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Die Dracheninsel
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eBook221 Seiten3 Stunden

Die Dracheninsel

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Über dieses E-Book

Emily ist eine mutige junge Frau, die ihr Schicksal herausfordert, ihrer Bestimmung aber nicht entgehen kann. Ein alter Fluch lastet auf ihr. Ein Drachen stellt sich ihr in den Weg und obwohl sie glaubt, immer alles ganz allein zu schaffen, kann sie nur gewinnen, wenn sie die Hilfe eines Mannes annimmt. Doch weit und breit ist nur Elric zu sehen. Ausgerechnet der Mann, der sie prahlend lediglich zum Objekt seiner Begierde machte. Ein wunderbares Märchen für junge Leser und junggebliebene Erwachsene. Der Roman Die Dracheninsel handelt von Naturwesen, Elfen, fernen,längst vergessenen Welten und erzählt auf phantastische und unterhaltsame Art und Weise eine einfühlsame Geschichte voller Liebe und Wärme.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum6. Aug. 2017
ISBN9783941935396
Die Dracheninsel

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    Buchvorschau

    Die Dracheninsel - Irmela Nau

    Irmela Nau

    Die Dracheninsel

    Roman

    Für alle Drachen dieser Welt und jene,

    die noch an sie glauben.

    adakia Verlag UG (haftungsbeschränkt)

    Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek:

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechts ohne Zustimmung des Verlags ist unzulässig.

    Gesamtherstellung: adakia Verlag, Gera

    Coverbild: Irmela Nau

    1. Auflage, November 2013

    ISBN 978-3-941935-06-8 (Print)

    E-Book-Herstellung:

    Zeilenwert GmbH 2017

    ISBN 978-3-941935-39-6 (ePub)

    ISBN 978-3-941935-40-2 (Mobi)

    ISBN 978-3-941935-41-9 (PDF)

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Widmung

    Impressum

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 1

    Vergnügt schlenderte Emily über das sonnenbeschienene Kopfsteinpflaster der Dorfstraße. Der morgendliche Nebel hatte sich schon aufgelöst und auf den wenigen Grashalmen, die sich hartnäckig zwischen den Steinen durchbohrten, Tautropfen zurückgelassen, die jetzt wie kleine Diamanten in der Morgensonne glitzerten. Emily war schon früh auf den Beinen gewesen, denn ihre Mutter hatte sie gebeten auf den umliegenden Wiesen und im nahegelegenen Wald Wiesenkräuter und Heilpflanzen zu sammeln. Nun trug sie in der einen Hand ihren reich gefüllten Weidenkorb und mit der anderen strich sie sich ihr langes Haar aus dem Gesicht. Neidische Blicke folgten ihr, aber das störte sie schon lange nicht mehr. Seit sie den Kinderschuhen entwachsen war, wurde sie von den anderen Mädchen beneidet und von den Müttern argwöhnisch begafft, denn sie war zu einer wunderschönen Frau herangewachsen. Emily fand sich gar nicht so umwerfend, aber wo immer sie auch hinkam, schauten ihr die Menschen hinterher. So auch heute. In ihrem einfachen dunkelgrünen Wollkleid, das ihre helle Hautfarbe noch unterstrich, und mit dem langen rotbraunen Haar, in dem der Wind spielte und die Sonne kupferne Lichtpunkte aufleuchten ließ, war sie einfach eine Augenweide. Ihre schmale Taille wurde durch eine einfache goldene Kordel noch betont, und ihr Rocksaum schwang im Takt ihrer federleichten Schritte. So mancher junge Bursche im Dorf träumte wohl davon sie zu erobern, doch Emily war noch nicht bereit, ihr Herz zu verschenken. Und so hielt sie ihre manchmal etwas zu aufdringlichen Verehrer mit intelligentem Witz und schlagfertigen Worten und wenn das nicht ausreichend war, auch schon mal mit einem kleinen Dolch auf Abstand. Ihre offensichtliche Weigerung auch nur einen zu erhören, schürte den Neid der anderen Mädchen nur noch mehr, denn sie wussten, dass die jungen Männer des Dorfes sich nur nach Emily sehnten und sie als Ersatz für unerfüllte Träume herhalten mussten.

    Emily hatte es nicht eilig. Ihre Mutter hatte ihr ausdrücklich gesagt, sie solle sich Zeit nehmen beim Kräutersammeln, und Emily wusste genau, warum. Heute war ihr Geburtstag, und ihre Eltern planten gewiss eine Überraschung für sie. Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie an ihre Eltern dachte. Denn obwohl es nur ihre Pflegeeltern waren, so liebte sie die beiden doch von ganzem Herzen, und sie sorgten für sie wie für ein leibliches Kind. Der einzige Wermutstropfen war, dass niemand etwas über ihre eigentliche Herkunft wusste.

    Auch das machte Emily in den Augen der jungen Männer ungleich attraktiver, denn sie könnte ja vielleicht sogar eine Prinzessin aus einem anderen Land sein. In den Augen der Mädchen allerdings machte es sie zu einer Außenseiterin. Emilys Miene verdüsterte sich, als sie daran dachte, dass sie früher bei den Spielen der anderen immer ausgeschlossen worden war. Es hatte immer kleine unerklärliche Zwischenfälle in ihrer Gegenwart gegeben und die anderen Kinder mochten nichts mit ihr zu tun haben. So war sie nie ganz in die Dorfgemeinschaft aufgenommen worden. Und manchmal hatte sie sich gefragt, ob sie nicht doch nach ihren leiblichen Eltern suchen sollte, aber sie wollte nicht undankbar sein. Sie lebte mit ihren Zieheltern ein glückliches liebevolles Leben. Von ihrer Mutter lernte sie viel über Kräuter, die zur Heilung verwendet wurden, sowie die Zubereitung von Salben und Tränken, die Heilung, aber auch den Tod bringen konnten. Ihr Vater unterrichtete sie im Umgang mit Dolch und Schwert, doch auch in der Kunst des Lesens und des Schreibens, und natürlich sollte ihr auch der Umgang mit Pferden nicht fremd bleiben. So hatte Emily den ganzen Tag genug zu tun und keine Zeit für die albernen Spielchen und Tratschereien der anderen Mädchen, die nur sich selbst und den nächstbesten Jungen im Kopf hatten. Sie liebte ihr Leben, so wie es war.

    Natürlich war Emily mittlerweile in einem Alter, in dem sie über das Heiraten nachdenken sollte, aber sie wollte erst wissen, wer sie war und woher sie kam, bevor sie sich einen Gemahl suchen würde. Sie musste leise lachen, als sie daran dachte, dass Maude, ihre Mutter, erst vor wenigen Tagen versucht hatte, mit ihr über Männer im Allgemeinen und über die Ehe im Besonderen zu reden. Auch der Name Robin war immer wieder gefallen. Robin war der Sohn des Schmieds und ganz nett, aber als Gemahl? Emily kicherte. Robin brachte doch keinen …

    »Einen schönen guten Tag wünsche ich«, wurden ihre Gedanken von einer gehässigen Stimme unterbrochen und Emily fuhr herum.

    »Ihr scheint ja heute besonders gut gelaunt zu sein.«

    »Euch auch einen guten Tag, Leah«, grüßte Emily zurückhaltend. Wenn Leah sie freiwillig ansprach, dann konnte das kein gutes Zeichen sein. Sie beäugte das Mädchen, das langsam auf sie zugeschlendert kam misstrauisch. Das feuerrote Haar hing wie immer strähnig um ihr rundes Gesicht und ihr Kleid war so eng, das sich Emily darüber wunderte, das es nicht an den Nähten einfach auseinander platzte.

    »Ich habe gehört, dass heute Euer Geburtstag ist. Stimmt das?«, fragte Leah mit einem merkwürdigen Unterton in der Stimme und blieb vor Emily stehen. Sie schielte zu Emily hoch, die sie um einen halben Kopf überragte.

    Emily zog verwundert die Augenbrauen hoch.

    »Ja, da habt Ihr wohl recht gehört. Ich habe heute Geburtstag.«

    »Wenn das so ist, dann wünsche ich Euch alles Gute. Wie alt seid Ihr denn geworden? Neunzehn? Zwanzig?«

    »Das ist sehr freundlich von Euch. Ich bin heute einundzwanzig geworden«, antwortete Emily misstrauisch. Hinter ihrer Stirn arbeitete es. Was mochte Leah nur von ihr wollen?

    »Soso. Schon einundzwanzig. Es wird langsam Zeit, dass Ihr Euch einen Mann sucht, meint Ihr nicht auch?« Leah lachte spöttisch.

    Das war es also. Emily fiel ein Stein vom Herzen.

    »Ach wisst Ihr, ich bin, soviel ich weiß, ein Jahr jünger als Ihr. Ich denke, ich lasse Euch den Vortritt.«

    Freundlich lächelte Emily das dralle Mädchen an. »Es wäre doch nicht schön, wenn ich noch vor Euch verheiratet wäre.«

    Wütende Röte machte sich auf Leah‹s Gesicht breit. »Aber glaubt bloß nicht, dass Ihr Elric bekommt. Ich weiß, dass er Euch geküsst hat, aber das bedeutet gar nichts. Er gehört mir. Merkt Euch das!«

    Emily wurde blass, aber sie bemühte sich ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, als sie sprach: »Wie kommt Ihr nur darauf, dass ich mich für Elric interessieren könnte? Er war ein verzogener Bengel, als er von hier fortging, und er hat seinen Eltern immer nur Kummer bereitet. Soviel ich weiß, hat er sich nicht ein einziges Mal bei ihnen gemeldet. Mit so einem selbstsüchtigen Menschen möchte ich gar nichts zu tun haben. Und was den Kuss angeht: den hat er sich genommen, ohne dass ich es ihm gestattet habe. Ihr dürft ihn also gerne nehmen, wenn er denn jemals wieder hierher zurückkommen sollte.«

    »Oh, keine Sorge. Er kommt zurück. Schon heute. Es ist ein großes Willkommensfest für ihn geplant, zu dem Ihr allerdings nicht geladen seid«, zischte Leah gehässig.

    Emily schluckte den Kloß hinunter, der ihr den Hals zuschnüren wollte.

    »Nun, so groß, wie Ihr zu meinen scheint, ist mein Kummer darüber nicht. Ich feiere lieber mit meinen Eltern meinen Geburtstag und überlasse es anderen, einem großtuerischen Wicht die Stiefel zu lecken.«

    Damit trat Emily entschlossen an der wütenden Leah vorbei und ließ sie einfach stehen. Sie bemühte sich um einen gleichmäßigen und ruhigen Schritt. Niemand, besonders Leah nicht, sollte merken, dass ihre Gefühle in Aufruhr waren. Und doch zuckte sie zusammen, als Leah hinter ihr hasserfüllt schrie:

    »Er gehört mir. Mir allein!«

    Aufgewühlt, wie sie war, wollte Emily nicht nach Hause gehen. Stattdessen verließ sie das Dorf und lief über eine Wiese zum nahen Wald, wo sie einem Pfad folgte, der sich durch dichtes Gebüsch schlängelte und sie zu einer scheinbar undurchdringlichen Hecke aus Eldersträuchern führte. Emily schob zwei dicke Äste zur Seite, zwängte sich durch die so entstandene Lücke und stand nun auf einer kleinen Lichtung. Dort ließ sie sich ins weiche Moos sinken und versuchte sich zu beruhigen.

    ›So‹, dachte sie bitter. ›Elric kommt also wieder. Na wie schön für ihn. Ich hoffe nur, dass er mir aus dem Weg geht.‹

    Elric war drei Jahre älter als sie, und sie erinnerte sich an ihn als einen großen schlaksigen Jungen, dessen Hände und Füße zu groß für den dünnen Körper schienen. Er war stolz gewesen, als der erste Bartflaum wuchs und lief damit herum, weil er glaubte, das würde ihn männlicher erscheinen lassen, aber Emily hatte es nur lächerlich gefunden. Er war mit neunzehn von zu Hause fortgegangen, um sich die Hörner abzustoßen und ein heldenhafter Krieger zu werden. So hatte er geprahlt, doch bevor er in die Welt hinauszog, hatte er ihr eine Zeitlang den Hof gemacht. Sie dagegen wollte einfach nichts mit ihm zu tun haben, aber so eingebildet, wie er war, wollte er das nicht akzeptieren und hatte ihr eines Tages im Wald aufgelauert und sie wild geküsst. Sie hatte sich verzweifelt gegen ihn gewehrt und ihm mit ihrem Dolch einen kleinen Schnitt auf der linken Wange zugefügt. Dafür hatte er sie brutal ins Gesicht geschlagen und sie dann alleingelassen. Da ihm die anderen Mädchen des Dorfes ständig hinterherliefen, hatte er von Emily das gleiche erwartet und bevor er das Dorf endgültig verlassen hatte, drohte er ihr, dass er sich bei seiner Rückkehr mehr von dem holen wollte, was ihm seiner Meinung nach zustand und was ihm die anderen nur zu gerne gaben. Elric war, wie man so sagte, eine gute Partie. Sein Vater war ein reicher Mann und hatte ein hohes Ansehen im Dorf, so dass man seinem Sohn selten etwas abschlug. Vor allem, weil viele der Dorfbewohner in Brot und Arbeit bei ihm waren. Doch Emily hatte nie eingesehen, dass sich Elric anscheinend alles erlauben konnte, und hatte sich widersetzt. Nur von diesem Vorfall hatte sie nie jemandem erzählt. Auch ihren Eltern nicht, denn sie wusste, dass ihr Vater Elric zur Rechenschaft ziehen würde und diese Demütigung wollte sie sich ersparen, denn der Übergriff war schon demütigend genug gewesen. ›Allerdings‹, sie nagte an ihrer Unterlippe, ›woher wusste Leah von dem Kuss? Niemand war dabei gewesen und sie hatte es niemandem gesagt.‹ Verdrossen rupfte sie Moos und Gras aus dem Boden. Leah’s Überlegungen waren ja geradezu lachhaft. Als ob sie mit diesem eingebildeten Schnösel etwas zu tun haben wollte. Sie stand auf, schüttelte Gras und Moos von ihrem Rock und beschloss, nicht mehr an Elric zu denken. Schließlich war er jetzt fünf Jahren fort gewesen und er hatte sie bestimmt schon längst vergessen. Jedenfalls hoffte sie das von ganzem Herzen.

    Emily nahm Ihren Korb und machte sich eilig auf den Heimweg. Ihre Mutter würde sich bestimmt schon fragen, wo sie so lange blieb und unter keinen Umständen wollte sie ihr Kummer bereiten. Der schnelle Schritt half ihr sich zu beruhigen und so betrat sie beschwingt und mit klarem Kopf das kleine Haus ihrer Eltern. Sie stellte ihren Korb auf den einfachen Holztisch, der unter dem Fenster stand und an dem sie jeden Morgen ihr Frühstück einnahmen. Von dort hatten sie einen wunderbaren Ausblick auf die weiten Felder des Vaters und konnten während der ersten Mahlzeit des Tages die Sonne aufgehen sehen. Erwartungsvoll schaute sich Emily um. Doch die Stube war leer. Nicht nur leer, sondern es stand auch kein Kuchen auf dem Tisch oder eine kleine Überraschung, wie sie sie sonst an ihrem Geburtstag immer bekommen hatte. Vorsichtshalber schaute Emily in die Schlafstube ihrer Eltern, in ihre eigene und sogar in die kleine Kammer, wo die Vorräte lagerten. Doch ihre Eltern waren verschwunden. Ratlos stand Emily schließlich wieder in der Stube. Was war denn bloß los? Hinter ihr knarrte die Eingangstür und die massige Gestalt ihres Vaters füllte den Türrahmen.

    »Da bist du ja endlich, Mädchen. Wir haben schon gedacht, du hättest den Weg nach Hause vergessen.« Mit gerunzelter Stirn blickte er seine Ziehtochter streng an. »Wir haben Probleme im Stall. Du solltest besser mitkommen und deiner Mutter zur Hand gehen.« Mit diesen geknurrten Worten drehte er sich um und ging zurück zum Stall. Verwirrt schüttelte Emily den Kopf. Was war denn das? Leichtfüßig eilte sie hinter ihrem Vater her und betrat die dämmerige Scheune.

    Ihre Mutter stand liebevoll lächelnd vor einem fremden Pferd, und ihr Vater stand neben ihr und hielt ein längliches Paket in Händen.

    Mit runden Augen starrte Emily ihre Eltern an.

    »Du hast wohl geglaubt, wir hätten deinen Geburtstag vergessen, wie?«, lachte ihr Vater. »Schaut nur mal, Maude. Eure Tochter scheint ein wenig durcheinander zu sein.«

    »Ach, nu lasst doch den Unsinn, Horace.« Emilys Mutter, eine kleine rundliche Frau, stieß ihrem Mann, der sie um gut anderthalb Köpfe überragte, den Ellenbogen in die Seite und kicherte. »Ihr verwirrt sie ja noch mehr. Komm, Emily«, sie ging auf Emily zu, nahm ihre Hand und zog sie zu dem Pferd.

    »Hier ist dein Geburtstagsgeschenk. Dein Vater und ich dachten, du bist alt genug, um ein eigenes Pferd zu haben.«

    Emily bestaunte die Fuchsstute, die vor ihr stand. Sie war größer und kräftiger als jede andere Stute, die sie jemals gesehen hatte, und doch hatte sie einen eleganten Körperbau. Temperamentvoll warf die Stute den Kopf hoch und schnaubte, wie zur Begrüßung. Emily lachte begeistert auf.

    »So ein wunderschönes Tier. Womit hab ich das bloß verdient?«

    Glückselig umarmte sie ihre Eltern und das Pferd.

    »Warte«, unterbrach Horace ihre Dankbarkeitsbekundungen.

    »Das ist noch nicht alles.« Er streckte ihr das Paket entgegen.

    »Hier ist noch etwas. Es ist an der Zeit, dass du es endlich bekommst.«

    Durch die seltsamen Worte ihres Vaters neugierig geworden, nahm Emily das Paket an sich und war erstaunt über das Gewicht, das sie plötzlich in Händen hielt. Sie legte es vor sich auf den Boden, riss das Papier auf und schlug das Tuch, welches darunter zum Vorschein gekommen war, vorsichtig zurück. Vor ihr lag ein Schwert. Dass es sehr wertvoll war, erkannte Emily sofort. Der Knauf bestand aus Gold, in das ein tiefroter Rubin in Form eines Drachens eingelegt war. Auf der Klinge war eine mysteriöse Inschrift in einer ihr unbekannten Sprache eingraviert. Sprachlos blickte Emily auf die Kostbarkeit in ihren Händen und dann zu ihren Eltern. Sie wusste, dass ihre Eltern nicht reich waren und sich niemals solch wertvolle Geschenke leisten konnten.

    »Was soll das alles?«, stammelte sie. »Das ist doch viel zu kostbar für mich.«

    »Nein, Emily. Das ist es nicht.« Horace zog seine Tochter vom Boden und hielt sie an den Händen fest. »Wir haben nur die Stute gekauft. Das Schwert gehört dir sowieso. Wie du weißt, haben wir dich als Baby im Wald gefunden. Nicht weit von der Lichtung, auf der du so gerne deine Zeit verbringst. Du warst in die Decke gewickelt, die du in deinem Zimmer aufbewahrst, und hast jämmerlich geweint, sonst hätten wir dich vermutlich gar nicht gefunden, und dieses Schwert lag neben dir. Deine Mutter und ich haben es vor dir versteckt, weil wir nicht sicher waren, was wir damit machen sollten. Aber jetzt haben wir uns dazu entschlossen, es dir zu geben und dich deine eigenen Entscheidungen treffen zu lassen. Es ist das Einzige, was dir helfen kann, etwas über deine Herkunft herauszufinden, und wir wissen, dass es dich sehr betrübt, nicht zu wissen, wer du wirklich bist.«

    In Emilys Augen schwammen Tränen, als sie ihrem Vater um den Hals fiel. »Ich bin eure Tochter, das ist alles, was ich wissen muss.«

    Verstohlen wischte sich Horace ebenfalls eine Träne aus den Augen und klopfte ihr beruhigend auf den Rücken.

    »Ist ja gut, mein Kind.« Er schluckte den Kloß in seinem Hals

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