Das Silberne Dreieck und Der Mann der zweimal starb
Von Edgar Wallace und Alex Barclay
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Über dieses E-Book
(Von Alex Barclay für die Aravaipa-Ausgabe neu überarbeitet.)
Edgar Wallace
Edgar Wallace (1875-1932) was a London-born writer who rose to prominence during the early twentieth century. With a background in journalism, he excelled at crime fiction with a series of detective thrillers following characters J.G. Reeder and Detective Sgt. (Inspector) Elk. Wallace is known for his extensive literary work, which has been adapted across multiple mediums, including over 160 films. His most notable contribution to cinema was the novelization and early screenplay for 1933’s King Kong.
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Rezensionen für Das Silberne Dreieck und Der Mann der zweimal starb
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Buchvorschau
Das Silberne Dreieck und Der Mann der zweimal starb - Edgar Wallace
Todesurteil
1. Kapitel
Der Totentanz
Henry Winfield führte seine Touristengruppe zum Albert Memorial. Im Moment brauchte er den Leuten, die ihm kreuz und quer durch die riesigen Parkanlagen gefolgt waren, nicht viel zu sagen. Vielleicht waren keine Studierten unter ihnen, aber sie gehörten der gehobener Schicht ihrer Länder an, aus denen sie kamen, und so wussten sie die Bedeutung der Sehenswürdigkeiten, die ihnen London für Momente ihres Lebens schenkte, sehr zu schätzen. Die Kensington Gardens präsentierten sich an diesem herrlichen Montagnachmittag in buntester Herbstpracht. Henry Winfield ließ den Leuten Zeit, die wunderbare und geruhsame Atmosphäre zu genießen. Aufmerksam wie immer half er einer älteren Dame mit einer brandneuen Kodak-Brownie, einen frischen Film einzulegen, ließ sich selbst mit einem Ehepaar aus Dänemark fotografieren und zierte ein hübsches dunkelhaariges Mädchen aus Österreich mit einem blutroten Ahornblatt, das er im Vorbeigehen vom Rand eines Blumenbeetes aufgehoben hatte. Das Mädchen, Dagmar hieß es, errötete leicht, schlug die Augen nieder und hielt das Blatt beinahe verschämt gegen ihre Wange. Ein wunderschönes Portrait würde es werden, frohlockte die Dame und machte mit ihrer Kamera ein Foto von dem Mädchen, und da sie fast alle mit diesen neuen Rollfilmkameras ausgestattet waren, fotografierten die meisten von ihnen das Mädchen mit dem glänzend schwarzen Haar und dem blutroten Blatt. Jemand in der Gruppe lachte, hakte sich bei dem Mädchen ein und tanzte mit ihm einige Schritte über den Parkweg, und das Mädchen überließ das Blatt dem sanften Novemberwind. Ja, es war einer dieser herrlichen Tage in einem Herbst, den einer der Touristen aus Kansas City „Indianersommer" nannte.
Henry Winfield war wieder einmal glücklich, hier zu sein, mit fröhlichen Leuten zusammen, die den Alltag irgendwo auf dem Kontinent und auf der anderen Seite des großen Teiches zurückgelassen hatten, um in London ein paar Tage Urlaub zu verbringen.
Und London hatte ihnen als Metropole viele kulturelle Schätze zu bieten.
Zu ihnen gehörten auch die wundervollen Kensington Gardens, die sich an diesem Tag in besonderer Pracht präsentierten, als ein Teil des Hydeparks, der größten Parkanlage Londons. Henry kannte die Geschichte des Parks wie kein Zweiter. Tausendmal oder mehr hatte er sie schon erzählt. Immer und immer wieder, und manchmal schweifte er in Gedanken beim Erzählen von der Geschichte ab, dachte an ganz andere Dinge, und dann war ihm jeweils, als wäre nicht er es, der erzählte, sondern ein Unsichtbarer an seiner Stelle. Trotzdem verhedderte er sich nie, denn der Park war für ihn eine Herzensangelegenheit und nicht nur eine Kopfsache.
Ursprünglich, so erzählte er es auch an diesem Tag, war der Park im Besitz der Westminster Abtei gewesen. Im Jahre 1536 wurde er von Henry VIII. in einen königlichen Wildpark umgewandelt, und hundert Jahre später öffnete ihn Charles I. seinem Volk. Fast die ganze Geschichte Londons war gleichzeitig die Geschichte des Königshauses. Wer sie nicht kannte, konnte sich gar nicht vorstellen, warum heute alles so war, wie es war, auch wenn momentan der alte Glanz der Krone durch die Ungewissheit, was aus dem Königreich in der Moderne werden würde, etwas matt schien.
Henry liebte Geschichte, wobei er sich nie so richtig klar darüber war, ob er tatsächlich Geschichte liebte oder doch nur Geschichten aus der Geschichte. Wer wusste denn schon, was sich früher tatsächlich abgespielt hatte, und je nachdem von welchem Standpunkt aus Geschichte betrachtet worden war und heute betrachtet wurde, veränderte sich die Perspektive. Wenn Henry jedoch durch den Hyde Park spazierte, wurden die Leute wieder lebendig, die zweihundert Jahre zuvor dieselben Pfade entlang gegangen waren, Caroline von Ansbach zum Beispiel, die Gemahlin von George dem Zweiten. Sie war es gewesen, die den großen Serpentinenteich hatte anlegen lassen, der heute der Tummelplatz vieler Wasservögel war und ein beliebter Ort zum Baden, Rudern und Segeln.
Dort, wo sich der Flower Walk mit dem Lancaster Walk kreuzte, versammelte Henry Winfield die kleine Gruppe um sich und wies mit ausgestrecktem Arm zum Albert Memorial hinüber, das in den Jahren 1863-1876 für Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha erbaut worden war. Das Denkmal stand am Ende des Lancaster Walks, eines breiten Fußweges mit Parkbänken zu beiden Seiten, im Schatten mächtiger alter Bäume.
Henry erzählte vom Bau des Denkmals, von Prinz Albert, dem Gemahl von Königin Victoria, und vom Erbauer, Sir Gilbert Scott. Er konnte fesselnd erzählen. Die Geschichte wurde vor den Augen der Leute lebendig, und sie erlebten einen König und seine Gemahlin aus der Sicht Henrys, schmunzelten über seine Ausführung zum Verhältnis des Königs zu seiner Mätresse Amalie Sophie von Wallmoden, die zum Preis von 1000 Dukaten von ihrem ersten Gatten freigekauft worden war. Ob der, unter Hämorrhoiden leidende König danach besser gelaunt war, wusste zwar nicht, aber Albert zeugte mit Sophie einen unehelichen Sohn und erlaubte es seiner Frau Caroline vielleicht zum Trost, diesen herrlich schönen Park anzulegen, wo sie sich und ihre Gedanken von Wasservögeln verzaubern lassen konnte. Die Touristen hingen an seinen Lippen, während er sie näher an das Denkmal heranführte, so dass sie die Bronzefigur des Prinzen erkennen konnten, der unter dem reichgeschmückten 58 m hohen gotischen Baldachin auf einem mächtigen Sockel sitzt. In seiner Hand hält er den Katalog der Weltausstellung. Auf dem Postament zeigen Marmorreliefs 178 berühmte Persönlichkeiten der Kunst und Wissenschaft aus allen Zeitepochen. Henry Winfield war gerade dabei, die Figurengruppen an den Ecken des Monuments zu erklären, als plötzlich ein Mann hinter dem Postament hervorkam und auf die Freitreppe taumelte.
Henry erkannte den Mann sofort, er hatte sein Bild schon mehrere Male in den Zeitungen gesehen. Dort oben, schwankend wie ein Betrunkener, stand John Didsworth, der bekannte Theaterschauspieler. Er trug einen Hut und einen Regenmantel. Wahrscheinlich war er der einzige Mensch in London, der an diesem schönen Herbstnachmittag einen Regenmantel und weiße Gamaschen trug.
Henry schmunzelte. Geborene Künstler sind eben verrückte Leute, die meisten von ihnen egozentrisch, dünnhäutig und unberechenbar, dachte er und bemerkte gleichzeitig, wie die Leute um ihn herum dichter an ihn herandrängten, als suchten sie in seiner Nähe Schutz. Er lachte. Für die Leute vom Festland musste der Mann auf der Freitreppe ein beängstigendes Bild abgeben. Besonders, als er jetzt einen großen alten Revolver aus dem Mantel zog und mit ihm herumzufuchteln begann. Drüben auf dem Festland hatte man wohl noch nichts von John Didsworth gehört, diesem jungen, erfolgreichen Bühnenschauspieler, der mit seiner Rolle als Romeo die Herzen aller Londoner im Sturm erobert hatte.
Für Henry aber war das Erscheinen dieses Mannes nichts als ein außergewöhnliches Erlebnis, glaubte er doch, John Didsworth hätte sich diese Touristenattraktion ausgewählt, um sich auch Menschen aus anderen Ländern bekannt zu machen. Strahlend vor Freude, als wäre er selbst der Direktor dieses Theaterspektakels trat er vor seine Gruppe und wies mit ausgestrecktem Arm und einer einladenden Verbeugung zur Treppe des Monuments hinüber. »Ladies und Gentlemen, darf ich Ihnen ein einmaliges Gastspiel präsentieren! Mr. John Didsworth - der große Schauspieler!«
Das Mädchen aus Österreich mochte ihm nicht glauben. »Ist er wirklich ein Schauspieler?«, zweifelte es.
»Der beste, der zur Zeit in London auf den Brettern steht«, verkündete Henry. »Er ist der feurigste und romantischste Geliebte, den Julia jemals hatte. Shakespeare würde sich einen Balkonsitz reservieren lassen, solange Mr. Didsworth am National Theater für die Rolle des Romeo engagiert ist.«
»Ich glaube eher, es handelt sich bei diesem Herrn um einen Betrunkenen«, widersprach ihm ein Mann aus Deutschland, der ziemlich gut Englisch sprach. »Oder vielleicht ist er ein Verrückter.«
Henry wollte gerade sagen, dass alle Künstler auf die eine oder andere Art verrückt waren, als John Didsworth die Treppe hinauf lief, plötzlich stehenblieb und in einer theatralischen Weise beide Arme hob. Mit einem einzelnen roten Ahornblatt, das für einen Moment vor dem Monument herumtanzte, wehte der Wind die Worte des berühmten Schauspielers durch den Park.
»Feuer in meiner Seele!«, schrie er. »Rasender Schmerz! Komm und erlöse mich, oh Julia!«
Henry blieb das Lachen im Hals stecken, als John Didsworth den Revolver auf die kleine Touristengruppe richtete. Krachend löste sich der Schuss. Mit einem erstickten Schrei sank neben Henry das Mädchen mit den dunklen Haaren in die Knie. Niemand reagierte. Vor Entsetzen gelähmt, starrten sie alle zur Treppe des Denkmals hinüber. Dort oben stand John Didsworth mit wehendem Haar, denn der Hut war ihm bei der Schussabgabe vom Kopf gefallen. Sein Mantel umwallte ihn. Eine Strähne seines lockigen Haars hing ihm über das hagere blasse Gesicht mit dem schmalen Mund und den glitzernden Augen, die in tiefen dunklen Höhlen lagen. Er lachte in das Echo des Schusses hinein, und während die Leute unten nun in panischer Angst die Flucht ergriffen, hob der junge Schauspieler den Revolver an seine Stirn.
Nur Henry war regungslos am Fuße der Treppe stehen geblieben und starrte gebannt auf das Schauspiel, das sich seinen ungläubig aufgerissenen Augen bot. Das kreischende Gelächter, das Geschrei der fliehenden Menschen, die Hilferufe des Mädchens, das zu seinen Füßen am Boden lag, hörte Henry wie Geräusche und Laute, die aus weiter Ferne an sein Ohr drangen. Als wäre es nichts als ein schrecklicher Alptraum, ein Theaterstück, das der Teufel geschrieben hatte, spielte sich vor seinen Augen eine Szene ab, die er im Leben nie mehr vergessen würde.
John Didsworth begann auf der Freitreppe zu tanzen, taumelte über die Stufen herunter, wiegte sich in seinem eigenen Gelächter und drückte schließlich den Revolver ab.
Jetzt schloss Henry Winfield wie geblendet die Augen. Er versuchte sich in diesen Sekunden des Schreckens einzureden, dass dies alles nicht wahr war: der schöne Herbsttag, die bunten Blätter, die im Wind tanzten, das hübsche Mädchen, das Julia hätte sein können, John Didsworth auf der Treppe des Albert Memorial. Aber als er die Augen wieder öffnete, war alles noch da. Und Polizeipfeifen wurden laut und machten ihm