Mitteldeutsche Geschichten und Anekdoten: Erlebte Alltagskultur in zwei Gesellschaftsordnungen
Von Bernd Ozminski
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Über dieses E-Book
Ein eifernder politischer Agitator, der 1990 zum Wendehals mutiert, ein Sozialschmarotzer, der staatlich sanktionierte Lebensmittel an seine Schweine verfüttert, sowie der Betriebsleiter, der öffentlich Wasser predigt …, Erwähnung finden aber auch die Mutigen, die ungeliebte Wahrheiten äußern, wenn auch ironisch verschlüsselt.
Dass nicht alles sozial in der sozialen Marktwirtschaft ist, erfuhren die Ostdeutschen bereits unmittelbar nach dem Willkommens-Buffet bei der Grenzöffnung.
Der Ellenbogen besaß im vereinten Deutschland wieder seine Daseinsberechtigung.
Bernd Ozminski
Bernd Ozminski: Als Jahrgang 1943 wurde der Autor im November 1965 zur NVA eingezogen.Trotz vehementen Mangels an Lehrkräften in den Schulen, besaß die Werbung und Ausbildung für "Soldaten auf Zeit"oberste Priorität. Er beließ es bei der Ausübung des Grundwehrdienstes.Die Tätigkeit als Lehrer und die weitere Entwicklung im Beruf erschienen ihm notwendiger. Das Schreiben von nunmehr drei Büchern erfolgte erst im späteren Lebensabschnitt. Vor 1990 wären diese aus politische Gründen so- wie wegen Papiermangels niemals in Druck gegangen.
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Buchvorschau
Mitteldeutsche Geschichten und Anekdoten - Bernd Ozminski
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Maifeiern
Milchpantscher
Die Jugend geht zum Tanz
Start ins Berufsleben
Die Freude am Beruf
»… Lehrer sein, dagegen sehr«
Fahrten übers Land
Schwimmlehrgang in den Sommerferien
Das Bürgermeisteramt
Einladung zum Schlachtefest
De Esel is buten
Eseleien
Dorffußball
Tanzabende auf dem Dorf
Nächtliche Überraschungsgäste
Ein ungebetener Gast
Frohsinn im Schulamt
Auf der Maitribüne
Auf zur Kreisdelegiertenkonferenz der FDJ
Der Quatsch von Marx und Lenin
Erlebnisse an der innerdeutschen Grenze
Von Apfelsinen, Bananen und Parteidokumenten
Staatlicher Besuch im Reichsbahnwerk
Sozialschmarotzer
Urlaubsimpressionen in der DDR
Bühne frei für »Mary Lou«
Eine Führung im Schloss Bodenstein
Go West
Die neue Reisefreiheit
Politische Unzuverlässigkeit
Verblüffte Trauergäste
Skandal in der Trauerhalle
Der Treuhänder
Einleitung
Die charakterlichen Schwächen der in der Öffentlichkeit stehenden Persönlichkeiten stellen einen amüsanten Unterhaltungswert in diesem Buch dar. Ein eifernder politischer Agitator, der 1990 zum Wendehals mutiert, ein Sozialschmarotzer, der staatlich sanktionierte Lebensmittel an seine Schweine verfüttert, sowie der Betriebsleiter, der öffentlich Wasser predigt …
Erwähnung finden aber auch die Mutigen, die ungeliebte Wahrheiten äußern, wenn auch ironisch verschlüsselt. Dass nicht alles sozial in der sozialen Marktwirtschaft ist, erfuhren die Ostdeutschen bereits unmittelbar nach dem Willkommens-Buffet bei der Grenzöffnung. Der Ellenbogen besaß im vereinten Deutschland wieder seine Daseinsberechtigung.
Maifeiern
In meiner Kindheit bildeten die Demonstrationsmärsche zum 1. Mai, dem Kampftag der Werktätigen, einen Schuljahreshöhepunkt. Die Einheitsgewerkschaft, der FDGB, rief dazu regelmäßig auf und trug für die Vorbereitung und Durchführung die Verantwortung. An diesem erlebnisreichen Tag ruhte die Arbeit in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen weitgehend. Alle Teilnehmer der Großdemonstration erwarben für eine Mark und fünfzig Pfennige eine Solidaritätsmarke sowie eine rote Papiernelke. Erstere klebten sie ins Mitgliedsbuch und letztere steckten sie sich ins Knopfloch ihrer Bluse bzw. ihres Sakkos. Den Sammelpunkt bildete ein vorgeschriebener Stellplatz. In Sechser- oder Achter-Reihen setzten sich kontinuierlich einzelne Marschblöcke in Bewegung. Den jeweiligen Vorspann bildeten, soweit vorhanden, die Träger von Fahnen und Transparenten sowie eine Blaskapelle. Häufig fuhren im Block geschmückte Wagen mit, die von Pferden oder LKWs gezogen wurden. Oben saßen oder standen Bestarbeiter und Aktivisten, die dem Publikum am Straßenrand zuwinkten. Über ihnen prangten auf Spruchbändern Losungen, die von ihren ausgezeichneten, bahnbrechenden Leistungen kündeten. So zogen die Werktätigen der Standortbetriebe an der Maitribüne vorbei, von der herab ein Sprecher die hohen Leistungen der einzelnen Belegschaften würdigte. Diese Sprüche ertönten über eine Beschallung. Somit hörten auch die Einwohner, die sich weiter entfernt befanden und nicht den Genuss des Sichtkontaktes mit der Tribüne ergattern konnten, den vollen Wortlaut aller Lobpreisungen deutlich mit. Über all diese Großtaten zu Ehren der Republik klatschten die Ehrengäste, Funktionäre und Abgeordneten des Stadtparlaments langanhaltend Beifall, dem sich spontan die Bürger anschlossen, die den Platz umsäumten. Diese Art von Euphorie übertrug sich auf die vorbeimarschierenden Menschen gefühlsmäßig recht unterschiedlich. Ein Teil empfand Begeisterung, die sich wie in einen Rausch steigerte. Ein anderer Teil blieb sachlich, nüchtern und erinnerte sich an die mangelhafte Planerfüllung und die vormundschaftliche Leitung in Betrieben und Einrichtungen.
Für uns Kinder besaß dieser Großaufmarsch eine besondere Ausstrahlung, selbst wenn die Veranstaltung ein Pflichtprogramm war. Es zählte für uns, dass wir nicht im Unterricht schwitzen mussten. Zudem stand man im Mittelpunkt des Geschehens, wenn Schüler auf dem Marsch mannigfaltige Aktivitäten und zentrale Initiativen selbst vorstellen durften. So kleideten sich einige als Sportler, andere in Trachten befreundeter Volksdemokratien. Wieder andere zogen Wägelchen, auf denen ihre Haustiere in Käfigen flatterten und hüpften. Diese Schüler nannten sich »Junge Kaninchen-, Tauben- oder Hühnerzüchter« und zuckelten mit ihren Karren stolz an der Maitribüne vorbei. Ihre individuelle Kleintierhaltung würde die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln maßgeblich verbessern, verkündete der Sprecher auf dem Podium über ihnen. So erfuhren die Schüler öffentliche Anerkennung und Ehrung für ihre guten Taten.
Nach der allgemeinen Auflösung der Marschblöcke verflog die Euphorie allmählich. Wir Kinder entledigten uns der Requisiten in der Schule und schlenderten heimwärts, vorbei am Platz, an dem zuvor die Auflösung der Maidemonstration erfolgt war. Inzwischen hatten verschiedene Imbissstuben ihren Betrieb aufgenommen. Sie boten den hungrigen und durstigen Kehlen ermüdeter Marschierer eine vielfältige appetitliche Auswahl an: Bockwurst mit Brötchen und Senf, Goldbroiler, Bier sowie diverse Spirituosen. Werktätige aus den Produktionsbetrieben erhielten im Gegensatz zu Angestellten in Behörden und Einrichtungen ein Handgeld. Dieses Geld landete dann meist in den Kassen der fliegenden Händler. Während es bei vielen Demonstranten nur darum ging, den Hunger zu stillen, hatten es andere auf das vielfältige Angebot der Spirituosen abgesehen. So viele Alkoholleichen wie an diesem Ort habe ich in meinem Leben nie wieder gesehen. Erst torkelten die Angetrunkenen vor den Imbissbuden herum, fielen später zu Boden, wälzten sich auf der Wiese herum und versuchten sich vergeblich aufzurappeln. Letztendlich schliefen die Säufer ihren Alkoholrausch auf dem Rasen aus. Genauso wie ein uns bekannter Trinker, der sich im Vorgarten eines Schulkameraden zum Ausnüchterungsschlaf niedergelegt hatte. Wir nannten ihn »Hinkebein« und trieben unseren Spaß mit ihm. Einige kitzelten mit Grashalmen an seiner Nase, andere bespritzten ihn mit Wasser.
In unserer Stadt existierten seinerzeit einige Wohngebiete, in denen vorrangig milieugeschädigte Familien lebten. Man sprach damals von asozialen Zuständen. Lokalisieren ließen sich die Wohngebiete, die »Goldene 15« in der Harzstraße, die »Myama«, ein ehemaliges Militärlazarett, zwischen der Lieberkühn- und der Trauteweinstraße, sowie ein Teil der Bakenstraße.
In der Regel hatten die genannten Säufer dort ihr Zuhause.
Milchpantscher
»Sagte ich es nicht«, empörte sich unsere Mutter sichtlich, »die Milch schmeckte doch immer so wässrig. Nun steht es schwarz auf weiß in der Zeitung!«
Jenes Tageblatt trug bereits seinerzeit den Namen »Volksstimme« und fand im gesamten Bezirk Magdeburg den größten Leserkreis.
Im Lokalteil dieses Blattes informierte die Behörde über eine nachgewiesene Manipulation in unserer Molkereiverkaufsstelle. Unter dem Titel: »Milchpantscher beim Verdünnen mit Wasser erwischt«, stellte die Zeitung in Wort und Bild den Fall der Öffentlichkeit dar. Demnach ließen sich die Bestandteile in diesem wichtigen Grundnahrungsmittel sicher bestimmen und der Wasseranteil feststellen.
Zu dieser Zeit waren auch Milchprodukte rationiert und wurden zugeteilt, Kinder bis zum sechsten Lebensjahr erhielten täglich einen halben Liter Vollmilch auf Marken. Mein älterer Bruder fand keine Berücksichtigung. So teilte meine Mutter redlich unter ihren Kindern. Dass die Milch mit