Books & Bookster - Die Zukunft des Buches und der Buchbranche
Von Bramann Verlag
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Über dieses E-Book
Das Projekt ›Books & Bookster - Die Zukunft des Buches und der Buchbranche‹ wurde im Rahmen der Crowdfunding-Initiative ›kulturMut‹ der Aventis Foundation ausgezeichnet.
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Buchvorschau
Books & Bookster - Die Zukunft des Buches und der Buchbranche - Bramann Verlag
2015
Jens Klingelhöfer, Bookwire
Tausend Jahre sind ein Tag
Ganz so schnell wie in diesem Songtitel von „Regenundmild" verfliegt die Zeit zwar nicht, dennoch geht der Wandel auch in der Buchbranche in einem rasanten Tempo vonstatten. Profiteure dieser Veränderung sind Leute wie Jens Klingelhöfer und sein Digitalvertrieb Bookwire.
Jens Klingelhöfer, geboren 1977 in Stade, ist geschäftsführender Gesellschafter des Frankfurter Digitalvertriebs Bookwire. In den 90er-Jahren war Klingelhöfer Mitglied der deutschen Hip-Hop-Band „Regenundmild". Zehn Jahre arbeitete er zudem in der Musikbranche, zuletzt als Geschäftsführer von MFM Entertainment, bevor er 2009 mit der Gründung von Bookwire ins E-Book-Business wechselte.
Sie haben als Jugendlicher als Buchsetzer in einem Satzbüro gejobbt. Heute sind Sie Geschäftsführer eines E-Book-Unternehmens. Werden Sie manchmal wehmütig, wenn Sie an alte Zeiten zurückdenken?
Jens Klingelhöfer: Wenn man mit Leidenschaft auf der herstellerischen Seite stand, dann tut es schon manchmal weh, zu sehen, wie manches auf der Strecke bleibt. Na klar! Aber andererseits habe ich einen guten Weg gefunden, um mich in diesem Wandel zurechtzufinden. Und wie schon Hermann Hesse sinngemäß sagte: In jedem Anfang wohnt auch ein Zauber inne.
Und wie sieht es bei Klingelhöfers heute zu Hause aus? Die Bücherregale wurden abgeschafft und gelesen wird nur noch auf dem Monitor?
Klingelhöfer: Das Buch hat es geschafft zu bleiben – im Gegensatz zu den CDs, die in der Tat abgeschafft wurden. Das ist vielleicht auch ein Sinnbild und letztendlich der Grund, warum ich in der Buchbranche gelandet und nicht in der Musikbranche geblieben bin, in der ich jahrelang gearbeitet habe. Denn die Koexistenz von Print und Digitalem funktioniert für mich beim Buch viel besser. Ich gebe zwar zu: Ich kaufe viel weniger Bücher als früher und ich sortiere auch meine Regale viel radikaler aus. Aber die für mich wichtigsten Bücher stehen nach wie vor in einem großen, schönen Regal im Wohnzimmer.
Es wird viel über die Vorteile von E-Books gesprochen. Im Gegensatz zu einem gedruckten Buch können Nutzer die Datei aber zum Beispiel nicht weiterverkaufen, verleihen oder verschenken. Stattdessen erhalten sie strenggenommen nur eine Lizenz zum Lesen. Und das bei beinahe gleichem Preis.
Klingelhöfer: Ja, das stimmt. Das E-Book ist auch keinesfalls in allen Belangen dem Print-Buch überlegen. Das würde ich sofort unterschreiben. Ich glaube auch nicht, dass die gegeneinanderspielen. Das sind keine Gegner! Die gehören beide zur Buchwelt. Ich versuche immer, dieses Pro und Kontra Buch beziehungsweise E-Book zu vermeiden. Für mich hat beides klare Vorteile. Ich selbst bin ein Hybridleser, ich lese sowohl digitale als auch gedruckte Bücher.
Sie haben Ihre Tätigkeit in der Musikbranche bereits erwähnt. Die Turbulenzen, die dort die digitale Revolution auslöste, sind bekannt. Wo sehen Sie die Parallelen zur Buchbranche?
Klingelhöfer: Ich fang mal mit den Unterschieden an. Denn es werden oft Parallelen gezogen, die wirklich schief sind. Zum Beispiel kann man das Buch und die CD einfach nicht vergleichen. Das Buch ist ein richtig tolles Hightech-Produkt. Es funktioniert ohne Abspielgerät, ohne Batterie, ohne Licht. Da kann die CD überhaupt nicht mithalten, sie ist einfach nur ein hässliches Stück Plastik. Zweitens ist die Zielgruppe eine komplett andere. Auf der einen Seite Teenager, die früher ihr ganzes Geld in CDs investierten, und auf der anderen Seite – in der Kernzielgruppe – Frauen ab 25 Jahre. Die sind viel loyaler, haben mehr Geld und ein ganz anderes Verhältnis zur Piraterie. Und drittens war die Musikbranche auch schlicht und einfach die erste, die es erwischt hat – und die von der Digitalisierung wie von einem Tsunami mitgerissen wurde. Musik lässt sich nun mal sehr viel einfacher in das digitale Format überführen, sodass innerhalb von ein bis zwei Jahren plötzlich die gesamte Musikwelt vernetzt und umsonst verfügbar war.
Was bedeutete das damals für Sie persönlich?
Klingelhöfer: Ich selbst habe als junger Typ in unserem kleinen, mittelständischen Musikunternehmen unter diesem Wandel extrem gelitten. Wir haben zum Beispiel mal ein eigentlich erfolgreiches Album produziert und vermarktet; das wurde 20.000 Mal verkauft, aber gleichzeitig 400.000 Mal illegal runtergeladen. Da fragst du dich dann schon: Was mache ich hier eigentlich? Warum kriege ich für meine Arbeit keinen fairen Lohn?
Sind kostenpflichtige Streaminglösungen – wie Spotify – dann eine Antwort auf diese Frage?
Klingelhöfer: Vielleicht war das die Antwort für die Industrie – aber nicht für die Kreativen. Denn bei den Künstlern kommt ja von den Erlösen bislang recht wenig an. Aber das ist natürlich auch ein Prozess, ein radikaler Wandel, die Branche erfindet sich komplett neu. Und wenn mit Diensten wie Spotify einhergeht, dass die Menschen wieder mehr Geld für Musik ausgeben, ist das vermutlich insgesamt ein Erfolg.
Sie sind finanziell an Readfy beteiligt, das nach dem Spotify-Prinzip funktioniert. Was verdiene ich als Autor, wenn dort jemand mein Buch liest?
Klingelhöfer: Ich hatte vor ein paar Jahren mit zwei Partnern die Idee, so einen Buch-Streamingdienst zu entwickeln. Allerdings habe ich mich dann irgendwann entschlossen, mich operativ komplett zurückzuziehen und mich auf Bookwire zu konzentrieren. Von daher kann ich gar nicht sagen, wie das Vergütungsmodell genau geregelt ist. Ich weiß nur, dass wir damals viel darüber diskutiert haben, wie so etwas funktionieren könnte. Eine Buch-Flatrate würde ja ganz anders genutzt werden als ein Streaming von Musiktiteln, die man permanent hören kann und wo die Masse den Umsatz macht. Und deswegen muss natürlich auch die Vergütung pro Werk irgendwie anders geregelt werden. Im Moment ist das Projekt in der Betaphase – und dann wird sich zeigen, ob sich daraus ein Geschäftsmodell ableiten lassen kann, das für Leser, Autoren und Verlage funktioniert. Vielleicht sogar auch in Form eines werbefinanzierten Lesens. Ähnliches gilt ja auch für weitere neuartige Geschäftsmodelle wie Skoobe oder 24symbols, Oyster und Script in den USA oder auch Kindle Unlimited, das neue Amazon-Abo-Modell.
Warum leihen eigentlich nicht noch viel mehr Menschen ihre E-Books in einer öffentlichen Bibliothek aus – das wäre dann ganz kostenlos?
Klingelhöfer: Das hat was mit den Gewohnheiten zu tun. In Amerika zum Beispiel gibt es einen viel größeren Konflikt zwischen den Bibliotheken und den Verlagen, weil dort das Leihen von Büchern in einer Public Library viel mehr verwurzelt ist. Hinzu kommt, dass es in einer Bibliothek nicht alle Bücher gibt und man vielleicht warten muss, bis das gewünschte Buch „zurückgegeben wurde. Das heißt, unter dem Strich sind die Bibliotheksdienste wie die „Onleihe
von divibib einfach nicht so komfortabel und in die Lebenswelt der Menschen integriert wie beispielsweise Amazon – und der Leser ist offenbar bereit, für diesen Komfort relativ viel Geld zu bezahlen. Dennoch sind die E-Book-Erlöse über Bibliotheken sehr relevant und wachsen stetig.
Aber Bibliotheken werden auch besser werden – und gemeinsam mit kommerziellen „Online-Bibliotheken" sicherlich für Konflikte sorgen.
Klingelhöfer: Diese Diskussion steht ja der ganzen Medienwelt ins Haus. Ob jetzt Netflix oder maxdome bei Filmen, in denen man Serien oder Filme nicht kauft, sondern nur noch streamt. Spotify bei der Musik. Oder eben Buchdienste wie Skoobe oder Readfy. Die Frage ist nur: Kippt das Nutzungsverhalten bei Büchern wirklich in diese Richtung? Ich glaube, der deutsche Leser ist zumindest jetzt noch auf dem Trip, dass er Bücher selbst erwerben und besitzen will. Aber das wird noch eine ganz spannende Frage, und damit werden sich alle Branchenteilnehmer – Buchhandlungen, Bibliotheken, Verlage – auseinandersetzen müssen.
Aber mit dem „Erwerben und Besitzen" ist das bei E-Books ja eben so eine Sache. Wenn ich heute eine Bibliothek auf meinem Kindle anlege, verliere ich diese komplett, wenn ich mich irgendwann für einen anderen Reader entscheide.
Klingelhöfer: Dieses Problem ist bei 99 Prozent der Amazon-Kunden noch nicht angekommen. Verrückterweise lässt sich bei dem „digitalen Kunden so etwas wie eine „gefühlte Freiheit
herstellen – egal ob es sich um Google, Facebook oder Dropbox handelt. Man bindet sich an einen Anbieter, ist zufrieden, fühlt sich mit ihm wohl und merkt gar nicht, dass mit dem Angebot die eigene Freiheit auch eingeschränkt wird. Ich bin aber überzeugt, dass sich diese Haltung ändern wird, denn es gibt ja auch alternative Anbieter mit eher offenen Ökosystemen wie zum Beispiel der tolino. Mit diesem Thema werden sich die Gerichte in Bezug auf die Rechte von Verbrauchern in Zukunft ganz sicher auch noch beschäftigen. Noch fehlen einfach die Regeln für das digitale Spielfeld.
Was könnte der mündige digitale Kunde heute schon anders machen?
Klingelhöfer: Der normale digitale Buchhandel nutzt das offene, standardisierte EPUB-Format für E-Books, das dem Kunden ermöglicht, die gekauften Bücher auch in anderen Systemen zu nutzen – sofern es nicht solche geschlossenen, wenn auch sehr komfortablen Systeme sind wie die von Amazon und Apple.
Aber selbst dann ist doch davon auszugehen, dass mein Reader im Jahre 2030 nicht mehr die alten Bücher abspielen könnte.
Klingelhöfer: Vermutlich nicht. Aber es wird sicher Wege geben, diese alten Bücher in ein neues Format zu überspielen. Es gibt jetzt schon Projekte, die daran arbeiten, eine standardisierte Rechteverwaltung zu entwickeln, um genau das zu ermöglichen. Das wird dann so funktionieren, dass das System dich als Nutzer kennt und weiß, dass du dieses oder jenes Buch gekauft hast und deshalb auch noch in 30 Jahren das Recht hast, das Buch mit der aktuellen Technik zu lesen. Aber das ist noch Zukunftsmusik, im Moment haben wir hier noch „Wilder Westen", in dem der Stärkste das Sagen hat.
Volker Oppmann warnt vor den Gefahren der Alleinmacht internationaler Konzerne wie Amazon und Apple. In dem Buch „Bücherdämmerung schreibt er: „Als Gesellschaft laufen wir damit Gefahr, die Hoheit über das Kulturgut Buch zu verlieren.
Klingelhöfer: Ich finde schon, dass wir uns als Gesellschaft überlegen müssen: Wie viel von den Spielregeln wollen wir eigentlich noch selbst bestimmen? Und wann muss man als Gesellschaft etwas anders organisieren, als es der freie Markt gerade regelt? Im Moment ist in der digitalen Welt ja nur „The winner takes it all" angesagt. Alles zentralisiert sich bei dem, der es am besten macht – Google, Facebook und im Buchmarkt eben Amazon. Dem stehe ich extrem skeptisch gegenüber. Vielfalt hat noch nie geschadet.
Vor allem nicht Bookwire. Denn ihr Geschäftsmodell basiert ja darauf, dass alle Anbieter anders funktionieren und deshalb die Verlage einen Dienstleister brauchen, um ihre E-Books in die unterschiedlichen Vertriebskanäle zu bringen.
Klingelhöfer: Das ist nicht ganz falsch. Unsere Dienstleistung beschränkt sich aber nicht nur darauf, die unterschiedlichen Formate bedienen zu können. Wir sind ein umfassender Service für mittelständische Verlage, das Digitalgeschäft zu betreiben. Das heißt, wir helfen den Verlagen von der Herstellung der Produkte über den Vertrieb in alle relevanten Kanäle bis hin zur Vermarktung und Abrechnung. Es geht dabei auch um strategische Fragen, um sehr viel Beratung und um weitaus mehr als um die technische Komponente. Von daher würden wir so einen offenen gemeinsamen Standard, auf den sich alle einigen, durchaus begrüßen.
Bleiben wir noch einen Moment bei der Vielfalt in der E-Book-Welt. Auf der einen Seite gibt es Smartphones und Tablets, auf der anderen Seite E-Ink bzw. E-Reader. Was sind die Vor- und Nachteile? Und wer wird gewinnen?
Klingelhöfer: Die Vorteile vom Tablet liegen auf der Hand: Mit dem Gerät kann ich alles machen, neben dem reinen Lesen. Und das wären dann auch schon die Vorteile. Denn Tablets sind eben nicht darauf ausgelegt, ein angenehmes Lesegerät zu sein. Das ist auch der Grund, warum zurzeit noch die Ink-Reader dominieren. Ihr Display ist viel papierähnlicher. Zudem sind sie deutlich leichter, die Akkulaufzeit ist um ein Vielfaches höher und sie sind vor allem sehr billig. Hinzu kommt, dass die Reader ja nicht von Teenies, sondern von einer älteren Zielgruppe gekauft werden, die wahrscheinlich auch ganz dankbar ist, so ein unkompliziertes Gerät zu bekommen, das eben nicht „alles kann. Übrigens: Ich habe vor zwei Jahren eine völlig andere Prognose gehabt – und mich total geirrt. Obwohl ich langfristig nach wie vor davon überzeugt bin, dass die E-Reader irgendwann aussterben werden beziehungsweise die Devices miteinander verschmelzen werden. Dazu werden wir noch eine große Anzahl neuer Devices erleben, man denke nur an das Auto oder den „smarten
Fernseher oder tragbare Devices, die sogenannten Wearables.
Vor allen Dingen hat doch aber auch das Tablet den Vorteil der multimedialen Möglichkeiten. Sogenannte „enhanced E-Books" sind doch eigentlich erst auf einem Tablet schön.
Klingelhöfer: Das Thema wurde in den letzten Jahren total überschätzt. Man hat immer gedacht, das E-Book müsse irgendwelche Mehrwerte mitbringen, damit es