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Mathematik inklusive: Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik
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eBook254 Seiten2 Stunden

Mathematik inklusive: Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik

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Über dieses E-Book

Ein inklusiver Mathematikunterricht zielt auf die Teilhabe und Partizipation aller Lernenden im Unterricht. Zudem sollen mathematische Kompetenzen vermittelt werden, die grundlegend für außer- und nachschulische Teilhabe sind. In den Blick geraten dabei - über die fachliche Logik des Gegenstands "Mathematik" hinaus - die individuellen Zugangsmöglichkeiten zur Mathematik, die Rolle von Sprache sowie die Bedeutung des Lerngegenstands für den Einzelnen. Das Buch liefert den Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik, der die fachlichen sowie die sonder- und inklusionspädagogischen Wissensbestände gewinnbringend miteinander verknüpft.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum14. Nov. 2018
ISBN9783170338661
Mathematik inklusive: Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik

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    Buchvorschau

    Mathematik inklusive - Birgit Werner

    Die Autorin

    Prof. Dr. Birgit Werner lehrt an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg am Institut für Sonderpädagogik. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Pädagogik und Didaktik im sonderpädagogischen Förderschwerpunkt ›Lernen‹. Besonders widmet sie sich den Fragen des Erwerbs mathematischer Kompetenzen mit seinen vielfältigen Beeinträchtigungen bzw. Lernhürden (z. B. Dyskalkulie/Rechenschwäche; Sprache) unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialen Kontexte (Schule, Alltag, Ausbildung, Beruf).

    Birgit Werner

    Mathematik inklusive

    Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik

    Verlag W. Kohlhammer

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    1. Auflage 2019

    Alle Rechte vorbehalten

    © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Print:

    ISBN 978-3-17-033864-7

    E-Book-Formate:

    pdf:      ISBN 978-3-17-033865-4

    epub:   ISBN 978-3-17-033866-1

    mobi:   ISBN 978-3-17-033867-8

    Vorwort zur Reihe Inklusion praktisch

    Inklusion ist nicht nur eine der schönsten pädagogischen Visionen überhaupt, sondern auch eine gesellschaftliche Vorstellung, die vor allem auf humanistischen Werten und Normen beruht. Im Vordergrund stehen Begriffe wie Gleichheit, Gerechtigkeit, Selbstwert, Teilhabe und Partizipation.

    Aktion Mensch hat im Rahmen ihrer Inklusionskampagne 2013 einen kurzen Animationsfilm mit dem Titel Inklusion ist … entworfen, der aufzeigt, mit welchen Hoffnungen der Begriff verbunden ist.

    Inklusion ist …

    … wenn alle mitmachen dürfen.

    … wenn keiner mehr draußen bleiben muss.

    … wenn Unterschiedlichkeit zum Ziel führt.

    … wenn Nebeneinander zum Miteinander und Ausnahmen zur Regel werden.

    … wenn anders sein normal ist.

    Anders ausgedrückt: Bei Inklusion geht es also darum, die auf der gesetzlich-strukturellen Ebene formulierten Bestimmungen im täglichen Zusammenleben in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar und wirksam werden zu lassen.

    Inklusion ist Utopie, Weg, Wertbegriff, Methode und Zielvorstellung zugleich und weckt vielfältige Wünsche und Hoffnung auf Veränderungen und gesellschaftliche Entwicklung. Dabei beschränkt sich Inklusion keinesfalls auf Schule. Dies verdeutlicht auch der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Inklusion, der Bildung als eines von zwölf verschiedenen Handlungsfeldern (u. a. Arbeit und Beschäftigung, Bauen und Wohnen oder Kultur und Freizeit) behandelt.

    Viele Autoren verbinden mit Inklusion weitreichende Vorstellungen und Hoffnungen, die sich auf verschiedenen Ebenen lokalisieren lassen.

    Auf gesellschaftlicher Ebene ist das Ziel eine solidarische und sozial gerechte, diskriminierungs- und barrierefreie Gesellschaft ohne Ausgrenzung, die Diversität als Normalität ansieht. Chancengerechtigkeit für Menschen mit Behinderung soll unter anderem ermöglicht werden, indem keine Unterscheidungen zwischen behinderten und nicht behinderten Menschen vorgenommen werden und Behinderung als Zuschreibung und Kategorisierung erkannt wird.

    Innerhalb des Bildungssystems soll eine chancen- und bildungsgerechte und weniger selektionsorientierte Schule für ausnahmslos alle Schüler entstehen. Inklusiver Unterricht ist kultur-, sprach- und gendersensibel und begreift Heterogenität nicht als Belastung, sondern als Chance und Bereicherung.

    Personenbezogen steht Inklusion für den Versuch, Abhängigkeiten und Barrieren zu reduzieren und so u. a. Teilhabe und Partizipation und einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu erreichen.

    Dem geneigten Leser wird schnell deutlich, welch anspruchsvolle und zum Teil idealistische Vorstellungen an Inklusion herangetragen werden. Möglicherweise handelt es sich dabei sogar um eine Aufgabe, die eigentlich nicht zu erfüllen ist: Inklusion soll einen Umbruch, eine gesellschaftliche Transformation bzw. Emanzipation oder gar einen Neuanfang des menschlichen Zusammenlebens markieren, der in eine noch nie vorhandene Dimension vorzustoßen vermag und dabei die zahlreichen Verfehlungen in der Geschichte vergessen macht.

    In der vor Ihnen liegenden Buchreihe geht es keinesfalls darum, Inklusion oder ihre Idee schlecht zu reden. Vielmehr soll vor überzogenen Ansprüchen gewarnt werden, an denen letztendlich jede große Idee scheitern muss. Zu diesem Zwecke erfolgt zunächst eine grundlegende Beschäftigung mit der Thematik, bevor die weiteren Bände konkrete schulische Felder der Inklusion beleuchten und Umsetzungshilfen für Förder- und Regelschullehrkräfte bereitstellen.

    Wir hoffen, Sie als Leserinnen und Leser für eine Auseinandersetzung mit dem Themenfeld der Inklusion begeistern zu können und wünschen Ihnen eine abwechslungsreiche Lektüre!

    Würzburg, im Mai 2018

    Prof. Dr. Stephan Ellinger und Dr. Traugott Böttinger

    Einzelbände in der Reihe Inklusion praktisch

    Band    1: Inklusion. Gesellschaftliche Leitidee und schulische Aufgabe

    Band    2: Exklusion durch Inklusion? Stolpersteine bei der Umsetzung

    Band    3: Sonderpädagogische Förderung in der Regelschule

    Band    4: Schulische Inklusion entwickeln. Arbeitshilfe für Schulleitungen

    Band    5: Kollegiale Kooperation in inklusiven Settings

    Band    6: Umgang mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten in heterogenen Lerngruppen

    Band    7: Mathematik inklusive. Grundriss einer inklusiven Fachdidaktik

    Band    8: Teilhabe durch Grundbildung. Die Förderung Benachteiligter im Sekundarbereich I

    Band    9: Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen

    Band 10: Lehrergesundheit in inklusiven Settings

    Inhalt

    Vorwort zur Reihe Inklusion praktisch

    Einleitung

    1 Mathematik als ›fundamentale Idee‹ und mathematische Kompetenzen

    1.1 Mathematik: eine Wissenschaft, ein Unterrichtsfach oder eine Kulturtechnik?

    1.2 Mathematik als ›fundamentale Idee‹

    1.3 Mathematische Kompetenzen

    2 Mathematikunterricht als sozial-kommunikative Situation

    3 Ausgewählte Aspekte sprachlich-kommunikativer Strukturen des Mathematikunterrichts: Sprache als Unterrichtsmedium und Lerngegenstand

    3.1 Sprache als Lerngegenstand

    3.2 Sprache als Unterrichtsmedium

    3.3 Mathematikunterricht als kommunikationsfördernder und sprachsensibler Fachunterricht

    4 Ausgewählte Befunde aus den sonderpädagogischen Förderschwerpunkten Lernen und Sprache

    4.1 Forschungsbeitrag: »Mathe versteh ich nich …« – eine explorative Studie zum Verbalisieren mathematischer Inhalte bei Grund-, Sprachheil- und Förderschülern Gastbeitrag von Margit Berg, Rebecca Höhr und Birgit Werner

    4.2 Forschungsbefunde zur Beschreibung mathematischer Kompetenzen im Sekundarbereich I resp. bei Schülern im Förderschwerpunkt ›Lernen‹

    4.3 Diskussion

    5 Diskursanalyse

    5.1 Mathematiklernen unter dem Aspekt Behinderung resp. sonderpädagogischer Förderbedarf

    5.2 Umgang mit Heterogenität aus fachdidaktischer Perspektive

    5.3 Schulische vs. außerschulische Bildungsangebote in den Kernbereichen Deutsch und Mathematik

    5.4 Fachdidaktik vs. Sonderpädagogik? Überlegungen zur Diagnostik und zum ›gemeinsamen‹ Gegenstand

    5.5 Vom Fach- zum inklusiven Curriculum

    5.6 Fazit

    6 »Mit Unterschieden muss gerechnet werden« – Konturen eines inklusiven Mathematikunterrichts

    Literatur

    Einleitung

    Inklusion ist in aller Munde. Die Debatten bewegen sich im Spektrum zwischen normativen Setzungen, Ansprüchen und realer Machbarkeit, zwischen »Rhetorik und Realität« (Speck 2010) bzw. zwischen »Vision und Wirklichkeit« (Ellger-Rüttgardt 2016). Inklusion aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive intendiert die Etablierung einer ›Schule für alle‹, d. h. einer Schule mit dem Anspruch, der Verschiedenheit aller gerecht zu werden. Entsprechend der guideline for inclusion der UNESCO (2005) zeichnet sich inklusiver Unterricht neben der Anwesenheit und Akzeptanz aller Schüler¹ unabhängig von ihren individuellen Lernvoraussetzungen und Entwicklungsmöglichkeiten durch gewinnbringende und entwicklungsförderliche Teilhabe und Partizipation aus (zit. nach Kunz, Luder, Gschwend & Diezi-Duplain 2005). Neben zahlreichen Debatten auf bildungstheoretischer, -politischer und schulorganisatorischer Ebene ist inzwischen ein breiter Diskurs über eine inklusive Didaktik zu beobachten (Feuser 2011; Geiling & Hinz 2005; Markowetz 2008; Prengel 2013; Reich 2014; Seitz 2009; Werning & Lütje-Klose 2016; Ziemen 2008 u. a.). Im Mittelpunkt steht die Frage nach einer Didaktik, die den Rahmen einerseits für die Gestaltung eines wissenschaftlich fundierten Fachunterrichts und andererseits für die Sicherung der Teilhabe und Partizipation aller Schüler bildet. Dieser Diskurs ist derzeit vor allem von didaktischen Theoriebildungen, Grundlegungen von Prinzipien und auch fächerübergreifenden Aspekten gekennzeichnet (Amrhein & Dziak-Mahler 2014; DGfE 2017; Musenberg & Riegert 2016; Musenberg & Riegert 2015). Begriffe wie Differenzierung, ›Gemeinsamer‹ Unterricht, Individualisierung, kooperatives Lernen, inklusives Fördern, Co-teaching und didaktische Integration aber auch Momente der Schulentwicklung werden als wesentliche Bausteine einer inklusiven Didaktik benannt. Als ebenso bedeutsame Elemente einer inklusiven Schul- und Unterrichtsgestaltung werden die Haltungen aller am pädagogischen Prozess Beteiligten, die Diagnostik sowie eine individuelle Lernbegleitung und Leistungsrückmeldungen sowie die personellen, sächlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen herausgestellt. Inklusion gilt zudem als Leitprinzip für Schule und Unterricht. Breiten Raum nehmen die Auseinandersetzungen mit den Aspekten Lese-, Lese-Rechtschreib- und Rechenschwierigkeiten (noch außerhalb der Kategorie ›Sonderpädagogischer Förderbedarf‹) sowie Zweisprachigkeit, Behinderungen und auch herausfordernde Verhaltensweisen ein.

    Dies begründet die Forderung nach heterogenitätssensiblen Modellen im Fachunterricht (Moser & Kipf 2015, 33). Diese Heterogenitätsebenen dürfen sich nicht nur auf die herkömmliche Unterscheidung zwischen Behinderung und Nicht-Behinderung konzentrieren, sondern müssen auch Differenzlinien wie Ethnie, Geschlecht, Migration, sozioökonomischer Status sowie sprachlich-kommunikative Kompetenzen berücksichtigen.

    Die didaktischen Empfehlungen münden häufig in den Merkmalen ›guten Unterrichts‹ bzw. eines fachlich bedeutsamen und kindgerecht gestalteten Mathematikunterrichtes, die als grundlegend für inklusiven Unterricht gelten (vgl. Häsel-Weide & Nührenbörger 2017, 9f.; Käpnick 2016b; Lütje-Klose & Miller 2015). Eine fundierte, empirisch abgesicherte Theoriebildung für eine inklusive Fachdidaktik stellen die bisherigen Überlegungen jedoch nicht dar. Ebenso ist eine evidenzbasierte, inklusive Didaktik in Deutschland erst im Entstehen (Amrhein & Reich 2014, 32).

    Während aus dem Primarbereich zu Fragen der Lern- und Sozialentwicklung, der Einstellungsforschung, der Professionalisierung, der fachdidaktischen Gestaltung und inklusiven Schulentwicklung relativ viele empirische Befunde vorliegen, trifft dies für den Sekundarbereich weniger zu. Dies begründet sich schon bildungsstatistisch mit den derzeitigen Inklusionsquoten von ca. 40 % im Primar- gegenüber 22 % im Sekundarbereich (Klemm 2015). Die schulischen Angebote in dieser Schulstufe bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Abschluss- und Anschlussorientierung bzw. zwischen schulischen Standards (Bildungszertifikaten/Schulabschlüssen) und anschlussfähigen individuellen Kompetenzen. Bisherige Befunde zeigen, dass die Leistungsdifferenz im Sekundarbereich zunimmt und nach Art des sonderpädagogischen Förderbedarfs variiert. Die konzeptionelle Herausforderung gerade in dieser Schulstufe besteht darin, in einem auf Segregation ausgelegtem Schulsystem inklusiv zu arbeiten. Hier sind vor allem Forschungsdesiderate hinsichtlich fachdidaktischer Themen, zu Fragen des Übergangs Schule – Beruf bzw. Berufsausbildung sowie zur Gestaltung zielgruppenspezifischer, auch zieldifferenter Bildungsangebote zu verzeichnen. Der Fokus der Inklusion muss sich stärker als bislang in dieser Schulstufe den Fragen des Übergangs Schule – Beruf bzw. Berufsausbildung zuwenden.

    Die Umsetzung inklusiver Bildungsangebote und die damit verbundenen didaktisch-methodischen Aufgaben und Herausforderungen fokussieren sich auf die Frage nach den konzeptionellen Grundlagen einer inklusiven Fachdidaktik Mathematik.

    In einem inklusiven Fachunterricht sind die fachdidaktischen Ansprüche des jeweiligen Unterrichtsfaches mit den individuellen Bildungsbedarfen sowie den Lernausgangslagen und -möglichkeiten der Schüler miteinander in Beziehung zu setzen. Sonderpädagogische bzw. förderschwerpunktspezifische Unterstützungsmaßnahmen sollen sich als subsidiäre, unterrichtsbegleitende, adaptive Maßnahmen zur Sicherung der Teilhabe am Unterricht verstehen.

    Auch in der Fachdidaktik liegen für den Primarbereich deutlich mehr Konzepte und Modelle für inklusive Settings vor als im Sekundarbereich I.

    Die bisherigen mathematikdidaktischen Überlegungen und Konzepte lassen sich mehrheitlich von dem Gegenstand Mathematik bzw. dem Auftrag, mathematische Kompetenzen zu vermitteln, leiten. Sie konzentrieren sich auf Modifikationen und Adaptionen herkömmlicher (fach-)didaktischer Zugänge wie z. B. über das Material, die Zeit, den Umfang der Aufgaben, den Einsatz technischer Hilfsmittel. Weit verbreitet ist gegenwärtig die Ausdifferenzierung der Bildungsangebote auf drei Niveaustufen, jeweils entsprechend der intendierten Schulabschlüsse (Haupt-, Realschule, Gymnasium). Die Konzepte orientieren auf einen zielgleichen Unterricht, d. h. auf die Anpassung des Lernenden bzw. die Adaption des individuellen Lernprozesses an den Lerngegenstand. Im Mittelpunkt stehen dabei häufig lern- bzw. rechenschwache Schüler. Hinweise auf beispielsweise alternative Lösungsstrategien, basierend auf situativem Erfahrungswissen außerhalb mathematikdidaktischer Überlegungen oder auch kritische Überlegungen zur Relevanz einzelner Inhalte, finden sich kaum. Ebenso ist eine Debatte um Mindeststandards bzw. Lernziele und -inhalte jenseits von Regelstandards derzeit nicht zu beobachten.

    Im Gegenzug ist zu konstatieren, dass auch innerhalb der Sonderpädagogik fachdidaktische Forschungen noch eher selten sind. Hier standen und stehen seit vielen Jahren Fragen nach ethischen Grundlagen, Bildungsgerechtigkeit, Organisations- und Institutionsfragen, Klassifizierungen, Grundlage der Heterogenität, spezifische Entwicklungs- und Lebensbereiche im Vordergrund (vgl. u. a. Hedderich, Biewer, Hollenweger & Markowetz 2016). Förderschwerpunktspezifische, mathematikdidaktische Überlegungen liegen vor allem für den Primarbereich vor (Lang, Hofer & Beyer 2011; Leuders 2012; Ratz 2009; Ratz 2011; Scherer 1995; Walter, Suhr & Werner 2001; Werner 2009).

    Die zentrale Herausforderung einer inklusiven Fachdidaktik Mathematik ist es, einen Unterricht zu gestalten, der alle Schüler zu Adressaten dieses Unterrichts macht. D. h. einerseits soll deren Teilhabe und Partizipation im Unterricht selbst als auch in außer- und nachschulischen Kontexten gesichert werden. Gleichzeitig aber darf der Lerngegenstand Mathematik bzw. das Lernziel ›mathematische Kompetenz‹ nicht aus dem Auge verloren werden. Eine theoretische Fundierung einer Fachdidaktik, die sowohl die fachdidaktischen als auch die sonderpädagogischen Ansprüche miteinander verknüpft, fehlt derzeit.

    Diese Monografie versucht, dieses Desiderat für den schulischen Lernbereich Mathematik zu beheben. Im Gegensatz zur traditionellen Fachdidaktik Mathematik stellen die nachfolgenden Überlegungen nicht den Gegenstand Mathematik (fachwissenschaftliche Perspektive) einschließlich ihrer fachdidaktisch- und methodischen Variationen (fachdidaktische Perspektive) oder die Heterogenität der Schüler bzw. die individuellen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten (sonderpädagogische Perspektive) in den Mittelpunkt. Die Argumentationen konzentrieren sich auf die Lehr- und Lernsituation innerhalb des Mathematikunterrichts selbst. Als Basis dieser Konzeption dient das Verständnis von Unterricht als konkret ablaufende Kommunikations- und Interaktionssituation (Werner 2009). Dieses kommunikative Geschehen lässt sich – analog zum »Didaktischen Dreieck« (Bönsch 2006) – durch die drei Komponenten Sache/Gegenstand – Lehrer – Schüler beschreiben. Zwischen diesen Komponenten besteht eine enge, wechselseitige Abhängigkeit und Durchdringung, die durch das Moment der Kommunikation miteinander verbunden sind.

    Als Basis für den ›gemeinsamen Gegenstand‹ Mathematik wird hier auf das Kompetenzstrukturmodell der Bildungsstandards (KMK 2004) zurückgegriffen. Dieses Modell findet

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