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Cherubim
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eBook287 Seiten3 Stunden

Cherubim

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Über dieses E-Book

War es wirklich Christoph Kolumbus, der Amerika als Erster entdeckt hat? Genau diese Frage stellt sich der deutsche Abenteurer Claudio Guerrero, als er den zunächst recht harmlos erscheinenden Auftrag übernimmt, im peruanischen Urwald nach einer versunkenen Stadt zu suchen. Im Stillen hofft er während seiner Expedition entsprechende Beweise für seine Theorie zu finden. Fast schon zu spät erkennt er, dass ihm eine fanatisch-religiöse Gruppierung, sowie ein skrupelloser kolumbianischer Geschäftsmann auf Schritt und Tritt folgen. Welches Geheimnis verbirgt sich tatsächlich in den verlassenen Ruinen der Wolkenkrieger von Chachapoyas? Welche Rolle spielt die undurchsichtige Sharone Rosenbaum, bei der alle Fäden im Hintergrund zusammenzulaufen scheinen ...

Ein spannender Abenteuerroman mit geschichtlichem Hintergrund.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum6. Dez. 2017
ISBN9783961429400
Cherubim

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    Buchvorschau

    Cherubim - Malcom Brady

    Malcom Brady

    CHERUBIM

    Ein spannender Roman aus dem

    untergeangenen Reich der Chachapoyas

    im peruanischen Hochland

    I M P R E S S U M

    Malcom Brady, Cherubim © 2017

    Autor: Malcom Brady,

    malcolm.brady@yahoo.com

    Buchcover, Illustration: Malcom Brady

    ISBN: 978-3-96142-940-0

    Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Dieses E-Book, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne Zustimmung des Autors nicht vervielfältigt, wieder verkauft oder weitergegeben werden.

    Inhalt

    Prolog

    Irgendwo im Peruanischen Urwald

    Lima, 14 Tage vorher

    Jericho, Westjordanland

    Lima, Peru

    Cartagena, Kolumbien

    Auf dem Weg nach Pucallpa

    In Pucallpa

    Cruzeido do Sul, Brasilien

    Cartagena, Kolumbien

    Jerusalem, Israel

    Irgendwo im Peruanischen Urwald

    San Borja; Lima

    Chachapoyas

    San Borja; Lima

    In freiem Gelände…

    Chachapoyas

    Leimebamba

    Jalca Grande, Region Amazonas, Peru

    Gran Saposoa

    Lima

    Chachapoyas

    Zwischen Gran Saposoa und Bolivar

    Gran Saposoa

    Irgendwo in der Wildnis von Bolivar

    Der See der Mumien

    In Jalca Grande

    Gran Saposoa

    Gefangen im Grabungscamp

    DIE FLUCHT

    Die versunkene Stadt

    Im Labyrinth des Todes

    Lima

    Die unverhoffte Rettung

    Die Halbinsel PARACAS

    …und Gott befahl: Verfertige auch eine Deckplatte aus purem Gold, zweieinhalb Ellen lang und anderthalb Ellen breit! Stelle dazu zwei Cherubimfiguren aus getriebenem Gold her und arbeite sie an den beiden Enden der Deckplatte heraus! Ihre Flügel sollen sich nach oben ausbreiten, gleichzeitig die Deckplatte beschirmen und ihre Gesichter sich einander zuwenden. ( Ex 25, 17-20 EU ). ExEU

    War es wirklich Christoph Kolumbus, der Amerika als Erster entdeckt hat? Genau diese Frage stellt sich der deutsche Abenteurer Claudio Guerrero, als er den zunächst recht harmlos erscheinenden Auftrag übernimmt, im peruanischen Urwald nach einer versunkenen Stadt zu suchen. Im Stillen hofft er während seiner Expedition entsprechende Beweise für seine Theorie zu finden. Fast schon zu spät erkennt er, dass ihm eine fanatisch-religiöse Gruppierung, sowie ein skrupelloser kolumbianischer Geschäftsmann auf Schritt und Tritt folgen. Welches Geheimnis verbirgt sich tatsächlich in den verlassenen Ruinen der Wolkenkrieger von Chachapoyas? Welche Rolle spielt die undurchsichtige Sharone Rosenbaum, bei der alle Fäden im Hintergrund zusammenzulaufen scheinen... Ein spannender Abenteuerroman mit geschichtlichem Hintergrund.

    Prolog

    Phönizien, im Herbst 332 vor Chr.

    Dunkle Rauchschwaden lagen weit sichtbar über der Stadt. Tyros stand in Flammen. Qualm und Staub raubten ihm fast die Sicht, während Methuastart gegen die Übermacht ankämpfte. Noch schlimmer als die in Horden einfallenden Soldaten von Alexander dem Großen, waren die Gedanken an den Untergang seiner einst so mächtigen und stolzen Stadt, deren riesiger Mauerwall für lange Zeit als uneinnehmbar galt. Seine Gefährten mahnten ihn jedoch zur Eile an. In diesem Moment gab es Wichtigeres zu tun, als sich über die Situation zu beklagen. Man verlangte von ihm, dass er kämpfte, sich aufbäumte und Tyros so lange wie es noch möglich war zu verteidigen. Seit Stunden war ihm und seinen Gefolgsleuten keine Ruhepause vergönnt gewesen. Die Makedonier kannten keine Gnade. Fast unaufhörlich prasselten ihre brennenden Pfeile und Geschosse auf sie nieder und verursachten mehr Brandtherde als von den Bewohnern gelöscht werden konnten. Zuvor hatte Alexander der Große monatelang die Stadt, die auf einer Insel lag, belagert und vom Festland her einen Damm errichten lassen. Nun war es ihm möglich, die schweren Steinkatapulte einzusetzen, gegen deren Beschuss Methuastart und seine Männer einfach keine Mittel fanden. Zusätzlich ließ er etliche der unteren Felsblöcke aus der Stadtmauer herausgraben und füllte die Hohlräume mit trockenen Ästen und Strohballen, die seine Männer dann sofort in Brand steckten, um das Mauerwerk zu destabilisieren. Tapfer verwendeten Methuastarts Gefährten alles, was nur irgendwie als Waffe herhalten konnte, und mischten sich unter die Reihen ihrer Feinde. Mit gellendem Kampfgeschrei entstand eine ungleiche Schlacht, wobei sich nur wenige Bewohner von Tyros vor der Schlagkraft der mächtigen Waffen der Angreifer in Sicherheit bringen konnten. Ganz benommen vom Wutgeheul um sich herum, sowie dem eigenen Schmerz, spürte Methuastart plötzlich, wie jemand an seiner rechten Hand zog. Schon wollte er den Angreifer abschütteln, als er Batis bemerkte, der mit heftigen Gesten auf das große Stadttor deutete. Dort hatten sich die makedonischen Soldaten bereits Zutritt verschafft und somit den Untergang der Stadt besiegelt. Noch ehe der kommende Tag anbrach, würden sie alle tot sein. All die Wut und Leidenschaft mit denen sie sich dem Heer Alexander des Großen entgegenstellten waren vergebens. Daraufhin gaben Abgesandte von König Azemilkos das vereinbarte Signal zum Rückzug! Die Trompeten ertönten laut und bereits die ersten Töne verursachten eine momentane Verwirrung unter den Angreifern. Methuastart und seine Gefolgsleute wurden aufgefordert, die Verteidigung von Tyros aufzugeben. Seite an Seite kämpften sie sich durch das tobende Schlachtfeld. Ganz im Inneren der Festungsanlage lag der Tempel des Stadtgottes Melkart. Dort konnten sie sich in diesem Augenblick noch sicher fühlen. Überall lagen bereits verwundete oder getötete Widerstandkämpfer herum, aber der Anblick seines Herrn versetzte ihm einen noch größeren Schmerz als die Kampfhandlungen, denen er zuvor beigewohnt hatte. Dieser lag regungslos und mit Blut unterlaufenden Augen auf einer Bahre und röchelte nur noch ganz leise vor sich hin. Methuastart bemerkte die rot gefärbte Wunde über seinem Herzen und glaubte für einen Moment lang zu erkennen, dass sein Herr versuchte ihm ein Zeichen zu geben. Da war es wieder. Jetzt sah er es ganz deutlich. Der alte Mann hob mit letzter Anstrengung seine linke Hand und winkte ihn zu sich.

    Methuastart legte ein Ohr an den Mund seines Herrn, nahm aber dessen Worte kaum wahr. Er bemerkte das Zittern, das dessen Körper nun erfasst hatte. Schließlich verstand er doch ein paar Bruchstücke: „Es ist ... Zeit ... unser aller Heiligtum ... Sicherheit." Das war alles, dann fiel der Kopf des alten Mannes leblos zur Seite. Methuastart bemerkte noch einmal ein leichtes Zittern, das durch den leblosen Körper ging, bis er für immer und ewig erstarrte.

    Mit angehaltenem Atem hatten seine Gefährten die letzten Bewegungen ihres Herrn verfolgt. Jetzt standen sie stumm beieinander und Tränen benebelten ihre Blicke, als einer von ihnen eine Samtdecke hervorzog und den Leichnam damit zudeckte.

    Methuastart zögerte zunächst noch und blickte rasch auf seine Gefährten, die ihm zunickten und in südliche Richtung deuteten. Hastig eilte er ihnen nach und merkte schon recht bald, dass sie sich von den herannahenden makedonischen Truppen entfernten.

    Sie waren unterwegs zum Südhafen der Stadt.

    „Wohin gehen wir?", fragte er einen seiner Gefolgsleute. Dieser trieb ihn nur noch mehr zur Eile an.

    „Mach schnell, die Schiffe warten bereits auf uns."

    Methuastart war überrascht. War das nicht Flucht vor dem Feind? „Wir können sie doch nicht einfach im Stich lassen!", rief er fast schon zornig aus. Von weitem wagte er jetzt einen Blick auf die brennende Stadt. Und wieder schlugen unaufhörlich die Geschosse ein und es ertönte das Geschrei der Verwundeten. Alexander der Große hatte damit begonnen unzählige Holzkreuze an der Küste aufzustellen. Dort sollten später alle noch lebenden männlichen Bewohner von Tyros gekreuzigt werden.

    „Unsere Aufgabe ist viel wichtiger, als noch ein paar mehr von den makedonischen Hunden umzubringen. Es ist unser Erbe, das Vermächtnis unserer Gesellschaft, sowie alles für das wir gelebt haben, dass hier auf dem Spiel steht. Wir müssen sie in Sicherheit bringen, koste es, was es wolle." Methuastart öffnete den Mund und wollte etwas entgegnen, bemerkte aber die entschlossene Miene des anderen. Also hob er hilflos die Schulter und folgte seinen Gefährten.

    Die Galeere mit den an beiden Enden hochgezogenen Steven, von denen der am Heck in einem Entenkopf endete, war das letzte am Kai verbliebene Schiff. Die anderen neun Galeeren waren bereits mit jeweils zwanzig bis dreißig Frauen und Männern an Bord ausgelaufen. Erstaunt beobachtete Methuastart das fieberhafte Treiben rund um das Beladen des Schiffes. Fast kam es ihm so vor, als sei die Abreise von langer Hand vorbereitet worden.

    „Segel setzten!", ertönte plötzlich ein Kommando, dann setze sich die Galeere in Bewegung und Methuastart hörte das rhythmische Schlagen der Ruderer in ihrem Rumpf, die gleichmäßig ihre Holzpranken in das kalte Wasser tauchten.

    Langsam gewann das Schiff an Fahrt und entfernte sich aus der Sichtweite der brennenden Stadt. Noch bevor sie das offene Meer erreichten, ging ein Steinhagel auf die Galeere nieder. Die Katapulte der Makedonier hatten das fliehende Schiff ins Visier genommen. Dann befanden sie sich endgültig außer Reichweite und Methuastart erlaubte sich, noch einen letzten Blick auf den sich nun immer schneller entfernenden Küstenstreifen zu werfen. Das flammende Inferno schien kein Ende zu nehmen.

    Plötzlich tauchten sie am Horizont des pechschwarzen Ozeans auf. Zuerst waren es nur winzige Punkte, die sich wie eine fata morgana in bizarre Formen verwandelten. Einzelne Maste mit einem Krähennest waren zu erkennen und die quadratischen Segel der kleinen, Phönizier-Flotte flatterten lustlos unter einem sich stetig verfinsternden Abendhimmel.

    In gleichmäßigem Rhythmus zogen die Mannschaften weiterhin ihre Ruder durch das leicht aufschäumende Meerwasser. Es herrschte eine angespannte Stille unter den vorwiegend erfahrenen Seeleuten, als nacheinander jedes einzelne der neun Galeereneiner in Sicht kam. Jetzt warteten sie auf das eigentliche Flaggschiff, ohne das man die weite Reise nicht antreten wollte.

    Methuastart blickte nach vorn, in eine ungewisse Zukunft, über der sich zu allem Übel auch noch ein heftiger Sturm zusammenbraute. Doch zu diesem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, dass ihn seine beschwerliche Reise rund um Afrika und dann bis an die Nordküste Brasiliens führen sollte, das schlechtes Wetter die Schiffe voneinander trennen und Krankheiten, Wasserknappheit und Hunger die meisten seiner Gefährten töten und schließlich nur noch ihr Flaggschiff als einziges der zehn Schiffe übrig bleiben und die gesamte Besatzung auf zwölf Männer und drei Frauen zusammengeschmolzen sein würde.

    So wurden sie nach vielen Monaten auf See an eine ferne Küste in Südamerika geworfen. Land der Berge, nannte es Methuastart und weihte es als Führer der kleinen, übriggebliebenen Gruppe den Göttern und Göttinnen. Mögen sie ihnen gnädig gestimmt sein, in jenem fremden Land, wo sie weitab von den Kriegen und Zerstörungen die Gemeinde ihrer Vorfahren wieder ansiedeln und ihr wichtigstes Heiligtum bewachen wollten.

    Irgendwo im Peruanischen Urwald

    Claudio Guerrero lag auf einer primitiven Pritsche aus großflächigen Blättern von Bananenstauden und Palmenzweigen. Sein Körper war fast vollständig von einer Art Schuppenflechte befallen. Zuerst hatten sich unzählige wässrige Bläschen gebildet, die sich dann nach und nach in jene juckenden, wie kleine Knospen aussehenden, Gebilde verwandelten.

    Ein schlankes Indiomädchen von Anfang zwanzig tröpfelte unnachlässig eine aus selbst gesammelten Urwaldkräutern hergestellte Tinktur auf die geröteten Stellen seiner hellen Haut. Das löchrige, vergilbte Moskitonetz über seiner Schlafstätte bot ihm wenigstens ein wenig Schutz vor den gierigen Bissen der unzähligen, stechenden Quälgeister. Besonders die nur einen halben Stecknadelkopf winzigen Chitras hatten es richtig in sich. Meist fielen sie in Massen über einen her und drangen dann ohne Vorwarnung direkt in die Haut ihres Opfers ein.

    Und wie das brannte! Davon konnte der leidgeplagte Claudio ein Lied singen. Ein rostiger Ventilator, angeschlossen an einer Autobatterie, verursachte ein schauderhaftes, monotones Rasseln. Immerhin vermochte sich Claudio bei jeder Umdrehung an einem mehr oder weniger abkühlenden Luftzug zu erfreuen. Das heißt, wenn sich nicht gerade wieder einmal eines der Rotorblätter in dem verbogenen Metallgehäuse festsetzte und dann von dem Indiomädchen mithilfe eines abgebrochenen Besenstiels wieder angeschoben werden musste.

    Bereits vor zwei Tagen hatten Eloivita, das junge Indiomädchen und ihre noch jüngere Schwester den hellhäutigen Fremden mit dem goldenen Haar fast leblos im nahegelegenen Dschungel aufgefunden. Wie vom Himmel gefallen war er einfach so da gelegen, als ob er schlafen würde. Die beiden Mädchen wussten es jedoch sogleich besser. Der eigenartige Mann lag im Delirium eines hohen Fiebers und bedurfte einer umgehenden, speziellen Behandlung. Ohne zu zögern hatten sie Hilfe herbeigeholt und den Fremden in ihre bescheidene Behausung verfrachtet. Eine schon fast hingebungsvolle Führsorge sowie die Behandlung mit dem „Kamm des Affen", einer einheimischen Heilpflanze aus dem Regenwald hatten zumindest kurzfristig das Fieber senken können.

    Als Roger Peters seine Augen aufschlug, wusste er nicht, wo er sich befand. Er verspürte nur ein unsagbares Verlangen nach Flüssigkeit. Seine unmittelbare Umgebung kam ihm fremd vor. Als Erstes erspähte er mehrere kleine Bambushütten, die auf Holzpfähle aufgesetzt waren. In ihrem Inneren schien es munter zur Sache zu gehen. Er vernahm das Geschrei von spielenden Kindern und seine Nase füllte sich mit unbekannten Gerüchen. Dazu lauschte er den Klängen von exotischen Vögeln und Insekten. Die Luft war stickig und schwül.

    Was ist das nur für eine Hütte?, rätselte er. Außerdem fragte er sich, welcher Tag wohl heute war und welche Uhrzeit, auch wenn diese Daten in seinem Zustand kaum eine Rolle spielten. Als Nächstes fiel sein Blick auf ein halb nacktes Indiomädchen, das sich verlegen von ihm abwandte. Sie wirkte noch sehr jung, hatte ein exotisches Gesicht mit hohen Wangenknochen, große, dunkle Augen und langes, glattes, ja schon fast blau-schwarzes Haar. Wo in aller Welt befand er sich nur und vor allem, wie war er an diesen abgelegenen Ort gekommen?

    Plötzlich tauchte ein zweites Mädchen auf. Sie war ein noch jüngeres Abbild der bereits anwesenden Einheimischen. In einer für ihn nicht verständlichen Sprache unterhielten sie sich kurz miteinander. Dann deutete die ältere der beiden auf ihn und das jüngere Mädchen verschwand zunächst über eine provisorische Holzleiter nach unten, um dann kurz darauf mit einem kürbisähnlichen Gefäß in der Hand wieder zurückzukommen. Nun verstand er. Die beiden Indiomädchen wollten ihm etwas zu Trinken bringen. Der undefinierbare Trunk schmeckte scheußlich und Claudio sehnte sich nach einem kühlen Bier aus der Heimat. Immerhin etwas von dem quälenden Durst befreit spürte er jetzt, wie sein Magen rebellierte, während er versuchte, weitere Einzelheiten aus der für ihn so ungewohnten Umgebung wahrzunehmen.

    Da war zunächst diese Ein-Raum-Hütte. Sie war mit einer hölzernen Plattform auf vier stabile Pfähle aufgesetzt worden. Einzelne abgetrennte Zimmer gab es nicht. An großen Bambusstämmen, die gleichzeitig den Dachstuhl bildeten, waren Hängematten befestigt. Darüber lagen geflochtene Matten aus tropischem Blätterwerk, und schließlich bildete eine Schicht aus getrocknetem Stroh und Bambus eine sichere Außenhaut zum Schutz vor den oft sintflutartigen Regenfällen hier im Amazonasgebiet. Eine Küche, Toilette oder gar eine Duschgelegenheit war weit und breit nicht zu sehen. Diese mussten irgendwo außerhalb der eigentlichen Wohn- und Schlafräume liegen. Seine Augen gewöhnten sich erst sehr langsam an das helle Tageslicht. Er versuchte sich etwas aufzurichten und konnte so in einiger Entfernung am Horizont die Ausmaße eines Flusses erkennen. Ob es sich dabei um den riesigen Amazonasstrom handelte, vermochte er nicht genau zu sagen. Dann wäre er nicht mehr weit entfernt von Brasilien, oder befand er sich vielleicht schon jenseits der Grenze?

    Erst jetzt bemerkte er, dass man ihn bis auf die Unterwäsche seiner Kleidung entledigt hatte, und erschrak heftig, als er an sich herunterschaute: Seine Haut sah fürchterlich aus, schmerzte und juckte überall. Es war fast nicht zum Aushalten. Er wusste nicht, wo er sich zuerst kratzen sollte. Bei der geringsten Bewegung allerdings sprang das ältere der beiden Indiomädchen sofort auf und benetzte seine Wunden mit einer übel riechenden Flüssigkeit. Der Juckreiz ließ auf der Stelle nach und Claudio lehnte sich erleichtert zurück. Voller Neugierde betrachtete er die beiden schüchternen Dschungelschönheiten.

    Brasilien kam ihm wieder in den Sinn. Richtig, er war doch bereits in Cruzeiro do Sul gewesen. Langsam löste sich der Nebel aus seinem Gedächtnis: Er war von Pucallpa der Grenzstadt in Peru aus angereist, nachdem er sich dort von seinem Freund Luis verabschiedet hatte. Dann fiel ihm die schöne, mysteriöse Sharone ein und wie sie nach ihrer gemeinsamen Ankunft in Cruzeido do Sul einfach verschwunden war. Er erinnerte sich an sein Hotel, die Bar und das Hotelzimmer mit dem kleinen Balkon. Danach kam nichts mehr, außer einem völligen Filmriss.

    Verdammt, wo bin ich nur? Diese Frage stellte er sich immer wieder. Und wo ist mein Gepäck?

    Er versuchte mit den beiden Mädchen zu sprechen, doch die Worte verließen nur in Bruchstücken seinen Mund. Die beiden Indianermädchen lächelten zurückhaltend und nickten mit ihren Köpfen. Dann kam die ältere wieder mit dem seltsamen Trinkgefäß auf ihn zu …

    Lima, 14 Tage vorher

    Die frühen Morgenstunden waren ein sehr wichtiger Moment für Claudio. Gerade dann vermochte er am besten nachzudenken und Gedanken zu ordnen, die ihm noch im Schlaf gekommen waren.

    Den Abend vorher hatte er mit seinem Freund Luis und einem befreundeten Mitarbeiter des Nationalen Instituts für Kulturangelegenheiten, kurz INC, verbracht.

    Sein Verstand jedoch war an diesem Morgen irgendwie durcheinander. Er versuchte sich zu entspannen, spürte jedoch eine aufkommende Verkrampfung seiner Muskeln in Beinen und Rücken. Seine Faust ballte sich vor überschüssiger Energie, er brummte vor sich hin und rollte missmutig aus seinem Bett. Freude und Anspannung über ein neues Abenteuer begannen zunehmend zu verblassen. Es kostete ihn merkliche Mühe, in ein normales Leben zurückzukehren. Er fühlte eine innere Leere, die ihn einfach nicht mehr verlassen wollte. Er klammerte sich an den Glauben, dass seine Unzufriedenheit nicht von jenen Ereignissen abhing, auch wenn es noch so schwer war, sich selbst davon zu überzeugen.

    Er wohnte in einer Seitenstraße unweit der Plaza Grau im historischen Stadtkern der peruanischen Hauptstadt Lima. Neben alteingesessenen Bars, Restaurants und Kaffeehäusern reihten sich hier im Stadtteil Barranco unzählige historische Bauwerke aneinander, die noch aus der Kolonialzeit der Spanier stammten. Für ihn war es nah genug bis zum eigentlichen Stadtzentrum von Lima aber auch wiederum weit genug davon entfernt, um nicht von der Hektik der brodelnden Metropole belästigt zu werden.

    Rasch zog er sich an und kletterte nach unten um die Morgenzeitung von der Türstufe aufzuheben. Im zweiten Stockwerk befanden sich neben Roger Peters Schlafzimmer noch ein Gästezimmer, ein Bad und eine liebevoll von ihm zusammengestellte kleine Bibliothek. Den ersten Stock teilten sich die Küche und das geräumige Wohnzimmer mit einer schweren Couchgarnitur aus Leder, einem wuchtigen Esstisch mit acht passenden Stühlen, antiken Holzregalen und Schränken, einem Sekretär sowie einer auffälligen Standuhr.

    Eine feine Auswahl präkolumbischer Keramiken aus allen nur denkbaren Gegenden Südamerikas bereicherten seine Vitrinen und Regale.

    Während der etwas ungemütlicheren Wintermonate Juli bis September versprach ein gusseiserner Kaminofen eine angenehme Wärme. Für eine gemütliche Beleuchtung sorgten antike Lampen aus buntem Tiffanyglas mit Bleieinfassung.

    Claudio vermied es zunehmend, mit dem PKW in das Stadtzentrum von Lima zu fahren. Für kleinere Einkäufe oder Ausfahrten in die nähere Umgebung vertraute er auf sein klassisches MG-B Cabrio aus den 60-er Jahren, dessen Motor nach wie vor, wie eine alte Singer Nähmaschine treu seinen Dienst leistete.

    Der zusammengefaltete Klumpen auf dem Ledersofa war sein Kumpel Luis. Die automatische Kaffeemaschine auf der Rückseite seiner Küchenbar hatte bereits ein einigermaßen trinkbares Gebräu fertiggestellt, als sich Claudio an den Küchentisch setzte, um einen Blick in die Tageszeitung zu werfen.

    Luis Schnarchen drang von dem Sofa aus dem Wohnzimmer zu ihm herüber. Sein tiefgezogener, rasselnder Atem hörte sich an wie das Grunzen eines größeren Tieres. Es folgte ein abruptes Stottern und dann war er wach, gähnte und streckte sich ausgiebig.Claudio grinste vor sich hin.

    „Guten Morgen! Wie geht es dir am ersten Tag deines restlichen Lebens?"

    „Meine Güte, räusperte sich Luis. „Wie spät ist es denn?

    Claudio schaute auf seine Armbanduhr.

    „Gleich halb acht."

    „Ach, noch so früh?

    Claudio versuchte zu lächeln. Luis erhob sich von dem Sofa und trottete in Richtung Gästebadezimmer mit der kleinen Dusche in den hinteren Räumen des Erdgeschosses, während Claudio eine neue Tasse Kaffee aufsetzte, läutete das Telefon.

    „Senor Guerrero?", fragte eine unbekannte weibliche Stimme.

    „Si, si! Hier ist Claudio Guerrero. Womit kann ich dienen?"

    „Bitte warten Sie einen Moment. Direktor Gilberto Leon möchte Sie sprechen."

    Eine Musik ertönte. Die Dame hatte ihn in eine Warteschleife gesetzt, noch ehe er sie fragen konnte, ob er richtig gehörte hatte. Jedoch keine Minute später war Leon bereits in der Leitung.

    „Hallo Ihr beiden, ich hoffe ich störe nicht."

    „N…nein, ganz und gar nicht", antwortete Claudio verdutzt. Er hielt noch den Kaffeelöffel in der linken Hand.

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