Das Buch der Deutschen Balladen
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Über dieses E-Book
Inhalte:
Verschiedene Autoren
Das Buch der Deutschen Balladen
idb
ISBN
Das Lied
Ballade
Der unsichtbare Flöter
Die Blütenfee
Erlkönigs Tochter
Erlkönig
Der Hungrige Teich
Der Knabe im Moor
Die Lore Lay
Lorelei
Waldgespräch
Ich fürcht nit Gespenster
Romanze
Zeitelmoos
Die Roggenmuhme
Das Gewitter
Die blitzerschlagene Magd
Die Geister am Mummelsee
Der Nachtjäger
Die schöne Lilofe
Zwei Liebchen
Winternacht
Der Reiter und der Bodensee
Der Fischer
De Lootsendochter
Todtänzerin
Der Taucher
Die Brück am Tay (28. Dezember 1879)
Wunder und Spuk
Ulinger
Der Vorwirt
Der tote Freier
Lenore
Das kalte Liebchen
Die späte Hochzeit
De Pukerstock
Vorgeschichte
Die Braut von Korinth
Das Feuerbesprechen
Der Feuerreiter
Der beständige Freier
Der Totentanz
Des Pfarrers Tochter von Taubenhain
Das Fräulein von Rodenschild
Das Nothemd
Junker Rechberger
Iwer
Der Elfenring
Der 6. November 1632
Der Tod
Mären
Hildebrand
Der blinde König
Roland Schildträger
Das versunkene Kloster
Schwäbische Kunde
Bergschloß
Hochzeitlied
Graf Eberstein
Rolf Düring
Ritter Kurts Brautfahrt
Graf Eberhard der Rauschebart
Alte Landsknechte
Der fluchende Bischof
Das alte Steinkreuz am Neuen Markt
Schelm von Bergen
Jan Bart
Der Postillon
Prinz Eugen
Legende von den Schuhen
Der Geiger zu Gmünd
Legende
Der Narr des Grafen von Zimmern
In Bulemanns Haus
Tafelgüter
Has von Überlingen
Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland
Der getreue Eckart
Gutmann und Gutweib
Die wandelnde Glocke
Der Zauberlehrling
Die Jagd des Moguls
Chidher
Der Schatzgräber
Schicksal
Belsazar
Die Zwillingsgeschwister
Einsiedel
Wer weiß wo
Roni Sattel
Das Glück von Edenhall
Drei Reiter am Tor
König Abels Tod
Frau Mette
Die Jagd von Winchester
Das Lied des James Monmouth
Jung-Walter
Die Söhne Haruns
Graf Egisheim
Letzte Fahrt
Der Schwimmer
Gorm Grymme
Die spanischen Brüder
Nachtfahrer
Schloß Eger
König Etzels Schwert
Hie Welf!
Der letzte Graf von Brederode entzieht sich türkischer Gefangenschaft
Der Lindenschmid
Der Geiger von Oppenau
Aroleid
Liebesdienst
Die zwei Gesellen
Der Soldat
Anno domini 1812
Die Grenadiere
Der Karfunkel
Die Erdbeerfrau
Der Tod im Schacht
Das Köhlerweib ist trunken
»Und alles ohne Liebe«
Aflohnt
Der Bettler
Der schwarze Tod
Aus dem Schlesischen Gebirge
Am Krüz zwische Zähringe un Wildtal
Schuld und Sühne
Edward
Die Rache
Die traurige Krönung
Das Schloß in Österreich
Die Frau von Weißenburg
Der Schatten
Die Fei
Die Kindsmörderin
Der Nachtwandler
Der eifersüchtige Knabe
Hartwich Reventlow
Der Glockenguß zu Breslau
Der Wirtin Töchterlein
Kurt von Spiegel
Die Kraniche des Ibykus
Des Sängers Fluch
La Blanche Nef
Die Rose von Newport
Liebe
Tannhäuser
Der Mordknecht
Hannes Maler
Hans Steutlinger
Auf dem Rhein
Es war ein alter König
Ritter Olaf
Die beiden Königskinder
Mutter und Tochter
Der Bremberger
Graf und Nonne
Die Wallfahrt nach Kevlaar
Die Tochter der Heide
Die drei Raben
Die zwei Raben
Schön-Rohtraut
Entführung
Entführung
Der Herr von Falkenstein
Der Spielmannssohn
Der Schäfer putzte sich zum Tanz
Schippers Brut
Barbara Allen
Am Ufer des Stromes
Die Winzerin
Mit zwei Worten
Die Ketzerin
Der letzte Tanz
Das Wecken
Die Hochzeit in der Mühle
Ballade vom Brennesselbusch
Nun grüße dich Gott, Frau Minne
Verdorben – gestorben
Der König in Thule
Der gute Kamerad
Brüder
Der gleitende Purpur
Heldentum
Siegfrieds Schwert
Die drei Lieder
Das Grab im Busento
Rolands Schwanenlied
König Karls Meerfahrt
Graf Richard Ohnefurcht
Taillefer
Richard Löwenherz' Tod
Das Herz von Douglas
Brandolf von Stein
Joost van Hee
Graf Rudolf vun de Bökelnborg
Der Handschuh
Tells Tod
Der Grenzlauf
Nis Randers
Pidder Lüng
Das Lied vom braven Mann
Johanna Sebus
John Maynard
Der Lotse
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Buchvorschau
Das Buch der Deutschen Balladen - Johann Wolfgang von Goethe
Verschiedene Autoren: Goethe, Schiller, George u.v.a.
Das Buch der Deutschen Balladen
idb
ISBN 9783961501250
Stefan George
Das Lied
Es fuhr ein Knecht hinaus zum Wald,
Sein Bart war noch nicht flück.
Er lief sich irr im Wunderwald,
Er kam nicht mehr zurück.
Das ganze Dorf zog nach ihm aus
Vom Früh- zum Abendrot;
Doch fand man nirgend seine Spur,
Da gab man ihn für tot.
So flossen sieben Jahr dahin,
Und eines Morgens stand
Auf einmal wieder er vorm Dorf
Und ging zum Brunnenrand.
Sie fragten, wer er war, und sahn
Ihm fremd ins Angesicht.
Der Vater starb, die Mutter starb,
Ein anderer kannt ihn nicht.
Vor Tagen hab ich mich verirrt,
Ich war im Wunderwald.
Dort kam ich recht zu einem Fest,
Doch heim trieb man mich bald.
Die Leute tragen güldnes Haar
Und eine Haut wie Schnee ...
So heißen sie dort Sonn und Mond,
So Berg und Tal und See.
Da lachten all: in dieser Früh
Ist er nicht Weines voll.
Sie gaben ihm das Vieh zur Hut
Und sagten, er ist toll.
So trieb er täglich in das Feld
Und saß auf einem Stein
Und sang bis in die tiefe Nacht,
und niemand sorgte sein.
Nur Kinder horchten seinem Lied
Und saßen oft zur Seit ...
Sie sangens, als er lang schon tot,
Bis in die spätste Zeit.
Ernst Moritz Arndt
Ballade
Und die Sonne machte den weiten Ritt
Um die Welt,
Und die Sternlein sprachen: »Wir reisen mit
Um die Welt«;
Und die Sonne, sie schalt sie: »Ihr bleibt zu Haus!
Denn ich brenn euch die goldnen Äuglein aus
Bei dem feurigen Ritt um die Welt.«
Und die Sternlein gingen zum lieben Mond
In der Nacht,
Und sie sprachen: »Du, der auf Wolken thront
In der Nacht,
Laß uns wandeln mit dir, denn dein milder Schein,
Er verbrennet uns nimmer die Äugelein.«
Und er nahm sie, Gesellen der Nacht.
Nun willkommen, Sternlein und lieber Mond,
In der Nacht!
Ihr versteht, was still in dem Herzen wohnt
In der Nacht.
Kommt und zündet die himmlischen Lichter an,
Daß ich lustig mit schwärmen und spielen kann
In den freundlichen Spielen der Nacht.
August August Kopisch
Der unsichtbare Flöter
Es klingt so süß im Apfelbaum:
Wach auf, wach auf vom Mittagstraum!
Wie fallen auf dich der Blüten so viel!
Sie löste der Flöter mit seinem Spiel,
Der Unsichtbare, der Frühlingsgeist,
Der Nachtigallen unterweist.
Da flattert hernieder der süße Klang,
Und hinter ihm folget der Kinderdrang;
Auf dem Platz im Dorfe weilt er mehr,
Da ringeln die Kleinen um ihn her.
Jetzt scheint er mitten, nun wieder dort:
Es wechselt alles mit ihm den Ort.
Und wo er hinflattert und wo er hingeht,
Kein Mensch auf den richtigen Füßen steht,
Das ganze Dorf, es folgt dem Schall
Und jubelt und jauchzt allüberall,
Die Wassermühle stehet still,
Den holden Geist sie hören will.
Einst hat' ihn einer ins Haus gelockt,
Die süßeste Milch ihm eingebrockt:
Da spielt' er eine Weile schön,
Doch mußt er am End durchs Fenster gehn,
Biribitz, wie der Blitz die Scheiben hinaus!
Es sprangen die Fenster im ganzen Haus.
Er leidet niemals einen Zwang;
In der Stube wird ihm die Zeit zu lang;
Doch draußen, so weit der Himmel blau,
Spielt gern er den Hirten in Feld und Au.
Man sieht ihn nicht: es ist der Geist,
Der Nachtigallen unterweist.
Carl Spitteler
Die Blütenfee
Maien auf den Bäumen, Sträußchen in dem Hag.
Nach der Schmiede reitet Janko früh am Tag.
Blütenschneegestöber segnet seine Fahrt,
Lilien trägt des Rößleins Mähne, Schweif und Bart.
Lacht der muntre Knabe: »Sag mir, Rößlein traut:
Bist bekränzt zur Hochzeit, doch wo bleibt die Braut?«
Horch, ein Pferdchen trippelt hinter ihm geschwind,
Auf dem Pferdchen schaukelt ein holdselig Kind.
Solche kleine Fante nimmt man auf den Schoß,
Auf die Schulter wirft ers spielend: Ei! wie groß!
Zappelnd schreit die Kleine: »Böser Bube du!
Weh! ich hab verloren meinen Lilienschuh.«
Rückwärts sprengt er suchend ein geraumes Stück.
Wie er mit dem Schuhe eilends kam zurück,
An des Kindes Stelle saß die schönste Maid.
Da geschah dem Jungen süßes Herzeleid.
Flüsterte die Schöne: »Liebster Janko mein,
Hab ein kostbar Ringlein, strahlt wie Sonnenschein,
Bin dir hold gewogen, schenk es dir zum Pfand.
Weh! ich habs vergessen, badend an dem Strand.«
Wie er mit dem Ringlein wiederkehrte – schau!
Hing gebückt im Sattel eine welke Frau.
Ihre Zunge stöhnte: »Janko, du mein Sohn,
Weh! ein Tröpfchen Wasser! Schnell! um Gotteslohn.«
Wie er mit dem Wasser kam zum selben Ort,
War zu Staub und Asche Weib und Pferd verdorrt.
Johann Gottfried Herder
Erlkönigs Tochter
Herr Oluf reitet spät und weit,
Zu bieten auf seine Hochzeitleut.
Da tanzen die Elfen auf grünem Land,
Erlkönigs Tochter reicht ihm die Hand.
»Willkommen, Herr Oluf! Was eilst von hier?
Tritt her in den Reihen und tanz mit mir.«
»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeittag.«
»Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir,
Zwei güldne Sporen schenk ich dir!«
»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeittag.«
»Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir,
Ein Hemd von Seide, das schenk ich dir.
Ein Hemd von Seide so weiß und fein,
Meine Mutter bleichts mit Mondenschein.«
»Ich darf nicht tanzen, nicht tanzen ich mag,
Frühmorgen ist mein Hochzeittag.«
»Hör an, Herr Oluf, tritt tanzen mit mir,
Ein Haupt von Golde, das schenk ich dir.«
»Ein Haupt von Golde, das nahm ich wohl;
Doch tanzen ich nicht darf noch soll.«
»Und willst, Herr Oluf, nicht tanzen mit mir,
Soll Seuch und Krankheit folgen dir.«
Sie tat einen Schlag ihm auf sein Herz,
Noch nimmer fühlt' er solchen Schmerz.
Sie hob ihn bleichend auf sein Pferd:
»Reit heim nun zu dein'm Fräulein wert.«
Und als er kam vor Hauses Tür,
Seine Mutter zitternd stand dafür:
»Hör an, mein Sohn, sag an mir gleich,
Wie ist dein Farbe blaß und bleich?«
»Und sollt sie nicht sein blaß und bleich,
Ich traf in Erlenkönigs Reich.«
»Hör an, mein Sohn, so lieb und traut,
Was soll ich nun sagen deiner Braut?«
»Sagt ihr, ich sei im Wald zur Stund,
Zu proben da mein Pferd und Hund.«
Frühmorgen und als es Tag kaum war,
Da kam die Braut mit der Hochzeitschar.
Sie schenkten Met, sie schenkten Wein;
»Wo ist Herr Oluf, der Bräut'gam mein?«
»Herr Oluf, er ritt in Wald zur Stund,
Er probt allda sein Pferd und Hund.«
Die Braut hob auf den Scharlach rot –
Da lag Herr Oluf, und er war tot.
Johann Wolfgang Goethe
Erlkönig
Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? –
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Krön und Schweif? –
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. –
»Du liebes Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.«
Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht? –
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;
In dürren Blättern säuselt der Wind. –
»Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter sollen dich warten schön;
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.«
Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düstern Ort? –
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau. –
»Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.« –
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan! –
Dem Vater grausets, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Müh und Not;
In seinen Armen das Kind war tot.
Börries von Münchhausen
Der Hungrige Teich
Weite Felder am Höderup-Deich,
Mitten drin der Hungrige Teich.
Die Ähren schütteln sich vor Entsetzen,
Der Fisch ängstet haufenweis zu den Netzen,
Wenn aus dem Teich, wie aus tiefer Gruft,
Eine Stimme ruft,
Eine Stimme, die nie vergeblich ruft! –
Der Pfarrer von Höderup geht über Feld,
Johannistag glüht auf der Marschenwelt,
Friedliches Stiefelknarren auf staubigem Wege,
Sonst kein Laut in Flur und Gehege.
Ein Ährenzittern läuft her, wellengleich ...
Da! – Langsam und klar vom Hungrigen Teich
Heimatlose Worte wandeln durch das Licht:
»Die Stunde ist da, – und der Mensch noch nicht!«
Den Pfarrer packt es, er weiß nicht wie,
Er weiß nur das Eine: Flieh! Entflieh!
Und wie er läuft, – noch einmal, ganz nah:
»Die Stunde ist da...!«
Vor Höderup, wo die Birken stehn,
Da hat er den Knaben laufen sehn,
Da hat er gewußt: Tu jetzt, was du willst, –
Glaub doch nicht, daß du sein Hungern stillst
Dem Hungrigen Teich!
»Lütt Pieter, min Jung, seg, wo wistu hin?«
Er faßt ihn freundlich unters Kinn,
»Nich wid! Wie sün ja dor all gliek, –
Eck gah to speelen an Hongrigen Diek!«
»Lütt Pieter, du schallst nich tom Water gahn,
Lop mal nahn Oberdörpe enan
Un seg Herrn Lehr, ... un frag Herrn Lehr,
Ob hei hüt Ahmd in Kränzchen wär.
Un denn kom gliek to mi torügge,
Aber gah dorchs Dorp, – nich över de Brücke!« –
Die Diele im Pfarrhaus war weit und kühl,
In der Küche aber, da wallte es schwül,
Da standen die Weiber um Kessel und Trog,
Und Frau Pastor aus der Türe sich bog:
»Katrin, für die feine Wäsche hol gleich
Mal noch zwei Eimer vom Hungrigen Teich!«
Und der Pfarrer wußte: Laß sie nur gehn,
Der wird da draußen kein Leid geschehn!
Und er saß bang. Die Wanduhr tickte,
Unerbittlich der Zeiger rückte,
Und als er nach dem Zeiger sah,
Da wußte er wieder: Die Stunde ist da!
Er trocknete sich von der Stirne den Schweiß,
Der Mittag brütete gar zu heiß. –
Ein geller Frauenschrei! »Rudolf, Rudolf!! –
Schnell, schnell!!« – Lütt Pieter lag
Tot auf der Diele, gerührt vom Schlag!
Müde und durstig und heißgerannt
Schöpfte er mit der Kinderhand,
Trank er vom Eimer, der dort stand!
Die Küchenuhr schlug durch Brodem und Rauch,
Die Stunde war da, – der Mensch auch!
Annette von Droste-Hülshoff
Der Knabe im Moor
O, schaurig ists, übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O, schaurig ists, übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob man es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind –
Was raschelt drüben im Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.
Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knistert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor',
Die den Haspel dreht im Geröhre!
Voran, voran! nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstische Melodei;
Das ist der Geigenmann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Knauf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!
Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
»Ho, ho, meine arme Seele!«
Der Knabe springt wie ein wundes Reh!
War nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.
Da mählich gründet der Boden sich
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre wars fürchterlich,
O, schaurig wars in der Heide!
Clemens Brentano
Die Lore Lay
Zu Bacharach am Rheine
Wohnt' eine Zauberin,
Sie war so schön und feine
Und riß viel Herzen hin.
Und brachte viel' zu Schanden
Der Männer ringsumher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.
Der Bischof ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt –
Und mußte sie begnaden,
So schön war ihr' Gestalt.
Er sprach zu ihr gerühret:
»Du arme Lore Lay!
Wer hat dich denn verführet
Zu böser Zauberei?«
»Herr Bischof, laßt mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muß verderben,
Der meine Augen sieht.
Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab –
O legt mich in die Flammen!
O brechet mir den Stab!«
»Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt,
Warum in deinen Flammen
Mein eignes Herz schon brennt!
Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay!
Ich müßte dann zerbrechen
Mein eigen Herz entzwei.«
»Herr Bischof, mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen
Für mich den lieben Gott!
Ich darf nicht länger leben,
Ich liebe keinen mehr –
Den Tod sollt Ihr mir geben,
Drum kam ich zu Euch her.
Mein Schatz hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von mir gezogen,
Fort in ein fremdes Land.
Die Augen sanft und wilde,
Die Wangen rot und weiß,
Die Worte still und milde,
Das ist mein Zauberkreis.
Ich selbst muß drin verderben,
Das Herz tut mir so weh,
Vor Schmerzen möcht ich sterben,
Wenn ich mein Bildnis seh.
Drum laßt mein Recht mich finden,
Mich sterben wie ein Christ!
Denn alles muß verschwinden,
Weil er nicht bei mir ist.«
Drei Ritter läßt er holen:
»Bringt sie ins Kloster hin!
Geh, Lore! – Gott befohlen
Sei dein bedrückter Sinn.
Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß,
Bereite dich auf Erden
Zu deines Todes Reis'.«
Zum Kloster sie nun ritten,
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.
»O Ritter, laßt mich gehen
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen
Nach meines Lieben Schloß.
Ich will noch einmal sehen
Wohl in den tiefen Rhein
Und dann ins Kloster gehen
Und Gottes Jungfrau sein.«
Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Doch klimmt sie in die Höhe,
Bis daß sie oben stand.
Es binden die drei Reiter
Die Rosse unten an
Und klettern immer weiter
Zum Felsen auch hinan.
Die Jungfrau sprach: »Da gehet
Ein Schifflein auf dem Rhein;
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein!
Mein Herz wird mir so munter,
Er muß mein Liebster sein!« –
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.
Die Ritter mußten sterben,
Sie konnten nicht hinab,
Sie mußten all verderben
Ohn Priester und ohn Grab.
Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
Und immer hats geklungen
Von dem Dreiritterstein:
Lore Lay!
Lore Lay!
Lore Lay!
Als wären es meiner drei.
Heinrich Heine
Lorelei
Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Die Luft ist kühl, und es dunkelt,
Und ruhig fließet der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.
Die schönste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar,
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kämmt ihr goldenes Haar;
Sie kämmt es mit goldenem Kamme
Und singt ein Lied dabei,
Das hat eine wundersame
Gewaltige Melodei.
Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die Höh'.
Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.
Josef von Eichendorff
Waldgespräch
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
Was reit'st du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, du bist allein,
Du schöne Braut! Ich führ dich heim!
»Groß ist der Männer Trug und List,
Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
Wohl irrt das Waldhorn her und hin,
O flieh! du weißt nicht, wer ich bin.«
So reich geschmückt ist Roß und Weib,
So wunderschön der junge Leib,
Jetzt kenn ich dich – Gott steh mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.
»Du kennst mich wohl – von hohem Stein
Schaut still mein Schloß tief in den Rhein.
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
Kommst nimmermehr aus diesem Wald!«
Gottfried Keller
Ich fürcht nit Gespenster
Ich fürcht nit Gespenster,
Keine Hexen und Feen,
Und lieb's, in ihre tiefen
Glühaugen zu sehn.
Am Wald in dem grünen
Unheimlichen See,
Da wohnet ein Nachtweib,
Das ist weiß wie der Schnee.
Es haßt meiner Schönheit
Unschuldige Zier;
Wenn ich spät noch vorbeigeh,
So zankt es mit mir.
Jüngst als ich im Mondschein
Am Waldwasser stand,
Fuhr sie auf ohne Schleie Bergengruen r,
Ohne alles Gewand.
Es schwammen ihre Glieder
In der taghellen Nacht;
Der Himmel war trunken
Von der höllischen Pracht.
Aber ich hab entblößet
Meine lebendige Brust;
Da hat sie mit Schande
Versinken gemußt.
Julius Grosse
Romanze
Horch, horch, was singen die Wellen am Strand?
Es waren drei Jäger im Oberland,
Die wollten fischen und jagen
In ihren jungen Tagen.
Sie kamen an einen Wald so grau,
Da saß eine wilde, uralte Frau,
Die kämmte die weißen Locken,
Das Herz tät ihnen stocken.
»Vor tausend Jahren da war ich schön,
Da jagt ich die Hirsche auf Bergeshöhn.
Kein König zog vorüber,
Er küßte mich viel lieber!
Mein Haar ward grau und mein Haupt ward schwer,
Mag heute keiner mich küssen mehr,
Wollt ihr das Alter nicht ehren?
Ich will euch Sitte lehren!«
Drei Haare sie riß aus dem greisen Schopf,
Die wirbelt' sie lachend über den Kopf;
Drei schöne Mädchen alsbalde
Hinschwebten über dem Walde.
Die Jäger standen und staunten sehr,
Dann stürmten sie nach mit Waff und Wehr,
Das flüchtige Wild zu fangen –
Sind alle verloren gegangen.
August Kopisch
Zeitelmoos
»Geht heim, ihr Kleinen, wärmet euch am Feuer,
Am Abend ists im Zeitelmoose nicht geheuer!« –
Die Kleinen lachen.
Und wie er weiter reitet von der Stelle,
Wirft sich am Teich ein Mädchen in die kühle Welle...
Was will er machen?
Er springt ins Wasser nach, um sie zu retten...
Ja, wenn ihn nur die Nixen nicht zum Narren hätten!
Die Nixen lachen.
Er tappt zurück zum Roß mit nassen Beinen,
Da sitzen auf dem Rosse wiederum die Kleinen...
Was will er machen?
Er nimmt die Peitsch und haut sie; aber munter,
Heupferdchen ähnlich, springen sie von da herunter
Und stehn und lachen.
Auf setzt er sich, doch Angstschweiß muß er schwitzen,
Denn hinter sich fühlt wieder er die Kleinen sitzen...
Was will er machen?
Sie klammern sich so fest an ihn und kneifen!
Er kann sich die Spukgeister nicht vom Halse streifen:
Sie aber lachen.
»Im Zeitelmoos ists abends nicht geheuer!«
Zirpt eines; – doch er sieht nun Hirten um ein Feuer...
Was will er machen?
Er traut sich nicht hin bis zum nächsten Orte
Und will herab und gibt den Hirten gute Worte.
Die Kleinen lachen.
Nun möcht er gern sie hauen mit dem Stecken,
Sie aber fliehn, indem sie mit den Zähnen blecken.
Was will er machen?
Die Hirten wollen ihn vom Pferde heben,
Da dreht sich gar der Sattel um, er fällt daneben.
Die Hirten lachen.
Er schilt sie aus, die Hirten schwinden beide,
Er liegt im Moor, am Schimmern einer faulen Weide ..
Was will er machen?
Auf springt er, schnallt den Sattel wieder feste,
Steigt auf und peitscht: »Fortreiten«, ruft er, »ist das
Die Kleinen lachen. Beste!« ...
Er kommt nicht fort, es ist ihm wie im Traume:
Der Sattel sitzt am Rosse nicht, nein, an dem Baume...
Was will er machen?
Aus allen Ecken rufts: »Geh heim zum Feuer
Und wärme dich, im Zeitelmoos ists nicht geheuer!« –
Die Kleinen lachen.
Nun bleibt er sitzen. Die Laubfrösche quarren,
Die Mücken stechen, alles hat ihn da zum Narren ...
Was will er machen?
Er sitzt und sitzt – auskräht der Hahn den Morgen,
Da rufen sie: »Nun guter Mann, bist du geborgen!«
Und fliehn und lachen.
Er geht zum Roß: es ist ihm wie im Traume,
Sitzt auf und jagt aus dem verhexten Räume –
Was will er machen?
Fort reitet er, es klingt ihm nach im Ohre,
Er höret immer noch, und immer wie im Chore
Die Kleinen lachen.
Gustav Schüler
Die Roggenmuhme
Dem Barthel sein Kind geht im Roggen rund,
So schrickts im Dorfe von Mund zu Mund. –
Es geht schon am zweiten Tage
Im großen Roggenschlage.
Die Notglocke läutet die Dörfler heran,
Und es heben alle zu suchen an.
Und suchen mit Mannen und Hunden
Und habens nicht gefunden.
Sie suchen schon den dritten Tag.
Da war kein Fleck im Roggenschlag
Im Breiten und im Langen,
Den sie nicht abgegangen. –
Da lag in Mohn und Raden tief
Das Kind so süß, als wenn es schlief –
Trägt einen Kranz von Mohne
Wie eine helle Krone.
Das süße Mündchen war wie rot
Und sagte nichts von Todesnot,
Die Händchen waren beide
Gesträhnte weiße Seide.
Auf seiner Brust ein Blümlein lag,
Das wuchs nicht auf dem Roggenschlag –
Die fremde weiße Blume
War von der Roggenmuhme.
Gustav Schwab
Das Gewitter
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl –
Wie wehen die Lüfte so schwül!
Das Kind spricht: »Morgen ists Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!« –
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Die Mutter spricht: »Morgen ists Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!« –
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Großmutter spricht: »Morgen ists Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!« –
Hört ihrs, wie der Donner grollt?
Urahne spricht: »Morgen ists Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?« –
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
Sie hörens nicht, sie sehens nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag –
Und morgen ists Feiertag.
Gustav Schüler
Die blitzerschlagene Magd
Ein Erntetag hat ausgebrannt.
Fünfzig Fuder sind unter Dach.
Die Knechte und Mägde halten Schmaus
Und tragen alte Geschichten aus.
Eins