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Marmorstein und Eisen - Band 1: Familienangelegenheiten
Marmorstein und Eisen - Band 1: Familienangelegenheiten
Marmorstein und Eisen - Band 1: Familienangelegenheiten
eBook213 Seiten3 Stunden

Marmorstein und Eisen - Band 1: Familienangelegenheiten

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Über dieses E-Book

Die New Yorker Anwältin Rachel Marmorstein erbt nach dem Tod ihres Seniorpartners dessen Kanzlei. Ihr neuer Partner, der charmante Daniel Eisen, bringt ihr geordnetes Leben mit seiner unorthodoxen Arbeitsweise gehörig durcheinander. Doch bald ist Rachel auf Daniels Hilfe angewiesen, denn ihre Schwester Sadie wird beschuldigt, ihren Chef umgebracht zu haben. Auf eigene Faust ermitteln Marmorstein und Eisen nun, um Sadies Unschuld zu beweisen. Wird es dem ungleichen Duo gelingen, den wahren Mörder zu überführen?
SpracheDeutsch
HerausgeberHollitzer Verlag
Erscheinungsdatum27. Sept. 2017
ISBN9783990124253
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    Buchvorschau

    Marmorstein und Eisen - Band 1 - Eva Maria Stiehl

    MARMORSTEIN UND EISEN

    EVA MARIA STIEHL

    MARMORSTEIN

    UND EISEN

    FAMILIENANGELEGENHEITEN

    Kriminalroman

    Lektorat: Teresa Profanter

    Umschlagbild: Nikola Stevanović

    Satz: Daniela Seiler

    Hergestellt in der EU

    Eva Maria Stiehl

    Marmorstein und Eisen

    Familienangelegenheiten

    Alle Rechte vorbehalten

    © HOLLITZER Verlag, Wien 2017

    www.hollitzer.at

    ISBN 978-3-99012-425-3

    „Einspruch, Euer Ehren! Es ist nicht akzeptabel, dass meinem Mandanten, obwohl ihm keinerlei Verschulden am Scheitern der Ehe nachgewiesen werden konnte, das Sorgerecht für seinen Sohn entzogen werden soll!"

    Empört sprang ich auf, dabei nicht bedenkend, dass ich einen kurzen Rock aus Leinen trug, welcher sich über meinen Schenkeln zusammengeschoben hatte und meinem Klienten, dem Richter und dem gegnerischen Anwalt, einen ungehinderten Ausblick auf meine Beine erlaubte. Ersterer schluckte hörbar, der Zweite bekam einen roten Kopf und der Dritte grinste dreckig. Verdammt, das hatte auch noch gefehlt …

    Rasch zog ich meinen Rock hinunter und funkelte Sam Petersen, den Anwalt der zukünftigen Exfrau meines Mandanten, wütend an. Petersen war ein arroganter Mistkerl, der mich jedes Mal, wenn wir im Gerichtssaal aufeinandertrafen, geradezu beleidigend gönnerhaft und herablassend behandelte, nur weil ich eine Frau war. Doch wenn er glaubte, dass ich mich von so einem kleinen modischen Missgeschick aus der Fassung bringen ließ, dann sollte er sich getäuscht haben. Schließlich war ich schon viel zu lange Anwältin, um nicht zu wissen, wie es in dem Dschungel, den man gemeinhin Gerichtssaal nennt, für gewöhnlich zugeht.

    „Mein Mandant hat sich nichts zuschulden kommen lassen, setzte ich scheinbar völlig ungerührt fort. „Er ist bekannt für seine aufopfernde Arbeit als Arzt im Dienste seiner Patienten, er ist ein aktives Mitglied der Episkopalkirche und war seiner Frau stets ein treuer, fürsorglicher Ehemann beziehungsweise ein vorbildlicher Vater für seinen Sohn. Nur leider war er schwarz, während das kleine Luder, das jetzt versuchte, ihn bei der Scheidung über den Tisch zu ziehen und ihm alles wegzunehmen, was er besaß, sein Kind inbegriffen, so weiß war wie frisch gefallener Schnee und aussah wie Dornröschen. Das hatte vor Gericht noch nie seine Wirkung verfehlt, auch wenn Hinweise dafür vorlagen, dass sie während ihrer Ehe mit allem ins Bett gestiegen war, was sich nicht rechtzeitig auf die Bäume retten hatte können.

    Aber den letzten Satz sprach ich natürlich nicht laut aus, ich dachte ihn nur. Wem die Sympathie des Richters galt, wurde allerdings jedes Mal deutlich, wenn er das blonde Flittchen nur anschaute. Mein Mandant sollte klar ersichtlich über den Tisch gezogen werden, aber nicht mit mir, Gentlemen … Wenn ich bei dieser Verhandlung noch das Geringste mitzureden hatte, dann würde mein Klient seinen Sohn nicht verlieren – oder ich wollte nicht länger Rachel Marmorstein heißen!

    So lautet nämlich mein Name: Rachel Judith Marmorstein, obwohl ich immer nur einen Vornamen benutze. Als ich als Anwältin anfing, habe ich kurz überlegt, mich „R. J." zu nennen, bin aber dann davon abgekommen. Wer will denn schon so heißen wie ein sprichwörtlich gewordener Fernsehserienfiesling, nur verkehrt herum? Also ich jedenfalls nicht.

    Ich mag meinen Vornamen. „Rachel, das klingt so nach einer Heldin aus dem Alten Testament … Dumme Menschen behaupten übrigens, ich sähe ja gar nicht jüdisch aus, was erstens beleidigend ist und zweitens nicht stimmt. Mit meinen schwarzen, gewellten Haaren, der Nase, die die von Barbra Streisand winzig erscheinen lässt, der olivfarbenen Haut und den dunklen Augen, die ich – wenigstens wenn ich nicht in der Öffentlichkeit bin – wegen Kurzsichtigkeit hinter einer Brille verstecken muss, habe ich wirklich nichts, aber auch schon gar nichts mit dem klassischen amerikanischen Schönheitsideal von „blond-blauäugig-doof gemeinsam. Außerdem bin ich ziemlich klein und neige zur Pummeligkeit. Ich bin also das, was man auf Jiddisch, der faszinierenden Sprache meiner europäischen Ahnen, die ich leider viel zu wenig beherrsche, als „zaftig" bezeichnet.

    Aber trotzdem bin ich mit mir selbst durchaus zufrieden und finde, dass ich mich für meine einunddreißig Jahre ziemlich gut gehalten habe. Was meine Figur betrifft, so ist im Bereich des Balkons noch alles dort, wo es hingehört, und auch das Kellergeschoß hängt mir noch nicht bis zu den Knien, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich glaube, ich habe einfach gute Gene, denn meine Momma, Lena Marmorstein, geborene Cohen, ist mit ihren sechsundfünfzig Jahren noch immer eine außerordentlich attraktive Frau, auch wenn sie ebenfalls ein paar Pfunde zu viel auf den Hüften hat. Und mein Vater, Shmuel Marmorstein, den ich nur „Tate" nenne, sieht aus wie das, was er auch ist: nämlich ein Rabbi wie aus dem Bilderbuch. So wie ich ist auch er nicht groß, aber er wirkt unglaublich imposant, besonders wenn er in der Synagoge die traditionellen Gewänder trägt. Seine Haare und sein Bart sind schon stark von Grau durchzogen, aber seine Augen hinter der goldgefassten Brille blitzen so lebhaft, warm und klug wie die eines viel jüngeren Mannes. Und die Damen in seiner Gemeinde sind deshalb auch alle hinter ihm her wie der Teufel hinter einer armen Seele.

    Wir sind übrigens keine orthodoxen Juden, sondern gehören einer reformierten, weltlich orientierten Strömung an. Ich könnte doch niemals so leben, wie ich es tue, geschweige denn als Anwältin arbeiten, wenn ich mich ständig an die rigiden Vorschriften des konservativen Judentums halten müsste. Stellen Sie sich nur einmal vor, ich müsste zum Beispiel jeden Freitag bei Sonnenuntergang alles liegen und stehen lassen, was ich gerade tue, und zu Fuß von meinem Büro in Manhattan nach Brooklyn zurückgehen, weil die strengen Sabbatgesetze es sogar verbieten, irgendeine Art von Transportmittel zu benutzen! Oder ich könnte niemals mit einem Klienten essen gehen, weil ich nichts zu mir nehmen dürfte, was nicht den Vorschriften entsprechend „koscher" zubereitet worden ist … undenkbar, nicht wahr? Aus diesem Grund bin ich heilfroh, dass wir ein normales, der Zeit entsprechendes Leben führen und das 21. Jahrhundert auch an unserer Familie nicht vorübergegangen ist, obwohl mein Tate ein Rabbi ist.

    Ich bin gerne Jüdin, ich mag unsere Religion, auch wenn sie manchmal ganz schön anstrengend sein kann mit ihren unzähligen, nicht immer ganz verständlichen Geboten und Verboten, und es würde mir niemals einfallen, aus freien Stücken beispielsweise zum Christentum zu konvertieren. Den Katholiken geht es ja in Bezug auf starre Regeln und Dogmen auch nicht viel besser als uns, und Weihnachten wird ohnehin überbewertet und ist nur mehr ein Fest des Kommerzes und Konsums, finde ich zumindest. Etwas, das mir übrigens besonders gut gefällt am Judentum, ist der starke familiäre Zusammenhalt. Die Familie, oder wie es auf Jiddisch heißt, die „Mischpoche, ist ungeheuer wichtig, und wir Marmorsteins sind ein ideales Beispiel dafür. Ich habe drei Schwestern, Sarah, Sadie und Hannah, sowie einen Bruder namens Moshe, der ein Rabbiner geworden ist wie unser Vater. Ich bin übrigens das „Nesthäkchen, alle meine Geschwister sind älter als ich. Tate wiederum hat fünf Geschwister und Momma sechs, die allesamt verheiratet sind, Kinder und zum Großteil auch schon Enkel haben. Von meinen Geschwistern sind Moshe, Sarah und Hannah auch schon verheiratet und haben Kinder. Kurz und gut, langweilig wird einem bei so einem großen Familienclan nie. Das können Sie mir glauben. Aber wir Marmorsteins lieben einander bis zum Umfallen, wir sind immer füreinander da, und jeder weiß, wenn er etwas braucht oder in Not ist, sind die anderen zur Stelle. Über die Mischpoche geht eben nichts.

    Die Einzigen von den Marmorstein-Mädchen, die noch nicht den „Mann fürs Leben" gefunden haben, das sind Sadie und ich. Sadie deswegen, weil sie seit einem Reitunfall als Kind ein verkürztes Bein hat, wegen ihres Hinkens unter Komplexen leidet und krankhaft schüchtern ist, und ich … ja, warum bin ich eigentlich noch Single? Meine Momma fragt mich das jedes Mal, wenn ich sie und Tate besuche, aber ich weiß eigentlich keine Antwort darauf. Vielleicht liegt es einfach daran, weil der einzige Mann, der für mich in Frage käme, in mir nichts anderes sieht als eine tüchtige Kollegin und Partnerin in seiner Kanzlei.

    Die Arbeit ist mir ungeheuer wichtig, wichtiger fast als ein erfülltes Privatleben, und ich bin zutiefst froh, dass meine Eltern immer aufgeklärt und modern genug waren, nicht der antiquierten Vorstellung anzuhängen, ein Mädchen müsse nichts lernen und brauche keine Ausbildung, weil es ohnehin heiratet. Sarah und Hannah haben sich aus freien Stücken dafür entschieden, nur Hausfrau und Mutter zu sein. Sarah ist mit einem Psychoanalytiker verheiratet und Hannah mit einem Kinderarzt, die beide so erfolgreich sind, dass sie schon aus Prestigegründen Wert darauf legen, dass ihre Frauen nicht arbeiten. Für mich käme das niemals in Frage. Ich wollte immer einen eigenen Beruf haben, und deshalb war ich meinen Eltern auch dankbar, dass sie mir keine nennenswerten Steine in den Weg gelegt haben, als ich mich dazu entschloss, Jura zu studieren.

    Warum ich mich ausgerechnet für die Juristerei entschieden habe? Nun, so ganz genau weiß ich das eigentlich auch nicht. Ich würde gerne sagen, es war wegen meiner glühenden Liebe zur Gerechtigkeit, aber die Wahrheit ist, dass ich schon als Kind die Streitereien zwischen meinen Geschwistern geschlichtet habe, obwohl ich die Jüngste war. Für meine Puppen habe ich mit Feuereifer spannende Gerichtssaalszenarien entworfen und diese dann mit verteilten Rollen stundenlang ausagiert. Als ich älter war, habe ich Kriminalromane, in denen es um schlaue Anwälte ging, wie zum Beispiel den unsterblichen Perry Mason, geradezu verschlungen.

    Für mich wäre ein anderer Beruf niemals auch nur entfernt in Frage gekommen, und deshalb war es für mich nach der Highschool bereits klar, dass ich Jura studieren würde. Meine Träume, eine berühmte Strafverteidigerin zu werden, wurden allerdings nach dem Ende des Studiums von der Realität eingeholt. Ich war daher heilfroh, als mir ein Freund meines Vaters, Sam Mandelbaum, einen Platz als Juniorpartnerin in seiner Kanzlei für Familien- und Scheidungsrecht anbot. Bald stellte ich fest, dass auch diese Art von Fällen durchaus spannend war. Meine tägliche Arbeit erfüllte mich mit Befriedigung, weil ich dazu beitragen konnte, dass Menschen in persönlichen Notsituationen geholfen wurde und sie zu ihrem Recht kamen. Ich konnte mir bald nicht mehr vorstellen, auf einem anderen Gebiet tätig zu sein, und so kam es schließlich dazu, dass ich an jenem Tag vor Gericht stand, um meinem Mandanten, dem Internisten Dr. Isaiah Lincoln, dabei zu helfen, von seiner zukünftigen Exfrau nicht nur bei der Scheidung nicht um alles gebracht zu werden, was er besaß, sondern vor allem nicht das Sorgerecht für sein einziges Kind zu verlieren.

    Sam Petersen, der Anwalt der gegnerischen Partei, lehnte sich jetzt gerade in seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände über seinem dicken Bauch und grinste selbstzufrieden. Er glaubte wohl, den Fall schon gewonnen zu haben. Das Argument, aufgrund dessen meinem Mandanten das Sorgerecht für seinen Sohn entzogen werden sollte, lautete, dass er durch seine Tätigkeit als Arzt keine Zeit hätte, sich um den Jungen zu kümmern. Während sich die Mutter, das blonde Gift, das auf den bezeichnenden Namen „Bambi" hörte, den ganzen Tag nur seiner Aufzucht widmete. Oder auch nicht.

    „Euer Ehren, ich hätte da ein paar Fragen an Mrs. Lincoln, meldete ich mich mit gedämpfter Stimme zu Wort. Petersen und seine Klientin sollten ruhig glauben, ich hätte nichts in der Hand und würde mich bereits geschlagen geben. Der Richter nickte, etwas ungnädig wie mir schien, aber natürlich durfte er mir nicht verweigern, auf das Argument des gegnerischen Anwalts zu reagieren. Ich stand also auf und baute mich vor der Bank, auf der die blonde Bambi mit ihrem Rechtsvertreter saß, in meiner vollen, zugegebenermaßen nicht sehr imposanten Größe auf. „Mrs. Lincoln, sagte ich dann in trügerisch sanftem Ton, „erinnern Sie sich noch an den 17. Juni des heurigen Jahres? Können Sie dem Gericht sagen, was an diesem Tag passiert ist?"

    Die Blondine schüttelte unwillig den Kopf. Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine unschöne Zornesfalte, welche ihr Dermatologe ihr wohl um viel Geld würde wegspritzen müssen. Das kleine Biest wusste offenbar ganz genau, wovon ich sprach, wollte es aber nicht zugeben. „Dann lassen Sie mich Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, sprach ich mit seidenweicher Stimme. „An diesem Tag hatte Ihr Sohn, Michael Lincoln, in der Vorschule einen Unfall. Er stürzte beim Spielen so unglücklich, dass er sich die linke Hand brach. Erinnern Sie sich jetzt wieder?

    Bambi Lincoln nickte ungnädig. So etwas konnte sie ja wohl kaum leugnen, wenn sie als gute Mutter durchgehen wollte. „Und sind Sie an jenem Tag in die Vorschule gefahren, um Ihr Kind abzuholen und zu einem Arzt zu bringen?", fragte ich weiter, wohl wissend, dass es nicht so gewesen war.

    Die blonde Frau quetschte widerwillige ein „Nein aus einem Mundwinkel, und der Richter beugte sich interessiert vor. „Und warum waren Sie nicht da, um Ihren Sohn zu holen?, bohrte ich weiter, jetzt mit schon viel weniger seidiger Stimme, und die zukünftige Exfrau meines Mandanten, die wohl zu ahnen begann, dass ihr die Felle davonschwammen, zuckte die Achseln. „Weiß ich nicht mehr", murmelte sie.

    „Ach, das wissen Sie also nicht mehr?, fragte ich scheinheilig und zog gleichzeitig die Augenbrauen hoch. „Ist es denn nicht so, Mrs. Lincoln, dass Sie an diesem Tag bei einer Massage waren und die Vorschule vergeblich versucht hat, Sie zu erreichen, weil Sie Ihr Mobiltelefon ausgeschaltet hatten? Die blonde Bambi zuckte jetzt schuldbewusst zusammen, und der Richter runzelte die Stirn. Das alleinige Sorgerecht konnte sie sich bereits abschminken, wenn der kleine Michael nicht sogar zur Gänze meinem Mandanten zugesprochen werden würde. „Stimmt es nicht, dass die Vorschule, weil Sie nicht erreichbar waren, schließlich Ihren Mann angerufen hat und er in seiner Praxis alles liegen und stehen ließ, um seinem verletzten Sohn zu Hilfe zu eilen?, bohrte ich beharrlich weiter. „Verhielt es sich nicht so, dass Sie an jenem Tag erst Stunden nach dem Unfall Ihres Sohnes nach Hause kamen, nachdem das Kind längst im Krankenhaus versorgt worden war und sich in der Obhut seines Vaters befand, und dass Sie keine Ahnung hatten, was während Ihrer Abwesenheit passiert war, weil Sie nur Ihr eigenes Wohlbefinden im Kopf hatten?

    Petersen sprang auf. „Euer Ehren, das geht zu weit!, schnarrte er. Doch der Richter winkte ab. „Ich möchte das jetzt hören, erklärte er. „Also, Mrs. Lincoln, beantworten Sie bitte die Frage. Verhält es sich so, wie Counselor Marmorstein gesagt hat? Bambi, die jetzt keine Ähnlichkeit mit einem scheuen Reh mehr hatte, sondern eher einer egoistischen Furie glich, knirschte vor Zorn mit den Zähnen, konnte aber an der Wahrheit nicht länger vorbei. Ihr Nicken war nur angedeutet und ihr „Ja kaum zu verstehen. Trotzdem hatte der Richter es gehört. „Ich habe vergessen, dass mein Telefon ausgeschaltet war, maulte sie dann, „so etwas kann doch einmal passieren.

    Nun, nicht wenn man das alleinige Sorgerecht für ein Kind anstrebte. Dann nicht. „Euer Ehren, die Leiterin der Vorschule, Mrs. Magda Webber, ist bereit auszusagen, dass Mrs. Lincoln bei mehr als nur einer Gelegenheit ihren Sohn zu spät oder sogar gar nicht abgeholt hat, weil sie vergaß oder mit anderen Dingen beschäftigt war, sodass das Kind in der Vorschule warten musste, bis sein Vater seine Arbeit verlassen konnte", stellte ich kühl fest.

    Auf der Stirn des Richters bildeten sich tiefe Falten. „Hochinteressant, grollte er. „Und was bringt Sie dann dazu, Mrs. Lincoln, das alleinige Sorgerecht für Ihr Kind zu beantragen, wenn Sie doch offensichtlich bereits während Ihrer Ehe mit der Aufgabe überfordert waren, sich um den kleinen Michael zu kümmern?

    Die hübsche Bambi lief dunkelrot an und senkte den Kopf. Sam Petersen, der nicht so dumm war nicht zu erkennen, wann er geschlagen war, beugte sich zu seiner Klientin hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die Blondine machte zuerst ein Gesicht, als habe sie in eine Zitrone gebissen, aber dann nickte sie widerwillig. „Euer Ehren, meine Mandantin möchte ihren Antrag auf Erteilung des Sorgerechts für den minderjährigen Michael Lincoln zurückziehen, tönte Petersen dann. „Wir sind bereit, einer gemeinschaftlichen Regelung zuzustimmen. Der Richter nickte. „Das wird auch nötig sein", brummte er, und ich wäre am liebsten in ein Siegesgeheul ausgebrochen. Es war geschafft, die leidige Sache mit dem Sorgerecht war vom Tisch, und damit war ein wichtiger Teil des Scheidungsverfahrens zu unseren

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