Drei Erzählungen
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Über dieses E-Book
Robert Louis Stevenson (1850-1894) war ein schottischer Schriftsteller des viktorianischen Zeitalters. Bekannt geworden sind vor allem der Jugendbuchklassiker Die Schatzinsel und die Schauernovelle Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde, die sich dem Phänomen der Persönlichkeitsspaltung widmet und als psychologischer Horrorroman gelesen werden kann. Einige Romane sind heute noch populär und haben als Vorlagen für zahlreiche Verfilmungen gedient.
Inhalt:
Will von der Mühle
Die krumme Janet
Markheim
Robert Louis Stevenson
Robert Louis Stevenson (1850-1894) was a Scottish poet, novelist, and travel writer. Born the son of a lighthouse engineer, Stevenson suffered from a lifelong lung ailment that forced him to travel constantly in search of warmer climates. Rather than follow his father’s footsteps, Stevenson pursued a love of literature and adventure that would inspire such works as Treasure Island (1883), Kidnapped (1886), Strange Case of Dr Jekyll and Mr Hyde (1886), and Travels with a Donkey in the Cévennes (1879).
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Buchvorschau
Drei Erzählungen - Robert Louis Stevenson
Robert Louis Stevenson
Drei Erzählungen
e-artnow, 2017
Kontakt: info@e-artnow.org
ISBN 978-80-268-8022-6
Inhaltsverzeichnis
Will von der Mühle
Die krumme Janet
Markheim
Will von der Mühle
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Die Ebene und die Sterne
Pastors Marjory
Tod
Die Ebene und die Sterne
Inhaltsverzeichnis
Die Mühle, in der Will mit seinen Adoptiveltern lebte, stand in einem schrägen Tal zwischen Tannenwäldern und mächtigen Bergen. Oben ragte Gipfel über Gipfel gen Himmel, bis ihre Spitzen die Tiefen auch des zähesten Holzes überragten und sich nackt gegen den Horizont abhoben. Etwas oberhalb der Mühle schmiegte sich ein langes, graues Dorf gleich einem Saum oder Nebelfetzen an eine bewaldete Höhe; und wenn der Wind günstig war, sank der Klang der Kirchenglocken wie dünnes, flüssiges Silber zu Will in die Tiefe hinab. Zu Wills Füßen fiel das Tal steiler und steiler abwärts, sich nach beiden Seiten ausweitend, und von einem Hügel neben der Mühle war es möglich, seine ganze Länge und eine anschließende weite Ebene zu überblicken, durch die der Fluß auf seiner Reise zum Meer in leuchtenden Windungen von Stadt zu Stadt eilte. Der Zufall wollte es, daß ein Paß oberhalb des Tales nach einem benachbarten Reiche führte, so daß der Weg, der am Flußufer entlang lief, trotz der ländlichen Stille der Umgegend als große Heerstraße diente, die zwei glanzvolle und gewaltige Staatsgebilde verband. Den ganzen Sommer über krochen die Reisewagen zur Mühle herauf oder rollten in munterem Trabe an ihr vorbei den Berg hinunter; da aber der Aufstieg von der anderen Seite viel leichter war, wurde der Weg nicht viel begangen, außer von Leuten, die in einer bestimmten Richtung reisten; und von allen Wagen, die Will vorüberfahren sah, rollten fünf Sechstel luftig den Berg hinunter und nur ein Sechstel arbeitete sich kriechend zu ihm herauf. Um so mehr war dies bei Fußgängern der Fall. Alle leichtfüßigen Wanderer, alle Hausierer, beladen mit seltsamen Waren, hielten auf den Fluß zu, der ihren Weg begleitete. Und das war nicht alles. Als Will noch ein Kind war, brach ein verheerender Krieg über einen großen Teil der Welt herein. Die Zeitungen hallten wider von Sieg und Niederlage, die Erde dröhnte von Rossehufen, und häufig schreckte tagelang und auf Meilen im Umkreis das Gewühl der Schlacht die guten Leute von ihrer Arbeit auf den Feldern. Von alledem hörte man lange Zeit nichts in dem Tale; doch endlich schob einer der Feldherren auf Eilmärschen eine ganze Armee über den Paß, und drei Tage lang strömten Reiter und Fußvolk, Kanonen und Feldwagen, Trommeln und Standarten an der Mühle vorbei den Berg hinunter. Den ganzen Tag über stand das Kind und sah dem Vorbeimarsch zu – der rhythmische Tritt, die blassen, unrasierten Gesichter, die um die Augen gebräunt waren, die vom Wetter gebleichten Abzeichen und zerrissenen Fahnen erfüllten es mit einem Gefühl von Müdigkeit, Mitleid und Staunen; und die ganze Nacht lang, als es im Bette lag, konnte es die Kanonen rasseln, die Füße stampfen und die große Streitmacht talwärts an der Mühle vorbeifegen hören. Keiner in dem Tal vernahm je, was aus dem Zuge geworden war, denn in jenen unruhigen Zeiten verirrte Geschwätz sich nur selten dorthin, doch das eine erkannte Will klar: kein einziger von den Männern kehrte je zurück. Wohin waren sie alle gegangen? Wohin gingen alle die Wanderer und die Hausierer mit der seltsamen Ware? Wohin die munteren Kutschen mit den Dienern im Rücksitz? Wohin das Wasser des Flusses, das ewig talwärts strömte und ewig von oben erneuert wurde? Selbst der Wind blies häufiger das Tal hinunter als herauf und trug die welken Blätter im Herbste mit sich fort. Es war wie eine große Verschwörung aller lebenden und toten Wesen; alle gingen sie talabwärts, hurtig und lustig talabwärts, und nur er blieb, wie es schien, gleich einem Klotz am Wege liegen. Mitunter machte es ihn froh, zu sehen, daß die Fische wenigstens ihre Köpfe flußaufwärts richteten. Sie allein standen treu zu ihm, während alles andere talwärts in die unbekannte Welt hastete.
Eines Abends fragte er den Müller, wohin der Fluß eilte.
»Er eilt das Tal hinunter,« lautete die Antwort, »und dreht gewaltig viele Mühlen – sechzig mal zwanzig Mühlen, sagen sie, von hier bis Unterdeck – und er ist deshalb nicht ein bißchen müder. Und dann eilt er weiter ins Unterland und bewässert das große Kornland und läuft durch eine Menge prächtiger Städte (so sagen wenigstens die Leute), wo Könige ganz allein in großen Palästen hausen, mit einer Schildwache, die vor ihrer Tür auf und abspaziert. Und er eilt unter Brücken hindurch mit steinernen Männern drauf, die da stehen und neugierig lächelnd ins Wasser blicken, und lebendige Menschen stehen auch da, stützen ihre Ellbogen aufs Geländer und gucken auch über die Brüstung hinab. Und dann eilt er weiter und immer weiter, und abwärts durch Sümpfe und Sandbänke, bis er sich endlich ins Meer ergießt, wo die Schiffe sind, die uns aus beiden Indien die Papageien und den Tabak bringen. Ja, ja, er hat eine weite Reise vor sich, während er so singend über unser Wehr stürzt, Gott schütze ihn.«
»Und was ist das Meer?« fragte Will.
»Das Meer!« rief der Müller. »Der Herr steh uns bei, das Meer ist das Größte, was Gott je erschaffen hat! Es ist der Ort, wo alles Wasser der Welt wie in einem großen Salzsee zusammenläuft. Da liegt es, so flach wie meine Hand und so unschuldig aussehend wie ein Kind; aber sie sagen, wenn der Wind weht, dann erhebt es sich trotzdem zu Wasserbergen höher als irgendeiner unsrer Berge, und dann schluckt es ganze Schiffe, größer als unsere Mühle, herunter, und es brüllt so sehr, daß die Leute es meilenweit im Lande hören. Große Fische sind darin, fünfmal größer als ein Stier, und eine alte Schlange so lang wie unser Fluß und so alt wie die ganze Welt, mit einem Schnurrbart wie ein Mann und mit einer silbernen Krone auf dem Kopf.«
Will glaubte, noch nie dergleichen gehört zu haben, und er fuhr fort, Frage auf Frage zu stellen über die Welt, die samt allen Gefahren und Wundern weit unten am Flusse lag, bis der alte Müller selber ganz lebhaft wurde und ihn zum Schluß bei der Hand nahm und auf den Gipfel führte, der das Tal und die Ebene überblickte. Die Sonne war am Untergehen und stand tief an einem wolkenlosen Himmel. Alles hob sich klar und verklärt gegen das goldene Licht ab. Will hatte in seinem ganzen Leben nie eine so mächtige Fläche gesehen: er stand und staunte mit der ganzen Kraft seiner Augen. Er konnte die Städte und die Wälder, die Felder und die hellen Windungen des Flusses sehen, und