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Brainchip
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eBook473 Seiten5 Stunden

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Über dieses E-Book

Ein Thriller der Extraklasse! Dieser Roman wirft einen realen Blick in die atemberaubende Zukunft der Gehirnchip-Welt und der künstlichen Intelligenz. "Die Zukunft ist in dir!", das ist die unmissverständliche Aussage der Neuroforscher. Und diese einzigartige Zukunft hat längst begonnen. Genau hier. In diesem Buch. Sie wird sich schon bald und überall in unseren Köpfen abspielen. Mensch und Mikrochip werden eins. Schöne neue Welt der Nanos und Neuronen. Unsere Gedanken sind nicht mehr allein - sie sind nie mehr allein. Und doch ist es eine herzzerreißende Story: Ein Medienstar und mit seiner Enthüllung, zwei wunderbar starke Frauen, ein Software-Guru und ein bösartiger Stratege aus dem Pentagon mit einem Manipulationscode...
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. Okt. 2016
ISBN9783961124138
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    Buchvorschau

    Brainchip - Gunter Dringenberg

    Comeback

    1    Schwager

    Er ist zu Großem fähig – das spürt er. Das Publikum liebt ihn. Von den Medien wird er als Storyteller der Nation betitelt. Doch da ist noch mehr.

    Zwölf Uhr mittags. Aufdringlich schrill läuten die Glocken der Münchner Marienkirche in seine Gedanken hinein. »So, Robert, ich bin jetzt weg. Servus!« Und das ist seine Sekretärin Simone Martini – gewesen. Wie ein geölter Blitz stürmt sie aus der Redaktion, sie scheint es eilig zu haben. Den Nachmittag hat sie frei. Morgen feiert sie ihren 40. Geburtstag. Seit fünf Jahren sitzt sie in seinem Vorzimmer, managt all seine Termine. Grund genug für Robert, sie am kommenden Tag in der Früh mit einem Knüller zu überraschen.

    Das Telefon klingelt. Normalerweise geht er selbst nicht ran. Mit den Gedanken bereits beim Mittagessen nimmt er den Hörer ab: »Ja?«

    »Spreche ich mit Robert Stricker?«, fragt eine ungeduldige Männerstimme.

    »Ja.«

    »Hallo. Mein Name ist Mark Talagita. Ich bin der Ehemann von Katharina, Ihrer Schwester.«

    Verwundert antwortet Robert: »Was? Katharina? Meine Schwester? Von ihr habe ich seit Ewigkeiten nichts mehr gehört. Sie ist verheiratet? Warum hat sie mir davon nichts erzählt?«

    »Tut mir leid, aber sie wollte keinen Kontakt. Sie schlittert da gerade in eine Katastrophe hinein. Und ich selbst bin auf der Flucht! Mein Gott – es ist so furchtbar … «

    »Was ist los mit ihr? Um was geht es?«

    »Am Telefon kann ich das nicht erklären. Es ist zu gefährlich. Die hören uns bestimmt schon ab. Wir müssen uns treffen, bevor es zu spät ist!«

    »Aha. Und warum sollte ich mich mit einem wildfremden Mann treffen? Können Sie mir das vielleicht verraten?«

    »Sie sind der Einzige, der mir noch helfen kann. Ich brauche jemanden, der diese Story in die Öffentlichkeit bringt.«

    »Was für eine Story? Und wieso abhören? Wer hört uns denn ab?«

    »Wir forschen auf dem Gebiet der Neurowissenschaften in einem internationalen Team in Zürich. Unser Forschungsprojekt ist vertraulich, keinesfalls etwas für fremde Ohren. Finanziert wird das Labor von verschiedenen Geldgebern aus den Vereinigten Staaten. Und jetzt ... jetzt wollen sie, dass ich ... hören Sie, ich kann es Ihnen am Telefon nicht erzählen.«

    »Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie mir schon ein paar mehr Informationen geben!«

    »Seit Wochen machen die mir die Hölle heiß.« Seine Stimme beginnt sich zu überschlagen. »Sie sagen, ich sei Geheimnisträger, müsse meinen Auftrag erfüllen. Andernfalls liquidieren sie mich. Die CIA …«

    Robert wird hellhörig. Er hat schon viel in seinem Job erlebt, aber CIA und ein neuer Schwager, der auf der Flucht ist, sowas ist ihm noch nie passiert.

    »Wir sollten uns schnellstens treffen. Ich muss Ihnen etwas zeigen!«

    »Ist meine Schwester bei Ihnen?«

    »Nein, sie ist im Züricher Labor geblieben.«

    Robert hat das journalistische Handwerk von der Pike auf gelernt. Er ahnt, dass hinter Talagitas Andeutungen eine gute Story stecken könnte. Dennoch zögert er. Immerhin ist es nicht das erste Mal, das einer dieser Spinner anruft, die nur Aufmerksamkeit wollen. Robert schaut auf die Uhr. Er wollte zum Essen gehen, danach stehen zwei Besprechungen für die nächste Sendung auf der Agenda. Er blickt durch die offene Bürotür, sieht den verlassenen Schreibtisch von Simone und denkt: Georg wird die Termine schon übernehmen.

    »Bitte hilf mir, Robert … DU bist doch mein Schwager!«

    Kann er dem Fremden glauben? Was, wenn Talagita versucht, ihn reinzulegen? Handelt es sich vielleicht um einen abgefahrenen Trick, um ihn in die Falle zu locken? Die Konkurrenz in seinem Geschäft ist ja bekanntlich zu allem fähig. Robert pokert: »Bekomme ich nicht mehr Infos, wird ein Treffen nicht machbar sein. Meine Zeit ist knapp.«

    Der Unbekannte am anderen Ende der Leitung atmet schwer. Es dauert einen Moment, doch dann: »Wir forschen an einem innovativen Gehirnchip, der neurologisch geschädigte Schlaganfallopfern zurück ins Leben bringt und noch viel mehr. Mühsam zu erklären. Ich habe alles auf meinem Laptop.«

    Roberts Stift beginnt, über den Notizblock zu fliegen. Mit der linken Hand hält er den Hörer ans Ohr. Sekundenschnell wägt er ab. Als Talkmaster und Vollblutjournalist ist er pausenlos versessen nach außergewöhnlichen Geschichten und so packt ihn dieser gewaltige Drang. Er spürt den Feuereifer, der ihm Kraft für seinen Job gibt. »Sie bieten die Story auch anderen an?«

    »Nein, nein. Ich möchte, dass du, dass mein Schwager diese Schweinerei aufdeckt.«

    »Okay, wo treffen wir uns?«

    »Kennst du die Grünwalder Isarbrücke?«, fragt Talagita.

    »Na klar.«

    »Unterhalb dieser Brücke liegt ein Gasthaus.«

    »Der Isarwirt. Ich kann in einer Stunde da sein.«

    »Beeil dich. Ich bin an meinem blauen Anzug zu erkennen.«

    Just in dem Augenblick, in dem Robert den Hörer auflegt, beschleicht ihn ein mulmiges Gefühl: Katharina soll in einem geheimen Labor arbeiten? Und an einem Gehirnchip forschen? Er drückt seinen Körper in den Schreibtischsessel und legt den Kopf zurück. Die weiß getünchte Decke seines Büros gibt ihm keine Antwort. Er streicht sich mit beiden Händen durchs grau melierte Haar, lässt die Worte seines angeblichen Schwagers nochmals Revue passieren.

    Erinnerungen fluten seinen Sinn: Sie ist so schnell weg nach dem Abitur. Wollte rüber in die USA, um dort Neurochirurgie zu studieren. Warum hat sie sich nicht mehr gemeldet? Warum nicht mal, als unsere Eltern gestorben sind?

    2    Menschenaffen

    Stopp and Go. Die Fahrt zur Isarbrücke zieht sich hin. Erstmals seit Jahren nimmt er selbst einen Außentermin wahr. Er wittert eine erstklassige Geschichte. Meist beackern seine Reporter der Redaktion Erstinterviews, aber dieser geheimnisvolle Anruf eines Neurowissenschaftlers … Was steckt dahinter? Und welche Rolle spielt dabei Katharina?

    Erinnerungen an längst vergangene Zeiten rasen durch sein Bewusstsein: Trotz des Altersunterschieds von dreizehn Jahren haben sie sich früher prima verstanden. Oft hat er die Schwester mit zum Tennis genommen, führte sie in den Sport ein, spielte mit ihr eine Reihe von Matches. Sie waren ein Herz und eine Seele. Robert erinnert sich noch genau, wie sie als Kind zeitweise eine ungewöhnliche Unruhe ausstrahlte. Jeden Machtkampf wollte sie gewinnen, erst dann schien sie zufrieden. Früh erkannten sie in der Familie ihre Intelligenz. Bei einem Test erzielte sie einen IQ-Wert von zweihundertvier.

    Katharina wollte in die weite Welt hinausziehen. Als sechzehnjähriges Mädchen wanderte sie in die USA aus. Dort erhielt sie ein Stipendium von einem deutsch-amerikanischen Schüleraustausch in Chicago.

    Die Mutter schwadronierte oft von ihr und Robert weiß noch, wie sie ihm von ihrem ersten Freund berichtete – einem Richard McNeill von der dortigen Highschool. Das letzte, was er von ihr wusste, war, dass sie von der Uniklinik San Diego die Auszeichnung für die erfolgreichste Neurochirurgin Kaliforniens bekam. Obwohl er nie danach fragte, versorgte ihn die Mutter bis zu ihrem Tod immer mit Neuigkeiten über Katharina. Seitdem hat er nichts mehr von seiner Schwester gehört.

    Mit seinem Mercedes biegt Robert links in eine enge Straße ein, fährt den kurzen Berg hinunter, an dessen Ende der Isarwirt liegt. Das Wirtshaus kennt er seit Jahren. Mit Freunden kehrt er hier ab und zu ein, liebt das Ambiente und fühlt sich jedes Mal in einen malerischen Fleck hineinversetzt.

    Etliche uralte Kastanienbäume umringen den Biergarten, der direkt an die Isar angrenzt. Die Sonne strahlt die Vorderfront der Gastwirtschaft an. Blumenkästen, die unter den Fenstern angebracht sind und aus denen bunte Blumen hervorschauen, vermitteln eine idyllische Atmosphäre. Nur wenige Autos stehen herum. Er schaut sich um, doch einen Mann im blauen Anzug kann er nicht entdecken.

    Achtsam steigt er aus, nimmt sein Jackett vom Rücksitz. Plötzlich erfasst ihn erneut ein unguter Gedanke: Hoffentlich sind keine boshaften Kollegen am Werk, die mich mit versteckter Kamera hereinlegen wollen.

    An dem alten Holzzaun, der Parkplatz und Biergarten trennt, lehnen Fahrräder, jeweils mit Sicherheitsschloss versehen. Bedächtigen Schrittes geht Robert auf das Gasthaus zu, blickt sich vorsichtig um. Durchs Gartenlokal muss er, dessen Erdboden mit weißen, kleinen Kieselsteinen ausgelegt ist. Überall liegen verstreut abgefallene Kastanien herum. Bei jedem Tritt, den er macht, gibt es ein knirschendes Geräusch unter seiner Sohle. Er spürt, dass einige Gäste ihm nachschauen, ihn erkennen. Allerdings sehen sie nicht nach Talagita aus, eher wie Touristen.

    »Hoffentlich taucht der bald auf«, flüstert er sich selbst zu. Geduld ist noch nie seine Stärke gewesen. Er betritt das Gasthaus in der Hoffnung, den Wissenschaftler dort zu finden.

    »Hier bin ich«, schallt eine Stimme im gleichen Moment vom Türeingang her. Erschrocken blickt sich Robert um und sieht einen Mann mit einer prall gefüllten Aktentasche herumwedeln. Nicht gerade unauffällig für einen gesuchten Mann. »Sind Sie Mark Talagita?«

    »Pssst!« Der Unbekannte nimmt einen gestreckten Zeigefinger vor die Lippen und raunt ihm zu: »Nicht so laut.«

    Auf Robert wirkt der Fremde wie ein etwas verwirrtes italienisches Modell in den besten Jahren. Talagita ist perfekt gestylt, sein Anzug aus feinstem Zwirn, sportliche Figur. Das auffällig schwarz gelockte Haar verleiht ihm ein exklusives Äußeres. Sein offener Blick verrät die enorme Intelligenz eines Gelehrten. Und dennoch scheint etwas an ihm nicht zu stimmen. Dieses Zucken um seine Mundwinkel, ein Finger tippt unaufhörlich auf den Griff seiner Aktentasche.

    »Sorry, ich habe mich hinter dem Haus da versteckt. Ich möchte nicht auf dem Parkplatz beobachtet werden.«

    Sie gehen hinaus ins Gartenlokal. Talagita deutet auf einen Tisch nahe am Isarufer. Behutsam deponiert er seine Tasche auf einen Stuhl neben sich. »Danke fürs kurzfristige Treffen. Nun, da wir verschwägert sind, wollen wir uns nicht duzen?« Robert nickt und reicht ihm zögerlich die Hand. Bei der vorbeieilenden Kellnerin bestellt er für beide noch etwas zu trinken.

    »Ich denke, wir sollten keine weitere Zeit verlieren. Kommen wir zur Sache: Warum hat mir Katharina nie von eurer Hochzeit erzählt?«

    »Sie fürchtete deine Medienpräsenz!«

    »Wieso das?«

    »Ich fand es auch merkwürdig. Ich wollte dich immer einmal kennenlernen.«

    »Und die Sache mit dem Forschungslabor in Zürich? Macht ihr dort etwa verbotene Sachen? Woran forscht ihr genau? Gehirnchip? Was ist das für ein Vorhaben? Und was hat die CIA damit zu tun?«

    Mark reibt sich nachdenklich das Kinn, zieht die Augenbrauen hoch, atmet tief durch: »Unser Chipprojekt nennen wir intern Mindspring. Mind heißt Verstand oder Bewusstsein und Spring Frühling. In diesem Fall ein Frühling nach dem Winter eines Ausfalls wesentlicher Gehirnfunktionen.«

    »Das hört sich nicht nach einem Skandal an. Warum sollte irgendjemand dich deswegen verfolgen?«

    »Sie haben mich reingelegt, die CIA, das Pentagon und die Manager der Sponsoren«, seine Stimme bebt. »Ich habe fürchterliche Angst um mein Leben!«

    Robert traut ihm noch immer nicht, aber etwas an der Geschichte des Forschers scheint sein Interesse geweckt zu haben. Als Mark Talagita sich beruhigt hat, fährt er fort: »Vor Jahren machten mich die Medien in den USA zum Superstar der Schlaganfall- und Alzheimerforschung. Von allen Seiten flogen Angebote auf mich zu, Referate zu halten, Bücher zu schreiben, Artikel in Fachzeitschriften und mehr. Zeitweise fand ich keine Zeit, meinen Job als Professor an der Universität vernünftig zu tun. Meine neurowissenschaftlichen Arbeiten mit elektronischen Stimulationen im menschlichen Gehirn erregten allgemeines Aufsehen.«

    »Katharina beteiligte sich an diesen Forschungen?«

    »Nein, früher nicht. Sie arbeitete als sehr erfolgreiche Neurochirurgin in San Diego, spezialisierte sich auf Operationen am offenen Gehirn. Ich dozierte an der Palo Alto-University. Als ich damals einen Vortrag in San Diego hielt, lernten wir uns kennen. Sie ist attraktiv, wir verliebten uns. Wir heirateten.« Er klingt seltsam traurig. Robert hört aufmerksam zu.

    »Bald bekam ich Besuch von zwei Konzernbossen. Der eine Chris Maggert, CEO International-Chip-Corporation, ICC, einer der größten IT-Companys der Welt und Matt Barnes, CEO der Global-Multi-Medical-Group, GMM. Sie überbrachten mir einen ungewöhnlichen Vorschlag. Du musst wissen, sie fungieren seit vielen Jahren als meine Sponsoren. Obwohl wir in Silicon Valley ein IT-Labor zur Fertigung von Medizinrobotern forcierten, investierten sie gemeinsam in das Forschungsinstitut am Züricher See. Katharina engagierten sie als Vizepräsidentin.«

    »Ein brillantes Angebot für ein taufrisches Ehepaar.«

    »Das dachte ich auch. Enthusiastisch nahm ich den Auftrag an, im Glauben, die berühmteste Forschungsanstalt der Welt aufzubauen: MindChip Laboratories – MCL. Meine Zielsetzung, Heilung von Patienten mit Alzheimer und Schlaganfallleiden mit einem hypermodernen BrainChip

    »Warum in Zürich und nicht in Amerika?«

    Talagita bläst die Backen auf, wiegt den Kopf hin und her. Mit einem dumpfen Ton pustet er die aufgestaute Luft heraus: »In erster Linie zur Tarnung! Wir entdeckten in Zürich einen alten Kastenbau, der eignete sich mit seinen gewaltigen Hallen tadellos für geheime Experimente. Zunächst holten wir mehrere kluge Köpfe aus den USA. Später haben wir es geschafft, maßgebliche Koryphäen der Züricher Organisation für Neurowissenschaften abzuwerben.«

    »Mit reichlich Dollars?«

    »Ja.«

    »Das allein kann aber noch nicht der Grund für den Standort Zürich gewesen sein.«

    »Es gab weitere Dinge, die dafür sprachen. Die Geldgeber fürchteten, die Formalien und Auflagen in den USA würden zu endlosen Verzögerungen bei der Erforschung führen. Zudem sei die Gefahr hoch, die Konkurrenz könnte früher oder später an unsere Daten herankommen. Außerdem sind in den USA Experimente mit Menschenaffen rechtswidrig.«

    »Mit Menschenaffen? In der Schweiz ist es auch verboten.«

    »Ja und nein. Es gibt Ausnahmefälle. Wir fanden einen Dreh bei der Tierschutzkommission.«

    »Mit viel Geld?«

    »Na ja, ich weiß es nicht genau, jedenfalls dürfen wir Tests mit ausgewachsenen Orang-Utans durchführen.«

    »Von wie vielen Tieren sprechen wir hier?«

    »Derzeit sind es zwölf.«

    »Und warum nun die Flucht!«

    Der flüchtige Professor schaut sich ängstlich um, die übrigen Gäste sitzen weit genug weg. Er dämpft seine Stimme: »Inzwischen finanziert auch das Pentagon mit Milliarden Dollars heimlich unser Institut. Sie wollen aus meinem BrainChip für Neurokranke einen Militärchip für Supersoldaten entwickeln.«

    »Einen Chip, der in Soldatenhirne eingesetzt wird?«

    »Ja. Die Zielsetzung ist, einen Kriegschip für amerikanische Streitkräfte herzustellen, der sie im Gelände überlegen macht.«

    »Das glaube ich nicht.«

    »Doch, und weil ich dagegen Widerstand leiste, will das Pentagon mich fertigmachen. Deswegen bin ich auf der Flucht.«

    »Hast du Beweise dafür?«

    »Ja. Jede Menge Videos! Ich hatte keine Ahnung von einem Militärchip, bis vor Kurzem drei unheilvolle Figuren in Zürich auftauchten, geschickt vom Boss der DRANO.«

    »DRANO? Ist das nicht die Zentrale für Forschung von Neurowissenschaften der US-Army?«

    »Genau. Defence Research Agency of Neuroscience. Die Agentur gehört zum Pentagon. Die Kerle kamen ohne Anmeldung, verkündeten, ab sofort agieren sie als Aufpasser und führen das Regiment im Institut. Katharina war in diese verdammte Aktion voll involviert.«

    »Sie wusste davon?«

    »Ja, sie hat mich reingelegt.«

    »Und wie hängt das Pentagon mit euren Forschungen zusammen?«

    »Ich verrate es dir. Diese Typen knallten mir einen Brief mit Siegel vom DRANO-Boss auf den Tisch und sagten, als Geheimnisträger sei ich jetzt Befehlsempfänger.« Pure Angst schlägt bei diesen Worten aus seinen dunklen Augen heraus. Robert fürchtet, selbst die Fassung zu verlieren. Ungeduldig spielt er mit einem der Bierdeckel, die auf dem Tisch liegen, dreht ihn zwischen seinen Fingern herum.

    Mark zittert: »Von einer Sekunde auf die andere, ohne Vorankündigung behaupten diese Mistkerle, ich hätte auf der Stelle nichts mehr zu sagen. In meinem Labor. An dem Tag erfuhr ich, dass das Pentagon der Hauptfinanzier des Gehirnchips ist.«

    »Sind die Aufpasser auch Neuroforscher?«

    »Nein, nur ehemalige CIA-Agenten, abkommandiert vom Pentagon, verdammt rabiate Militärstrategen. Keine Ahnung von neurologischer Wissenschaft.«

    »Aber wieso?«

    »Weil das Pentagon den Posten des Chefs mit Katharina besetzen will. Sie ist leichter zu händeln als ich.«

    »Das hört sich wie eine furchtbare Intrige an.«

    »Das kannst du laut sagen. Die CEOs der Konzerne ICC und GMM förderten mich jahrelang, bis sie ihrer Geldgier nicht widerstehen konnten. Sie ließen sich vom Pentagon einspannen für eine Sache, bei der mein BrainChip nur als Abfallprodukt fungiert.«

    »Abfallprodukt? Was erzählst du mir da?«

    »Meine Sponsoren haben sich von der DRANO gefügig machen lassen. Es geht um Milliarden von Dollars. Sie lauerten nur darauf, bis ich mit den Orang-Utans in gezielten Labor- und Tierstudien die passenden Schnittstellen zwischen Gehirn und Computer herausfand. Der Trick: Mit dem Chip rekonstruieren wir komplexe Funktionen wie Sprache und Gedächtnis, die vorher verloren gegangen sind. Aber die Bosse in Amerika steuern auf etwas komplett Andersartiges hin.«

    »Auf den Militärchip?«

    »Ja«, sagt der Professor. »Ihre Zielsetzung ist es, Soldaten der Spezialeinheit Navy Seals mit Chips im Kopf miteinander zu verknüpfen und ihnen Fähigkeiten zu übertragen, wie bei einer Schwarmintelligenz bei Tieren.«

    Innerlich jubelt Robert über diese irre Story. Sofort kommen ihm Rekordeinschaltquoten in den Sinn.

    »Synchrone Aktivitäten von Nervenzellverbänden bewirken, dass die Militärs gezielte Kriegsführung betreiben können, wie es ein Heuschreckenschwarm tut.«

    »Eine unheimliche Geschichte!«

    »Nach ersten Erfolgen mischte sich dann das Pentagon ein. Hinter meinem Rücken mauschelten sie mit Katharina. Sie gaben dem Institut einen Spezialauftrag. Ahnungslos forschte ich weiter. Sie wollen meinen Neurochip zweckentfremden und Soldatenhirne bei Anti-Terroreinsätzen vernetzen. Sie streben die totale Weltherrschaft ihrer Streitkräfte an und verfolgen ein futuristisches Soldatendesign. Ich soll Spezialeinheiten für die asymmetrische Kriegsführung fit machen.«

    »Das klingt ungeheuerlich!«

    »Mein Videomaterial wird dich überzeugen.«

    »Wenn das stimmt, könnte es eine riesen Enthüllungsstory werden. Ein irrer Politskandal!«

    »Weißt du, Robert, so einen Militärchip kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren. Ich verkaufe nicht meine Seele.«

    Instinktiv beschleicht Robert ein aberwitziges Gefühl. Der Kerl erzählt von einem angeblichen Gehirnchip, wie aus einem luftleeren Raum. Andererseits weiß er aber auch, dass fast alle brisanten Erfindungen der Menschheit unvorbereitet eintrafen.

    Viele Fragen liegen ihm auf der Zunge: Warum übertragen US-Streifkräfte einem sensiblen Neurologieprofessor solche streng geheimen Entwicklungen? Was hindert das Pentagon daran, Mark Talagitas Ergebnisse einfach zu kopieren und in den Staaten Cyborgsoldaten zu konstruieren? Robert vermutet, dass das Militär von Anfang an dahinter steckt.

    »Die neuen Vorsteher stellten mich auf die Probe, ob ich wegen meiner Ehe mit Katharina erpressbar bin. Sie hielten mir vor, meine Frau denke positiv über den Militärchip.« Bei diesen Worten verändert sich sein Tonfall. Ein unangenehmer Klang schleicht sich in die Betonung seiner Worte. »Sie wusste früh Bescheid, dass das Pentagon Hauptfinanzier der Forschung ist. Sie spielte ein doppeltes Spiel. Als Neurochirurgin erwarb sie sich in den USA einen Namen, operierte die schwierigsten Fälle. Der Erfolg ist ihr zu Kopf gestiegen. Nur um ihre verfluchte Karriere voranzutreiben, heiratete sie mich, um an meiner Seite selbst zum Star der Neurowissenschaften aufzusteigen. Ich glaube, sie ist abartig ehrgeizig, absolut karrieregeil – ja, heimtückisch!«

    »Pass auf, was du da sagst. Immerhin ist sie meine Schwester.«

    »Ohne Scham lebt sie ihre Gier aus«, schimpft Mark weiter. »Eines Tages stellte ich sie zur Rede. Wir stritten, hysterisch keifte sie mich an. Da verriet sie, dass sie bald die Chefin der Forschung wird. Von da an war es vorbei mit uns.« Seine Augen laufen feucht an: »Ich sage dir, deine Schwester ist von einer Neurochirurgin zu einer Militäragentin geworden. Sie ist eine Hure des Pentagons!«

    Robert ist fassungslos: Katharina soll fürs Pentagon an einem Kriegschip forschen? Hat sie sich deswegen nie gemeldet? Kann ich diese Story in meiner Show überhaupt bringen, wenn meine Schwester und das US-Militär darin verstrickt sind?

    Zwischen all diesen Fragen kommt ihm die Diskussion mit dem Chef seines Senders aktuell.tv, Thomas Fuchs, in den Sinn. Die letzten Einschaltquoten sind enttäuschend ausgefallen. Robert hat viel zu verlieren. Da kommt die Story gerade recht.

    »Katharina ist Deutsche. Niemals weihen die Amis eine Ausländerin in militärische Machenschaften ein.«

    »Sie sind ständig auf der Suche nach Eliteleuten für ihre Reihen. Frühzeitig holten sie Katharina als Neuroexpertin ins Boot. In der Schaltzentrale Pentagon sitzt einer, mit dem sie seit der Highschool bestens bekannt ist, Richard McNeill.«

    Robert zuckt zusammen, entgeistert schaut er den Forscher an. Der Name ist ihm auf der Hinfahrt eingefallen. Seine Mutter nannte ihn Katharinas Herzblatt.

    »Er ist Boss des Forschungsprojekts, lenkt alles mit harter Hand von Washington aus und besitzt engste Kontakte zum Präsidenten. Ich ahnte nicht, dass McNeill meine Frau längst angeheuert hatte. Als ich sie in San Diego kennenlernte, besaß sie die US-Staatsbürgerschaft. Auf ihren deutschen Pass verzichtete sie. Mitunter glaube ich, sie wurde von McNeill gezwungen, mich zu heiraten.«

    »Schwer vorstellbar.«

    »McNeill köderte mich mit fünf Millionen Dollar extra, er sagte zu mir: Keine Widerrede und kein Wort zu niemandem, die CIA kann sehr unangenehm werden.«

    Kurz flammen bei Robert Sorgen um die Schwester auf, doch die verflüchtigen sich bald wieder. Weitaus ausgeprägter ist seine Begierde nach Zuschauerzahlen als der Wille, Katharina zu verstehen: »Meine Güte, Mark. So eine geniale Erfindung würde ich im Leben nicht sausen lassen. Du haust einfach ab?«

    »Als freier Wissenschaftler fühle ich mich dabei erbärmlich. Einen Chip fürs Militär lehne ich ab. Ich kämpfe dagegen an.«

    »Es geht um zwei Chips? Der hilfreiche Neurochip und der fürchterliche Militärchip. Richtig?«

    »Genau. Ein Kriegschip wäre das Ende der Welt.«

    »Wieso benutzt ihr nicht nur einen Chip mit verschiedener Software?«

    »Ach – das sind zwei Paar Stiefel. Ich konnte in Erfahrung bringen, dass der Militärchip komplett anders funktioniert, wie mein Chip für Kranke. McNeill verfolgt einen irren Teufelsplan. Über eine bizarre Software will er Schwarmintelligenz generieren und den Chip in unzählige Soldatenköpfe installieren lassen – alle vernetzt miteinander. Als Kommandant hat er dann leichtes Spiel. So können die GIs sofort im Kampf ihre Gegner überwältigen, wie es die Heuschrecken machen.«

    »Das ist verrückt!«

    »Ja, Robert, aber es ist wahr! Und noch was habe ich entdeckt: Das Pentagon wartete nur darauf, bis ich sinnvolle Gehirndaten aus den Tierversuchen gewonnen habe, die sie für ihren Chip nutzen wollen. Das wollte und will ich verhindern, und da ist der Konflikt im Labor eskaliert ...«

    »Also hängen die Chips auf irgendeine Weise zusammen?«

    »Nein. Der Neurochip ist in höchstem Maße viel fragiler und problematischer zu steuern«, erklärt der Professor. »Die kaputten Nervenzellen von einem geistig verwirrten Invaliden werden mit Unterstützung von synthetischen stabilisiert. So wandelt sich der Pflegefall zu einem gesunden intelligenten Menschen.«

    »Hör auf! Das glaubt doch keiner!«, sagt Robert und fährt sich nachdenklich mit der Hand durch sein kurzes Haar.

    »Das sind Verbrecher! Diese Kerle bedrohen mein Leben. Ich vermute, sie sollen mich schikanieren, weil Katharina meinen Posten besetzen will. Einmal riefen sie mich von einem Test weg, terrorisierten mich. Falls ich nicht funktioniere, wollen sie mich in die USA verschleppen und ins Militärgefängnis sperren. Hilf mir bitte! Ich habe genug Beweise dafür auf Video.«

    »Zeig her!«

    Ungelenk kramt Mark in seiner Aktentasche, holt einen Laptop heraus und startet das Gerät. Ein paar Gäste aus dem Biergarten verdrehen irritiert die Köpfe.

    »Okay, hier die Tierversuche«, meint der Professor.

    Um bessere Sicht auf den Bildschirm zu erlangen, beugt sich Robert vor. Es haut ihn fast vom Stuhl, was er da zu sehen bekommt: Ein narkotisierter Orang-Utan liegt mit seinem massigen Körper festgezurrt auf einer Pritsche. Sein Schädel rigoros fixiert in einer stählernen Halterung. Mehrere in blütenweiße Kittel gekleidete Forscher, vermummt mit Hauben und Mundschutz, beugen sich über das braunrot behaarte Tier. Alle tragen getönte Brillen zum Schutz vor der grell orangefarbenen Schattierung des Lichts. Einer von ihnen versucht soeben, dem Affen ein Loch in den Kopf zu bohren.

    »Hier wird einem Primaten die Schädeldecke aufgemacht.« Kleine zylindrische Geräte mit aufgeprägten Miniaturskalen montieren die Wissenschaftler an den Kopf des Orang-Utans.

    »Anhand dieser Vorrichtungen navigieren wir Elektroden mit Mikromanipulatoren zu vorher festgelegten Punkten in die Tiefe des Affenhirns. Mit filigransten Drähten wird anschließend das Gehirn des Versuchstieres an einen Computer angeschlossen.«

    Die folgende Szene schockiert Robert. Er sieht direkt in das geöffnete Hirn des Menschenaffen. Das massige Tier wird auf der Bahre senkrecht hochgefahren, erwacht träge aus der Narkose. Auf mehreren Monitoren flackern elektrische Potenziale in bunten Farben auf. Schlagartig verändern sie sich, als der Orang-Utan leuchtend blaue Kugeln anschaut, die in seinem Gesichtsfeld vorbeischweben. Zwei Weißkittel lösen den Gurt des Primaten.

    »Spektakuläre Bilder«, urteilt er.

    »Jetzt wird der Affe mit Plastikplatten im Rücken durch einen tunnelähnlichen Kanal aus Plexiglas gedrängt«, sagt Mark. Das imposante Tier macht einen roboterhaften Eindruck. Nur von oben existiert im Lauftunnel eine Öffnung. Dort laufen Hunderte von Kabeln zusammen, mit denen der Menschenaffe in seinem Gehirn vernetzt ist. In diesem Moment wird die stabilisierende Rückenplatte des Orang-Utans zurückgefahren. Das Tier versucht erste ungelenke Schritte.

    »Pass auf, Robert.«

    Das Video zeigt, wie einer der vermummten Wissenschaftler einen mehrstelligen Code in die Tastatur des nervös blinkenden Rechners tippt: »Das ist Paul Kim, der fähigste IT-Neuroforscher der Welt. Er schreibt die beste Software für Chips, versteht Roboter wie kein anderer. Außerdem ist er einer der routiniertesten Physiker aus den Staaten.«

    Die Kamera zoomt auf das nur spärlich behaarte Gesicht des Tieres. Von einer Sekunde auf die nächste ändert sich dessen Mienenspiel, von gequälter Schwerfälligkeit keine Spur mehr. Der Affe wirkt plötzlich dynamisch, blickt mit wachen Augen in die Videokamera, als mache ihm seine Situation Spaß.

    Mark touchiert einige Tasten auf seinem Laptop, der Film ist zu Ende.

    »Was habt ihr da mit dem Affen angestellt?«

    »Wir feuerten elektrische Impulse in das Tierhirn, in das wir zuvor Minisensoren verankert hatten. Es funktionierte danach effektiver. Der Affe ist intelligenter geworden.«

    »Das grenzt an Tierquälerei!«

    »Nein. Die Menschenaffen fühlen sich nach den Tests fit und lebendiger, besser als im Zoo.«

    In diesem Moment fühlt Robert, wie sein Hemd unter den Achseln feucht wird. Er vergisst zu atmen. »Das gehört zum Schrecklichsten, was ich jemals gesehen habe. Die Szenen kommen mir wie aus einem Horrorfilm vor. Orang-Utans laufen mit offenem Kopf herum, angeschlossen mit Drähten an Computern.«

    »Die Tiere verspüren keine Schmerzen.«

    »Wie soll ich meinem Publikum diese Bilder nur verkaufen?« Er weiß, dass es sein muss. Es garantiert Einschaltquote und das ist es, was er zurzeit am allernötigsten braucht.

    Mark wirkt hektisch, blickt umher. Seine Angst, jemand könnte ihn aufspüren, ist ihm anzusehen: »Ich habe noch ein Video. Es demonstriert die Risiken, die an diesem Militärchip hängen.«

    3    Mechanismus

    Nichts an diesem alten Gebäude deutet darauf hin, dass hier mit einem Milliardenbudget an Außerordentlichem geforscht wird. Ins Auge fällt die armselig ungemütliche Einrichtung des Raumes: Ein einfacher hellbrauner Tisch steht in der Mitte, flankiert von einigen kargen Holzstühlen. Ein paar Bildchen aus früheren Zeiten Zürichs hängen lieblos an der Wand, auf Gardinen verzichtete man komplett.

    Am Tisch sitzen mit finsteren Mienen Tom Moore, David Burton und Phil Brooks. Moore, der Chef des Trios, ist gereizt: »Was hat dieser Talagita nur vor?«

    Die beiden anderen Männer sitzen nur da und schweigen. Für Moore bedeutet diese Situation Code Red, höchste Alarmstufe. Ungeduldig schaut er auf die Tür: »Wo bleibt nur Professor Katharina Talagita?« Seine dunklen Augen blitzen auf. »Verflucht! Wir hätten diesem Zivilisten keinesfalls so freie Hand lassen dürfen.«

    Nervös trommelt er mit den Fingern auf der Platte herum. Sein Boss McNeill hat ihm den Auftrag gegeben, im Institut eine Neustrukturierung aufzubauen. Nur wenige Wochen ist er erst da und schon gibt es ein Problem.

    Trotzdem ist der Ex-CIA-Agent siegesgewiss. Er vertraut seinem Spürsinn bei kritischen Situationen, was ihm immerhin eine Elitekarriere bei der DRANO eingebracht hat. Er fühlt sich als Militärexperte, dennoch bildet er sich ein, auch ein Kenner der Materie zu sein, die in diesem Ort erforscht wird. Vor ein paar Tagen erst hat er mit Talagita eine heftige Diskussion über die künftige Ausrichtung der Chipforschung geführt, ohne die geringste Ahnung zu haben, was im Labor an wissenschaftlicher Arbeit geschieht. Hinterher argwöhnte er, die Teamarbeit mit dem Starprofessor könnte unter einem schlechten Stern stehen. Nun ist er abgehauen und Moores düstere Prognosen scheinen Wahrheit geworden zu sein.

    Um die Qualitäten des flüchtigen Professors weiß Moore. Niemand in der Branche hat seine Publikationen übersehen. Er war mehr zu leisten im Stande, als die meisten auf seinem Gebiet, das zeigte klar der Entwicklungsprozess des Züricher Unternehmens. Und dann gab es da auch noch seine Frau, die Neurochirurgin. Moore vermutet jedoch, dass Katharina nur deshalb im Projekt mitarbeitet, weil ihr Mann darauf bestanden hat.

    Und noch etwas beunruhigt ihn: Vor zwei Tagen steckte ihm sein Boss aus dem Pentagon eine geheime Botschaft zu. Die signalisierte ihm, in der Zeit, als Talagita in Kalifornien an der Stanford-Universität in Palo Alto wirkte, hätten sich einige Freundschaften mit Chinesen ergeben. Diese studierten dort Neurowissenschaften. Angeblich sitzt jetzt einer dieser Herren in Peking und berät die chinesische Regierung im Bereich militärischer Wissenschaft.

    Angesichts solch alarmierender Informationen beschleicht Moore ein mulmiges Gefühl. Eine Allianz zwischen Talagita und den Chinesen würde alles zunichtemachen. Forschungsstillstand dürfe es nicht geben, hat ihm sein Auftraggeber Richard McNeill übermittelt. Er definierte klar seine Aufgabe: Der Chip fürs Militär müsse ohne Umwege fertiggestellt werden. Je länger es dauern würde, umso größer die Gefahr, dass Resultate konkurrierender Forscher, egal wo auf dieser Welt, früher auf den Markt kommen.

    »Eine Verbindung zu den Chinesen wäre für unsere Armee so etwas wie ein Worst Case Scenario – eine Katastrophe«, sagt Moore zu seinen Gehilfen. »Das können wir uns nicht leisten, dazu ist die Geheimhaltungsstufe zu hoch.«

    Burton und Brooks sitzen noch immer schweigend an der Längsseite des Tisches, genauso glatzköpfig wie ihr Wortführer. Ihre Gesichtszüge und ihr kompakter Körperbau lassen erahnen, mit ihnen ist nicht zu spaßen.

    Es klopft kräftig an der Tür. Im nächsten Augenblick betritt Katharina Talagita den Raum. Gefällig grüßt sie: »Hallo, wie geht‘s euch?«

    Gegen seinen Willen ist Tom Moore ein weiteres Mal von der Erscheinung der Professorin beeindruckt – Autorität gepaart mit Eleganz. Hochgewachsen, schlank, lange blonde Haare. Beim Make-up wurde wenig dem Zufall überlassen.

    Mit dem eleganten Schritt einer Grande Dame steuert sie auf die drei Agenten zu. Ihr weißer Kittel unterstreicht ihre weiblichen Formen eher, als dass er sie bedeckt. Schutzkittel ist vermutlich nicht das geeignete Wort für dieses Stück Stoff, geht es Moore durch den Kopf. Katharina setzt sich an den Tisch. Listig blitzen ihre grünblauen Augen auf. Über ihr makelloses Gesicht huscht ein überlegenes Lächeln.

    Sie hat sich im Vorfeld der Unterredung genau überlegt, wie sie diese Typen ausschalten kann. Trickreich muss sie vorgehen, mit ihren eigenen Waffen will Katharina ihnen begegnen, mit Arroganz und Einschüchterung. Im Stillen ärgert sie sich noch immer, dass ihr Richard diese stupiden Bewacher auf den Hals gehetzt hat, obwohl er ihr den Vorsitz im Institut versprochen hat.

    Sofort kommt Moore zur Sache: »Mark ist nicht auffindbar! Sein Mobiltelefon ist tot. Kannst du das vielleicht erklären?«

    »Woher soll ich das wissen? Als ich am Samstagmorgen ins Labor gefahren bin, war er zu Hause. Als ich abends zurückkam, war er weg.«

    »Er ist desertiert.«

    Ein verächtliches Grinsen zieht über ihre Lippen. Gespielt gleichgültig zuckt sie mit den Schultern: »Das glaube ich nicht. Desertieren ist ein Wort, das weder zu seinem Stil passt, noch zutreffend ist. Mit Militärischem hatte er immer seine Probleme. Er hat seine Koffer gepackt, wenn es das ist, was du meinst. Seit dem Gespräch mit dir letzte Woche steckte er in einer Krise.«

    »Was hat er dir erzählt?«

    »Warum musstest du ihm verraten, dass unsere Forschungen nicht nur für neurologische Patienten, sondern auch fürs Militär relevant sind? Das war dumm! Es brachte ihn völlig aus dem Gleichgewicht und gefährdet nun das gesamte Projekt.«

    »Quatsch«, reagiert Moore bissig. Er ist sich keiner Schuld bewusst und glaubt, genügend Rückhalt von McNeill aus dem Pentagon zu besitzen. Katharina scheint seine Gedanken lesen zu können, für sie gibt es keine

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