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Mörderisches Schwerin: Todschicke Frauen
Mörderisches Schwerin: Todschicke Frauen
Mörderisches Schwerin: Todschicke Frauen
eBook252 Seiten3 Stunden

Mörderisches Schwerin: Todschicke Frauen

Von Salow

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Über dieses E-Book

Das mysteriöse Verschwinden von Emma Wiese bringt den Schweriner Kriminalhauptkommissar Thomas Berger ins Grübeln. Warum hat der Ehemann der Vermissten es erst zwei Wochen später bei der Polizei gemeldet?
Und ausgerechnet die blutjunge Journalistin Amanda Lindner, die mit Bergers Hilfe zu Entführungen recherchierte, ist nach einem gemeinsamen Abendessen ebenfalls nicht mehr zu finden. Anscheinend hängt alles mit einer kriminellen Organisation zusammen, die junge Frauen verschleppt, sie misshandelt und als Prostituierte bis nach Frankreich weiterverkauft. Existieren Verbindungen zwischen beiden Fällen? Und was hat es mit den vermeintlichen Anrufen der Vermissten bei der Polizei auf sich? Vom Ehrgeiz besessen gerät Kommissar Berger bei der dramatischen Fahndung schließlich im Schweriner Schloss selbst in Lebensgefahr.
SpracheDeutsch
HerausgeberHinstorff Verlag
Erscheinungsdatum1. Juni 2017
ISBN9783356021653
Mörderisches Schwerin: Todschicke Frauen

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    Buchvorschau

    Mörderisches Schwerin - Salow

    Fantasie.

    -1-

    Emma Wiese wird vermisst

    »Ihre Frau ist seit zwei Wochen spurlos verschwunden? Und Sie kommen erst jetzt zur Polizei?«, fragte Kriminalhauptkommissar Thomas Berger. Er sah den Mann, der ihm gegenübersaß, fragend und mit weit aufgerissenen Augen an. Er schätzte sein Alter auf Mitte dreißig. Berger trank einen Schluck von seinem abgestandenen Kaffee und wartete auf eine Antwort.

    »Wir hatten uns gestritten und dann ist sie einfach verschwunden«, antwortete er. Er senkte seinen Blick und wusste in seinem Innersten, dass der Kommissar mit seinem Vorwurf recht hatte.

    »Ich kann nicht glauben, dass Sie sich erst nach zwei Wochen zur Polizei begeben und nun bei mir eine Vermisstenanzeige aufgeben wollen!« Berger schüttelte den Kopf und nahm seinen Kugelschreiber in die Hand. »Es ist wertvolle Zeit verstrichen! … Und nun fehlt Ihnen Ihre Frau auf einmal?« Berger grinste sarkastisch. »Verstehe ich das richtig? – Wie heißen Sie?«, fragte Berger und zog seinen Notizblock auf dem Schreibtisch an sich heran.

    »Mein Name ist Oliver Wiese und meine Frau heißt Emma Wiese. Sie ist öfter mal für ein paar Tage verschwunden«, setzte er kleinlaut nach.

    »Ach sooo?« Berger zog seine rechte Augenbraue hoch und antwortete süffisant mit einem aufgesetzten Lächeln: »Und nun ist sie länger als üblich weg und wir sollen sie suchen.« Der Polizist hatte schlecht geschlafen und war gereizt. Er griff ohne hinzusehen nach seiner Kaffeetasse und stieß sie fast um. »Ja, dann müssen wir wohl nach ihr fahnden.« Seine Stimme hatte einen scherzhaften Unterton. ›Was mache ich hier eigentlich‹, dachte Berger. ›Sucht der Kerl seine Frau oder wollte er ins Tierheim und seinen entlaufenen Labrador finden?‹ So makaber kam Berger die Szene, die sich gerade abspielte, vor. »Sie selbst haben aber nichts mit dem Verschwinden Ihrer Frau zu tun, oder?« Berger provozierte ihn absichtlich und beobachtete genau Wieses Mimik.

    »Ich muss doch wohl bitten! Ich liebe meine Frau über alles. So eine Frechheit! Das muss ich mir nicht länger anhören. Wer ist Ihr Vorgesetzter? Ich werde mich über Sie und Ihre Arroganz, die Sie an den Tag legen, beschweren!«, drohte Oliver Wiese. Er holte ein Taschentuch aus seiner Jeans heraus und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Gleichzeitig erschrak er über seine Wortwahl.

    »Tut mir leid, Herr Wiese! Aber wenn meine Frau nur eine Nacht nicht nach Hause kommen würde, dann wäre ich schon in Sorge. Zwei Wochen würde ich niemals abwarten! Dafür habe ich kein Verständnis! Aber um meine Frau geht es hier ja Gott sei Dank nicht!« Berger versuchte sein Verhalten zu rechtfertigen und sich zu mäßigen.

    »Wir haben uns öfter mal heftig gestritten. Unsere Ehe haben wir aber niemals aufs Spiel gesetzt. Andere Paare hätten schon längst aufgegeben! Meine Frau hat bei dem Streit von einer Auszeit gesprochen. Sie wollte einen Wellnessurlaub am Achensee in Tirol machen. Dort ist sie aber nie angekommen.« Oliver Wiese rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her. »Wir waren dort im vergangenen Jahr an unserem zehnten Hochzeitstag im Urlaub. Sie war so begeistert von den Bergen, dem Gletschersee und von dem Hotel«, fuhr er fort und geriet ins Schwärmen.

    Wiese kramte sein Handy aus der Tasche und zeigte Berger ein Foto von Emma.

    Eine hübsche junge Frau mit dunkelblonden schulterlangen Haaren lächelte dem Polizisten vom Display aus an. Ihre grünen Augen hatten etwas Geheimnisvolles. In den drei Sekunden, in denen Berger sich meistens entschied, ob ein Mensch auf ihn sympathisch wirkte oder nicht, hatte er sich für »mehr als sympathisch« entschieden. Emma Wiese hatte eine sinnliche Ausstrahlung, jedoch nicht ordinär oder geschmacklos. Eine attraktive Frau mit einer enormen Anziehungskraft, stellte Berger für sich fest. »Wie heißt der Ort am Achensee und das Hotel?«, fragte der Kommissar.

    »Pertisau in Tirol und das Hotel gehört zur Travel-Charme-Kette. Ich kann Ihnen auch gleich die Telefonnummer geben«, bot Wiese an. »Ich habe dort so oft angerufen. Die Nummer kenne ich schon auswendig!«

    »Haben Sie Kinder?«, fragte Berger und notierte auf seinem Block alle Fakten.

    »Nein, bisher stand nur unsere Arbeit im Vordergrund. Wir sind beide 35 Jahre alt, hatten für heutige Verhältnisse früh geheiratet und wollten später mal ein Kind. Emma drängte in letzter Zeit jedoch immer mehr auf Nachwuchs.«

    »Die Familie Ihrer Frau, eine Freundin, Arbeitskollegen und so weiter … sicherlich haben Sie dort auch schon nachgefragt, wo Ihre Frau sich aufhalten könnte, oder?« Berger trank einen großen Schluck und verzog sein Gesicht. Er hatte Kaffeesatz im Mund, so vertieft war er plötzlich. »Hat sich denn niemand bei Ihnen gemeldet und sich nach Ihrer Frau erkundigt?«

    »Nein, die Eltern meiner Frau sind vor Jahren ausgewandert. Wir sehen uns nicht oft. Sie leben in Alcúdia im Norden von Mallorca. Meine Frau ist freischaffend als Übersetzerin tätig und arbeitet zu Hause. Sie hat ein hochmodernes Homeoffice, verstehen Sie? Und ihre beste Freundin spricht nicht mit mir. Sie hält zu meiner Frau. Die beiden kennen sich seit ihrer Kindheit. Die war schon immer gegen mich und kann mich nicht ausstehen! Bestimmt wissen alle Bescheid … nur ich, der Ehetrottel, nicht!« Oliver Wiese redete sich in Rage.

    ›Kein Wunder‹, dachte Berger im Stillen. Der Mann war augenscheinlich nicht nur ihm unsympathisch. Der Kommissar legte seinen Kugelschreiber ab und blickte Oliver Wiese in die Augen: »Dann werde ich die Freundin als erstes befragen.« Berger notierte sich alle Informationen zur vermissten Frau und deren Umfeld.

    Oliver Wiese erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl: »Herr Berger, ich habe von einem Bekannten aus Wittenförden gehört, dass Sie einer der besten Ermittler sein sollen. Sie haben doch diesen Frauenmörder aus Schwerin vor Kurzem in Potsdam gefasst.«

    Berger fühlte sich geschmeichelt und fuhr sich mit der rechten Hand durchs Haar.

    »Bitte finden Sie meine Frau! Ich liebe sie über alles!« Oliver Wieses Gesicht verfärbte sich rot. Er kam sich so naiv vor und wäre vor Scham am liebsten im Boden versunken. Er hätte Emma nicht gehen lassen dürfen. Sie davon abhalten müssen! Aber nun war es zu spät und er machte sich insgeheim Vorwürfe. Er hätte gleich am nächsten Tag zur Polizei gehen sollen. ›Hätte, hätte …‹, das half ihm jetzt nicht weiter. Diese Peinlichkeit vor dem Kommissar wäre ihm erspart geblieben. Er schluckte, atmete tief ein und langsam wieder aus. Er öffnete den obersten Knopf seines Oberhemdes.

    »Tut mir leid, dass ich vorhin etwas ungehalten zu Ihnen war.« Berger öffnete eine Flasche Wasser und goss ein Glas voll. »Ich habe die Nacht kaum geschlafen. Mein Sohn schläft momentan aufgrund einer Bronchitis sehr schlecht und raubt mir mit seinem festsitzenden Husten den Schlaf.« Berger reichte Wiese das Wasserglas.

    Dieser nahm es dankend, trank hastig aus und stellte es auf den Tisch. Dann stand er auf.

    Berger gab Wiese die Hand und brachte ihn zur Tür seines Büros. »Eine kurze Frage noch: Was hat Ihre Frau denn von zu Hause mitgenommen? Was fehlt? Sieht es nach einem Kurzurlaub oder vielleicht doch nach einem endgültigen Entschluss, Sie für immer zu verlassen, aus?«

    Wiese schluckte wieder. »Ihr Laptop ist weg, Kleidung, Schuhe, Kosmetikartikel. Mehr nicht. Sie ist nicht ausgezogen, falls Sie das meinen«, antwortete er mit hängenden Schultern und traurigem Blick. »Wir wollen Ende des Jahres eine große Reise machen. Es ist alles gebucht und auch schon angezahlt.«

    »Okay. Ich melde mich bei Ihnen. Die wichtigsten Informationen habe ich.« Berger sah auf seine Mitschrift auf dem Notizblock und nickte Oliver Wiese zum Abschied zu. »Eine Bitte noch: Wenn Ihre Frau auftaucht, dann sagen Sie sofort Bescheid! Wir haben schon mehrmals erlebt, dass vermisste Personen wieder so plötzlich aufgetaucht sind, wie sie verschwunden waren, wir aber immer noch gesucht haben!«

    »Selbstverständlich! – Vielen Dank, Herr Berger! Ich wünsche Ihrem Sohn gute Besserung.«

    Wiese verließ erleichtert die Polizeiinspektion auf dem Schweriner Großen Dreesch. Er fuhr, in Gedanken bei seiner Emma, langsam mit dem Wagen vom Parkplatz herunter.

    Im Nachhinein ärgerte Berger sich, dass er etwas von sich preisgegeben hatte. Den Husten seines Sohns Willi als Begründung für die eigene schlechte Laune vorzuschieben, war nicht seine Art. Andererseits stellte er fest, dass er Oliver Wiese nicht nach dessen Beruf gefragt hatte und worüber sich das Ehepaar Wiese gestritten hatte. Das war dem routinierten Berger bisher noch nie passiert.

    -2-

    Amanda recherchiert

    Amanda schloss die Tür ihrer kleinen Wohnung auf, schmiss ihre Sporttasche in die Ecke und setzte sich auf die Couch. Sie war froh, nach einem anstrengenden Tag in ihren eigenen vier Wänden zu sitzen. Der Job als Journalistin und der fast tägliche Besuch im Fitnessstudio als Ausgleich hatten wieder einmal Kraft gekostet. Für einen Mann, Kind und Familie fehlte ihr die Zeit. Das musste sie beim Checken ihrer zahlreichen Nachrichten feststellen, die sie überflog und gedanklich nach Priorität sortierte.

    Sie klappte eine halbe Stunde später den Laptop zu und ging in die Küche. Das laute Geräusch des Stabmixers, mit dem sie ihren Eiweißshake zubereitete, raubte ihr den letzten Nerv an diesem Spätsommerabend. Zum Einkaufen war sie nicht gekommen. Viel lieber hätte sie einen leckeren Salat mit gebratenen Putenstreifen zubereitet und sich auf ihren großen Balkon gesetzt, um die Abendsonne zu genießen.

    Amanda trank hastig ihren Vanilleshake auf der Couch aus. Sie verschluckte sich und stellte den Becher hustend auf dem Tisch vor sich ab. Dann sah sie ihre nackten Beine an. An den Oberschenkeln drückte sie mit Daumen und Zeigefinger die Haut zusammen, bis sie den Ansatz einer sich bildenden Cellulite sehen konnte. Sie war kritisch und ehrgeizig, was ihren Job und erst recht ihren Körper anbelangte. Ihre Mutter lobte sie jedes Mal, wie schön sie wäre, und zeigte ihr beim Stadtbummel oftmals Beispiele, wie unförmig und unsportlich manch junge Frauen heutzutage aussahen und sich gehenlassen würden. »Sei nicht so hart mit dir selbst!«, mahnte ihre Mutter sie oft. Das war für Amanda kein Maßstab. Sie wollte immer und überall die Beste sein. Beim Abitur und beim Studium erzielte sie mit Abstand hervorragende Ergebnisse.

    Vor Kurzem hatte sie sich bei der Schweriner Volkszeitung beworben und wurde vom Chefredakteur – fast mit Handkuss – sofort nach ihrer Probezeit mit einem guten Gehalt unbefristet eingestellt. Amanda berichtete über die Stadt Schwerin und schlug – von Ehrgeiz besessen – immer interessante Themen für die Wochenendausgaben der Zeitung vor. Neidisch wurde dies von anderen Redakteuren beobachtet. Es ging manchmal so weit, dass behauptet wurde, die hübsche Amanda hätte sich hochgeschlafen und würde eines Tages auf dem Stuhl des Chefredakteurs thronen.

    Vier Wochen hat sie selbst als Deadline vorgeschlagen, um einen Bericht über vermisste Frauen in Deutschland abzuliefern. Sie telefonierte, recherchierte und ging Hauptkommissar Thomas Berger auf die Nerven. Die Pressesprecherin der Polizeiinspektion Schwerin nahm manchmal schon nicht mehr den Hörer vom Telefon ab, wenn sie die Nummer der Journalistin auf dem Display erkannte. Sie war zunehmend genervt, Amandas lästige Fragen zu beantworten.

    Amanda sah gerade das Nordmagazin im NDR-Fernsehen, als ihr Handy klingelte. Sie nahm es und überlegte kurz, ob sie sich melden sollte oder lieber ihre abendliche Ruhe haben wollte. »’n Abend, Lindner!«, meldete sie sich. Für die Worte »Guten Abend« und mehr Freundlichkeit in ihrer Stimme war es deutlich zu spät. Nach dreiundzwanzig Uhr, zeigten ihr die Zeiger auf der alten Uhr an. Ein Erbstück ihrer Großmutter, das sie so auf einem Regal im Wohnzimmer platziert hatte, sodass sie immer in ihrem Blickfeld war. Die Uhr bedeutete ihr sehr viel und passte überhaupt nicht zu ihrer ansonsten modernen Einrichtung.

    »Guten Abend, Frau Lindner! Hauptkommissar Berger am Apparat. Recherchieren Sie immer noch für unsere Schweriner Leser über vermisste Frauen?«

    »Ja, klar!« Amanda wurde hellhörig und gleich freundlicher. »Das ist aber nett, dass Sie mich auch mal anrufen und nicht ich Sie! Haben Sie Informationen für mich?«

    »In meinen derzeitigen Ermittlungen bahnt sich scheinbar ein interessanter Fall an. Ich muss Sie aber an unsere Pressesprecherin verweisen und darf Ihnen nicht eigenmächtig Informationen zuspielen. Diese wiederum ist verpflichtet, alle Medien nach dem Gleichheitsprinzip zu behandeln und niemanden zu bevorteilen. Aber ich dachte, das könnte ein interessanter Fall für Sie sein!«

    Amanda sah Berger gedanklich vor sich und spürte förmlich, wie er in das Telefon lächelte. Sie hatte sich schon mehrfach beim Hauptkommissar einen Gesprächstermin geben lassen und viel mehr Zeit mit ihm verbracht, als für die Recherchen eingeplant war. »Herr Berger, darf ich offen mit Ihnen reden?«

    »Selbstverständlich«, antwortete er und überlegte, keinesfalls auf Fragen zu antworten, die ihm seinen Job bei der Polizei kosten könnten.

    »Der Draht zwischen Ihrer Pressesprecherin und mir ist nicht so, wie ich mir das vorstelle …«

    »Stutenbissigkeit zwischen zwei …« Er brach den Satz sofort ab und wollte seine Kollegin nicht in Misskredit bringen. ›Da sind zwei Ladys aufeinander getroffen‹, dachte er, ›die sich nur allzu sehr ähnelten.‹

    »Richtig, genau das ist der Punkt. Passender kann ich es nicht formulieren, Herr Berger.« Der Hauptkommissar hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. »Die Chemie zwischen uns stimmt nicht. Das dürfte meine Arbeit eigentlich nicht beeinflussen. Tut es aber!«, stellte Amanda in sachlichem Ton fest.

    Berger fühlte sich geschmeichelt. »Wir können uns ja mal privat bei einem Abendessen treffen und dann reden wir in Ruhe über das Thema ›Vermisste Frauen‹. Meine Dienstvorschriften hinsichtlich Ihres Wissensdurstes werde ich jedoch nicht verletzen. Da können Sie mich auch noch so hilflos anlächeln, liebe Frau Lindner. Ich möchte Ihnen bei Ihrem Bericht helfen, weil Sie mir sympathisch sind, nicht mehr. – Einverstanden?«, fragte er nach einer kurzen Pause.

    »Das freut mich. Es beruht auf Gegenseitigkeit. Vielen Dank!«

    »Melden Sie sich in den nächsten Tagen bei mir! Es deutet alles darauf hin, dass wir es mit einem äußerst interessanten Fall zu tun haben. Achten Sie auf Pressemitteilungen! Aber das tun sie ja täglich! Mehr kann ich Ihnen erst einmal nicht sagen.« Berger beendete das Gespräch.

    Amanda speicherte sofort Bergers Handynummer in den Kontakten ihres Smartphones ab, klappte ihren Laptop wieder auf, schaltete den Fernseher ab und las alle Informationen, die sie für ihren Beitrag schon gesammelt hatte. Sie änderte die Gliederung und überlegte, an welcher Stelle sie noch intensiver recherchieren wollte. Die Auswertung statistischer Daten stand für den nächsten Tag im Vordergrund. Amanda wollte einen perfekten Text abliefern und nicht nur Fakten und Daten aneinandergereiht darstellen.

    Ihr Perfektionismus und ihr Streben nach Anerkennung nervten nicht nur sie, sondern auch ihre Mitmenschen. Ihre Mutter war die Einzige, die sie manchmal ausbremste. Ihren leiblichen Vater kannte Amanda nur von alten Fotos. Er hatte ihre Mutter und sie sitzengelassen, als sie eingeschult worden war. Die Anerkennung und der Schutz durch einen starken Vater, wie andere Mädchen ihn vorweisen konnten, hatte Amanda nie kennengelernt. Ihr Onkel Fred war ihr Vater-Ersatz. Sie schleppte ihn als Jugendliche mit zu Handballspielen. Er saß geduldig am Spielfeldrand und applaudierte, wenn Amanda ein Tor nach dem anderen warf und die gegnerische Mannschaft ins Staunen versetzte. Fred war ihr Vater und neben ihrer Mutter ihr Ein und Alles. Vor ein paar Jahren war er infolge eines schweren Schlaganfalls verstorben. Amanda vermisste ihn, die Gespräche und seine liebenswürdige, väterliche Art sehr.

    -3-

    LaLeLu

    »Schön, dass du auch schon nach Hause kommst!« Lea Engel sah Thomas Berger vorwurfsvoll im Flur an. »Wolltest du Willi nicht immer freitags von der Kita abholen? Ich musste in der Praxis alles stehen und liegen lassen und hinrasen, um noch rechtzeitig vor der Schließung da zu sein! Ich habe der Kindergärtnerin vor vierzehn Tagen gerade erst ein äußerst großzügiges Trinkgeld gegeben, weil sie mit Willi eine halbe Stunde länger immer noch im Spielzimmer gesessen und nicht einmal eine Miene verzogen hat, obwohl ich ihn die Woche bereits schon einmal zu spät abgeholt hatte.«

    »Du hast ja recht! Es tut mir leid.« Thomas ging auf Lea zu. Er nahm ihr seinen Sohn ab und sah ihr dabei nicht ins Gesicht. Willi lachte und freute sich, als sein Vater ihn mehrmals hoch in die Luft hob, ihn dabei neckte und immer wieder rief: »Na, mein kleiner Dicker, wie war dein Tag?«

    Willi strahlte über das ganze Gesicht. Zwei Grübchen auf den Wangen und die kleinen Zähnchen, die beim Lachen zu sehen waren, ließen Thomas die unfreundliche Begrüßung von Lea vergessen. Willi wollte aus den Armen seines Vaters gar nicht mehr auf den Boden zurück. Er quengelte und hatte offenbar jetzt nicht vor, seinem Vater zu

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