Die Geschichte, die vom Stift erzählte
Von Nataly Ritzel
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Über dieses E-Book
Die Vorgeschichte zu einem nicht veröffentlichten Romanwerk über einen französischen Islamisten- Prozess.
Sie enthält Entlassungsscheine, Vorankündigungen, Notizen, Trailer zum Roman "Prozess der 138 Angeklagten" - und ist - wie "RDMB Exekution" - ein literarisches Zufallsprodukt.
Nataly Ritzel
Bruchstücke eines philosophischen Studiums in Konstanz und Berlin, Theaterarbeit en und Videoinstallationen in Paris, Berlin und im Nirgendwo...
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Buchvorschau
Die Geschichte, die vom Stift erzählte - Nataly Ritzel
Die Geschichte des Stiftes
Den ein Mann mir im Jahr 1999 schenkte, als er mir nicht von den bevorstehenden Ereignissen im Jahr nine eleven berichten wollte.
Kein Aleph, aber ein Atemzug.
Ein Atemzug, ein tiefes zitterndes Bedauern.
Mit dem er mir das hölzerne aber sehr elegante, einfache Füller-etui als Geschenk hingehalten hatte.
Albern nicht, die Aufzählung.
Das feine Holz war ganz offensichtlich nicht so viel wert wie ein bescheidenes fernnahöstlich wirkendes silbernes Zigarettenetui, aber es verriet die Mühe, die sich der Mann gegeben hatte beim Aussuchen. Vielleicht war es soviel wert wie ein Bier gewesen.. Und das mit dem Bier war wichtig.
Auch als B.
Als braunes und golden schäumendes Ding. In der Bar in Bologna. 6. Januar 1999. Gegen 10 Uhr 30.
Am sechsten Januar in Bologna war es sehr kalt.
Überhaupt schien mir Bologna – um sechs Uhr dreißig einer der kältesten Hotspots überhaupt Italiens.
Um sechs Uhr war ich angekommen. Eventuell auch 05:52 mit dem Nachtzug aus Berlin, über die Alpen.....
Aufwärtsgebogen wie eine wirre Haarlocke.
Der Fotograf hatte nichts gesagt in dem Moment. Im Gegenteil.
Keck, hatte er gesagt und drückte dann auf den Auslöser. Adrett sollte es sein, avenant, aber nicht zu viel versprechend, ein nettes einfaches Bild darum hatte der damals noch junge Mann jahrelang gebeten...auch ein Beginnen...im zweiten Anlauf...dennschließlich hatten wir uns bei mehreren Treffen in Paris und in Rom verpasst...er schien vergessen zu haben, wie ich nun genau aussah. Das kann vorkommen, wenn man sich nur ein einziges Mal sieht und danach nur noch Briefe tauscht, oder telephoniert. Etliche weitere Rendez-vous waren aus unerfindlichen Gründen nicht zustande gekommen.
Schließlich vermutete ich, er sei gar nicht in dem Land, in dem er zu arbeiten vorgab. Das Treffen in Barbès-Rochechouart nichts weniger als gerade neben an. Mühsam und zeitraubend der Weg nach Anvers, Metrostation, sonst so einfach für jeden dahergelaufenen Touristen. Selbst die rue Myhrra, die Moschee und all die anderen dunklen verwirrenden Läden in den noch verworreneren Gässchen der sogenannten Goutte d’Or im 18. Arrondissement schienen mehr als einen transzendentalen Katzensprung entfernt zu sein. Das kleine Café zwischen 17h und 19h irgendwo zwischen der rue de Dunkerque und der rue Clignancourt. Damit er es nach der Arbeit dahin schaffe, hatte er angedeutet. Aber mir hatten die Leute nicht gepasst, die drumrum standen, die um meinen Tisch herumsaßen.
Wie beschreibe ich annähernd den Zeitpunkt an einem Ort, der nach dem russischen Wort „büstreje" schneller benannt worden ist? Wie das Warten? Das windzerzauste Haar in den Spiegeln, den verscharrten Raumecken ordnend, die größere Tiefe, weitere Räume vorspiegeln sollen? Und je länger ich mir Cafe und Wein ansehe, während ich auf jemanden warte, der weder Wein noch Kaffee trinkt, desto mehr gehen mir die jungen Männer gegen den Strich, die die Tische um mich herum besetzt halten. So gleichgültig und gelangweilt, als würden Schwule auf den Porno warten, dessen Projektion durch die Anwesenheit Minderjähriger, noch dazu von Mädchen nach hinten verschoben wurde. Kurz: ein verbissener Moment der Aversion, der durch Desinteresse verdeckt wird.
Was ist der genaue Treffpunkt, wenn einer in Mailand am Bahnhof wartet und der andere in Rom termini? Was, wenn das Café bei Barbès legèremment anders heisst?
Dann schauen Sie sich die Leute an, die drumrum sitzen. Es gibt Leute deren Fressen stinken. Und dies schreibe ich hin, auch auf die Gefahr hin, dass mir der Computer wieder abstürzt.
Zuhause fiel die Tür hinter mir und meinem wütenden Schnauben ins Schloss.
Im Raum daneben war das BiepBiep des Anrufbeantworters zu hören.
Er wolle mich einladen.
Offenbar war er schon eine Weile hinter mir hergegangen. Doch meine Gedanken waren so dicht und das Gestrüpp ihrer Schlussfolgerungen so verfilzt, dass ich ihn erst bemerkte, als er mich ansprach.
Auf einen Kaffee – oder irgendwas anderes....
Wir standen vermutlich weithin sichtbar auf Festungswällen, wie auf einer Postkarte sehe ich mich von hinten oben, zögernd... Halbschlafend im Gestrüpp verfangen meiner Gedanken, ich bin dann so verdammt unspontan, geht garnicht. Einen Kopf über mir, krumm, die spöttische Frage.
Ich kann mich kaum mehr an sein Gesicht erinnern, nur an einfache, zerschlissene Kleidung, von und für einen, der nicht viel Geld hat. Eindeutig zu jung.
Ein lachendes, aufgeregtes Bübchen.
Warum soll ein Kind, das noch kein A schreiben kann, schon lernen, wie man ein B schreibt? Fragt ein Koranlehrer den enttäuschten Vater in irgendeiner dämlichen Koranschulanekdote, die mir hier den Sinn des Beginnens verdirbt.
Es ist diese