Ein Herz in Not: Die Klinik am See 25 – Arztroman
Von Britta Winckler
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Über dieses E-Book
Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Gedankenvoll blickte Veronica Grömer aus dem breiten Fenster des Wohnzimmers in dem Landhaus, das ihre Mutter nun allein bewohnte, seit Papa vor nunmehr fünf Jahren gestorben war. Das Haus stand an einem Hang am östlichen Rand von Auefelden. Veronika konnte über die Dächer Auefeldens bis hinüber zum See blicken, bis hin zur Klinik, die früher einmal ein Schloß war, wie sie wußte.
Dort arbeitete auch ihre Mutter als Krankenschwester. Mit dieser Klinik aber beschäftigte sich das hübsche junge Mädchen mit dem fast schulterlangen, welligen dunkelbraunen Haar in diesen Minuten. Besser gesagt, es dachte an den Chefarzt dieser Klinik, an Dr. Lindau. Sie kannte ihn nicht persönlich, wußte aber, daß er ein guter und vertrauenerweckender Frauenarzt war. Jedenfalls war ihre Mutter immer voll des Lobes über ihren Chef, wenn sie von ihm sprach. Erst vor 14 Tagen, als Veronica übers Wochenende zu Hause gewesen war, hatte die Mutter einiges von ihm erzählt und sein menschliches Verständnis den Patientinnen gegenüber lobend erwähnt. Seit diesem Wochenende aber beschäftigte sich Veronica mit dem Gedanken, diesen Dr. Lindau zu konsultieren, um endgültige Gewißheit darüber zu bekommen, ob sie nur an einer Hormonstörung leide oder ob sich bereits die Folgen ihrer Liebe zu Olaf Gunnarsson eingestellt hatten. Sie ahnte das letztere. Natürlich hatte sie auch in München zu einem Gynäkologen gehen können, aber irgendetwas in ihr zog sie zu dieser Frauenklinik am See hin. Vielleicht weil ihre Mutter dort als Krankenschwester arbeitete?
Veronica hätte darauf keine präzise Antwort geben können. Es war nur so eine Art Eingebung, sich
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Buchvorschau
Ein Herz in Not - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 25–
Ein Herz in Not
Veronikas Kummer nahm ihr den Lebensmut
Britta Winckler
Gedankenvoll blickte Veronica Grömer aus dem breiten Fenster des Wohnzimmers in dem Landhaus, das ihre Mutter nun allein bewohnte, seit Papa vor nunmehr fünf Jahren gestorben war. Das Haus stand an einem Hang am östlichen Rand von Auefelden. Veronika konnte über die Dächer Auefeldens bis hinüber zum See blicken, bis hin zur Klinik, die früher einmal ein Schloß war, wie sie wußte.
Dort arbeitete auch ihre Mutter als Krankenschwester. Mit dieser Klinik aber beschäftigte sich das hübsche junge Mädchen mit dem fast schulterlangen, welligen dunkelbraunen Haar in diesen Minuten. Besser gesagt, es dachte an den Chefarzt dieser Klinik, an Dr. Lindau. Sie kannte ihn nicht persönlich, wußte aber, daß er ein guter und vertrauenerweckender Frauenarzt war. Jedenfalls war ihre Mutter immer voll des Lobes über ihren Chef, wenn sie von ihm sprach. Erst vor 14 Tagen, als Veronica übers Wochenende zu Hause gewesen war, hatte die Mutter einiges von ihm erzählt und sein menschliches Verständnis den Patientinnen gegenüber lobend erwähnt. Seit diesem Wochenende aber beschäftigte sich Veronica mit dem Gedanken, diesen Dr. Lindau zu konsultieren, um endgültige Gewißheit darüber zu bekommen, ob sie nur an einer Hormonstörung leide oder ob sich bereits die Folgen ihrer Liebe zu Olaf Gunnarsson eingestellt hatten. Sie ahnte das letztere. Natürlich hatte sie auch in München zu einem Gynäkologen gehen können, aber irgendetwas in ihr zog sie zu dieser Frauenklinik am See hin. Vielleicht weil ihre Mutter dort als Krankenschwester arbeitete?
Veronica hätte darauf keine präzise Antwort geben können. Es war nur so eine Art Eingebung, sich Dr. Lindau anzuvertrauen und sich von ihm untersuchen zu lassen. Merkwürdigerweise wehrte sich in ihr aber etwas dagegen, sich ihrer Mutter anzuvertrauen, vor der sie bisher keinerlei Geheimnisse gehabt hatte. Das war erst seit einem guten Vierteljahr der Fall – seit sie Olaf Gunnarsson, der ebenfalls in München studierte, kennen- und liebengelernt hatte. Das hatte sie der Mutter bis zum heutigen Tage verschwiegen. Nicht etwa, weil sie Vorhaltungen seitens der Mutter befürchtet, o nein. Es war ganz einfach die Freude an einem süßen Geheimnis, das sie so lange wie nur möglich für sich allein auskosten wollte. Es war auch nicht schwer, dieses Geheimnis zu bewahren, denn sie sah und sprach die Mutter ja nur höchstens alle zwei oder drei Wochen, wenn sie für ein paar Stunden von München zu ihr nach Auefelden kam.
Daß sie jetzt seit zwei Tagen hier im Haus war und auch noch einige Tage bleiben würde, lag an den Semesterferien. Was sollte sie in München? Allein und ohne Olaf, der zu seinem Vater nach Norwegen gefahren war und erst in einigen Tagen wieder zurückkommen würde, noch vor Ende der Semesterferien. Dann aber wollte sie wieder nach München, um mit ihm zusammen sein zu können.
Noch einen Grund hatte Veronika, ihrer Mutter noch nichts von ihrer großen Liebe zu erzählen – sie wollte zuerst ganz sicher sein, daß ihre und Olafs Liebe stark genug für eine dauernde feste Zweisamkeit war. Vor seiner Abreise hatte er ihr noch fest versprochen, mit seinem Vater, der da oben in Nordnorwegen einen gutgehenden Holzexport betrieb, über sie zu sprechen und darüber, daß er wirklich ernste Absichten hatte. Es hatte ihr beim Abschied auf der Zunge gelegen, Olaf zu sagen, daß sie wahrscheinlich Mutterfreuden entgegensah, aber sie hatte es sich im letzten Moment versagt. Sie wollte ganz einfach nicht, daß er sich dadurch vielleicht unter Druck gesetzt fühlte. Einzig und allein sein Herz sollte über ihrer beider gemeinsame Zukunft entscheiden. Sie selbst hatte sich schon längst entschieden.
Veronica wollte jetzt nur genau wissen, ob sich ihre Ahnung, schwanger zu sein, bestätigte. War das der Fall, und Olaf sagte ihr bei seiner Rückkehr, daß er für immer mit ihr zusammen leben wollte, dann erst wollte sie ihn ihr augenblicklich alleiniges süßes Geheimnis wissen lassen.
In den vergangenen zwei Tagen hatte sie überlegt, wie sie am besten zu Dr. Lindau vorkommen konnte, ohne daß die Mutter zunächst davon Kenntnis bekam. Es konnte ja immerhin sein, daß sie sich irrte und sie tatsächlich nur an einer Hormonstörung litt. Als sie heute morgen mit ihrer Mutter zusammen gefrühstückt hatte, war sie zu einem Entschluß gekommen. Einer Bemerkung der Mutter verdankte sie das.
»Ich habe heute meinen freien Nachmittag, und wenn du willst, Veronica, dann könnten wir doch gemeinsam etwas unternehmen«, waren die Worte der Mutter gewesen.
Veronica hatte sofort geschaltet. Das ist die Gelegenheit, war ihr Gedanke gewesen. Wenn sie es schaffte, an diesem Nachmittag einen Termin bei Dr. Lindau zu bekommen, dann würde sie durch keinen dummen Zufall in der Klinik der Mutter begegnen.
Das waren jetzt auch Veronicas Überlegungen, als sie am Fenster stand und zur Klinik am See hinüberblickte. Ihre Gestalt straffte sich. Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Zehn vorbei«, murmelte sie und schritt zum Telefon. Die Nummer der Klinik am See fand sie sehr schnell und ohne zu zögern wählte sie diese.
»Klinik am See – Aufnahme«, meldete sich eine weibliche Stimme.
»Ich möchte bitte mit Herrn Doktor Lindau sprechen«, brachte Veronica ihren Wunsch vor.
»Augenblick, ich verbinde Sie mit dem Büro des Chefarztes.«
Es knackte in der Leitung, und dann meldete sich eine zweite weibliche Stimme. »Büro des Chefarztes…«
Erneut wiederholte Veronica ihren Wunsch.
»Tut mir leid, aber Herr Doktor Lindau ist heute nicht in der Klinik. Ich könnte Sie aber für morgen vormerken. Wie wäre es mit morgen um halb neun?«
Veronica schluckte. Das paßte ihr gar nicht, und sie sagte es auch. »Das geht leider nicht, weil… weil…« Sie wußte plötzlich nicht weiter.
»Hm«, kam wieder die Stimme, es war die von Marga Stäuber, »worum geht es denn? Ist es dringend?«
»Dringend?« wiederholte Veronica fragend und setzte sofort hinzu: »Ja, sehr sogar, und morgen… morgen könnte es schon zu spät sein.«
Etwas Besseres fiel ihr im Augenblick nicht ein.
Sekundenlang war Stille in der Leitung. Dann meldete sich die Sekretärin wieder. »Worum geht es überhaupt? Darf ich das wissen?«
»Das möchte ich Doktor Lindau lieber persönlich sagen«, stieß Veronica hastig hervor.
In der Leitung war ein schwacher Seufzer zu hören und ein paar gemurmelte Worte, die sich anhörten wie »immer dasselbe…« Nach weiteren zwei Sekunden erklang dann wieder die nicht unfreundliche – Stimme. »Also schön, wenn Sie können, dann kommen Sie um vierzehn Uhr in die Klinik und melden Sie sich bitte bei Frau Doktor Westphal.«
»Frau Doktor Westphal, ja, ich komme und – danke«, entgegnete Veronika erleichtert.
»Augenblick, meine Dame – Ihren Namen, bitte!«
»Ach ja – Veronica…« Grömer hatte sie sagen wollen, doch erschreckt fiel ihr ein, daß ihre Mutter ja unter diesem Namen in der Klinik bekannt war und daß sich dadurch vielleicht Komplikationen ergeben konnten, die sie jetzt nicht wünschte. »Veronica Gunnarsson«, stieß sie hastig hervor.
»Gunnarsson, ja, ich habe es notiert. Um zwei Uhr also bei Frau Doktor Westphal.«
»Vielen Dank«, flüsterte Veronica und legte mit einem kurzen Gruß auf.
*
Kurz vor zwei war es, als Veronica ihren ein wenig ramponiert aussehenden VW aus der Garage holte und zur Fahrt in die Klinik am See startete. Siedendheiß fiel ihr in diesem Augenblick ein, daß sie gar nicht wußte, wann genau ihre Mutter ihren Dienst beendet hatte. War es um halb zwei oder um zwei oder noch etwas später? Es wäre doch fatal, wenn sie ihr in der Klinik begegnete.
»Ich meine Viertel vor zwei«, murmelte sie. »Ich muß nur achtgeben, daß ich sie nicht auf ihrem Heimweg treffe.« Sie wußte, daß die Mutter mit dem Fahrrad in die Klinik fuhr. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr entschloß sie sich, einen kleinen Umweg zu fahren und nicht die direkte Strecke zu nehmen, die die Mutter mit dem Fahrrad fuhr. Zehn Minuten später war sie bei der Klinik und stellte ihren Wagen am äußersten Ende des Parkplatzes ab. Fünf Minuten fehlten noch auf vierzehn Uhr.
Ein paar Sekunden lang überlegte Veronica. Sie muß eigentlich schon weg sein, dachte sie und entschloß sich, auszusteigen. In diesem Augenblick aber zuckte sie zusammen, als sie zwei Frauen die Klinik verlassen sah. Eine davon war ihre Mutter. Unwillkürlich machte sie sich hinter dem Steuer klein, obwohl keine Gefahr bestand, daß die Mutter sie bei dieser Entfernung sehen würde. Weshalb auch hätte sie die geparkten Autos es waren mindestens sieben – genauer betrachten sollen?
Veronica sah, wie ihre Mutter noch ein paar Worte mit der anderen