Wie der Keim einer Südfrucht im Norden: Kleist, Kafka und andere Außenseiter in der Literatur
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Buchvorschau
Wie der Keim einer Südfrucht im Norden - Joachim Bartholomae
2012
Ach, ich trage mein Herz mit mir herum,
wie ein nördliches Land den Keim einer Südfrucht.
Es treibt und treibt, und es kann nicht reifen.
Heinrich von Kleist (1777-1811)
Ich denke oft: Du könntest die Bibel geschrieben haben, und es würde heißen, du hättest die Geschichte eines notorisch frauenfernen jungen Mannes vorgelegt, der sich mit dem verführerischen Charme seiner Rede in die Herzen von zwölf jungen Männern schmeichelt, ihnen den Kopf verdreht und sie ihrer normalen Umwelt entreißt. Wäre ich der Autor des Buches der Bücher, die Literaturkritik würde von einem umfangreichen Werk der homosexuellen Erbauungsliteratur sprechen, das eindeutig autobiografische Züge trägt.
Detlev Meyer (1950-1999)
Für Walter Foelske, mit Liebe und Unrat
I
Der Fremde, dessen Handlungen man nicht versteht, und vor allem der Außenseiter, der es wagt, seinen Mitmenschen die Stirn zu bieten, sind das Salz in der Suppe der Literatur¹. Etwas flapsig könnte man sagen: Jahrhundertelang hatte ein Schicksal mit dem Tod des Helden zu enden, damit es sich lohnte, von den Dichtern besungen zu werden. Angefangen mit dem Gilgamesch-Epos lässt sich eine dichte Abfolge glorreicher Verlierer aufzählen, deren Geschichten für lange Zeit im Gedächtnis der Menschheit aufbewahrt wurden, gerade weil sie ihren eigenen Weg gegangen sind, anstatt den Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen. Immer ist es das Ausprobieren von Verhaltensweisen, was dem Helden die Aufmerksamkeit der Leser sichert, egal, ob seine Versuche erfolgreich verlaufen oder nicht.
Die spezifische Tendenz eines Menschen, sich zwischen zwei gleichrangigen Werten zu entscheiden, definiert seine Persönlichkeit. Wer wie Kleists Mestizin Toni zwischen sozialer Herkunft und Treue zum geliebten Menschen oder wie Kafkas Affe zwischen Selbstachtung und Überleben wählen muss, wird im Regelfall nach dem diskreten Hintertürchen suchen, um sich unbemerkt aus der Affäre zu ziehen; umso spektakulärer erscheint daher derjenige, der sich diesem unlösbaren Konflikt stellt. In der antiken Tragödie verkörperten Gottheiten diese «unfairen» Herausforderungen, später übernahmen die Tugenden der christlich geprägten Moral deren Funktion.
Wie Nietzsche argumentiert, liegt gerade starken Kulturen viel daran, ihre inneren Widersprüche offen zur Sprache zu bringen.² Wer sich mit den literarischen Neuerscheinungen der letzten Jahre beschäftigt, kann jedoch leicht den Eindruck bekommen, dass den Dichtern die Lust am Konflikt verloren gegangen ist. Schon die sogenannte Nachkriegsliteratur, die aus einer Überfülle möglicher Konfliktstoffe wählen konnte, erging sich immer wieder in einer Nabelschau von Befindlichkeiten. Inzwischen hat der Familienroman die Lufthoheit über den Bücherschränken erobert, und er wird sie vielleicht noch ein Weilchen gegen den Angriff der Vampirgeschichten und anderer Jugendbücher für Erwachsene verteidigen.
Was war passiert? Während Molière und Shakespeare sich vom Intrigenspiel an absolutistischen Höfen inspirieren ließen, verstand sich die deutsche Literatur seit Wieland und Lessing als pädagogisches Institut, und bei aller «Größe» und gelegentlich aufblitzendem Humor sind die kanonischen Werke der deutschen Klassik und Romantik «moralisch aufbauend» und deshalb in erster Linie eins, nämlich langweilig. Die Ausnahmen lassen sich an wenigen Fingern abzählen; an erster Stelle ist wohl unbestritten Heinrich von Kleist zu nennen, der auch dem «Schmutz seiner Seele»³ gerecht zu werden versuchte, was seinen Werken noch heute großes Interesse sichert. Dafür nahm er – als literarischer Außenseiter – die ablehnende Haltung vieler Zeitgenossen in Kauf. «Kleist leidet an der (…) unglücklichen Unfähigkeit, in Natur und Wahrheit das Hauptinteresse zu legen, und an dem Triebe, es in Verzerrungen zu suchen.»⁴ So schrieb Georg Friedrich Hegel über den klassischen Außenseiter; heute würde man sagen: Kleist versuchte, die Welt so zu zeigen, wie sie war, und nicht, wie sie sein sollte.
Aus Anlass des 200. Todestags des Dichters im vergangenen Jahr hatte die Kleist-Gesellschaft dazu eingeladen, über den «schwulen Kleist» zu reden. Im Verlauf der Podiumsdiskussion ergab sich die unerwartete Konstellation, dass der (vermutlich heterosexuelle) Professor der Germanistik mit viel Engagement biografischen Spekulationen nachhing, während ich als homosexueller Kleinverleger mit dem Bedürfnis, über Kleists Werk zu reden, kaum zum Zuge kam.
Über die Persönlichkeit des Heinrich von Kleist und die Gründe für seine Selbstwahrnehmung als Außenseiter der Gesellschaft ist viel spekuliert worden.⁵ In einem Brief an Ernst von Pfuel erinnert sich Kleist daran, den Freund beim Bad im Fluss mit «mädchenhaften Gefühlen» betrachtet zu haben: «als ob Du dem schönsten jungen Stier, der jemals dem Zeus geblutet, nachgebildet wärest»⁶. Eine weitere Badeszene schildert er im Marionettentheater⁷, und auch anderen jungen Männern schreibt er innige Liebesbriefe⁸. Vielleicht sehnte er sich danach, dauerhaft mit einem geliebten Freund zusammen zu leben, vielleicht hatte er sexuelles Interesse an Männern – diese Fragen lassen sich heute nicht mehr beantworten und sind im Grunde auch ohne Bedeutung.
Welches Interesse haben wir daran, einem längst verstorbenen Mann eine sexuelle Orientierung zu unterstellen, zu der er weder in Leben noch Werk jemals Stellung genommen hat?⁹ Seitdem Marcel Reich-Ranicki Mitte der 1980er Jahre Thomas Manns Homosexualität nicht länger ignorieren konnte¹⁰, inszenieren Teile des heterosexuellen Feuilletons die Rede über Details des Intimlebens mancher Autoren als Ausdruck ihrer vermeintlichen Toleranz, ohne sich jedoch die Mühe zu geben, den Auswirkungen einer homosexuellen Autorenperspektive im Werk nachzuspüren. Dabei wäre im Rahmen eines Literaturverständnisses, das von den Dichtern die Analyse der Beschränkungen erwartet, denen das Alltagsleben unterliegt, und Perspektiven auf eine alternative Realität einfordert, ein großes Interesse an den speziellen Blickwinkeln zu erwarten, die Positionen am Rande der Gesellschaft