf den handbreiten Spalt, der zwischen ihr und Solène frei wurde.

    »Mal halblang, Schwesterchen. Keine Zeit zum Chillen. Wenn die Damen die Beine hochlegen, müssen andere rotieren, damit das Dinner gereicht werden kann.«

    Spiro packte den Servierboy und wieselte quer durch die Messe zu Leon in die Kombüse.

    Gerlach trat zum Tisch und setzte sich. Er griff nach dem Wasserkrug, füllte die Gläser, trank bedächtig einen Schluck. »Was gibt’s denn?«

    Solène hob die Augenbrauen, Masha zuckte mit den Schultern. Durch das Klappern aus der Küche hörten sie Koendrinks Stimme: »Indische Frikadel Pan mit Patat Oorlog. Zur Nachspeise Poffertjes.«

    Die drei tauschten fragende Blicke aus, dann flogen ihre Augen zur Pendeltür: Spiro stob mit dem Servicewagen herein, im Gefolge Leon, der sich die Hände an der Schürze trocken rieb. Er deutete auf die Backform. »Ein asiatischer Hackfleischauflauf aus dem Ofen, verfeinert mit Muskatnuss, Nelke, Knoblauch und Ketjap Manis. Dazu Pommes mit Mayo, Zwiebeln und Erdnusssoße.«

    »Ich sag’s euch, gediegen, was unser Küchenlord hingezaubert hat! Bin sicher, da werden sogar die Grünfutterprinzessinnen dahinschmelzen. Darf ich zu Tisch bitten?« Mit einem Seitenblick zur Couch winkte Spiro Richtung Gedecke, dann stapelte er die Teller und begann mit dem Anrichten. Genüsslich tranchierte er den Hackbraten, schaufelte Fritten, löffelte Erdnusssoße.

    Der letzte Teller stand auf dem Tisch, auch Spiro setzte sich und griff nach dem Besteck.

    »Sie denken daran …«, unterbrach ihn der Captain, »unser Gast.«

    »Speist der Herr wieder in seinem Quartier?«

    »Wie immer …«, nickte Gerlach.

    Unwirsch schlenzte Spiro Gabel und Messer auf den Tisch und maulte: »Und der Tablettjockey bin ich – wie immer. Alles wie immer, die noble Gesellschaft pfeift und der Diener rennt.« Spiro schnitt eine Grimasse, griff beim leeren Platz den Teller, packte ihn mit Glas und Besteck auf ein Servierbrett und flog davon.

    »Der Herr verschmäht unsere Gesellschaft …« Masha verfolgte Spiros Abgang. Jeden Abend dasselbe Ritual. Er konnte einem leidtun. »Jetzt sind wir bald drei Wochen unterwegs und nicht einmal hat sich dieser Ogneslaw Jastrof dazu herabgelassen, mit uns zu essen.«

    Gerlach zuckte mit den Schultern, aber Leon Koendrink hakte nach: »Den Typen hätten wir besser in Lahan gelassen. Den Job, – na ja, den konnten wir schlecht ausschlagen, aber wir hätten darauf beharren sollen: Passagiere nur gegen Aufpreis!«

    Gerlach brauste auf: »Das nächste Mal verhandeln Sie, Koendrink! Seien Sie froh für den Auftrag – und schlucken Sie die Kröte. Sie können Jastrof von mir aus vorher marinieren …«

    »Doucement, doucement! Leon stößt sich doch nur an der Marotte unseres Gastes, alleine zu speisen. Gesellig ist er wirklich nicht …«

    Masha zog die Augenbrauen hoch. »Wie habt ihr euch den eigentlich eingehandelt? Ist immerhin das erste Mal, dass uns ein Auftraggeber begleitet.«

    Gerlach schluckte, wischte sich den Mund ab und sagte: »War schlicht eine Bedingung. Jastrof suchte auf Lahan eine Crew, die ihn nach Gordian Prime begleitet. Wir sollten uns glücklich schätzen, dass er auf uns gestoßen ist.«

    Masha hörte nur mit halbem Ohr zu. Verwirrt fragte sie nach: »Wie konnte dieser Jastrof von unserer Anwesenheit auf Lahan wissen? Der Stopp war nicht geplant. Ich verstehe nicht, wie er euch umgehend nach der Ankunft in die Handelsniederlassung zitieren konnte.«

    »In die Handelsniederlassung von X-Logistic auf Lahan?« Leon Koendrink lachte auf. »Wenn du dich nicht die ganze Zeit in deinem Labor verkrochen und selber einen Fuß auf die Raumstation gesetzt hättest, würdest du das nicht fragen. Lahan ist eine schmutzige, heruntergekommene Absteige der Marketender, Schmuggler und Wegelagerer. Dort reihen sich Bordelle und Spielhöllen aneinander, aber seit Jahren sind

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