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Rushwa: Roman
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eBook397 Seiten5 Stunden

Rushwa: Roman

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Über dieses E-Book

Rushwa heißt Korruption. Aber das weiß der Eisenbahnexperte Paul Mansfeld noch nicht, als er von einer deutschen Consultingfirma überraschend einen lukrativen Auftrag für Tansania bekommt. Er soll ein Projekt leiten, das ein Konzept zur Rehabilitation der Bahnlinie vom Indischen Ozean zum Tanganjikasee erarbeitet. Nach Ankunft in Daressalam wird ihm klar, dass bei der Auftragsvergabe Bestechung im Spiel gewesen ist. Gleichzeitig erfährt er, dass die deutsche Staatsanwaltschaft gegen diese Firma wegen Korruption ermittelt.
Seine Weigerung bei der Korruption mitzumachen, bringt ihn in immer größere Schwierigkeiten. Als er einen tansanischen Parlamentsabgeordneten kennen lernt, stellen sie gemeinsam Ermittlungen an. Dabei finden sie heraus, dass auch im Bau- und im Bergbausektor dubiose Geschäfte gemacht und über Konten in der Schweiz abgewickelt werden. In dieser Zeit lernt Paul Mansfeld die Hotelmanagerin Vivien Chimagu kennen, der er in der schwierigen Situation näher kommt.
In diesem spannenden Wirtschaftskrimi geht es um Korruption in Ostafrika.
Die Verbindungen reichen bis zu einer Bank am Genfer See. Ein Whistleblower deckt auf, dass dort Millionen Dollar aus Afrika versteckt sind. In der Story wird ein Stück deutscher Kolonialgeschichte lebendig. Denn bei dem Eisenbahnprojekt handelt es sich um die Strecke, die vor über hundert Jahren unter Deutscher Kolonialzeit von der Küste zum Tanganjikasee gebaut wurde.
Tansania - ein "Löwenstaat" auf dem Sprung? In der Millionenstadt Daressalam am Indischen Ozean schießen die Hochhäuser in den Himmel. Immer mehr Autos verstopfen die Straßen. Tansania verfügt über reiche Vorkommen an Gold, Tanzanite, Diamanten und Erdgas, die ausländische Investoren ins Land locken. Ganz vorne weg die Chinesen. Es geht um Millionen und Milliarden
Dollar. Die Banken boomen. Nach Jahrzehnten des Stillstands verzeichnet Tansania enorme Wachstumsraten, hat aber riesige Entwicklungsprobleme: Armut und Krankheit, größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, Magie und Hexenglaube. Doch Tansania ist eines der wenigen demokratischen Länder in Afrika. Tansania hat Touristen viel zu bieten: Safaris in die Tierparks,
Nationalparks, Serengeti, Wildreservat Selous, Massais in der Steppe, Sansibar, Palmen, weiße Sandstrände am blauen Ozean, Mount Meru, Trekking am schneebedeckten Kilimanjaro. Der Roman ist eine spannende und zugleich lehrreiche Lektüre zur Wirtschaft, Kultur, Sprache und Politik Tansanias.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Aug. 2016
ISBN9783741245886
Rushwa: Roman
Autor

Helmut Zell

Helmut Zell, 1952, Engineer, Ph.D. in Economics, first stay in Tanzania as volunteer end of the 70th, research for his dissertation in 80th. Before retirement he worked as Senior Expert in the project Private Sector Participation for President's Office, Public Service Management in Dar es Salam. He lives in Remagen, Germany.

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    Buchvorschau

    Rushwa - Helmut Zell

    Dieser Roman beruht auf den Erfahrungen des Autors in Tansania und Afrika. Die Ereignisse haben so nicht stattgefunden, auch sind die Personen frei erfunden. Die Geschichte ist also fiktiv, allerdings hätte sie so oder ähnlich geschehen können.

    Der Autor

    Helmut Zell, geboren 1952, Diplom-Ingenieur, promovierter Volkswirt, erster Aufenthalt in Tansania als Entwicklungshelfer Ende der 70er Jahre, in den 80er Jahren Forschungsaufenthalt in Tansania für eine Dissertation zur industriellen Entwicklung des Landes, später als Senior Expert in dem von Weltbank und internationalen Donors finanzierten Projekt ‘Private Sector Participation‘ für das President's Office, Public Service Management in Daressalam. Er lebt jetzt als freier Autor in Remagen.

    Rushwa heißt Korruption

    ku-ruka - to jump; fly

    ku-rusha - to throw

    rushwa(-) - a bribe

    ku-kula rushwa - to take bribes

    Swahili Dictionary, London 1965

    Inhalt

    2. September 2013 – 16. September 2013. Ein schneller Start

    23. September 2013 – 21. Oktober 2013. Eine unbezahlte Rechnung

    23. Oktober 2013 – 21. Dezember 2013. Verdrängung

    9. Januar 2014 – 28. Februar 2014. Ein Ultimatum

    11. März 2014 – 22. März 2014. Im Versteck in Mwenge

    25. März 2014 – 25. April 2014. Kampfpositionen

    27. April 2014 – 16. Mai 2014. Millionen Dollar in der Schweiz

    17. Mai 2014 – 24. Mai 2014. Flucht in den Norden

    26. Mai 2014 – 20. Juni 2014. Die Konferenz

    Glossar

    Für meine Eltern in Dankbarkeit

    2. September 2013 – 16. September 2013.

    Ein schneller Start

    Paul erwachte. Mit einem Ruck fuhr er hoch. Der Digitalwecker neben ihm zeigte sechs Uhr. Die Morgendämmerung drang schwach durch den dicken braunen Vorhang. Der Verkehrslärm war deutlich zu hören. Auf der nahen Kreuzung bremsten in regelmäßigen Abständen Fahrzeuge und fuhren wieder an. Gerade kam ein Bus mit einem lauten Quietschen zum Halt. Die letzten Erinnerungen an seinen Traum verblassten. Plötzlich fiel ihm ein, dass er heute nach Tansania fliegen würde. Ein freudiges Gefühl stieg in ihm auf, das aber schnell durch zahlreiche Bedenken gedämpft wurde.

    Die Reise würde auch ein zeitweiliger Abschied von Katrin sein. War sie vielleicht schon wach? Vorsichtig beugte er sich zu ihr rüber. Sie schlief noch fest, tief eingegraben in ihrem Kissen. Ganz friedlich lag sie da, ihr Atem ging ruhig und kaum hörbar. Er beneidete Katrin um die Fähigkeit, abends schnell einzuschlafen, durchzuschlafen und morgens ausgeruht zu erwachen. Der gestrige Abend kam ihm in den Kopf. Katrin hatte sich mit dem Abschiedsessen viel Mühe gegeben. Doch dann hatte sie angefangen, die gemeinsame Zukunft zu planen und ihn über seine Vorstellungen zu befragen. Dieses Thema mochte er nicht. Es war doch alles gut so; warum sollte es nicht so bleiben. Wenn er einen seiner Aufträge hatte, war er über Monate weg. Doch zwischendurch lebten sie zusammen. Und regelmäßig telefonierten sie miteinander. Das war doch gut so. Viele andere Paare sahen sich noch seltener und hatten trotzdem eine für beide Seiten zufrieden stellende Beziehung. Das Gespräch hatte wieder einmal einen disharmonischen Verlauf genommen. Jetzt erschien ihm die bevorstehende Reise als Lichtblick. Als internationaler Consultant im Eisenbahnwesen wurde er zu bestimmten Zeiten bestürmt mit Aufträgen. Zu anderen Zeiten war Flaute. Eine solche Flaute ging heute zu Ende. Vor drei Monaten war er von einem Arbeitseinsatz aus Schanghai zurück gekehrt. Seither war er untätig in der Wohnung herum gesessen. All seine Bemühungen um einen Folgeauftrag waren erfolglos geblieben. Dann war plötzlich der Anruf von GermanRail-Consult gekommen, einem international tätigen Consulting-Unternehmen mit Sitz in Berlin. Ein sechsmonatiger Auftrag für Tansania, Beginn möglichst schon vorgestern. Einige Tage später hatte er im Büro bei Direktor Dr. Ernst Ziegler in der alten Villa in Berlin-Zehlendorf gesessen, vor ihm ein Blick durch das Fenster auf eine herbstlich gefärbte Baumreihe und dahinter der See Krumme Lanke. Dr. Ziegler hatte ihm erzählt, dass der bisherige Projektleiter plötzlich ausgeschieden sei und das Projekt deshalb unter hohem Zeitdruck stünde. Für Paul hatte sich dies positiv auf die Höhe des Honorars ausgewirkt und er hatte spontan zugesagt.

    Seit sechs Jahren waren Katrin und er zusammen, mit Höhen und Tiefen. Katrin wollte ihre Beziehung nun in festere Bahnen lenken. Sie wollte Kinder, er nicht. Sie wollte heiraten, er nicht. Mit seinen achtundvierzig Jahren fühlte sich Paul dafür zu alt. Vielleicht war es auch nicht das Alter. Vielleicht wollte er einfach keine Änderung. Er liebte Katrin, doch er liebte auch seine Ungebundenheit. Er hatte einen Hang zur Unentschlossenheit und vermied schwerwiegende Entscheidungen. Zum Glück waren diese Gespräche für die nächsten Monate vorbei.

    Paul schlich sich aus dem Bett, duschte und zog sich an. Als er sich im Wandspiegel betrachtete, war er mit sich und seinem Aussehen zufrieden. Mit achtundvierzig sah er immer noch sehr jugendlich aus. Sein dunkelblondes, leicht gewelltes Haar zeigte nur an den Schläfen graue Strähnen. Seine Jugendlichkeit zeigte er bei der Wahl seiner Kleidung. Am liebsten trug er hellblaue Jeans und dazu schlichte kleinkariert-gemusterte Baumwollhemden. So auch für die heutige Reise. Für modische Trends interessierte er sich nicht, aber er achtete sehr auf geschmackvolle Kleidung.

    In der Küche setzte er die Kaffeemaschine in Gang. Essen wollte er nur eine Kleinigkeit. Verschlafen kam Katrin durch die Tür. Mit einem Seufzer ließ sie sich auf die hölzerne Küchenbank sinken und schenkte sich auch eine Tasse Kaffee ein. Katrin war achtunddreißig, aber heute Morgen sah sie älter aus. Ihr Gesicht mit den hohen Wangenknochen wirkte blass und zerknittert, die Gesichtsfarbe fleckig. Sie hatte sich noch nicht geschminkt. In den Augenwinkeln sah man viele zarte Falten. Ihre kurzgeschnittenen blonden Haare waren zerzaust und strähnig. Ihre schlanke Figur war das Ergebnis disziplinierter Ernährung und vieler anstrengender Trainingsstunden im Fitness-Studio. Man sah ihr den Stress und die Anstrengung der vergangenen Monate an. Katrin war ehrgeizig. Sie verdiente gutes Geld und wollte in ihrer Agentur für Internetwerbung weiter vorankommen.

    »Du, ich muss aber gleich los«, sagte sie jetzt drängend. »Wir haben heute Morgen ein irre wichtiges Meeting mit unserem Hauptkunden.«

    Die Verabschiedung verlief kühl.

    ***

    Als Paul nun allein vor seiner lauwarm gewordenen Tasse Kaffee saß und überlegte, was er auf jeden Fall noch einpacken müsste, fädelte Katrin ihr Auto in den dichten Berufsverkehr auf der Stadtautobahn ein. Soweit sie sehen konnte, kamen die Autos zum Stehen. Stau. Manchmal schaffte sie den Weg mit dem Auto in dreißig Minuten. Heute war nicht so ein Tag. Sie würde zum Meeting zu spät kommen. Diese ewigen Staus – sie ärgerte sich über sich. Warum war sie auch mit dem Auto gefahren? Mit der U-Bahn wäre sie pünktlich gewesen. Doch schon der Aufenthalt an den Bahnsteigen und Haltestellen bereitete ihr Unbehagen. Noch schlimmer war für sie das Gedränge in den Abteilen, das Gefühl des Eingesperrtseins, die Geräusche und die Gerüche der Fahrgäste.

    Sie war bedrückt. Einen schönen letzten Abend mit Paul hatte sie sich gewünscht. Aber wieder war es schief gegangen. Eigentlich hatte sie die Sache mit ihm schon aufgegeben. Seit Jahren ging das schon so mit seinen langen Auslandseinsätzen. Wenn sie ihn darauf ansprach, argumentierte er immer, mit seinen Kenntnissen und beruflichen Erfahrungen in Deutschland könne er im Alter von fast fünfzig keine Arbeit mehr finden. Mittlerweile glaubte sie, dass er dies nur vorschob. Wahrscheinlich war er einfach ein Eigenbrötler, der keinen Wunsch nach einer festen engen Beziehung hatte. Jedoch war es ihm immer wieder gelungen, sie zu vertrösten. Dann hatte er vor einigen Wochen von sich aus begonnen, Vorstellungen über eine gemeinsame Zukunft zu entwickeln. Sie wollten eine größere und schönere Wohnung suchen. Sogar über Heiraten hatten sie gesprochen. Das war neu gewesen. Mit ihren achtunddreißig Jahren war sie noch nicht zu alt für ein Kind. Dann war plötzlich der Auftrag in Tansania dazwischen gekommen. Jetzt sah alles wieder anders aus und der Plan einer gemeinsamen Zukunft war wieder aufgeschoben.

    Der Stau zog sich noch bis Steglitz hin. Völlig entnervt quälte sie sich im stop-and-go die wenigen Kilometer bis zur Abfahrt. Erst gegen zehn hetzte sie durch die Glastür ihrer Agentur im zweiten Stock. Ihr Chef saß mit den beiden Marketing-Leuten der Kundenfirma schon im Besprechungszimmer. Man hatte auf sie gewartet. Mit vielen Worten entschuldigte sie ihr Zuspätkommen. Sie hängte ihre Jacke über den Stuhl und versuchte alle Gedanken an Paul beiseite zu schieben.

    ***

    Als sein Koffer fix und fertig gepackt an der Wohnungstür stand, rief er Katrin im Büro an. Sein Versuch, ihr noch etwas Nettes zu sagen, misslang. Sie wirkte kurz angebunden, wie üblich war sie in Hektik und Stress. Für die Fahrt zum Flughafen war es eigentlich noch zu früh. Aber Paul hielt es zu Hause nicht mehr aus. Es war noch nicht ganz zwölf, als Paul seinen Rollkoffer über den Gehsteig zur nahen U-Bahn-Station Neukölln schob. Obwohl er nur das Notwendigste eingepackt hatte, hatte sein Koffer vermutlich Übergewicht. Wie erwartet kam er viel zu früh am Flughafen Berlin-Tegel an. Von einer inneren Unruhe getrieben ging er noch vor der Zeit durch die Personen- und Gepäckkontrolle in den Innenbereich des Flughafens. Er schaltete sein Handy aus. Jetzt würde ihn sowieso niemand mehr anrufen. Von den kostenlosen Zeitungen, die hier in dem Ständer ausgelegt waren, nahm er sich eine Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

    Endlich kam der Aufruf zum Einsteigen. Die Maschine der Qatar Airways rollte auf die Startbahn und hob pünktlich auf die Minute um 15:25 Uhr in den sonnig-klaren Herbsthimmel von Berlin ab. Paul lehnte sich zufrieden in seinem Sitz zurück. Endlich raus aus dieser Stadt. Nach all den Wochen rast- und nutzlosen Tuns bekam sein Leben wieder Ziel und Orientierung. Auf dem Platz neben ihm saß ein Mann im Business-Anzug mit Schlips, mindestens zehn Jahre älter als er selbst, der ein Gespräch suchte.

    »Haben Sie auch geschäftlich in Katar zu tun? Oder müssen Sie heute noch weiter?«

    Paul blickte weiter aus dem Fenster.

    »Ja, Daressalam, Tansania.«

    »Ich fliege nur bis Doha, zwei Tage für Geschäfte. Ostafrika – interessant. Dort war ich noch nie. Sind Sie auch geschäftlich unterwegs?«

    »Bei mir geht es um eine Eisenbahn. Ich fliege heute Nacht noch weiter. Wir werden also ein Stück den gleichen Weg haben«, murmelte Paul.

    Sein Nachbar war gesprächig. »Wissen Sie, dass Katar auch eine Eisenbahn bauen will? Die Deutsche Bahn ist daran auch beteiligt. Mit Hochgeschwindigkeitsstrecken für den ICE. Ich weiß ja nicht, ob das bei dem kleinen Land Sinn macht.«

    »Mit Katar hatte ich bisher noch nie etwas zu tun. In Tansania geht es um eine alte Strecke aus der deutschen Kolonialzeit. Von der Küste zum Tanganjikasee.«

    »Die heutige Ausgabe der FAZ berichtet, dass sich die Chinesen in Ostafrika stärker engagieren wollen.«

    »Ja, die Chinesen haben in Tansania auch eine Eisenbahn gebaut. Das war in den Siebzigerjahren, unter Mao Tsedong. Die TAZARA führt von Daressalam an der Küste bis nach Sambia. Sie funktioniert heute noch, aber mehr schlecht als recht.«

    »Ich beneide Sie. Sie haben eine interessante Aufgabe.«

    »Mhm, finde ich auch. Von dem deutschen Eisenbahnbau vor hundert Jahren profitiert Tansania bis heute.«

    »Ja, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg bei ihrer Arbeit.«

    Sein Nachbar schlug die mitgebrachte Zeitung auf und das Gespräch verebbte. Kurz darauf begannen die Stewardessen die Tabletts mit dem Essen zu servieren. Paul wählte Hühnchen mit Reis.

    ***

    Als Paul aus dem Fenster der Maschine von Qatar Airways blickte und sah, wie die Dämmerung über dem Schwarzen Meer hereinbrach, saß Klaus Kronberg auf der Veranda seines Bungalows in Kunduchi. Über ihm erstreckte sich ein riesiger funkelnder Sternenhimmel. Kunduchi war ein Vorort von Daressalam direkt am Indischen Ozean rund zwanzig Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Kronberg war etwa einen Meter siebzig groß und von kräftiger Statur mit einem ausgeprägten Kugelbauch. Da er in München aufgewachsen war und dort seine Kindheit und Jugend verbracht hatte, verstand er sich in erster Linie als Münchner und in zweiter Linie als Bayer. Mit seinen achtundsechzig Jahren wirkte er jünger; zumindest meinte er das. Tatsächlich hatte ihm das ein befreundetes Ehepaar noch vor wenigen Tagen ganz vehement versichert. Seine Haare waren völlig weiß und stark ausgedünnt. Für sein Alter war er bei bester Gesundheit.

    Vom Ozean her wehte eine kühle Abendbrise über die Terrasse, von der aus er einen Blick auf den Pool und den gepflegten Garten hatte. Kronberg war die graue Eminenz bei GermanRailConsult. Die Firma hatte er viele Jahre als Geschäftsführer geleitet. Vor drei Jahren war er aus der aktiven Arbeit ausgestiegen. Während seiner letzten Tätigkeit in Tansania hatte er Flora, seine jetzige Frau, kennen gelernt. Flora war etwas über fünfzig Jahre alt und kam aus einem Dorf am Hang des Kilimanjaro. Früher war sie im Transportministerium als Direktorin tätig gewesen, hatte sich aber früh pensionieren lassen. Sie war so groß wie Kronberg und deutlich schlanker als er. Sie hatte ein freundliches Gesicht und ein liebenswertes Wesen. Die Fältchen um ihre Augen konnte man nur bei gutem Licht sehen. Ihre guten Kontakte zur Führungsebene des Ministeriums und ihre Kenntnisse über die internen Entscheidungsmechanismen waren Kronberg bei seinen Geschäften immer zugute gekommen.

    Wie an vielen Abenden saß er auch heute in seinem gut gepolsterten Korbsessel. Eben frischte der Wind auf. Da klingelte sein Handy, das auf dem kleinen Tischchen auf der Veranda lag. Er meldete sich mit einem knappen »Hello«. Dr. Ernst Ziegler war dran.

    »Guten Abend, Klaus, hier spricht Ernst. Wie geht´s dir?«

    »Ach du bist´s, Ernst. Freut mich, dich zu hören. Hier ist alles o.k.. Du weißt ja, immer schön warm hier, schon seit Tagen keine Wolke am Himmel. Gleich mache ich noch ein paar Runden im Pool.«

    »Klaus, du hast es gut. Du kannst dein Leben genießen. Hier ist es nicht ganz so entspannt.«

    »Was ist denn los?«

    »Wir hatten heute ziemlichen Stress. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen uns. Acht Leute waren da und haben unser GRConsult-Büro durchsucht. Es soll beim Katar-Projekt Bestechung gegeben haben. Ich weiß nicht, wie die da drauf kommen.«

    Ziegler wartete. Als keine Reaktion kam, fuhr er fort.

    »Noch was anderes. Etwas, was dich betrifft. Lothar Woerz ist abgesprungen, schon vor zwei Wochen. Ich habe ihn gar nicht mehr gesehen. Er sagte, er habe ein besseres Angebot von einer britischen Consulting bekommen. Sein restliches Honorar hat er sich auszahlen lassen.«

    Es herrschte Stille in der Leitung. Dann meldete sich Ernst Ziegler wieder: »Klaus, bist du noch da?«

    »Ja, ja. Das ist ja ein Ding, die Staatsanwaltschaft im Haus. Und auch die Sache mit Woerz. Mich hat niemand unterrichtet.«

    »Ich wollte dich damit nicht belästigen. Doch jetzt sieht es so aus, als ob es zwischen den beiden Sachen einen Zusammenhang geben könnte.«

    Kronberg stand von seinem Sessel auf. Aufgeregt fragte er: »Welchen Zusammenhang? Was hat denn das eine mit dem andern zu tun? Woerz war es doch, der dieses Projekt angeleiert hatte. Er war es doch, der die Zusammenhänge alle kannte. Wie soll es denn jetzt weitergehen?«

    Ziegler war über die Aufgeregtheit von Kronberg nicht überrascht.

    »Klaus, vielleicht besteht ja auch kein Zusammenhang. Gegenwärtig konzentrieren sich die Ermittlungen auf unsere Geschäfte in Katar. Mach' dir keine Sorgen. Ich habe umdisponiert. Paul Mansfeld übernimmt die Sache. Er hat für uns ein Projekt in China gemacht. Er hat schon einmal in Tansania gearbeitet. Ist zwar ein paar Jahre her, und nicht für uns. Aber er ist loyal und verlässlich. Das ist der beste Mann für den Job. Er wird morgen in Daressalam ankommen und das Büro übernehmen. Ich wollte nur, dass du Bescheid weißt.«

    Kronberg antwortete zögerlich: »Na, dann wollen wir mal sehen, wie der Neue damit klar kommt. Ich kenne ihn ja nicht. Schick' mir unbedingt seinen Lebenslauf.«

    »Bekommst du. Ich wäre dir dankbar, wenn du ein Auge auf ihn hast«, sagte Ziegler.

    »Mach' ich. Du hast daran gedacht, dass diese Änderung möglicherweise auch Konsequenzen für unseren Partner Joseph Kiloko im Ministerium hat? Wie auch immer, falls es was Neues gibt, ruf' ich dich an. Hoffe nur, dass dieser Paul Mansfeld die Sache nicht vergeigt.«

    Wegen der Entfernung von über 8.000 Kilometern kam die Antwort wieder zeitverzögert.

    »Klaus, mach´ dir keine Sorgen. Ich habe das im Griff. Paul Mansfeld ist instruiert. Ich gehe davon aus, dass er seine Aufgabe verstanden hat. Grüß mir deine liebe Frau.«

    Kronberg schob seine Brille über die Stirn hoch, kniff die Augen zusammen und brachte sein Handy ganz dicht vor seine Augen. Endlich fand er die Aus-Taste. Mit einem Piep wurde die Verbindung beendet. So ein Mist, dachte er. Er spürte, wie sich sein Bauch unangenehm verspannt hatte. Die Gelassenheit und Ruhe des heutigen Tages verflüchtigten sich zusehends. Nein, dachte er verärgert, alles war so gut eingefädelt gewesen. Und nun hat dieser Lothar Woerz kalte Füße bekommen. Sei´s drum, ich werde das auch so hinbekommen. Nur muss dieser Paul Mansfeld mitspielen.

    »Wer war denn am Telefon?«, rief Flora von der Küche her.

    »Ach, Ernst hat angerufen. Etwas Geschäftliches. Aber es ist alles in Ordnung. Er lässt dich grüßen.«

    »Danke«, kam es aus der Küche zurück.

    »Flora, für dich auch einen sundowner? Wie wäre es mit einem Gin Tonic?«

    »Danke, gerne. Das ist nett von dir.«

    Um diese Tageszeit trank er kein Bier. Der abendliche sundowner war ihnen zum Ritual geworden. Klaus Kronberg erhob sich mit einem Stöhnen aus seinem Sessel und schlurfte über die Steinfliesen zum Kühlschrank in der Küche. Seine Gesundheit war in Ordnung, doch sein Alter spürte er. Oft schien es ihm, dass ihm die Bewegungen mit jedem Tag schwerer fielen. Am hölzernen Küchentisch mischte er zwei Gläser Gin Tonic, eines für Flora mit einem Drittel Gin und zwei Dritteln Tonic mit Eis. Für sich wählte er das umgekehrte Verhältnis, und ausnahmsweise kippte er noch einen Extraschluck nach.

    »Hier bitte, Flora, dein Gin Tonic.«

    Kronberg achtete darauf, dass er seiner Frau das Glas mit der richtigen Mischung reichte. Sie hatte es sich inzwischen auf dem Sessel neben ihm bequem gemacht.

    »Danke. Dann lass uns noch etwas hier sitzen. Und erzähl mal. Ich sehe es dir doch an, dass irgendwas schiefgelaufen ist.«

    ***

    Den zweistündigen Zwischenstopp verbrachte Paul am Tresen in einem Café im Doha International Airport. Katar plante einen neuen und größeren Flughafen, aber gegenwärtig mussten die Passagiere noch eine lange Busfahrt über das Flugfeld machen. Tagsüber war es unerträglich heiß, doch jetzt am späten Abend war die Luft nicht mehr so drückend. Im Innern der Maschine war es kühl. Pünktlich um Mitternacht startete der Airbus A330 der Qatar Airways. Paul saß am Fenster. Er liebte diese langen Nachtflüge über Afrika. Vor mehr als zwanzig Jahren war er zum ersten Mal nach Daressalam geflogen, damals mit der Egypt Air über Kairo. Er war jung und begeistert gewesen, sein erster großer Auslandseinsatz. Er schaute aus dem Kabinenfenster. Die Stewardess hatte nach dem Abendessen das Deckenlicht der Kabine gelöscht. Leider spiegelte sich im Fenster die Rückseite des Vordersitzes und versperrte ihm den Blick nach draußen. Er neigte sich dicht an die Scheibe und schirmte gleichzeitig mit beiden Händen die störenden Lichtreflexionen ab. Über ihm eröffnete sich ein atemberaubend riesiger Sternenhimmel. Unter der Tragfläche des Airbus herrschte tiefe Schwärze. Nachts war Afrika wirklich ein schwarzer Kontinent.

    Als sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er zaghafte kleine Lichtpunkte am Boden. Also hatten sie schon die Sahara überflogen. Nun waren sie bereits über dem äthiopischen Hochland. Das kleine Flugzeugsymbol kroch ruckartig über den Monitor und zeigte die Flugroute an. Später würden sie erst über den Sudan und dann über Kenia fliegen. Lange hing er so, sein Gesicht an das Fenster gepresst. Er stellte sich vor, wie da unten Menschen in der Dunkelheit atmeten und schliefen. Einmal sah er in dem schwarzen Nichts eine leuchtende Fläche, vielleicht eine Stadt mit Straßenbeleuchtung.

    Mit einem Griff an die Decke über sich schaltete er das Leselicht ein. Aus der Ablage des Vordersitzes zog er die schmale Projektakte heraus, die ihm Ernst Ziegler bei der letzten Besprechung im Büro geradezu feierlich übergeben hatte.

    »Studieren Sie diese Dokumente sorgfältig, dann wissen Sie Bescheid. Den Rest können Sie sich dazu reimen. Sie sind ja schon länger im Geschäft.« Tatsächlich war Paul schon lange im Geschäft. Aber so kurzfristig und ohne ausführliche Vorbereitung hatte er noch kein Projekt übernommen. Er öffnete die Mappe. Oben auf lag das Angebot zur Erarbeitung einer Studie zu einer Rehabilitation der Eisenbahnlinie von Daressalam bis Kigoma am Tanganjikasee. Damit hatte GRConsult den Auftrag gewonnen. Kein Zweifel – das war professionell gemacht. Seine Aufgabe war es, die Rehabilitationsmaßnahme nach vorgegebenen Kriterien zu prüfen und die Unterlagen für die Ausschreibung der Baumaßnahmen vorzubereiten. Die vielen Seiten an langatmigen Ausführungen überschlug er. Dann fand er den Kern des Auftrags. Gesamtsumme 2,8 Millionen US-Dollar. Paul wurde schlagartig bewusst, dass er mit diesem Projekt in den kommenden Jahren viel Geld machen konnte: Denn mit Sicherheit standen Folgeaufträge an. Er musste sich nur klug positionieren. Doch seine Begeisterung hatte noch andere Gründe: Dies war ein Projekt, das er durch und durch für sinnvoll erachtete. Er war mit Herz und Seele Eisenbahner geworden, als ihm im Alter von sechs Jahren sein Vater eine Märklin-Modelleisenbahn geschenkt hatte. Es tat ihm immer weh, wenn er ansehen musste, dass Eisenbahnen vernachlässigt wurden. So wie die zur deutschen Kolonialzeit gebaute Mittellandlinie, die heute Central Line genannt wurde.

    'Endlich kann ich das machen, was ich schon immer machen wollte', dachte Paul. Er merkte, dass es ihm zu kühl wurde. Im Gepäckfach über seinem Sitz fand er die in dünne Plastikfolie eingeschlagene Decke, die er über seine Beine breitete. Er legte sich bequem in seinem Sitz zurück. Zufrieden mit sich und seiner Situation knipste er das Leselicht über seinem Sitz aus, schloss die Augen und war kurz darauf eingeschlafen.

    Als die Stewardess das Frühstück servierte, wurde er vom Klappern des Geschirrwagens geweckt. Der Bildschirm zeigte die Flugdaten: Flughöhe 9.665 Meter, Geschwindigkeit über dem Boden 945 Stundenkilometer, Rückenwind 77 Stundenkilometer. Dann wechselte das Bild und jetzt erschien die Maschine als kleines Symbol mit seiner aktuellen Position auf der Route über dem Kontinent. Zwischendurch wurde die Uhrzeit eingeblendet: Es war erst fünf Uhr. Obwohl müde und übernächtigt, war er hungrig. Eingequetscht in die enge Sitzreihe bekam er auf einem Plastiktablett ein pappiges Brötchen, einen Plastikbecher und in der Mitte ein Alu-Schälchen, in dem ein Omelett mit einer matschig-lauwarmen Tomate auf Kartoffelbrei lag. Er aß mit großem Appetit, erinnerte sich aber mit Bedauern an die Zeit, als er bei seinen Aufträgen ganz selbstverständlich noch Business Class fliegen durfte. Doch GRConsult musste offenbar sparen. Selbst für diesen Langstreckenflug von Berlin bis Daressalam hatte er nur ein Ticket für die Economy Class bekommen.

    Am Horizont ging über dem Indischen Ozean die Sonne auf und beleuchtete die Kabinendecke mit einem fahlen Rot. Seine Knie schmerzten. Unter ihm tauchte jetzt die Küstenlinie auf. Durch das Oval seines Kabinenfensters bot sich ihm ein spektakulärer Blick auf die lang gestreckte Küste mit einem fulminanten Wolkengebirge. Über ihm gingen mit einem Pling die Anschnalllichter an. Kurz darauf ging die Maschine in den Sinkflug über und setzte zum Landeanflug an. Vor ihm lag Daressalam - Haus des Friedens. Unter ihm breiteten sich die Vororte aus, eine riesige Fläche von Häusern und Straßen in einem Rechteckmuster. An diesem Morgen lag die Hafenstadt am Indischen Ozean mit ihren vier Millionen Einwohnern völlig friedlich da. Sanft war auch die Landung, ein kleiner Ruck, dann hatte die Maschine aufgesetzt. Paul war erleichtert. Doch erst als die Triebwerke mit heftigem Gegenschub laut aufheulten und die Maschine abbremsten, fiel die innere Anspannung von ihm ab. Wieder gut gegangen. Die Turbinen gaben noch einmal Schub und die Maschine holperte auf das Ankunftsterminal zu.

    Mit einem Rumpeln wurde die Fluggastbrücke an die Kabine angekoppelt. Es dauerte ein paar Minuten, bis die Tür geöffnet wurde. Tansania macht Fortschritte, dachte Paul. Früher musste man noch über den heißen Asphalt des Flugfelds und durch sengende Hitze zum Ausgang gehen. Im Julius Nyerere International Airport war es angenehm kühl. Erst in der Zollabfertigung außerhalb des klimatisierten Bereichs schlug ihm die feucht-heiße Tropenluft entgegen. Rasch zog er seinen Pullover aus. Dann durch die langen kahlen Gänge zur Immigration. Große Hektik unter den Ankommenden: Erfahrene Tansania-Traveller wussten, dass diejenigen, die zuerst das Einreiseformular ausgefüllt und zusammen mit dem Pass dem Beamten in die Hände gedrückt hatten, als Erste den Flughafen verlassen konnten. Paul merkte das erst jetzt und fand sich schon ziemlich am Ende der Schlange wieder. Den Fünfzig-Dollar-Schein für das dreimonatige Touristenvisum hatte er in seinen Pass gelegt.

    Der Zollbeamte grüßte ihn. »Good morning, Sir. Welcome to Tanzania.«

    Zügig wurde sein Pass geprüft und das Visum in eine der hinteren Seiten gestempelt. Paul hatte mit einer langwierigen Prozedur gerechnet. Deshalb sagte er erstaunt: »Heute geht das aber sehr schnell«, wobei er automatisch und ohne Mühe auf Englisch umgestellt hatte.

    Der Zollbeamte lachte.

    »Ja. Stimmt, früher ging das länger. Wir machen Fortschritte.«

    Seinen Koffer holte er vom rotierenden Förderband, stellte ihn auf einen Gepäcktrolley und rollte ihn ohne angehalten zu werden durch die Zollkontrolle. Hintereinander strömten die Passagiere eilig zum Ausgang, die meist schweren Rollkoffer hinter sich herziehend. Nur wenige der Ankommenden waren schwarz, die Weißen überwiegten an Zahl. Viele der Weißen, der Wazungu, waren wegen ihrer Kleidung mit den bekannten Outdoor- und Globetrotter-Labels als Touristen erkennbar. Einige jüngere Touristen trugen große Rucksäcke in den aktuellen Modefarben mit vielen Seitentaschen. Neben den Angehörigen warteten draußen vor der Absperrung Mitarbeiter von Touristikunternehmen und Hotels, die große Namensschilder hoch hielten und die Köpfe zur Ausschau nach Gästen reckten. Paul kam kurz der Gedanke, ob ihn wohl jemand vom Transportministerium abholen würde. Aber er hatte seine Ankunft nicht angekündigt. Auf den Schildern konnte er seinen Namen nicht entdecken. Zahlreiche Taxifahrer bestürmten die ankommenden Passagiere. Wer nicht energischen Widerstand leistete, sah seinen Koffer an der Hand eines Taxifahrers, der ihn abschleppte. Paul wusste, dass manche Taxifahrer versuchten von den Touristen absurd überhöhte Preise zu kassieren. Ein stämmiger Taxifahrer mittleren Alters sprach ihn an.

    »Brauchen Sie eine Fahrt in die Stadt? Ich nehme die offizielle Rate von zwanzig Dollar US.«

    Auf Paul machte er einen seriösen Eindruck. Das schien ihm noch teuer genug, aber schnell stimmt er zu: »O.k., bringen Sie mich bitte ins Sunrise City Hotel.«

    Der Fahrer nahm ihm den Koffer aus der Hand und rollte ihn aus der hohen Vorhalle des Flughafens über den Parkplatz bis zu einem weißen Toyota Corolla älteren Baujahrs. Als das Gepäck im Kofferraum verstaut war, setzte sich Paul auf den Beifahrersitz. Die stickig-heiße Luft im Wageninnern trieb ihm sofort den Schweiß aus den Poren. Der Wagen hatte offenbar schon lange in der Morgensonne gestanden. Die Digitaluhr im Armaturenbrett zeigte neun. Nach seiner Armbanduhr war es erst acht Uhr. Es war eine Stunde später als in Berlin. Paul stellte seine Uhr eine Stunde vor. Der Fahrer startete und schaltete sogleich die Klimaanlage ein. Als sie den Schlagbaum an der Ausfahrt passierten, wurden sie von der Beamtin in Uniform lässig durchgewinkt. Sie kannte den Fahrer. Sie bogen nach rechts in Richtung Innenstadt auf die vierspurige Pugu-Road ein, die durch das städtische Industriegebiet führte. Links und rechts der Straße standen hohe Mauern aus rotem Backstein, über die einige Schornsteine und rostige Wellblechdächer der altertümlichen Fabrikgebäude und Lagerhallen ragten. Einzelne moderne Gebäude stachen mit ihren großflächigen Glasfassaden aus den altertümlichen Bauten hervor. Seit Paul auf dieser Straße vor rund zwanzig Jahren zuletzt gefahren war, hatte sich hier nicht viel verändert. Einen Wirtschaftsboom hatte dieses Industriegebiet nicht erlebt. Als sie die Kreuzung mit der Nelson-Mandela-Road erreichten, schaltete die Ampel gerade auf Rot. Der Verkehr staute sich. Doch auch hinter der Kreuzung ging es nur schrittweise voran. In beiden Richtungen standen dicht gedrängt die Fahrzeuge: Lastwagen, Busse, Taxis, Limousinen meist japanischer Marken. Viele der Gefährte hatten ihre besten Zeiten lange hinter sich. Doch es gab auch funkelnde Luxuskarossen, deren dunkel getönte Scheiben einen Blick ins Innere versperrten.

    »Das ist wirklich ein schrecklicher Verkehr. Ist das immer so?« erkundigte sich Paul gereizt.

    »Das ist um die Zeit tatsächlich immer so. Später am Tag wird es noch schlimmer. Was meinen Sie, was das für meinen Benzinverbrauch bedeutet? Im Schritttempo vom Flughafen bis in die Stadt, immer im Stau, und immer läuft die Klimaanlage.«

    Erst als sie von der Nkrumah Street kommend den Mnazi Moja Park passierten, ging es schneller vorwärts. Um das Gespräch im Gang zu halten, fragte Paul: »Fahren Sie schon lange Taxi?«

    »Seit ungefähr zwei Jahren. Vorher habe ich als Fahrer für eine dänische Consultantfirma gearbeitet. Aber sie hat ihr Büro vor zwei Jahren geschlossen. Seither fahre ich Taxi.«

    »Und, wie geht das

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