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Die Macht der Engel
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eBook240 Seiten3 Stunden

Die Macht der Engel

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Über dieses E-Book

„Unsere Seele kennt eine Vergangenheit, die wir vergessen haben. Eine zweite Chance gibt uns die Möglichkeit zu zeigen, dass wir uns auf dem rechten Weg befinden.
Die Schatten deiner Vergangenheit drohen dich einzuholen. Finde sie, bevor sie dich finden!“
So lautet der einzige Hinweis, den Erzengel Raphael dem noch jungen Engel Isai mit auf seinen Weg gibt, als er ihn auf die Erde schickt. Isai versteht nicht und hat auch von der Macht der Engel bisher nie etwas gehört. Doch auf seiner Reise findet er Antworten auf seine Fragen und enthüllt ein dunkles Geheimnis, das seine eigene Vergangenheit betrifft.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum7. Juli 2016
ISBN9783741258794
Die Macht der Engel
Autor

Diana Petersen

Diana Petersen wurde 1990 als zweites von drei Mädchen in Flensburg geboren. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Tanzlehrerin und arbeitet seither in diesem Beruf. Nebenbei schreibt sie Kurzgeschichten und Romane. Ihr erster Roman "Mein Kind" erschien im September 2015.

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    Buchvorschau

    Die Macht der Engel - Diana Petersen

    Für meine Schwester Hanna

    Inhaltsverzeichnis

    Im Marmorpalast

    Ivy

    Gestrandet

    Himmel und Herz

    Bedrucktes Papier

    Gepetto

    Die unendliche Geschichte

    Venedig

    Die Schatten des Vatikan

    Albergo Sole

    Nacht

    Über die Unsterblichkeit Teil I

    Auf dem Markusplatz

    Erklärung und Antwort

    Antonia

    Über die Unsterblichkeit Teil II

    Im Bus durch Italien

    Abgebrannt

    Der Rote

    Sagen und Märchen

    Der Unsterbliche und sein Schatten

    Nachricht von oben

    Tapfere Naima

    Samuel Goodale

    In den Armen eines Engels

    Erklärungen

    Die Macht der Engel

    Über die Unsterblichkeit Teil III

    Enrica

    Im Vatikan

    Über die Unsterblichkeit Teil IV

    Die Rezeptur zur Konservierung zerrissener Seelen

    Michael Araboth

    Enzo

    Der Kampf

    Isais Entscheidung

    Endlich

    Im Marmorpalast

    Es war eine Nacht im Juli. Im Marmorpalast war es still. Nur wenn man ganz leise war und angestrengt lauschte, hörte man doch etwas - Das leise Platschen nackter Füße auf Marmor. Isai musste sich beeilen. Er verstand nicht, was geschehen war. War überhaupt etwas passiert? Es musste sich etwas zugetragen haben, etwas Furchtbares. Warum sonst sollte Raphael ihn, Isai, vor den Rat der Engel zitieren? Was hatte Isai getan? - Er wusste es nicht.

    Er rannte durch die langen Gänge des Palastes, bis seine Lungen brannten. Er hatte Angst. Er hätte nicht sagen können wovor, doch sie war da. Ein unbekanntes Gefühl. Sie schnürte ihm die Kehle zu, benetzte seine Handflächen mit kaltem Schweiß. Isai wurde schneller. Seine Füße taten weh, doch er achtete nicht darauf. Er rannte an den marmornen Säulen vorbei, die bis zur Decke reichten. Sie waren so hoch, dass man schon hätte fliegen müssen, um sie berühren zu können. Zwischen den Säulen standen Engelsskulpturen aus Marmor.

    Sie zeigen die größten Engel der Vergangenheit, hatte man Isai einmal erzählt. All diejenigen, die Großes getan haben.

    „Großes?", hatte Isai damals ehrfurchtsvoll geflüstert.

    „Ja, Großes. Gutes wie Schlechtes", hatte die Antwort gelautet. Das hatte Isai ins Grübeln gebracht. Auch die Engel, die Schlechtes getan hatten, waren verewigt worden? Großes hatten sie getan, Schreckliches, aber Großes. Warum man auch diese Engel verehrte, indem man sie in Stein haute, konnte Isai sich nicht erklären.

    Du verstehst so vieles nicht.

    Das spärliche Licht der hohen Kerzen, die zu beiden Seiten im Korridor standen, warf unheimliche Schatten auf die Gesichter der Statuen. Die Kerzen waren teilweise schon sehr weit heruntergebrannt, aber dennoch, oder vielleicht auch gerade deshalb, wirkten die Engelsstatuen bedrohlich groß. In dieser Nacht wurde Isai zum ersten Mal bewusst, wie groß sie wirklich waren, und ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken.

    Eine besonders muskulöse Statue mit hochmütigem Gesicht, schien ihn direkt anzusehen. Isai war sie nie aufgefallen. Er wusste auch nicht wen sie darstellte, und es war ihm in diesem Moment auch egal. Er beschleunigte seine Schritte. Die Flammen der Kerzen flackerten auf, als er vorbeilief, und heißes Wachs tropfte auf den kühlen Marmorboden.

    Dann regte sich etwas im Schatten vor ihm. Erschrocken blieb Isai stehen.

    Hast du Angst, Isai?

    Sein Herz klopfte hart gegen seine Brust. Eine Gestalt trat aus der Dunkelheit heraus ins Licht der Kerzen, und Isai erkannte Jesus.

    „Warum erschreckst du mich so?, Isai schnappte empört nach Luft. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen, als versuchte es seinen Brustkorb zu sprengen. „Was machst du hier?, fuhr er seinen besten Freund an, „und wieso versteckst du dich?"

    „Ich will nicht, dass man uns zusammen sieht!", antwortete Jesus mit einem gehässigen Grinsen auf den Lippen. Er packte Isais Arm und zog ihn grob in den schützenden Schatten zweier Statuen.

    „Weißt du Bescheid?", raunte er in die Dunkelheit, ohne Isais Arm loszulassen, „Ich meine... weißt du was jetzt passiert? Warum...?

    Weißt du über die Geschichte Bescheid?"

    Ja – weißt du Bescheid über die Geschichte, Isai?

    Beinahe hätte Isai über das Gestammel seines Freundes gelächelt. Das war so gar nicht Jesus´ Art.

    „Welche Geschichte? Wovon redest du?", entgegnete Isai wütend und versuchte seinen Arm loszureißen, aber Jesus´ Hand zog sich wie ein Schraubstock nur noch fester.

    „Du weißt es also nicht, stellte Jesus fest, „ich stehe immer hinter dir, versprochen. Aber da musst du jetzt wohl alleine durch, Kumpel.

    „Was soll das, Jesus? Wenn du mir helfen willst, dann sag mir wovon du da redest", begann Isai, doch sein Gegenüber hörte nicht zu, blickte nur nervös den langen Korridor hinunter.

    Warum so verunsichert?

    Isai meinte in Jesus´ Augen ein erregtes Blitzen zu entdecken, als dieser sich ihm wieder zuwandte. „Sie werden dich runterschicken, für die Zweite Chance."

    Isai konnte in der Dunkelheit nur die Umrisse seines Freundes ausmachen, doch meinte er zu wissen, dass dieser alles für einen aufregenden Scherz hielt. Außerdem drückte Jesus seinen Arm jetzt so fest, dass es weh tat.

    „Jesus, bitte, wovon redest du?", sagte Isai mit zittriger Stimme, bevor Jesus weitersprechen konnte. Isai war sich nicht sicher, ob Jesus sich nicht gerade einen Scherz mit ihm erlaubte. Er kannte ihn doch so gut, wieso war er sich jetzt nicht sicher? Kaum einmal hatte Jesus etwas wirklich ernst genommen. Warum ging er so leichtfertig durch das Leben? Vielleicht, so dachte Isai, gab es etwas in Jesus Vergangenheit von dem er seinem Freund nichts erzählt hatte. Etwas, dass ihn geprägt hatte, sogar abgestumpft gegen den Ernst der Welt.

    „Das kann ich dir nicht sagen, die Enttäuschung in Jesus´ Stimme war deutlich herauszuhören. Sie war echt. Endlich ließ er Isais Arm los. „Du wirst es schon noch verstehen..., er wandte sich ab und ließ Isai allein in der Dunkelheit stehen.

    Wie meint er das? Was wirst du verstehen, Isai?

    Er rieb sich seinen schmerzenden Arm und lauschte dem leisen Platschen von Jesus´ Füßen, das sich allmählich immer weiter entfernte und schließlich verstummte.

    Wovon hatte Jesus da nur gesprochen? Was für eine Geschichte hatte er gemeint?

    Es war nicht mehr weit zu dem Saal, in dem Raphael bereits auf Isai wartete.

    Isai atmete einmal tief ein und ging dann mit schnellen Schritten die letzten Meter bis zu der großen Tür, hinter der Raphael saß und ungeduldig wartend die Türklinke anstarrte. Isai konnte seinen Blick spüren. Raphael konnte ihn sehen, auch wenn er auf der anderen Seite der vertäfelten Tür saß. Isai hob gerade seinen Arm um anzuklopfen, als Raphael von drinnen mit kalter Stimme rief, er solle eintreten. Isai drückte gegen die schwere Tür und diese schwang nach innen auf und gewährte ihm Eintritt. Zögernd tat er einen Schritt in den großen Saal. Tische und Stühle standen an Wänden, die über und über mit Karten bedeckt waren. Karten, Zeichnungen. Es waren Landkarten, von Hand gezeichnet, die alle einen anderen Ort der Erde zeigten. Der Fußboden war – natürlich - aus Marmor und an einem langen Holztisch am anderen Ende des Saals, saßen im Schein hunderter von Kerzen, wie sie auch in den Korridoren standen, Raphael und eine Schar weiterer Engel, die unter Raphaels Führung den Vorstand des Marmorpalastes und der ganzen Stadt der Engel bildeten. Der Vorstand entschied, wie die Dinge zu laufen hatten, und achtete streng, aber gerecht darauf, dass alles seine Ordnung hatte. Es waren allesamt Männer. Keine gewöhnlichen wie du sie kennst, es waren geflügelte und weisere Männer als die, die auf der Erde leben. Sie waren Engel, trugen lange Gewänder und einen Bart. Dieser war grau oder weiß, bei einigen jüngeren noch braun oder schwarz. Raphael, der wohl älteste und weiseste Engel unserer und vieler vergangener Zeiten, war der einzige der keinen Bart trug. Sein Gesicht war runzelig, wie das eines alten Mannes, auch wenn er älter war, als viele der Ältesten auf Erden. Sein Antlitz schien gezeichnet von all den Erlebnissen, die die Jahrhunderte mit sich gebracht hatten, und die an ihm genagt hatten, wie nur die Zeit es vermag. Eine lange Narbe zierte seine rechte Wange. Isai und Jesus hatten sich oft gefragt, wie Raphael sich eine solche Verletzung zugezogen haben konnte. Sie kannten keinen anderen Geflügelten, den eine Narbe verunstaltete. Isai fand, dass Raphaels Gesicht etwas Faszinierendes hatte. Das helle Mal machte ihn noch geheimnisvoller, als er es ohnehin schon war.

    Nein – Narben passen nicht zu Engeln. Sie sind menschlich!

    Es gab Einzelne, die wussten woher Raphaels Narbe stammte, aber keiner von ihnen verlor je ein Wort darüber.

    Ein Gefühl riss Isai aus seinen Gedanken. Er konnte fühlen, wie Raphael ihn musterte, von oben herab.

    „Nicht so schüchtern, Isai, tritt näher", forderte Raphael ihn mit einer herrischen Handbewegung auf. Seine Stimme war kalt und klar wie Eiskristall. Auch wenn von seinen Augen etwas erstaunlich Warmes ausging, fröstelte Isai beim Klang dieser Stimme. Er wusste nicht, ob er Raphael besonders leiden konnte.

    Wahrscheinlich nicht. Niemand mag seine Feinde.

    Isai trat bis vor den großen Tisch und schaute die schweigenden Engel hilfesuchend an. Er hoffte, dass sie in seinen Augen die Unschuld entdecken würden, die in ihm steckte. Hoffte, dass sie verstanden, dass er nicht wusste, was geschehen war und nichts getan hatte, was man ihm nun vorwerfen konnte. Doch vielleicht zweifelte er selbst schon daran, dass er unschuldig war.

    „Es gibt noch keine Erklärungen, Isai", sagte Raphael mit einer Stimme, die sich anhörte, als trete man in dichten Schnee. Ein eisiges Knirschen schien darin enthalten. Das, und ein kalter Wind, der sie überall dahin trug, wo sie gehört werden sollte, dachte Isai.

    „Ehrlich gesagt, waren wir uns nicht ganz einig darüber, ob es für dich wirklich der richtige Zeitpunkt ist, fuhr Raphael mit bedauerndem Blick auf Isai fort, „einige von uns befürchten, dass du dem nicht gewachsen bist.

    Der richtige Zeitpunkt wofür?

    Isai wollte etwas erwidern, wusste jedoch nicht, was die richtigen Worte waren. Was konnte er sagen? Er hatte doch nicht die leiseste Ahnung wovon alle plötzlich redeten. Er hatte das ungute Gefühl etwas nicht mitbekommen zu haben, wovon er eigentlich Bescheid wissen müsste. Schließlich beließ er es bei einem kaum vernehmbaren Kopfnicken. Betreten schaute er zu Boden, von wo aus eine ungemütliche Kälte in seine nackten Füße kroch.

    Alle wissen es, nur du nicht, Isai.

    Durch das einzige Fenster im Raum, hinter dem Rücken des Vorstandes, vielen die ersten Sonnenstrahlen in den Saal, und warfen bunte Muster auf die Engel herab. Bunt, wie das gläserne Mosaik, dass eine Szene der Bibel zeigte, und vielmehr ein Kunstwerk, als ein Fenster sein wollte.

    „In Ordnung", sagte Raphael. Er suchte Isais Blick. Isai spürte es, doch er starrte nur auf seine frierenden Füße. Er wollte ihn nicht ansehen. Wollte die Autorität in seinen Augen nicht sehen, das Wissen in seinem alten Gesicht.

    Ein Raunen ging durch die Schar der Engel, als Raphael aufstand und an den hohen Wänden entlang schritt. Er hatte sehr große Flügel. Viel größer als die von Isai. Die von Raphael reichten bis zum Boden. Er hatte etwas majestätisches, wie er da so durch den Saal schritt, in seinem weißen Gewand - weiß wie die Wolken am Himmel - das ebenfalls bis auf den Boden reichte. Raphael musterte die Karten an der Wand. Isai hätte nicht einmal sagen können, welche Farbe die Wände unter all den Karten hatten, so über und über waren sie von Darstellungen fremder Landschaften bedeckt.

    Isai spürte, dass Raphael ihn weiterhin musterte, obwohl sein Blick die Wand abtastete, als würde er nach etwas suchen. Wie sehr Isai diesen Blick hasste. Man spürte ihn so offensichtlich, und doch war er so gut versteckt, dass kein Auge ihn sah. Nur Engel können diese Blicke spüren, Menschen nicht.

    „Du wirst nach unten gehen", sagte Raphael schließlich. Isai hielt es nicht für nötig zu antworten. Was hätte er auch sagen sollen? Raphael würde ihm nichts erklären. Nicht einmal Jesus hatte es getan.

    Niemand wird dir etwas erklären!

    Bei diesem Gedanken bohrte sich ihm eine kleine Nadel ins Herz. Jesus - Er war nicht Jesus, er hieß nur so. Er war weder ein Heiler noch ein besonders kluger Mann. Wenn Isai so genau darüber nachdachte, war Jesus immer ein ziemlicher Störenfried gewesen. Er hatte nie etwas Böses im Sinn, aber er brachte sich dauernd in Schwierigkeiten.

    Trotz alledem war er immerhin Isais bester Freund.

    Verräter haben keine Freunde.

    Isai versuchte seine Füße zu wärmen, indem er den einen auf die kalten Zehen des anderen stellte. Er nahm die Berührung kaum war.

    Raphael schien schließlich gefunden zu haben, wonach er gesucht hatte, denn er riss eine Karte von der Wand, unter der himmelblauer Putz zum Vorschein kam, und trat mit zügigen Schritten auf Isai zu. Erschrocken blickte er zu Raphael auf, als dieser vor ihm stehen blieb und ihm die leere Hand entgegenstreckte. Er bedeutete ihm, die seine hineinzulegen. Nach einem kurzen Zögern und einem verständnislosen Blick auf Raphael, tat Isai unsicher, was man von ihm verlangte.

    Da erhob sich ein weiteres Vorstandsmitglied vom Tisch. „Herr, sprach er mit unsicherer Stimme, „ich denke nicht, dass es richtig ist Isai wegzuschicken.

    Raphael lies Isais Hand los und wandte sich um. Alle Blicke waren auf den sprechenden Engel gerichtet. Niemand sonst hätte es gewagt, in der Gegenwart des Erzengels unaufgefordert zu sprechen. Der Mutige - oder vielleicht auch Törichte - war nicht sehr alt, nicht sehr jung, jedoch war sein Rücken gebeugt und sein Blick starr, wie der eines alten Mannes. Nervös rang er seine Hände. Dennoch konnte Raphaels missbilligende Miene ihn nicht davon abhalten weiterzusprechen. „Der Junge wird es nicht schaffen! Denkt doch nur an damals... Ich habe ihn und seinen Freund schon lange im Auge. Isai hat sich im Grunde nicht geändert!" Er brach ab, als Raphael vielsagend eine Augenbraue hob.

    „Sprich weiter", forderte dieser ihn auf und verschränkte geduldig die Arme vor der Brust. Diese Geste hatte nichts herablassendes oder überlegenes, eher tat sie Raphaels Belustigung kund.

    „Nun ja, ich glaube nicht, dass Isai im Stande ist, allem zu einem guten Ende zu verhelfen. Er hat versagt, ich denke..."

    „Inwiefern habe ich versagt?, entrüstete sich Isai, der nun nicht mehr innehalten konnte. „Was soll ich denn getan haben?

    Der Engel im Vorstand stützte sich mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte vor ihm. „Es ist zu Ernst, als dass du es wieder richten könntest!" - Er war noch nicht fertig, machte nur eine kurze Pause um Luft zu holen, doch Raphael schnitt ihm mit einem Kopfnicken das bereits auf der Zunge liegende Wort ab.

    „Verzeiht wenn ich Euch unterbreche, Kosam."

    „Oh nein, Herr, ich wollte nicht zu forsch erscheinen.

    Entschuldigt", entgegnete Kosam und sackte kaum merklich in sich zusammen.

    „Jeder, fuhr der Erzengel mit einem schweifenden Blick, der jeden einzelnen im Saal streifte, fort „jeder hat eine zweite Chance verdient. Ich denke, daran muss ich euch nicht erinnern.

    So wie er diese Worte sagte, klangen sie, als würde er mehr sagen wollen. Er tat es jedoch nicht.

    Hast du es verstanden, Isai? Er hat von dir gesprochen!

    Der Erzengel blickte erneut zu Isai. Raphaels warme Augen schienen ihn zu durchleuchten, zu hypnotisieren. Er konnte einfach nicht wegsehen, so sehr er es auch versuchte. Der Schein der Sonne schien in ihnen eingefangen zu sein, so warm waren sie.

    Als der alte Engel Isai in die Augen sah, füllte sich sein Herz plötzlich mit einer wohltuenden Wärme. Raphael schien nicht ihn anzusehen, sondern ihm direkt ins Herz zu blicken.

    Es ist wie das Mosaik, man muss es

    durchleuchten, um klare Linien zu erkennen.

    Konnte Raphael sie sehen? Wie konnte jemand, mit einem solchen Blick überhaupt irgendetwas Böses in ihm oder irgendeinem anderen sehen?

    Raphaels Augen und seine Stimme wollten nicht so recht zu einander passen, sie ließen ihn unnatürlich, ja direkt unheimlich wirken. Seit einigen Minuten jedoch, befand Isai die ganze Welt als unheimlich. Sich selbst eingeschlossen. Er war sich nicht mehr sicher, wer er genau war, was er wusste und was nicht, was er je getan hatte... Ihm war zum Heulen zu Mute.

    Raphael griff ein zweites Mal nach Isais Hand. Dieser hörte, wie der Erzengel die Karte in seiner linken Hand zusammenknüllte, während er mit der Rechten fester zupackte.

    „Ich weiß, dass du es schaffen wirst", sagte er aufrichtig und blinzelte.

    Was meint er, Isai? Wovon reden sie alle?

    Das Band, das Isai an Raphaels warmen Blick gefesselt hatte riss, und es gelang ihm endlich wegzusehen. Er starrte auf seine Hand, die von Raphael fast zerdrückt wurde, wie sein Arm einige Minuten zuvor von Jesus. Angst schlich sich in Isais Brust, vertrieb all die Wärme, die eben noch in ihr geruht hatte, und nistete sich dort ein wie ein wildes Tier. Er war gespannt auf das, was passieren würde und hatte gleichzeitig schreckliche Angst davor.

    „Wir sehen uns wieder, wenn alles vorbei ist", sagte Raphael und klang dabei beinahe besorgt. Er drückte Isai mit einer schnellen Bewegung die zerknüllte Karte in die Hand.

    Ein stechender Schmerz schnitt in dessen Kopf und ein Brennen, so heiß wie Feuer, breitete sich zwischen seinen Schulterblättern aus. Er versuchte gegen die Ohnmacht anzukämpfen, die sich wie dunkler Nebel immer weiter in seinem Kopf ausbreitete. Er konnte an nichts anderes mehr denken als an seine Schmerzen. Er krümmte sich, fiel auf die Knie, versuchte das zerknüllte Stück

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