Martin Luther King: Traum und Tat. Ein Lebensbild
Von Richard Deats
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Über dieses E-Book
Deats Lebensbild lässt das Vermächtnis Kings neu lebendig werden: die Verankerung gesellschaftlichen Handelns in Idealen und in der Vision einer humaneren Welt.
Mit einem Vorwort von Coretta Scott King, der Witwe von Martin Luther King.
Der Autor: Richard Deats, Südstaatler, wurde im College nachhaltig von Martin Luther King geprägt. Der engagierte Bürgerrechtler ist Herausgeber der Zeitschrift Fellowship, Mitglied des Internationalen Versöhnungsbunds und Autor mehrerer Werke zu den Themen Frieden und Versöhnung.
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Buchvorschau
Martin Luther King - Richard Deats
Richard Deats
Martin Luther King
Richard Deats
Martin Luther King
Traum und Tat.
Ein Lebensbild
Aus dem Amerikanischen von Wilhelm Mühs
Aus der Reihe: ZEUGEN UNSERER ZEIT
Titel der Originalausgabe: Martin Luther King, Jr. Spirit-Led Prophet.
A Biography, (New City Press) London – New York – Manila, 2000.
© 2000 Richard Deats
© für die deutsche Ausgabe: Verlag Neue Stadt, München, 2009
Downloads und Zitate nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verlags Neue Stadt.
E-BOOK-Ausgabe der gleichnamigen deutschen Ausgabe von 2008
© Alle Rechte der deutschsprachigen Ausgabe bei
Verlag Neue Stadt, München
Umschlaggestaltung und Satz: Neue-Stadt-Graphik
ISBN 978-3-87996-900-5
Datenkonvertierung eBook:
Kreutzfeldt Electronic Publishing GmbH, Hamburg
www.kreutzfeldt.de
Geleitwort
E
inige Biografien über meinen Mann, Martin Luther King jun., bieten eine gute Darstellung seines Lebens und Werks. Doch die ethischen und spirituellen Wurzeln, aus denen er lebte, schienen mir selten angemessen zur Sprache gebracht. Die innere Mitte, aus der mein Mann gelebt hat, war sein Glaube an Gott. Martin stammte aus einer christlichen Predigerfamilie; er setzte diese Tradition bereits in der dritten Generation fort. Für sein politisch-gesellschaftliches Engagement und seine führende Rolle im Kampf um die Rechte der Schwarzen bezog er daraus seine Kraft. Er selbst nennt in seinem ersten Buch, Stride Toward Freedom (Von der Praxis des gewaltlosen Widerstandes) seine Fundamente: „Christus lieferte den Geist und die Motivation, Gandhi steuerte die Methode bei."
Martin hat sechs Bücher und Dutzende Artikel hinterlassen; er hielt Hunderte von Reden und Predigten, von denen etliche posthum in Sammelbänden erschienen sind. Hinweise auf seine philosophische, ethische und spirituelle Ausrichtung finden sich vor allem in den Büchern Strength to Love, The Measure of A Man sowie A Knock at Midnight. Das vorliegende Buch von Richard Deats leistet einen wichtigen Beitrag, diese Dimension zu erhellen und somit eine Lücke zu füllen. Pastor Deats, Herausgeber des Fellowship Magazine und Mitorganisator des Fellowship of Reconciliation (Internationaler Versöhnungsbund), zählt zu den besten Kennern und aktivsten Befürwortern der Gewaltlosigkeit, für die sich Martin so sehr eingesetzt hat. Vor allem aber war mein Mann eine moralische und geistliche Führerpersönlichkeit. Deats zeigt seine spirituellen Anliegen, seinen Glauben an die Macht des Gebetes, seine Bereitschaft, für eine gerechte Sache zu leiden, zu vergeben und die Feinde zu lieben. Der Kampf gegen die Ungerechtigkeit war für Martin eine moralische Pflicht; er ging ganz auf in dem, was er „Ethik der Liebe" nannte, und hat sie im persönlichen Leben wie in seinem gesellschaftlichen Engagement beispielhaft vorgelebt. Dies wird in dieser Biografie ebenso deutlich wie der Einfluss, den Theologen, Philosophen und Schriftsteller auf die innere Entwicklung meines Mannes ausgeübt haben. In seinem Widerstand gegen Rassendiskriminierung, Armut und Militarismus verbanden sich Einsichten anderer mit seiner Sicht als christlicher Prediger.
Richard Deats ist ein wertvolles geistliches Porträt von Martin Luther King gelungen. Vieles, was mein Mann hinterlassen hat und was in diesem Lebensbild zutage tritt, hat die Jahre überdauert. Es bleibt eine Quelle der Hoffnung für all jene, die bereit sind mitzuwirken, dass der Traum meines Mannes Tat wird.
Coretta Scott King
Inhalt
Wichtige Stationen im Leben Martin Luther Kings
Einleitung
E
s war im Winter 1958; ich studierte am Theologischen Seminar der Universität Boston und war Mitglied einer Gruppe schwarzer und weißer Studenten, die sich anschickte, in die Weihnachtsferien zu fahren. Wir kamen alle aus den Südstaaten und arbeiteten in der Bürgerrechtsbewegung mit; wir waren stolz darauf, an einer Hochschule zu studieren, an der Martin Luther King wenige Jahre zuvor promoviert hatte. Ich hatte an Dr. King geschrieben und ihm mitgeteilt, dass wir unterwegs in Montgomery an einem Gottesdienst in der Dexter Avenue Baptist Church teilnehmen wollten. 1958 war der große Busboykott von Montgomery bereits Geschichte, aber es war noch vor den Freiheitsmärschen der Sechzigerjahre. Eine gemischtrassische Gruppe war damals im Süden der USA noch ein ungewohntes Bild, und es war auch nicht ohne Risiken, so in der Öffentlichkeit aufzutreten. Am Tag bevor wir in Montgomery eintrafen, hatten wir die Koinonia-Farm in der Nähe von Americus, Georgia, ein gemischtrassisches Pionierprojekt im tiefsten Süden, besucht. Clarence Jordan, Professor für Bibelwissenschaften und einer der Gründer von Koinonia, berichtete uns von den Schikanen, denen sie dort ausgesetzt waren: Obstbäume waren gefällt worden, die Farm selbst, in der Nähe der Autobahn, war angegriffen und Häuser waren beschossen worden. Aus der örtlichen Baptistengemeinde hatte man sie ausgeschlossen – mit der Begründung, sie seien Kommunisten und Störenfriede. Dabei versuchten sie nichts anderes, als nach besten Kräften nach den Weisungen der Bergpredigt zu leben ...
Am frühen Morgen des darauf folgenden Tages verließen wir Koinonia und machten uns auf den Weg nach Montgomery. Gerade noch rechtzeitig kamen wir zum Sonntagsgottesdienst in der Dexter Avenue Baptist Church. Wir waren tief beeindruckt von den Gesängen und Gebeten, vor allem aber von der Predigt Dr. Kings. Zu Beginn wies er die Gemeinde auf unsere Gruppe hin, die von der Universität komme, an der er studiert hatte. Er bat uns aufzustehen; wir wurden herzlich begrüßt. Nach dem Gottesdienst hatten wir geplant, in Richtung Mississippi, der nächsten Station unserer Reise, aufzubrechen. Doch als wir uns verabschieden wollten, rief Dr. King seine Frau, und die beiden baten uns, doch zum Mittagessen mit der Familie zu ihnen nach Hause zu kommen. Nach dem Essen saßen wir gemeinsam im Wohnzimmer. Der viel beschäftigte Führer der Bürgerrechtsbewegung ließ es sich nicht nehmen, sich an einem freien Sonntagnachmittag Zeit für junge Studenten zu nehmen ... Diese Begegnung stand mir in den folgenden Jahren, als King mehr und mehr ins Rampenlicht der Öffentlichkeit trat, immer vor Augen.
Zehn Jahre später, am 4. April 1968, wurde er, im Alter von nur 39 Jahren, ermordet, doch seine zwölfjährige Predigertätigkeit hat sich bleibend in das Gewissen der Menschheit eingeschrieben. Ähnlich wie Mahatma Gandhi führte Martin Luther King eine Freiheitsbewegung der Unterdrückten an, die entschlossen für Gerechtigkeit kämpfte – auf dem Weg kompromissloser Gewaltlosigkeit. In einer Zeit, in der sich die Rüstungsspirale immer schneller drehte, während im eigenen Land Gewalt und Ungerechtigkeit zunahmen, verkörperte King eine mutige Alternative: Unerschütterlich warb er dafür, das Böse durch das Gute zu überwinden, Feinde zu Freunden zu machen, Gerechtigkeit durch Gewaltlosigkeit zu erreichen und eine durch Liebe geeinte Menschheitsfamilie zu gründen.
Kings Andenken ist bis heute lebendig geblieben. Anlässlich von Kings 50. Geburtstag regte Präsident Jimmy Carter 1979 bei einem Gottesdienst in der Ebenezer Baptist Church an, diesen Tag künftig als nationalen Feiertag zu begehen. 1983 unterzeichnete Präsident Ronald Reagan im Rosengarten des Weißen Hauses in Anwesenheit mehrerer Mitglieder des US- Kongresses sowie zahlreicher Führer von Bürgerrechtsbewegungen das entsprechende Gesetz; als Mitglied der Martin Luther King Federal Holiday Commission war ich bei der feierlichen Proklamation zugegen. Straßen, Plätze, Parks und Gebäude wurden nach Martin Luther King benannt; Seminare und Universitäten befassen sich mit seinem Leben und seinen Lehren. Zu fragen aber bleibt: Wer wird da als Nationalheld gefeiert? Oft wird nur der faszinierende Redner hervorgehoben, der vor dem Lincoln-Denkmal in Washington seine berühmt gewordene Rede „Ich habe einen Traum hielt. Der Träumer wird geehrt. Über die Ursachen und Hintergründe seiner Ermordung schweigt man. Man wagt kaum, die prophetische Stimme anzuhören, die schonungslos die dunklen Seiten unserer Gesellschaft ans Licht gerückt hat, insbesondere das „dreifache Übel des Rassismus, Materialismus und Militarismus
, wie er selbst zu sagen pflegte. Weder in der Außen- noch in der Innenpolitik findet sein Glaube an die Kraft der Gewaltlosigkeit Widerhall.
Wer war Martin Luther King? Prediger, Theologe, Gelehrter, Redner, Führer der Bürgerrechtsbewegung, Märtyrer? Anliegen dieses Buches ist es, Leben und Denken von Dr. King darzustellen und dabei vor allem die Überzeugungen herauszuarbeiten, aus denen er lebte und die Kraft schöpfte, seinem Auftrag treu zu bleiben, was immer der Preis dafür sein würde.
Richard Deats
Berufung und Vorbereitung
auf das Predigeramt
M
artin Luther King wurde am 15. Januar 1929 in 501 Auburn Avenue in Atlanta im US-Bundesstaat Georgia als zweites Kind der Eheleute Martin Luther King sen. und Alberta Christine Williams geboren. Er hatte eine um anderthalb Jahre ältere Schwester namens Christine und einen um ebenfalls anderthalb Jahre jüngeren Bruder, Alfred Daniel. Der junge King entstammte einer tief religiösen, in der Baptistengemeinde verwurzelten Familie. Seine Eltern waren in der „Schwarzen Kirche der Südstaaten zu Hause. Überzeugende Predigten und kraftvolle Gospel-Gesänge nährten den Glauben der Gemeinde, die sich in Gebetsgruppen, bei gemeinsamen Essen und zu sozialen Aktivitäten zusammenfand. Der Vater, Martin Luther King sen., liebevoll „Daddy
genannt, war ein bekannter Pfarrer und Gemeindeleiter, der sich mutig für das Wohl seiner schwarzen Gemeinde einsetzte und furchtlos jeder Art von Rassendiskriminierung entgegentrat. Die Mutter, Alberta Christine Williams, war die Tochter des bekannten Pfarrers und Predigers Adam D. Williams, der von 1894 bis zu seinem Tod im Jahre 1931 Pfarrer der renommierten Baptistengemeinde Ebenezer war. Nach seinem Tod wurde King sen. zum Nachfolger seines Schwiegervaters berufen.
Der junge Martin verbrachte seine Kindheit im recht behüteten Milieu der schwarzen Mittelschicht von Atlanta. Seine Eltern und Großeltern waren dem feinfühligen Jungen beispielhafte Vorbilder. Großen Einfluss übte die Großmutter, Jennie Celeste Williams, auf ihn aus. Doch auch in dieser relativ privilegierten Familienatmosphäre, in der die Liebe zu Gott und zum Nächsten eine wichtige Rolle spielte, machte er die bittere Erfahrung der Rassendiskriminierung, die das Schicksal aller Schwarzen in den Südstaaten prägte. Das Erbe der Sklaverei war allgegenwärtig, in den Gesetzen wie im alltäglichen Leben. Martin hatte einen weißen Freund. Als sie eingeschult wurden,