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Die Obama-Methode: Strategien für die Mediengesellschaft. Was Wirtschaft und Politik von Barack Obama lernen können
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Die Obama-Methode: Strategien für die Mediengesellschaft. Was Wirtschaft und Politik von Barack Obama lernen können
eBook341 Seiten4 Stunden

Die Obama-Methode: Strategien für die Mediengesellschaft. Was Wirtschaft und Politik von Barack Obama lernen können

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Über dieses E-Book

Wer in Zukunft bestehen will, kann viel von Obama lernen – und sich einiges abgucken.

Wie keinem anderen zuvor ist es Barack Obama gelungen, die modernen Kommunikationsmittel für sich zu nutzen und somit zum mächtigsten Mann der Welt zu werden. Das Web 2.0 eröffnet Wirtschaft und Politik zahlreiche neue Möglichkeiten. Aber die meisten Manager und Kommunikationsfachleute ahnen noch gar nicht, welche neuen Herausforderungen im Umgang mit Kunden, Mitarbeitern, Medien und Wettbewerbern auf sie warten.

Laszlo Trankovits – Journalist und Korrespondent im Weißen Haus – beschreibt Methoden und Strategien Obamas, um in der Informationsgesellschaft mit ihren widersprüchlichen Entwicklungen und ihrer verwirrenden Unübersichtlichkeit zu bestehen. Obamas Probleme im ersten Amtsjahr legen aber auch die Grenzen seiner Methoden bloß. Wachsende Vernetzung und Transparenz sowie bisher unbekannte Kommunikationsfluten fordern Hierarchien in Politik und Wirtschaft heraus – und bedrohen Geschäftsmodelle ganzer Branchen.

Der Blick hinter die Kulissen des Weißen Hauses offenbart, welche spannenden und kreativen Antworten Obama auf den dramatischen Wandel zu Beginn des 21. Jahrhunderts gefunden hat.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Nov. 2009
ISBN9783899814705
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    Buchvorschau

    Die Obama-Methode - Laszlo Trankovits

    kann.

    I. Die Strategie

    des Siegers

    1        Obama kennt seine Stärken

    „Amerika ist bereit, eine neue Seite aufzuschlagen.

    Amerika ist bereit für viele neue Herausforderungen.

    Dies ist unsere Zeit.

    Eine neue Generation ist bereit zu führen."

    Barack Obama, 11. Dezember 2006

    Als Barack Obama in der Nacht des 4. November 2008 mit seiner Frau Michelle und den Töchtern Malia und Sasha die Tribüne im Grand Park in Chicago betrat, weinten nicht nur Amerikas Starmoderatorin Oprah Winfrey oder Schwarzen-Führer Jesse Jackson vor Rührung. Millionen und Abermillionen Menschen in den USA und in aller Welt an den Fernsehschirmen konnten ihre Tränen in dieser historischen Stunde Amerikas nicht zurückhalten. Mancherorts – wie auf der kleinen Karibikinsel Antigua oder in Kenia, dem Land seiner Väter – entfesselte der Wahlausgang karnevalistischen Übermut. Vor 200.000 Menschen in Chicago und vor den Augen der Weltöffentlichkeit stand dieser hochgewachsene, junge und blendend aussehende Demokrat, der als erster Schwarzer zum Präsidenten der USA gewählt worden war. Lange Zeit hatten selbst viele Anhänger des jungen Senators aus dem Bundesstaat Illinois daran gezweifelt, ob er es wirklich schaffen könnte.

    Im gleißenden Licht der Scheinwerfer durfte Obama mit seiner strahlend-schönen Frau und den lachenden Kindern auf einer zur Weltbühne gewordenen Empore seinen Triumph genießen. Nicht einmal die Journalisten, schon gar nicht aber seine Anhänger und Mitarbeiter konnten sich den überwältigenden Gefühlen dieses Abends entziehen – allein der damals 47-Jährige, der seine Landsleute mit seinem Versprechen auf „change und „hope, auf Wandel und neue Hoffnung, gewonnen hatte, blieb gefasst und diszipliniert. Fast wirkte er ein wenig zu ernst. Der überwältigende Wahlsieg, auf den er und sein Team so viele Jahre beharrlich hin gearbeitet hatten, wurde binnen Stunden zu einer Etappe, wenn auch die bis dahin allerwichtigste, auf dem Weg in die Geschichtsbücher. Seine wirkliche Bewährung sollte jetzt erst beginnen.

    So unterschiedlich Barack Obama und sein Vorgänger George W. Bush auch sein mögen, so verschieden die Herkunft, die Persönlichkeit, die Ausstrahlung sind – auch Obama trat an, um die Welt zu verändern. Manchen lief ein unangenehmer Schauer über den Rücken, als nach den wohlgesetzten, eher bescheidenen Worten Obamas Tausende andächtig im Chor skandierten „Yes we can", der eingängige Slogan.

    In europäischen Ohren klangen die verzückten oder demütigen Refrains wie die Gesänge in den zahlreichen Megakirchen der Evangelikalen. Dabei wehrte sich Obama gegen so manche Auswüchse an Verehrung und Anhimmelung, wehrte sich, als Messias deklariert zu werden. Aber mit seiner zuweilen predigenden Verkündigungs-Rhetorik förderte er durchaus die „Obamania".

    Vereinfacht und nüchtern betrachtet, hat Obama – ebenso wie Bush es hatte – den großen Anspruch, Amerika und die Welt in eine neue, bessere Ära zu führen. Allerdings betrat in dieser denkwürdigen Nacht von Chicago mit dem Demokraten ein Mann die Weltarena, der persönliche Eigenschaften mitbrachte, die ihn von dem Republikaner aus Texas deutlich unterschieden. Obama kann Menschen begeistern und mitreißen. Er kann intellektuell brillieren. Er beherrscht den spektakulären Auftritt. Obama tanzt besser als Bush, er redet mitreißender, er lacht herzlicher, er wirkt fröhlicher, er hat die schönere Ehefrau, er hat mehr Sexappeal.

    Obama ist ein großer Kommunikator, einer, der sich zu Recht in der Tradition von John F. Kennedy und Ronald Reagan einreihen darf. Im Unterschied zu diesen steht ihm aber das gesamte Instrumentarium der modernen Mediengesellschaft zur Verfügung. Der zum 44. Präsident der USA gewählte Senator kennt längst die Magie von Facebook, Twitter und Youtube, weiß um die Bildersucht der Medien und ihre Begeisterung für griffige Slogans. Er hat aber auch schon Erfahrungen mit den Grenzen der Kommunikationsinstrumente gemacht und die Tücken der medialen Zauberkisten kennengelernt.

    Obamas Wahlsieg war nicht nur deshalb historisch, weil 143 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei in den USA ein Schwarzer das Weiße Haus erobert hatte. Die Geschichtsbücher werden Obamas Weg auch würdigen, weil er in dem bislang teuersten und längsten Wahlkampf eine neue Seite moderner Politikstrategie aufgeschlagen hat. Dabei wissen wir noch gar nicht, wohin die Reise mit den neuen technischen Möglichkeiten geht.

    Obamas Kampagne und das erste Jahr im Amt demonstrieren, wie effizient die vernetzte Kommunikation in der Ist-Zeit eingesetzt werden kann für dauerhafte Mobilisierung und massenhafte Gruppenbildung, zur Geldbeschaffung und Kontrolle, Transparenz und Beteiligung.

    Allerdings ranken sich um Obamas einmaligen Wahlkampf auch manche Legenden und Fehleinschätzungen. Seine Kampagne war bis dato die modernste – aber die Rolle der spannenden, modernen Kommunikationsinstrumente sollte nicht überschätzt werden. Obama war in mancher Beziehung viel konservativer als seine Konkurrenten. Das wurde erstmals deutlich, als er im Januar 2007 eine „wichtige Rede" für den 10. Februar des Jahres in Springfield (Illinois) ankündigte.

    Es war ein eisigkalter, windiger, aber sonniger Tag. Vor knapp 20.000 Menschen stellte sich Obama in Sichtweite des dortigen Kapitols, in dem 1858 der spätere Präsident Abraham Lincoln seine berühmte Rede zur Abschaffung der Sklaverei gehalten hatte. In einem dicken, dunklen Wintermantel gehüllt, an der Hand die damals zehnjährige Tochter Malia, stieg Obama auf das Podest vor dem Sangamon Kreisgericht, wo Lincoln einst gewirkt hatte. Hinter ihm liefen, ebenfalls eingehüllt in warme Mäntel, seine Frau Michelle und die sechsjährige Sasha. Die Menschen begrüßten ihn mit warmem Beifall, viele begeistert – und die großen US-Fernsehstationen übertrugen live, wie Obama an diesem geschichtsträchtigen Ort seine Bewerbung um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ankündigte.

    „Ich weiß, dass ihr nicht wegen mir gekommen seid, begann Obama seine Rede und lachend wies er die aufkommenden Protestrufe zurück. „Nein, ihr seid gekommen, weil ihr daran glaubt, was dieses Land sein kann … Und dann beschwor er in der Hauptstadt seines politischen Heimatstaates seine Vision vom „Wandel, von einem friedlichen, versöhnten, mit „Hoffnung erfüllten Amerika. Der junge Senator aus Illinois suchte den Brückenschlag zur Geschichte und begründete, warum er antrat. Es war eine zutiefst traditionelle, programmatische Antrittsrede.

    Wie viel moderner punkteten dagegen manche seiner Konkurrenten: Hillary Clinton informierte die Amerikaner über ihre Bewerbung auf ihrer Webseite – NBC-Kommentator Chuck Todd schrieb später, das Clinton-Lager habe vor allem auf das Gerücht reagiert, Obama werde seine Kandidatur über Youtube verkünden. Auch der demokratische Ex-Gouverneur John Edwards glaubte, seinen Anlauf aufs Weiße Haus auf seiner Website bekanntgeben zu müssen. Der Republikaner John McCain suchte angesichts der Popularität der nächtlichen TV-Talkshows die Bühne des Star-Moderators Jay Leno, um seinen Kampf um die Führung der USA erstmals in aller Deutlichkeit zu verkünden. Obama war der Einzige, der mit einer anspruchsvollen Rede vor historischer Kulisse startete.

    Obama spielte im Wahlkampf natürlich seine Jugendlichkeit aus. Auch seine Präsenz auf sozialen Plattformen, seine Youtube-Videos und seine Twitter-Botschaften, sein Webauftritt und seine vernetzte Anhängerschaft sollten signalisieren, dass hier ein Erneuerer und Modernisierer antritt. Aber gleichermaßen wollte er auch von Anfang an als Politiker mit tiefen Wurzeln in der amerikanischen Geschichte gesehen werden, letztendlich als der Mann, der das politische Testament von Abraham Lincoln und Martin Luther King verwirklicht.

    Obama verbirgt nicht, dass er in tiefer Verehrung für Lincoln dessen Reden im Duktus und Stil kopiert. Für Obama ist der 16. Präsident der USA das wichtigste Vorbild. Lincoln ist bis heute für die Amerikaner die Symbolfigur für Freiheit, Menschenrechte und nationale Einheit. „Die Präsidentschaft dieser einmaligen Figur hat meine Geschichte erst möglich gemacht", sagt er beim Festakt zu Lincolns 200. Geburtstag in Springfield im Februar 2009.

    Deshalb war er zur Amtseinführung wie einst Lincoln mit dem Zug von Philadelphia nach Washington gefahren, hat auf der alten Bibel Lincolns seinen Amtseid abgelegt und das Thema seiner ersten Präsidentenrede auf den Stufen des Kapitols „eine Neugeburt der Freiheit" genannt, ein Zitat aus der berühmten Gettysburg-Rede Lincolns. Dann lässt der frisch gekürte Präsident, fast ein wenig kindisch, sogar Lincolns Lieblingsessen beim festlichen Inaugurations-Mittagessen auffahren: Ente, Fasan und Süßkartoffeln sowie Zimt-Apfelkuchen.

    Die Verankerung in der Geschichte und der Respekt vor den Vätern und Heroen des modernen Amerikas sind für Obama zentrale Anliegen. Er will ein neues Kapitel in der Geschichte der USA aufschlagen, er sucht die Kursänderung nach acht Jahren George W. Bush. Aber er sieht sich auch als Bewahrer von Traditionen und historischer Kontinuität. Er ist ganz sicher kein Revolutionär.

    Eine andere, weit verbreitete Fehleinschätzung betrifft die rhetorischen Fähigkeiten des großen Kommunikators Obama. Er ist ohne jeden Zweifel ein begnadeter Redner, vor allem auf der Bühne von großen Veranstaltungen ist er ein mitreißender und überzeugender Politiker. Aber das war nicht immer so. „Er war mal ein furchtbarer Redner, sagte der Pfarrer Alvin Love aus Chicago in Zeitungsinterviews. „Reden hat er erst hier in Chicago gelernt.

    Noch immer ist Obama ganz und gar nicht ein großer Meister öffentlicher Debatten. Bei den zahlreichen TV-Diskussionen im Vorwahlkampf glänzte er weniger durch sprachliche und gedankliche Brillanz. Er schlug sich ganz ordentlich dank seiner Ausstrahlung, seines glaubwürdigen Auftretens und seiner klaren Haltung beispielsweise zum Irak-Krieg, den er als einer der wenigen Demokraten von Anfang an abgelehnt hatte. Hillary Clinton war scharfzüngiger, Joe Biden viel witziger und John Edwards eloquenter.

    Obama zeichnet allerdings aus, dass er sich richtig einschätzen kann. Er weiß, dass er in Diskussionsforen nicht brillieren kann. Also meidet er solche Bühnen. Obama hat im Wahlkampf geackert wie kaum ein anderer, ist von Veranstaltung zu Veranstaltung geeilt – aber entgegen frühen Zusagen stellte er sich dann nicht dem republikanischen Kandidaten John McCain in direkten Konfrontationen von Bürgerversammlungen.

    Der damals 71 Jahre alte Senator aus Arizona liebte solche „townhall meetings" mit einem überschaubaren Publikum von höchstens 200 oder 300 Teilnehmern, bei denen er seine rhetorischen, intellektuellen Stärken und seinen trockenen Humor ausspielen konnte. Er weiß, dass ihn die Amerikaner mögen und bewundern, dass er als hochdekorierter Ex-Marinepilot und heldenhafter Kriegsgefangener in Vietnam ein Sympathieträger ist.

    Bei den drei Fernsehdebatten zwischen Obama und McCain war es weniger das Verdienst des jungen Demokraten, dass er von den meisten Zuschauern bessere Noten als sein Rivale bekam. Der Republikaner hatte einfach zu viele Fehler gemacht. Der gravierendste war wohl, zu sehr auf den Rat von PR- und Wahlkampfexperten gehört zu haben. McCain wirkte nicht authentisch, seine Worte und Gesten schienen aufgesetzt und einstudiert.

    In den Comedy-Shows machte man sich lustig über McCains zuweilen befremdliches Auftreten, als er beispielsweise wie verloren durchs Fernsehbild irrte, während Obama sprach. Oder als der allseits als Mann mit besten Manieren und Stil anerkannte Politiker seinen Kontrahenten abfällig „das da titulierte. Überhaupt ist Obamas Wahlsieg nicht erklärbar ohne gravierende Fehler seines Konkurrenten – der sich viel zu wenig von seinem Parteifreund Bush distanzierte, der mit der erzkonservativen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, eine sehr eigenwillige, für viele provozierende Frau als „running mate aussuchte, der beim Zusammenbruch der Lehman-Bank und dem anschließenden Finanz- und Börsencrash aktionistisch und theatralisch reagierte.

    Natürlich ist auch der Mensch Obama weit widersprüchlicher und problematischer als das PR-Bild der neuen politischen Lichtgestalt, die viele in ihm sehen oder sehen wollen – ein Image, das er und seine Berater natürlich bewahren möchten. Auch nach den Turbulenzen des ersten Präsidentenjahres bleibt Obama für viele die Hoffnung auf ein neues Amerika, ist er die Personifizierung einer Politik der Vernunft und einer neuen Bescheidenheit, ein Heros in den Niederungen der „schmutzigen Politik".

    Aber Obama ist – eigentlich eine Selbstverständlichkeit – ein Mensch mit Untiefen und Widersprüchen, einer, der Niederlagen kennt und Fehler macht, der berechnend und fies sein kann, faule Kompromisse eingeht und hehre Prinzipien dem Pragmatismus des politischen Tagesgeschäfts opfert. Ein Gutteil seines Erfolgs kann einem sehr effizienten Image-Management zugeschrieben werden.

    Dabei ist es keineswegs so, dass der „wirkliche Obama ein ganz anderer ist als der, den alle kennen. Er ist charmant und beherrscht, es gibt kaum Berichte über einen zornigen, undisziplinierten Obama. Vielleicht fiel es ihm etwas leichter als anderen, seine Coolness und Selbstkontrolle so zu perfektionieren, dass er dem ganzheitlichen Anspruch der modernen Mediengesellschaft entspricht. Ohne seine faszinierend gelassene Art, ohne die vollständige Abwesenheit jeglicher sichtbarer Aggression wäre es ihm als einem schwarzen Kandidaten in der amerikanischen Politik kaum gelungen, weiße Mehrheiten zu gewinnen: Denn tief sitzt die unausgesprochene Furcht der Weißen vor dem „zornigen schwarzen Mann.

    Ein moralisches Doppelleben zu führen, eine politische Charaktermaske zu tragen, die man ungestraft am Feierabend ablegen kann, wird in der modernen, transparenten Demokratie mit der Dauerpräsenz der Medien kaum noch machbar sein. Dabei soll nicht unterstellt werden, der 44. Präsident der USA betriebe nur ein besonders perfides, raffiniertes und ausgeklügeltes PR-System: Obama tut wirklich sehr viel, um das Vertrauen zu rechtfertigen und zu erhalten, das ihm die Amerikaner entgegenbringen. Es gibt kaum einen Grund, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln.

    Obama eroberte das Weiße Haus, weil er Modernes und Traditionelles verband, seine rhetorischen Stärken dort einsetzte, wo sie wirklich wirken, weil er besonders klug mit Niederlagen und Fehlern umging – und geschickter als alle anderen ein faszinierendes Image aufbaute.

    Mit Barack Obama wurde ein echter Außenseiter US-Präsident, auch wenn er im Verlauf des Wahlkampfs wie ein Dagobert Duck in seinen Hunderte Millionen Dollar umfassenden Spendengeldern baden konnte. Aber er kam nicht aus einer der „alten" Familien Amerikas, den Kennedys oder Bushs, bei denen der Weg ins Weiße Haus zumindest immer eine Option war. Auch in seiner Partei – und den Gewerkschaften – gab es zwar viele Sympathien für Obama, die meiste Unterstützung aber galt zunächst Hillary Clinton oder John Edwards.

    Schließlich kam noch der Makel seines Namens hinzu. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, der die Amerikaner bis heute traumatisiert hat und für den Osama bin Laden verantwortlich zeichnet, schienen Obamas kühne Träume früh zu platzen. „Teuflisch … Wirklich großes Pech", habe ihm Ende September 2001 ein Medienberater gesagt und ihn achselzuckend aufgegeben. Es scheint zuweilen wirklich ein kleines Wunder, dass jemand mit dem Namen Barack Hussein Obama in Amerika siegen konnte – man könnte kaum einen Namen erfinden, der mehr Assoziationen an fanatische Politiker und Extremisten aus der islamischen Welt auslöst. Was allerdings auch belegt, dass Schulweisheiten aus dem Lehrbuch der modernen PR mit höchster Vorsicht zu genießen sind.

    Außenseiter wollen in einem Präsidentschaftswahlkampf – wie in allen Wahlkämpfen – viele sein. Schließlich gehört zur modernen Politik, dass sie von den Medien und den „Zuschauern gerne in den Kategorien des Sports begriffen wird, mit Siegern und Verlieren, Kämpfen und Taktik, Halbzeiten und Endspurts. „Political Football, politischer Fußball, wird das in den USA genannt.

    Das „Außenseiter-Image, die Rolle des „Underdog, ist in der Politik wie im Sport ein hervorragendes und bewährtes Mittel, Sympathien zu wecken, Kräfte zu mobilisieren und – im schlimmsten Fall – Niederlagen zu erklären. Der Republikaner und Kriegsheld John McCain pflegte im Vorwahlkampf seiner Partei und dann im Duell gegen Obama auch sein Image als „Maverick", als Außenseiter, obwohl er nun wirklich seit Jahrzehnten zum politischen Establishment Washingtons gehört und er einer der bekanntesten und beliebtesten amerikanischen Politiker war und ist. Immerhin war er sogar schon einmal im Jahr 2000, wenn auch gegen Bush vergeblich, angetreten, Präsidentschaftskandidat seiner Partei zu werden.

    Sein demokratischer Gegner war aber wirklich ein Außenseiter – wie schon fast immer, eigentlich von Geburt an. Als Barack Hussein Obama seinen außerordentlichen Lebensweg begann, der ihn als ersten schwarzen US-Präsidenten in das Weiße Haus bringen sollte, konnte aber niemand ahnen, welche Höhen er, „ein Schwarzer mit merkwürdigem Namen" (1), einmal erklimmen sollte.

    Die Geschichte seiner Kindheit klingt eher nach erheblich gestörten Familienverhältnissen, seine Jugend endete mit Drogen und anderen Ausschweifungen sowie dem „heiligen" Zorn junger Schwarzer auf das weiße Herrschaftssystem in den USA. Nicht sehr ungewöhnlich für Afroamerikaner der X-Generation in den USA.

    Als Sohn einer gerade mal 20 Jahre alten Frau aus Kansas und eines 25 Jahre alten Stipendiaten aus Kenia ereilte Barack Obama das Schicksal Millionen anderer schwarzer Amerikaner, die keinen präsenten und fürsorglichen Vater haben. Dieser verließ nämlich die USA, als sein kleiner Sohn gerade mal zwei Jahre alt war. Ein einziges Mal sollte Obama seinen Vater wiedersehen. Als der Sohn zehn Jahre alt war, kam er aus Kenia nach Hawaii, vor allem, um seinen Sohn zu besuchen. Es sollte die letzte Begegnung sein. 1982 wurde Barack Obama Senior bei einem Autounfall in seiner ostafrikanischen Heimat getötet.

    Die Ehe seiner jungen Eltern – sie war bei der Heirat erst 19 Jahre alt – war rasch zerbrochen. Stanley Ann Dunham aus Kansas und Barack Hussein Obama Senior aus Kenia hatten sich als Studenten an der Universität von Manoa in Hawaii kennengelernt. Als sie sich 1961 ohne große Zeremonien das Ja-Wort gaben, waren Ehen zwischen Weißen und Schwarzen in der Hälfte aller US-Bundesstaaten noch verboten, „in weiten Teilen des Südens hätte mein Vater am nächsten Baum aufgeknüpft werden können, nur weil er meine Mutter falsch ansah", schrieb Obama. (2) Auch im Rest der USA weckten solche „gemischten" Ehen damals fast immer Aufsehen und Ressentiments.

    In seiner ersten, von Literaturkritikern hochgelobten Autobiografie „Ein amerikanischer Traum, die er mit 33 Jahren veröffentlichte und die ihm ersten, bescheidenen Ruhm und ein paar hunderttausend Dollar einbrachte, beschreibt Obama „eine persönliche, innere Reise … die Suche eines Jungen nach seinem Vater und damit auch nach einem überzeugenden Lebensinhalt für ihn, den schwarzen Amerikaner. (3) Dieser Reise war keineswegs früh anzumerken, wohin ihr späterer Weg einmal führen sollte.

    Ein paar Jahre seiner Kindheit verbrachte Barack Obama, damals „Barry" genannt, als Kind in Indonesien, der Heimat des zweiten Mannes seiner Mutter. Er besuchte in Indonesien eine katholische Privatschule, später eine islamisch geprägte öffentliche Schule – seine Mutter, eine Anthropologin, zwang ihn allerdings mit großer Disziplin jahrelang, morgens um vier Uhr aufzustehen, damit sie mit ihm Englisch üben konnte. 1971, als Zehnjähriger, kam er dann zu seinen Großeltern an seinen Geburtsort Hawaii zurück.

    Großvater, „Gramps genannt, und Großmutter „Toot waren Obamas Schilderungen zufolge ein sehr liebevolles, zuweilen leicht kauziges, aber im Übrigen sehr durchschnittliches amerikanisches Ehepaar. Obama beschreibt eine wenig beschwerte Kindheit, deutet die Trennungsschmerzen wegen seines abwesenden Vaters – und seiner auch viele Monate abwesenden Mutter – nur an. Die private High School beendet er mit Auszeichnung.

    Schon früh – nämlich in Indonesien – sah sich Obama nach seinen Schilderungen mit dem Thema Rassismus konfrontiert. Noch mehr aber wurde es in der Schulzeit in Hawaii ein Thema. Obama spürt alltäglich die Diskrepanzen zwischen Anspruch (der Gleichberechtigung aller Rassen) und Wirklichkeit (die von Weißen und weißem Denken dominiert wird).

    Die Problematik seiner schwarzen Identität rückt auf dem Occidental-College in Los Angeles noch mehr ins Zentrum seiner Überlegungen und Grübeleien. Obama setzt sich mit schwarzer Selbstsuche und schwarzem Selbsthass auseinander, mit den radikalen Thesen und Ideologien der „Black Power"-Bewegung bis hin zu Malcolm X. Und er lernt die vergnüglichen und abgründigen Seiten des studentischen Lebens kennen, trinkt viel, feiert viel, nimmt Marihuana und Kokain, bewegt sich auch im Freundskreis unter Fixern. 1981, mit knapp 21 Jahren, geht Obama schließlich auf die Columbia University nach New York, wo die atemberaubende Karriere des 44. US-Präsidenten startet.

    Barack Obamas Kindheit und Jugend waren ganz sicher kein Traumstart, aber sie hatten schließlich einen suchenden, enorm ehrgeizigen jungen Mann aus ihm gemacht. Seine Hautfarbe, die familiären Turbulenzen und vielen Ortswechsel in frühen Jahren trugen auch zu einer besonders großen Sensibilität für kulturelle Eigenheiten, für schroffe Gegensätze zwischen Arm und Reich, für die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen bei.

    1983 machte Obama seinen Bachelor-Abschluss als Politologe. Danach verdingte sich der nachdenkliche, Berge von Literatur verschlingende junge Obama für ein Jahr beim Wirtschaftsberatungsunternehmen Business International Corporation in New York. Obwohl ihm hier als einzigem Schwarzen unter den Akademikern eine Karriere winkt, suchte er nach Aufgaben, mit denen er seine hohen Erwartungen an sich selbst und das Leben erfüllen konnte.

    Mit seiner Entscheidung, 1985 nach Chicago zu gehen und dort für eine mäßig erfolgreiche gemeinnützige Organisation zu arbeiten, stellte er die ersten Weichen für seine politische Karriere.

    Seine Erfahrungen im Umgang mit dem Rassenkonflikt, mit der deprimierenden Lage der – meist schwarzen – Armen, sein Kampf in den Gemeinden um solidarisches Handeln und Perspektiven für sozial Schwache, seine Bemühungen um Vernetzung und basispolitische Organisation brachten sehr viel mehr Enttäuschungen als Resultate.

    Aber es waren wertvolle Lehrjahre: Obama lernte, Menschen zu motivieren, ihre Interessen wahrzunehmen, sich zu organisieren. Er lernte, wirkungsvoll zu reden, entdeckte seine Begabung, die richtigen Worte zu finden. Er bekam ein Gespür für die Interessenverflechtungen und Machtverhältnisse – angefangen von der berüchtigten „South Side" von Chicago bis hin zu der Millionenmetropole selbst.

    Im Wahlkampf warfen seine Konkurrenten ihm oft politische Unerfahrenheit vor, machten sich lustig über seinen Job als „Social Organizer", der dann nach gerade mal ein paar Jahren im Senat von Illinois und dann vier Jahren im US-Senat das mächtigste Land der Welt führen wollte. Gouverneurin Sarah Palin, Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten von John McCain 2008, spottete nicht ganz zu Unrecht, dass sie schon als Bürgermeisterin des Alaska-Städtchens Wasilla sehr viel mehr Führungskompetenz und Verantwortung hatte als Obama jemals in seinem Leben vor der Präsidentschaftswahl.

    Allerdings gibt es nicht viele Politiker, die sich dermaßen intensiv mit der sozialen Wirklichkeit der USA, mit den alltäglichen Rassenproblemen, den Schattenseiten der Politik konfrontiert haben wie Obama. Der Aufstieg vom Sozialarbeiter zum Präsidenten hat mindestens die Faszination wie die des Tellerwäschers zum Millionär.

    Tatsächlich wollte der Sozialarbeiter Obama – mit einem Jahreseinkommen von zunächst gerade mal 10.000 Dollar – höher hinaus. Er entschied sich für ein Jura-Studium, die klassische Eintrittskarte in den USA zu der Welt der Mächtigen und Reichen. In den drei Jahren an der berühmten

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