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Wer hat Angst vor dem Islam?: Beiträge zu einer aktuellen Debatte
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Wer hat Angst vor dem Islam?: Beiträge zu einer aktuellen Debatte
eBook260 Seiten2 Stunden

Wer hat Angst vor dem Islam?: Beiträge zu einer aktuellen Debatte

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Über dieses E-Book

Die Angst vor der Islamisierung treibt Menschen reihenweise auf die Straße. Fast täglich hören wir beängstigende Nachrichten über islamistische Übergriffe in den Medien. Viele sehen sogar den deutschen Rechtsstaat bedroht. Gefährliche Panikmache oder berechtigtes Anliegen? Zwanzig christlich engagierte Autoren – darunter Islamkenner, Theologen und Politiker – gehen kompetent auf diese brennenden Fragen ein. Eine wertvolle Hilfe, um sich eine differenzierte Meinung zu bilden.
SpracheDeutsch
HerausgeberSCM Hänssler
Erscheinungsdatum14. Okt. 2015
ISBN9783775173087
Wer hat Angst vor dem Islam?: Beiträge zu einer aktuellen Debatte

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    Buchvorschau

    Wer hat Angst vor dem Islam? - Christoph Irion

    Christoph Irion (Hg.) – Wer hat Angst vor dem Islam? | Beiträge zu einer aktuellen Debatte – SCMSCM | Stiftung Christlicher Medien

    Der SCM Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.

    ISBN 978-3-7751-7308-7 (E-Book)

    ISBN 978-3-7751-5676-9 (Lieferbare Buchausgabe)

    Datenkonvertierung E-Book:

    Beate Simson, Pfaffenhofen a. d. Roth

    © der deutschen Ausgabe 2015

    SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen

    Internet: www.scmedien.de · E-Mail: info@scm-verlag.de

    Umschlaggestaltung: OHA Werbeagentur GmbH, Grabs, Schweiz; www.oha-werbeagentur.ch

    Titelbild: istockphoto.com, dollarphotoclub.com

    Satz: Lieverkus Media, Wuppertal

    Inhalt

    Wer hat Angst vor dem Islam?

    Vorwort von Christoph Irion

    Kapitel 1: Gesellschaftspolitische Perspektiven

    Von Bildern und Zerrbildern

    (Christoph Irion)

    Von Wahrheit und Wirklichkeit. Wie Christen und Muslime miteinander leben können

    (Frank Heinrich, MdB)

    Der Islam braucht Deutschland

    (Anna Lutz)

    Wut und Angst sind schlechte Ratgeber

    (Verena Birchler)

    Friedliche Muslime schützen, gegen gewaltbereite Islamisten vorgehen

    (Thomas Schirrmacher)

    Kapitel 2: Den Islam verstehen

    Ein Blick hinter den Schleier

    (Eberhard Troeger)

    Wuppertal – Damaskus – Jerusalem

    (Mirjam Holmer)

    Wer kann Europa retten?

    (Kurt Beutler)

    Das Zusammenleben von Christen und Muslimen in Deutschland

    (Paul Murdoch)

    Kapitel 3: Begegnung mit Muslimen

    Nur Begegnung schafft Vertrauen

    (Steffen Kern)

    Zwischen Respekt und Unsicherheit – Begegnung und Erfahrung mit Muslimen

    (Herbert Großarth)

    Herausforderungen und Konsequenzen für Christen

    (Reinhard Holmer)

    Das Gewaltproblem und unser Umgang mit dem Islam

    (Carsten »Storch« Schmelzer)

    Von Hasen, bunten Eiern, Freundschaften, Gebetsteppichen …

    (Tamara Hinz)

    Kapitel 4: Rückbesinnung auf den christlichen Glauben

    Erstaunlich ähnlich

    (Andreas Malessa)

    Wer hat Angst?

    (Monika Deitenbeck-Goseberg)

    Unvergleichbar

    (Heinrich Christian Rust)

    Das Jesus-Konzept – wertschätzend und ehrlich

    (Jürgen Mette)

    Anmerkungen

    [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

    Wer hat Angst vor dem Islam?

    Vorwort von Christoph Irion

    Was Angst ist, weiß jedes Kind. Das Gefühl, von akuter oder latenter Gefahr bedroht zu sein, kennt jeder. Dunkelheit, Naturkräfte, Gewalt, Einsamkeit, Krankheit oder drohender Verlust können uns existenziell verunsichern. Auch Neues, Unbekanntes – und immer wieder alles Fremde: Menschen haben Angst. Sprachgeschichtlich hängt unser Wort Angst mit »Enge« zusammen – wer Angst hat, fühlt sich beengt.

    »Wer hat Angst vor dem Islam?« – ein provokanter Fragesatz liefert in diesem Band das Leitmotiv für hintergründige Beiträge zu einer aktuellen Debatte. Die Angst vor Islamisierung treibt Menschen auf die Straße, fast täglich hören wir beunruhigende Nachrichten über islamistische Übergriffe in den Medien. Manche sehen den Rechtsstaat in Gefahr. Panikmache oder berechtigte Anliegen? Achtzehn christlich engagierte Autoren – darunter Islamkenner, Theologen, Journalisten und Politiker – gehen hier auf brennende Fragen ein.

    Dabei darf als gesichert gelten, dass der Islam, so wie er sich selbst präsentiert und wie er öffentlich wahrgenommen wird, viele verunsichert. »Der Islam macht einer Studie zufolge immer mehr Menschen in Deutschland Angst«, meldete die Nachrichtenagentur dpa am 8. Januar 2015. Demnach empfanden 57 Prozent der Bevölkerung den Islam als Bedrohung (2012: 53 Prozent). 61 Prozent meinten, der Islam passe nicht in die westliche Welt (2012: 52 Prozent). Veröffentlicht wurde diese repräsentative Umfrage der Bertelsmann Stiftung genau einen Tag nach dem islamistisch motivierten Terroranschlag auf die Satireredaktion Charlie Hebdo in Paris – erhoben wurden die Daten bereits sechs Wochen vorher.

    Ein differenzierter Blick auf den Islam, auf Muslime und auf die bedenklichen Seiten des Islamismus – das ist das Anliegen dieses Buches. Unsere Autoren haben vor allem als interessierte, kritische Beobachter, als sozial und kirchlich aktive Zeitgenossen zur Feder gegriffen. Theologisch reflektierte Analysen und islamkundliche Betrachtungen stehen neben der »Live«-Reportage einer Journalistin, die den Pegida-Protest nicht am Bildschirm verfolgt, sondern Stimmungen und Stimmen vor Ort einfängt. Vor allem sind es faszinierende Begegnungen mit Menschen, die diese Schilderungen authentisch machen. Ein einheitliches Gesamtbild des Islam ergibt sich dabei nicht. Auch keine Anleitung, wie wir damit umzugehen haben. Die Beiträge der Autoren wollen Orientierungshilfen sein und dem Leser helfen, sich aus sehr unterschiedlichen Perspektiven heraus eine Meinung zu bilden. Einig sind sich alle Autoren in der Überzeugung, dass das Gebot der Nächstenliebe von Jesus Christus der entscheidende Maßstab ist, wenn es um unseren Umgang mit Menschen, mit Minderheiten, mit Mächtigen geht. Dialogbereitschaft, aber auch Kritik und gesellschaftspolitische Forderungen erscheinen angebracht. Angst jedoch nicht.

    [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

    KAPITEL 1 | GESELLSCHAFTSPOLITISCHE PERSPEKTIVEN

    KAPITEL 1 | GESELLSCHAFTSPOLITISCHE PERSPEKTIVEN

    [ Zum Inhaltsverzeichnis ]

    Von Bildern und Zerrbildern

    Christoph Irion

    Was wir vom Islam wissen und welche Rolle Medien dabei spielen

    Es ist der zweite Sommer nach der Hölle. Zwei Uhr nachmittags, die Sonne sticht. Sommerlich bekleidete junge Leute trinken in den Cafés Coca-Cola. Madonna dröhnt aus den Lautsprechern. Die Älteren sitzen im Schatten der Zypressen, nippen an ihrem bosnischen Mokka. Die Stimmung auf der Straße ähnelt jener wie überall in Südeuropa. Doch in Sarajevo sind damals die Spuren des Krieges noch allgegenwärtig. Rund zwei Jahrzehnte sind seither vergangen.

    Nur 600 Kilometer Luftlinie liegen zwischen dem Südzipfel Bayerns und der bosnischen Hauptstadt – bis zur Nordseeküste ist es weiter. Doch als ich in Sarajevo lande, finde ich mich augenblicklich in einer anderen Welt wieder. Unwirklich und real zugleich. Die Bilder, die mir Abend für Abend ins Wohnzimmer flimmern, habe ich nun selbst vor Augen. Es sind Bilder eines grausigen Krieges, der Ende des 20. Jahrhunderts noch einmal ein Schlachtfeld nach Europa gebracht hat. Unfassbar. 1991 bricht der multiethnische, kommunistische Staat Jugoslawien auseinander. Serben kämpfen gegen Kroaten. Dann stürzen sich beide auf die muslimischen Bosniaken. Die blutige Bilanz: 100 000 Tote, 2,2 Millionen Flüchtlinge.

    Banja Luka, Tuzla, Sarajevo: Wohin man auch schaut, überall ausgebrannte Hausruinen ohne Dächer. Betontrümmer, dazwischen wachsen wilde Gräser. Nebenan ein von Granatsplittern perforiertes Stadthaus, unten ein Gemüseladen. Drei Meter über den Kürbissen, Zucchini und gelben Paprika lehnt im ersten Stock ein grauhaariger Mann im Unterhemd und mit Goldkettchen aus dem Fensterrahmen. Glasscheiben gibt es nicht. Eine schmuddelige Gardine flattert im warmen Wind. In der Wohnung darüber hat eine Granate die komplette Fassade durchschlagen. Das Loch ist so groß wie eine Tischplatte. Vom Dach sind nur noch verkohlte Sparren übrig.

    Kein Zufall, dass an diesem Ort der Funken entzündet wurde, der den Ersten Weltkrieg auslöste. Vieles hier hat mit Nationalismus im Vielvölkerstaat zu tun. Aber nicht nur. Die Konflikte haben auch historisch-religiöse Wurzeln. Denn genau hier verlief im Mittelalter die Grenze zwischen dem West- und dem Oströmischen Reich. Im Westen dominierte die römisch-katholische Kirche, der Osten war byzantinisch-orthodox geprägt – bis an der Schwelle zum 14. Jahrhundert die Osmanen das Land eroberten. Seither verläuft genau hier eine Schnittstelle zwischen Christentum und Islam. All dies erfahre ich während der 90er-Jahre nur am Rande aus den Medien. Die Politik befasst sich mit der aktuellen Konfliktdiplomatie, eher nicht mit historischen Ursachen.

    Doch meine Reportagereise wird zugleich eine faszinierende Begegnung mit dem Islam werden – besser gesagt: mit Muslimen, die durch den sogenannten Euro-Islam Bosniens geprägt wurden. Unten am Ufer der Miljacka, unweit der Stelle, wo 1914 die tödlichen Schüsse auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie fielen, treffe ich Emir Beganović. Der 41-jährige Muslim kann sich vorstellen, dass es eine friedliche Nachbarschaft mit Serben und Kroaten wieder geben wird. »Ich wünsche mir das«, sagt er. Das ist erstaunlich: Der ernste Mann, der lange nachdenkt, bevor er spricht, war 1992 und 1993 neun Monate lang in einem serbischen Konzentrationslager inhaftiert. Er wurde gefoltert, mag darüber aber nicht sprechen: »Das habe ich alles in Den Haag berichtet«, sagt er knapp. 15 Tage lang wurde er als Zeuge vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal befragt. In Bosnien gilt er als Held, in der Armee singt man ein Lied über ihn. Arbeiten kann der einstige Manager noch nicht wieder. Kein Wort des Hasses aus seinem Mund. Stattdessen sagt er noch einmal: »Ich wünsche wirklich, dass wir mit Serben und Kroaten wieder friedlich zusammenleben können.« Aber echten Frieden könne es wohl erst geben, wenn die Kriegsverbrecher in Den Haag zur Verantwortung gezogen werden: »Unser ganzes Volk sehnt sich danach.«

    Angst vor dem Islam? Nein, die habe ich nicht. Dazu besteht damals in Bosnien auch gar kein Anlass. Die Muslime, die ich hier treffe, sind anders als mein bisheriges Bild von ihnen. Sie sind Opfer, nicht Täter. Mich treibt vor allem journalistische Neugierde. Auch Abenteuerlust ist im Spiel. Meine Kenntnisse über den Islam speisen sich seit der Iranischen Revolution des Ayatollah Chomeini von 1979 vor allem aus dem Fernsehen. Einiges erfahre ich im Politik- und Geschichtsstudium. Nebenbei lese ich populäre Bücher von Peter Scholl-Latour. Die Fachwelt rümpft damals verächtlich die Nase über den Bestsellerautor und Welterklärer aus dem Fernsehen. Für mich ist Scholl-Latour seinerzeit eine spannende Informationsquelle: Er hat an der Sorbonne promoviert, in Beirut Arabistik und Islamkunde studiert. Vor allem aber hat er als Journalist über viele Jahrzehnte Länder, Kulturen und Menschen vor Ort kennengelernt wie kein Zweiter. ¹

    Persönliche Begegnungen mit Muslimen sind auch in Deutschland für uns durchaus normal. Als Familie leben wir etliche Jahre in Berlin – immer wohnen wir Tür an Tür mit arabischen Nachbarn. Die Beziehungen sind gut. In den Medienberichten zum Weltgeschehen spielen auch in den 90er-Jahren »radikalislamische« Gruppen mehr als nur eine Gastrolle. Libanesische Hisbollahkämpfer oder afghanische Mudschahedin fehlen gefühlt in keiner Nachrichtensendung. Auch Anschläge gegen jüdische oder westliche Ziele gibt es: Wie ein Menetekel erscheint heute jener Bombenanschlag, der 1993 erstmals das World Trade Center in New York in seinen Fundamenten erschüttert. Bei der Detonation in der Tiefgarage sterben damals sechs Menschen, 1 000 werden verletzt.

    Wendepunkt 11. September 2001

    Der 11. September 2001 verändert die Welt. Seither gibt es Antiterror-Kriege. Ein Großteil unserer innenpolitischen Debatten – von »Nacktscannern« über Vorratsdatenspeicherung bis zur NSA-Affäre – haben ihren Ursprung in diesem Datum. Fachleute sprechen von einer »Globalisierung des islamistischen Terrors«. Sicherheitsexperten ringen um Strategien gegen »Schläfer« und »asymmetrische Bedrohungslagen«. Sorge bereiten radikale Salafisten und die Rekrutierung von Dschihad-Kämpfern. Die westlichen Gesellschaften und Volkswirtschaften betreiben heute einen nie da gewesenen Aufwand zum Schutz unserer demokratischen Freiheitsrechte – und für vermeintlich mehr Sicherheit. Keine Frage: Seit »nine eleven« zieht sich auch ganz real eine Blutspur um die Welt. Und das alles ausdrücklich im Namen des Islam. Von al-Qaida über Boko Haram bis zum IS-Terror: »Im Namen keiner einzigen anderen Religion ist seit den Anschlägen auf das World Trade Center derart bestialisch gemordet worden«, schreibt Christoph Schwennicke. Der Cicero-Chefredakteur spricht vielen Menschen aus der Seele, wenn er sich irritiert darüber äußert, dass etwa Innenminister Thomas de Maizière die islamistisch motivierten Attentate von Paris mit Worten kommentiert wie: »Terroranschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.« Zugleich betont Schwennicke, wie wichtig es ist, »die Millionen friedfertigen Muslime« gegen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und Hass zu schützen. ²

    Der 11. September 2001 hat auch die Agenda der Medien umgepolt. Von Stund an rückten Terror und Gewalt in den Fokus. Und es geht um Analyse, Ursachenforschung, Orientierung. Medien liefern seither fast täglich Begleitinfos zu terroristischen und muslimischen Organisationen oder Personen. Dazu Hintergrundstücke zur Geschichte, Kultur und zu Inhalten des Islam sowie zu muslimisch geprägten Gesellschaften. Journalisten und Internet-Blogger kommentieren das Geschehen.

    Tiefpunkt in der öffentlichen Wahrnehmung

    Trotz – oder womöglich auch wegen – dieser Informationsflut muss man wohl sagen: Wir wissen nicht viel über den Islam. Vermutlich haben nur wenige Menschen in Deutschland jemals Koransuren im Zusammenhang oder andere wichtige islamische Schriften gelesen. Die Bilder, die wir heute von dieser Religion und ihren Anhängern haben, werden uns überwiegend indirekt vermittelt. Und man muss nicht lange suchen, um festzustellen: Vieles, was täglich in Talkshows und an anderen Stammtischen diskutiert wird, basiert bestenfalls auf Halbwissen und Spekulation. Wer sich als Journalist mit Muslimen unterhält, hört häufig solche Sätze: »Der Islam wird in den Medien viel zu einseitig, nur negativ und falsch dargestellt.«

    Zugleich gilt als gesichert: Eine große Mehrheit der bei uns lebenden Muslime hält »Demokratie für eine gute Regierungsform«. Yasemin El-Menouar, Islamexpertin der Bertelsmann Stiftung, sagt: »Für Muslime ist Deutschland inzwischen Heimat. Sie sehen sich aber mit einem Negativimage konfrontiert, das anscheinend durch eine Minderheit von radikalen Islamisten geprägt wird.« ³ Gestützt werden diese Beobachtungen durch das Schweizer Institut Media Tenor, das 2014 rund 270 000 Berichte in 19 deutschen TV-, Radio- und Printmedien ausgewertet hat. Demnach übersteigt die Menge der Berichte mit Islambezug bei Weitem die Zahl jener über die beiden großen christlichen Kirchen. Vor allem Berichte über die Gräueltaten des »Islamischen Staats« (IS) hätten die Berichterstattung geprägt – und das Image von Muslimen und ihrer Religion »auf den Tiefpunkt« gebracht. ⁴

    Ja, es gibt Zerrbilder vom Islam. Medien tragen hier Verantwortung. Einseitige, unvollständige, unglücklich oder zuweilen auch absichtsvoll zugespitzte oder verkürzte Darstellungen kommen vor. ⁵ Doch auch hier ist eine faire, differenzierte Sichtweise wichtig. Der pauschale Vorwurf, Journalisten würden generell bewusst und sogar mit feindseliger Motivation Fakten verdrehen und unzulässig vereinfachen, zielt an den Realitäten vorbei. Aktuelle Berichterstattung ist ihrem Wesen nach stark ereignisfixiert – die Nachricht vom spektakulären Terroranschlag wird kurz und schnell übermittelt. Sie enthält zunächst nur knappe Fakten: Zahl der Toten. Und wer mutmaßlich hinter dem Anschlag steckt, zum Beispiel die Terrorgruppe »Islamischer Staat«. Seriöse Medien haben die Aufgabe, Hintergründe zu recherchieren, orientierend und aufklärerisch zu berichten. Die Ergebnisse sind oft nicht befriedigend. Doch selbst wenn dies optimal gelingt: Haben wir Medienkonsumenten überhaupt noch die Zeit, solche Erklärstücke zu lesen?

    Wer als leitender Politik- und/oder Chefredakteur einer Tageszeitung seit dem 11. September 2001 quasi täglich druckfrisch und im Internet mit den wichtigsten Meldungen und Machwerken deutscher Medien versorgt wurde, kann nach fast eineinhalb Jahrzehnten publizistischen Dauerfeuers Folgendes feststellen: Natürlich dominiert die reine Fakteninformation über islamistisch motivierten Terror. Doch wer behauptet, in Kommentaren, Leitartikeln und anderen einordnenden Texten seriöser Medien würde die Gewalt permanent in einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Zusammenhang mit den vielen Millionen friedliebenden Muslimen gerückt, der irrt.

    Im Gegenteil: Es dürfte nur wenige in deutschen Tageszeitungen abgedruckte Kommentare geben, in denen nicht genau hier ausdrücklich differenziert und klargestellt wird. Versäumnisse und Missverständliches gibt es. Auch problematische Entgleisungen. Ihr Anteil dürfte jedoch bei den 350 täglich und wöchentlich publizierten Zeitungstiteln in Deutschland über den genannten Zeitraum im einstelligen Prozent- oder sogar im Promillebereich liegen.

    Kritikpunkt Islamverbände

    Die Religion des Islam und deren Vertreter müssen sich in einer offenen Gesellschaft auf kritische Fragen einstellen. So, wie dies für Parteien und Politiker sowie für christliche Kirchen und deren Würdenträger normal ist. Kritik an den Islamverbänden in Deutschland ist nicht nur legitim. Sie ist notwendig.

    Wer oder was ist eigentlich der Islam in Deutschland? Wie viele Muslime leben bei uns? Wo leben und woher kommen sie? Und welche Organisationsformen hat ihre Religion? Zu diesen und anderen Fragen haben die allermeisten Menschen in Deutschland nur diffuse und oft falsche Vorstellungen.

    Schuld daran sind nicht nur Medien und Politiker. Auch der 2007 als Dachverband gegründete Koordinierungsrat der Muslime, die dort vertretenen Verbände und offiziellen Repräsentanten tragen nicht viel Erhellendes bei.

    Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime, ist der auffälligste Islamvertreter hierzulande. Der Duzfreund von Vizekanzler Sigmar Gabriel, der den Minister auch bei Reisen nach Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Katar begleitet, vertritt einen weltoffenen Islam. Er tritt gern in Talkshows auf, »inszeniert sich als das Gesicht des Islam« (Süddeutsche Zeitung). ⁶ 3,8 bis 4,2 Millionen Muslime leben in Deutschland. Doch kaum ein TV-Zuschauer weiß, dass der Zentralrat der Muslime (ZMD) mit 300 Moscheegemeinden nur 15 000 bis 20 000 Mitglieder hat. »Herr Mazyek ist medial sehr präsent, kann aber nur für eine kleine Minderheit der Muslime sprechen«, sagt die Islamexpertin Lale Akgün. Die schärfste Kritik an Mazyek kommt aus den anderen Islamverbänden. Im September 2014 schmeckte es dem Koordinierungsrat nicht, dass Mazyek an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck gegen antisemitische Ausfälle bei Anti-Israel-Protesten demonstrierte. Die mit Abstand größte muslimische Organisation bei uns ist die Türkisch Islamische Union (DITIB). Der konservative Verband vertritt 900 Moscheegemeinden, ⁷ »deren Imame vom türkischen Staat bezahlt werden«, wie die Politologin Jutta Aumüller im »Handbuch Christentum und Islam in Deutschland« schreibt. Insgesamt bescheinigt sie den Islamverbänden in Deutschland einen »Mangel an Professionalisierung«.

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