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Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée
Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée
Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée
eBook255 Seiten3 Stunden

Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée

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Über dieses E-Book

Am Morgen einer neuen Zeit.

Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen "normalen" Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden …

SpracheDeutsch
HerausgeberBEKKERpublishing
Erscheinungsdatum8. Dez. 2018
ISBN9781386896593
Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée

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    Buchvorschau

    Raumschiff Rubikon 10 Die Welten des Prosper Mérimée - Manfred Weinland

    Am Morgen einer neuen Zeit.

    Der Krieg zwischen den organischen und anorganischen raumfahrenden Völkern konnte im letzten Moment abgewendet werden. Die Menschen jedoch sind nach wie vor fremdbestimmt und als die Erinjij gefürchtet, die sich in ihren Expansionsbestrebungen von nichts und niemandem aufhalten lassen.

    Abseits aller schwelenden Konflikte kommt es im Zentrum der Milchstraße zu einer von niemand vorhergesehenen, folgenschweren Begegnung.

    Eine unbekannte Macht hat sich dort etabliert. Schnell zeichnet sich ab, dass es sich um keinen normalen Gegner handelt. Die Bedrohung richtet sich nicht nur gegen die heimatliche Galaxie, sondern könnte das Ende allen Lebens bedeuten.

    Die Geschichte des Kosmos, so scheint es, muss neu geschrieben werden ...

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfredbooks und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © Cover: Nach Motiven von Pixabay, Adelind, Steve Mayer

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1.

    Als das obskure Licht über ihn hereinbrach, schloss Rodriguez reflexartig die Augen. Doch es war so intensiv, dass es die dünnen Häute der Lider problemlos überwand und den Halbwüchsigen auf eine nie zuvor erlebte Weise sehen ließ.

    Dabei wusste er gar nicht, wie ihm geschah. Instinktiv hatte er das grelle Licht als Begleiterscheinung einer Explosion eingestuft; einer Explosion, die irgendwo an Bord dieses ebenso gigantischen wie absurden Gebildes, von seinen Schöpfern „Perle" genannt (als gäbe es Schmuckstücke von so absurder Größe), stattgefunden hatte und sie alle ins Verderben reißen würde.

    Aber wenn dem Licht eine solche Explosion vorausgegangen war, dann vollkommen lautlos ... Falsch, korrigierte Rodriguez sich im selben Atemzug, wie er den Gedanken formte. Gerade du solltest wissen, dass die Abwesenheit von Geräuschen nicht gleichbedeutend mit wahrhaftiger Stille ist. O ja, gerade du solltest das!

    Er musste seiner inneren Stimme zugestehen, dass sie Recht hatte. Die Möglichkeit, dass er selbst den ohrenbetäubenden Lärm einer Detonation ausgeblendet hatte, war nicht von der Hand zu weisen.

    Aber es gab noch eine einfachere Erklärung: Er hatte einmal gelesen, dass ein Mensch, der von einem Blaster erschossen wurde, das Fauchen, mit dem die tödliche Energiebahn aus der Mündung der Waffe brach, selbst gar nicht mehr zu hören vermochte. Der Tod, der alle Sinne auslöschte, kam schneller als das Gehirn die empfangenen Signale zu der Wahrnehmung formen konnte, die beispielsweise der Schütze hörte.

    Aber ich bin nicht tot, dachte er. Es ist nur ... hell. Da ist keine verbrennende Hitze, keine Taubheit in meinen Gliedern, kein ...

    Nein, er war nicht tot. Ganz bestimmt nicht.

    Eine Stimme aus dem Licht heraus sagte: „Transfer!"

    Er begriff nicht, was damit gemeint war. Er erinnerte sich, mit den anderen zusammen in einem Raum dieser ... Perle von einhundert Kilometer Durchmesser gestanden zu haben. Diesem hohlen, mondgroßen Ding, das einmal hinter dem Ereignishorizont des Milchstraßen-Black-Holes verankert gewesen war, dann aber von einem Unbekannten namens Kargor auf „große Fahrt" gebracht wurde.

    Kargor war ein Dämon.

    Rodriguez fand kein besseres Wort dafür, nachdem ihm Prosper vor langer Zeit an einem schwülheißen Abend im Getto der Erde einmal aus einem seiner vielen Bücher vorgelesen hatte und in der Geschichte ein Ungetüm vorgekommen war, das sich einen Jux daraus machte, mit Menschen wie mit Marionetten zu spielen und sie ins Verderben zu schicken.

    Diese Beschreibung passte auf Kargor wie die Faust aufs Auge. Und das monströse Aussehen des Perlen-Herrschers zerstreute auch noch die letzten Zweifel an seinem Wesen. Nein, er war dämonisch, daran gab es für Rodriguez nichts zu deuteln.

    Der zeitlose Moment, in dem das grelle Licht dem Halbwüchsigen eine ganz neue Seherfahrung bescherte – um ihn her waren lauter Schemen, in denen er mühelos die Freunde und Gefährten erkannte, die mit ihm nach einer unglaublichen Odyssee auf der RUBIKON gelandet waren ... bevor Kargor sie von dort entführte – dauerte an. „Zeitlos" mochte der falsche Begriff für das Phänomen sein, das nach Rodriguez gegriffen hatte. Aber irgendwie hatte er tatsächlich das Gefühl, aus den normalen Abläufen herausgetrennt und davon isoliert worden zu sein. Er bewegte sich (genau wie die umgebenden Schemen), aber er tat dies nicht aus eigener Kraft, sondern weil etwas an ihm zog oder ihn schob.

    Das gleißende Licht wandelte sich zu einem Tunnel, der die Trennwände innerhalb der Perle durchbohrte, als würden sie unter seinem Schein vorübergehend immateriell. Dahinter gähnte die Schwärze des Weltraum, die aber nicht mehr schwarz war, sondern auf eine Weise verändert und verfremdet, dass sich Rodriguez fragte, ob er bislang nur völlig blind für die wahre Schönheit des Alls gewesen war. Er sah die Farben des Kosmos, all seine Pracht ...

    Und dann wurde ihm bang ums Herz, denn – er merkte, wie die Drift, die ihn erfasst hatte, genau dort hinaus führte: in die unendliche Kälte, ins Vakuum des Weltraums, in dem nichts, was organisch war, ohne entsprechenden Schutz überleben konnte!

    Und einen solchen Schutz gab es nicht. Er trug nur, was sie alle in ähnlicher Weise von Kargor erhalten hatten, nachdem er sie fort von der RUBIKON und hinein in die Perle gebracht hatte, mit der sie nach Nar’gog gereist waren, um Scobee an Bord zu nehmen, aus der Gewalt der Jay’nac zu befreien.

    Befreien.

    Die Ironie, der Hohn dieses Begriffs, angewandt auf Scobees Schicksal, wurde ihm bewusst. Selbst in dieser Situation stieß ihm noch übel auf, wie Kargor mit ihnen allen verfuhr.

    Die sogenannte Befreiung Scobees war nichts anderes gewesen als der Tausch einer Gefangenschaft mit der anderen.

    Seither war sie in der Gewalt des ERBAUERs.

    So wie sie alle.

    Der Lichtdruck beschleunigte Rodriguez jetzt zunehmend. Die Umgebung verzerrte. Es war, als würde er mit aberwitzigem Tempo in der gläsernen Kabine eines Expresslifts durch die Perle geschossen ...

    ... und im nächsten Moment schon aus ihr herauskatapultiert werden in die tödliche Umarmung des Weltraums.

    Nur dass die nicht tödlich war. Weil das Licht Rodriguez (und die anderen, die Schemen) immer noch einhüllte, immer noch mit seinen gleißenden, fürsorglichen Fingern umspielte und auf ein anderes Licht zuschob. Ein Strang. Eine Bahn, die das All spaltete wie eine Ader aus purer Energie.

    Eine ... Straße.

    Rodriguez erinnerte sich plötzlich wieder an die Gespräche, die all dem hier vorausgegangen waren. An Scobees und Prospers Worte, an die von Sarah und Paula und Sahbu und –

    Ihn schauderte.

    Kargor hatte sie in ein unmögliches Sonnensystem gebracht. Ein System mit sieben identisch anmutenden Planeten, die sich überdies auch noch dieselbe Umlaufbahn teilten ...

    Ein astrophysikalisches Unding.

    Selbst Rodriguez war nach Erhalt der ersten Daten klar geworden, dass diese Konstellation nicht natürlich entstanden sein konnte. Kargor hatte sie DAS ERSTE REICH genannt – und damit unmissverständlich zu verstehen gegeben, wer hinter der Erschaffung dieser Absurdität stand: seinesgleichen. Jene rätselhafte, hypermächtige Spezies, die auch das schier unendliche Netz der CHARDHIN-Perlen installiert hatte, das den Kosmos durchwob.

    Das Erste Reich, dachte Rodriguez, während die rasende Fahrt in dem immer noch zeitlosen Moment, in dem er sich trotz aller rasanter Bewegung eingeschlossen fühlte wie ein Insekt in Bernstein, weiter fortgesetzt wurde. Was mag es damit auf sich haben? Wer hat hier gelebt, geherrscht? Waren es wirklich solche ... gottesanbeterartigen Geschöpfe wie Kargor, riesige „Kristallinsekten"? Oder Wesen aus Fleisch und Blut, den Menschen ähnlich?

    Lebten sie immer noch hier? Und zwang Kargor seine Gefangenen jetzt, in diesem Moment, mit den Bewohnern der Welten in Kontakt zu treten?

    Aber implizierte der Begriff „Erstes Reich" nicht auch, dass dem andere Reiche gefolgt waren?

    Tausend Gedanken trieben wie Schneegestöber durch Rodriguez’ Hirn, während er durch das Geflecht trieb, das jemand „Straßen genannt hatte, „Energiestraßen. Er erinnerte sich nicht mehr, wer. Vielleicht Scobee. Vielleicht Kargor selbst, der ihnen fast beiläufig eröffnet hatte, dass dieses System die Endstation ihrer Reise darstellte. Hier wollte er sie aussetzen. Ihrem ungewissen Schicksal überlassen!

    Die Worte der Entität hallten noch in Rodriguez’ Ohren.

    „Kargor wünscht euch ein gutes Gedeihen! Dieser Ort ist eure zukünftige Heimat. Lebt bis zu eurem Tod in Frieden und ... aber das wird sich ergeben."

    Er hatte sie noch nicht einmal halbwegs verdaut, als das Licht über ihn gekommen war. Und auch jetzt verstand er sie nicht in ihrer absoluten Bedeutung.

    Zukünftige Heimat ... bis zu eurem Tod ...

    Kargor war ein Ungeheuer. Denkbar, dass er sich ihrer einfach nur entledigen wollte.

    Quatsch!, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Dafür hätte er uns nicht kreuz und quer durch die Galaxis fahren müssen. Er hätte uns mit einem Gedanken zerquetschen können. Er ist mächtig wie ein ...

    Das Wort „Gott" unterdrückte Rodriguez. Es schien ihm trotz allem unangemessen, auch wenn er in keiner Weise religiös war. Unter den Mastern der Erde war keine Religion geduldet worden. Alles, was er über Gott oder Götter wusste, wusste er von Prosper, der stets mehr für sie gewesen war als nur der Mann, der ihnen half, im Getto zu überleben.

    Anhand der Schemen, die ihn begleiteten, vermochte Rodriguez nicht genau zu sagen, ob auch Prosper dabei war. Er hoffte es jedoch, denn die bloße Gegenwart des väterlichen Freundes hätte ihm geholfen, jedes Schicksal zu ertragen.

    Er war schon einmal ausgesetzt worden – von seiner eigenen Mutter, die ihn im Getto zur Welt gebracht, aber nicht hatte großziehen können oder wollen. Sie hatte ihn einfach vor Prosper Mérimées Tür gelegt. Ein Findelkind, das seine Wurzeln nicht kannte. Vielleicht war seine Mutter eine Ausgestoßene gewesen, die frisch ins Getto deportiert worden war. Weil sie nicht die Anforderungen erfüllte, die die Master an einen Menschen stellten. Nur genetisch einwandfreies „Material wurde in den Metrops der Erde geduldet. Der durchschnittliche Intelligenzquotient eines Menschen mit allen Privilegien lag bei 150. Ein Mann namens Einstein, zu seiner Zeit der bedeutendste Wissenschaftler, hatte, zumindest hatte Prosper das Rodriguez einmal aus einem seiner Bücherschätze vorgelesen, einen IQ, der irgendwo zwischen 160 und 180 gelegen haben sollte. Rodriguez hatte von Gleichaltrigen gehört, die damit bereits mithalten konnten. Ältere übertrafen die Einstein-Werte oftmals sogar deutlich. Ja, die Menschen jenseits des Gettos waren allesamt Genies. Im Getto selbst, wo Rodriguez geboren und aufgewachsen war, lebte, nein vegetierte hingegen der Abschaum. Die Loser. Der ganze verdammte „Zivilisationsmüll, der durch das Raster der Master fiel ...

    Aber das liegt alles hinter uns!, machte sich Rodriguez auf seiner gespenstischen Reise durch das All klar. Das Getto existiert nicht mehr. Wir hier sind die letzten Überlebenden. Die Master haben die Geduld verloren mit denen, die ihn zu nichts nütze waren. Sie haben die Stadt, die einstmals Peking hieß, platt gemacht. Dem Erdboden gleich. Bestimmt wuchert dort, wo man uns vertrieb, längst Wald, Dschungel, voller außerirdischer, tückischer Bäume, mit denen man uns früher daran hindern wollte, das Getto zu verlassen ...

    Er hatte all das auf der Erde zurückgelassen, wie die anderen auch.

    In einem würfelartigen Container waren sie im All ausgesetzt und von der RUBIKON gerettet worden. Von John Cloud, der jetzt irgendwo war, Rodriguez wusste nicht, wo.

    Er wünschte, er hätte bei dem Commander sein können. Aber vielleicht war er ja schon unterwegs zu ihnen, hatte ihre Fährte aufgenommen und würde sie von egal wo retten ...

    Träumer!, schalt er sich selbst. Hoffnungsloser Träumer! Das hier ist die Endstation, kapier’s endlich. Hier holt uns keiner mehr ab. Hier werden wir verrotten.

    „Lebt bis zu eurem Tod in Frieden ..."

    Jedem anderen als Kargor hätte Rodriguez das vielleicht abgenommen. Aber der ERBAUER war kein Menschenfreund. Das hatte er mehr als eindringlich und mehr als einmal demonstriert.

    Er war überhaupt kein mitfühlendes Wesen.

    Nur egoistischer Herrscher.

    Teufel in Teufelsgestalt.

    Vor Rodriguez tauchte eine der Welten des Angk-Systems auf.

    Nummer wie viel? Eins, drei, sieben?

    Es blieb sich gleich. Eine fremde Welt. Friede. Fremde. Beides ließ sich kaum miteinander vereinbaren.

    Gab es dort überhaupt Sauerstoff? Ess- und Trinkbares? Wie war die Temperatur? Tobten Stürme, jagten unbezwingbare Raubtiere? An mögliche Artgenossen Kargors oder andere intelligente Bewohner wollte Rodriguez so nah vorm Ziel schon nicht mehr denken.

    Der Planet wurde immer größer, füllte das gesamte Blickfeld aus. Die Lichtstraße führte darauf zu, hinab zur Oberfläche, von wo ihnen etwas kobaltblau entgegenstach. Ein ... Turm?

    Der zeitlose Moment löste sich auf wie eine Seifenblase.

    Rodriguez spürte, wie er, von seinem eigenen Schwung getragen, durch weiches Gras purzelte. Bevor er irgendetwas sehen konnte, bevor sich seine Sinne an die neuen Verhältnisse gewöhnen und darauf einstellen konnten, wurde ihm schwarz vor Augen.

    Schwarz. Echtes und absolut lichtloses Schwarz ...

    Welch eine Wohltat!

    „RODDY!"

    Er kam zu sich, weil eine Stimme ihn rief. Oder kam er zu sich, während eine Stimme ihn rief, möglicherweise ganz von selbst, ganz aus eigenem Antrieb? Er wusste es nicht. Er hörte nur nach einer kurzen Pause noch einmal den Ruf: „Roddy! Und einen Seufzer später die Frage: „Hörst du mich? Bist du wach?

    Etwas Warmes fuhr über sein Gesicht. Eine Hand. Er blinzelte.

    Über ihm schwebte ein Gesicht. Ein Mann in den ... Rodriguez grinste bei dem Gedanken, wie Prosper sich ihm am ersten Tag ihrer Begegnung im Getto vorgestellt hatte ... ein Mann in den besten Jahren: schlank, das braune, kurze Haar etwas schütter, eisgraue Augen, markantes Kinn mit Grübchen und eine scharfkantige, zur Spitze hin leicht gebogene Nase.

    Indianische Vorfahren, hatte Prosper erklärt.

    Und auf Rodriguez’ Frage, was Indianer seien, hatte er ihm einfach eine dicke alte Schwarte von Buch in die Hand gedrückt und gemeint: „Lies! Steht alles da drin! Und noch verdammt viel mehr ..."

    Ja, Prosper und seine Bücher. Prosper und sein Zirkus ... dem Rodriguez kurz darauf selbst angehört hatte.

    Kuriositätenkabinett hätte es wohl besser getroffen. Denn sie alle, die den Zirkus bildeten – dereinst auf der Erde; verflucht, wie lange war das eigentlich her? –, wiesen irgendein Gebrechen, irgendeine Abnormität auf, sei es nun körperlich oder geistig ... oder beides zusammen. Und damit unterhielten sie seinerzeit die anderen Bewohner des Gettos. Die „Normalen" – die Rodriguez in vielerlei Hinsicht sehr viel abnormer und hässlicher fand als jedes beliebige Mitglied ihres Zirkus. Nicht alle natürlich. Aber das leben im Getto war hart und formte die, die darin lebten. Fast jeder war in Banden organisiert. Und wäre Prosper nicht gewesen, Prosper und sein treues Faktotum Sahbu, wäre aus Rodriguez sicherlich auch ein Mörder geworden. Zumindest ein Gewalttäter oder Dieb, denn ganz legal, ganz friedlich vermochte eigentlich niemand im Kerker der Master zu überleben.

    Nur Prosper und diejenigen, über die er seine schützende Hand legte, bildeten eine Ausnahme. Wie genau der Mann mit der größten (weil einzigen) Bibliothek auf der ganzen Erde – eine mit echten Büchern, die man angreifen, an denen man schnuppern und deren Gewicht man spüren konnte – dies bewerkstelligte, hatte Rodriguez nie herausgefunden. Aber irgendwie arrangierte er sich mit den herrschenden Kräften. Vielleicht war es auch nur ein Abkommen, das funktionierte, solange sich die Bosse der Gangs unterhalten fühlten. Solange sie fasziniert oder belustigt von den menschlichen Mutationen waren, die Prosper ihnen für die Dauer einer Vorstellung zum Fraße vorwarf ... bildlich gesprochen.

    Rodriguez verscheuchte die unnützen Gedanken an eine Zeit, die nie mehr wiederkommen würde. Publikum, ganz gleich, wie verbrecherisch, gehörte sicherlich nicht zu dem, was Kargor ihnen bieten konnte. Oder besser gesagt: wollte.

    Kargor, der Dämon.

    Das Böse an sich.

    Der Teufel hatte viele Namen. Und er versuchte seine Opfer auf vielfältige Weise.

    Niemand musste seine Beweggründe verstehen. Denn sie verstehen, hieße, überlegte Rodriguez, bereits ähnlich verdorben und durchtrieben zu sein wie er.

    Die Schleier vor seinem Blick verschwanden jetzt völlig.

    Prosper lächelte ihn an. „Endlich, Junge, wir dachten schon, du hättest es nicht geschafft."

    Rodriguez spürte, wie sich eine Gänsehaut auf seinem Hinterkopf bildete.

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