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Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)
Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)
Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)
eBook225 Seiten2 Stunden

Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)

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Über dieses E-Book

Dieses eBook: "Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen.
Edgar Wallace (1875-1932) war ein englischer Schriftsteller, Drehbuchautor, Regisseur, Journalist und Dramatiker. Wallace gehört zu den erfolgreichsten englischsprachigen Kriminalschriftstellern. Die Romane von Edgar Wallace wurden in vierundvierzig Sprachen übersetzt.
Aus dem Buch:
"Mord ist weder eine Kunst noch eine Wissenschaft; er ist ein Zufall", ließ sich Socrates Smith vernehmen, und Lex Smith - seines Bruders wärmster Bewunderer und liebste Sorge - grinste sardonisch. Ein größerer Gegensatz zwischen zwei Männern war kaum vorstellbar. "Soc" Smith, der sich den Fünfzigern näherte, hatte eine lange, hagere, vornüberhängende Figur und ein zerfurchtes Gesicht, das mit unachtsamer Hand aus einem ausgetrockneten Stück Teakholz herausgeschnitzt zu sein schien. Über den schmalen, geraden Lippen des energischen Mundes saß ein eisengraues Schnurrbärtchen."
SpracheDeutsch
Herausgebere-artnow
Erscheinungsdatum18. Aug. 2014
ISBN9788026822318
Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi)
Autor

Edgar Wallace

Edgar Wallace (1875-1932) was a London-born writer who rose to prominence during the early twentieth century. With a background in journalism, he excelled at crime fiction with a series of detective thrillers following characters J.G. Reeder and Detective Sgt. (Inspector) Elk. Wallace is known for his extensive literary work, which has been adapted across multiple mediums, including over 160 films. His most notable contribution to cinema was the novelization and early screenplay for 1933’s King Kong.

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    Buchvorschau

    Bei den drei Eichen (Ein spannender Mystery-Krimi) - Edgar Wallace

    1. Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    »Mord ist weder eine Kunst noch eine Wissenschaft; er ist ein Zufall«, ließ sich Socrates Smith vernehmen, und Lex Smith – seines Bruders wärmster Bewunderer und liebste Sorge – grinste sardonisch.

    Ein größerer Gegensatz zwischen zwei Männern war kaum vorstellbar. »Soc« Smith, der sich den Fünfzigern näherte, hatte eine lange, hagere, vornüberhängende Figur und ein zerfurchtes Gesicht, das mit unachtsamer Hand aus einem ausgetrockneten Stück Teakholz herausgeschnitzt zu sein schien. Über den schmalen, geraden Lippen des energischen Mundes saß ein eisengraues Schnurrbärtchen.

    Lex war fünfundzwanzig Jahre jünger und zwei Zoll kleiner, hielt sich aber so gerade, daß die meisten Menschen die Brüder als gleich groß einschätzten; ja, hätte jemand aus dem Stegreif sagen sollen, wer der größere von beiden wäre, so würde er ohne viel Zögern den gut aussehenden Lex genannt haben.

    »O Göttchen, Onkel Soc«, meinte dieser feierlich, »was für ein Aphorismus!«

    »Wenn du das als einen Aphorismus bezeichnest, bist du dämlich. Reich mir die Marmelade!«

    Sie saßen beim Frühstück in dem geräumigen Eßzimmer, dessen Fenster auf Regent’s Park hinausgingen.

    Die Brüder bewohnten das erste und zweite Stockwerk des Hauses, das Socrates Smith gehörte und von ihm als junger Dreißiger erworben worden war. In jenen Tagen hegte er vage Ideen über eheliche Verantwortlichkeit. Doch obwohl er sich das Haus besorgt hatte, gebrach es ihm stets an Zeit, sich zu verlieben, und das, was Lex seine »mütterlichen Instinkte« betitelte, verausgabte er mit der Sorge für sein Brüderchen.

    Das Leben war für Socrates Smith zu voll gewesen, um den sanften Zerstreuungen einer Brautfahrt Raum zu gewähren, und zeitweilig segnete er förmlich den Zufall, daß gerade damals, als seine Tante – außer Lex seine einzige Verwandte in der Welt – eine Verbindung geplant und sorgfältig ausgetüftelte Anstalten gemacht hatte, ihn in den heiligen Stand der Ehe zu hetzen, der Tollemarsh-Mord jeden seiner Gedanken in Anspruch nahm. Denn die erkorene Dame war inzwischen bereits dreimal als Hauptfigur in Ehescheidungsprozessen hervorgetreten und stadtbekannt.

    Soc hatte das Studium der Kriminalistik als regulärer Angehöriger der Polizeimannschaft begonnen, und wahrscheinlich existierte weder vorher noch seither ein Polizist, der Tag und Nacht seine Runden ging, jedoch seine Mußestunden in einem der exklusivsten Klubs von London verbrachte.

    Sein jährliches Einkommen belief sich auf sechstausend Pfund. Aber da Kriminalistik seine Passion war und damals einzig und allein der Dienst in der uniformierten Abteilung den Zutritt zu den Archiven der Kriminalpolizei ermöglichte, machte er willig die harte Lehrzeit als »cop« durch.

    Vier Jahre lang hatte er abwechselnd Büro-und Außendienst getan, wurde Sergeant – eine erstaunlich schnelle Beförderung – und bat dann um seine Entlassung, um sich dem Studium der ausländischen Polizeimethoden und dem noch fesselnderen der Anthropologie hinzugeben.

    Scotland Yard ist eine sehr eifersüchtige und wiederum auch eine sehr loyale Behörde. Sie mißtraut jedem Outsider und schaut eisigen Blicks auf den begeisterten Amateur. Soc indes hatte den Yard mit den besten Wünschen der Direktion verlassen und nicht unerheblich zu der Summe amtlichen Wissens beigesteuert.

    Als das Fingerabdrucksystem zur Einführung gelangte, berief man ihn, damit er in amtlichem Charakter arbeite; ferner wurde es zur Gepflogenheit, ihn in allen Fällen, bei denen sich dem geduldigen Forscher besondere Schwierigkeiten entgegenstellten, zu konsultieren. Kurz, Socrates wußte ein weniges von Ruhm! Er war nicht nur eine anerkannte Autorität für Fingerabdrücke und Blutflecke, sondern auch der erste, der die Spektrum-und Guajakproben bei der Entdeckung von Blut auf Kleidungsstücken normalisierte.

    »Welchen Zug nehmen wir?« erkundigte sich Lex.

    »Zwei Uhr von Waterloo«, entgegnete der Ältere, seine Serviette sorgsam zusammenrollend.

    »Werde ich mich sehr langweilen müssen?«

    »Ja«, versetzte Soc, ein lustiges Zwinkern um die Augen, »aber das wird deiner Seele gut tun. Langeweile ist die einzige Zucht, der die Jugend nicht entwischen kann.«

    Lex lachte.

    »Du strömst heute morgen über von weisen Worten. Prophetische Gabe erleuchtet jene, die dich Socrates tauften.« Socrates Smith hatte seit langem seinen Eltern den exzentrischen Vornamen vergeben. Sein Vater war ein reicher Eisengießer gewesen, mit einer Schwärmerei für die Antike, und nur dem heftigen Widerstand der Mutter verdankte es Lex, daß er nicht als Aristophanes durch die Welt wandelte.

    »Wenn der Familienname eines Kindes Smith ist, meine Liebe«, dozierte Smith senior sehr richtig, »so sollte er etwas Auffallendes, etwas Unterscheidendes vor sich stehen haben.« Schließlich hatten sich die Eltern auf Lexington geeinigt, da der Junge in Lexington Lodge geboren wurde.

    »Ich ströme über von weisen Worten?« wiederholte Soc Smith lächelnd, wobei seine kleinen weißen Zähne sichtbar wurden. »Nun, hier hast du noch eins: Vertrauliche Nähe ist gefährlicher als Schönheit.«

    Lex starrte ihn verständnislos an.

    »Das bedeutet?«

    »Mandles Tochter gilt allgemein als eine sehr liebliche Maid, und du wirst drei Tage in ihrem Hause verleben – verbum sapient.«

    »Blödsinn!« meinte der junge Mann etwas formlos. »Ich verliebe mich nicht in jedes Mädchen, das mir begegnet.«

    »Viele sind dir ja auch noch nicht begegnet.«

    Später am Vormittag unterbrach Lex sein Packen, um in seines Bruders Schlafzimmer zu schlendern. Socrates fluchte gerade mit großer Ruhe über die Unzulänglichkeit seines einzigen, reichlich mitgenommenen Handkoffers, der sich sträubte, all die von seinem Herrn als notwendig erachteten Utensilien zu schlucken.

    »Warum pfefferst du die Impedimenta deines verderblichen Berufs nicht beiseite?« nörgelte Lex, indem er mit dem Finger auf einen kleinen, braunen Holzkasten deutete, der, wie er wußte, seines Bruders Mikroskop barg. »Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß du in Hindhead auf einen Mörder stößt.«

    »Man kann nie wissen.« Socrates’ Stimme klang hoffnungsvoll. »Packe ich es nicht ein, so wird sich sicherlich etwas ereignen – das Mitnehmen bürgt mir also für ein friedliches Wochenende.«

    Jetzt erinnerte sich Lex an die Ursache seines Kommens. »Was für eine Art Mensch ist Mandle?«

    »Er war ein ausgezeichneter Detektiv. Mit ihm umzugehen, ist durchaus nicht leicht; aber als er den Dienst auf der Höhe seiner Laufbahn quittierte, verlor die Polizei einen tüchtigen Mann. Er nahm damals Abschied gemeinsam mit Stein, der ganz in seiner Nähe wohnt … äh, sozusagen in Steinwurfsweite.«

    »Schwacher Witz!« bemerkte sein kritisch veranlagter Bruder. »War Stein gleichfalls Inspektor der Kriminalabteilung?«

    »Nur Sergeant«, erläuterte Socrates. »Die beiden waren Busenfreunde, und als Mandle an der Börse zu spekulieren anfing, tat Stein dasselbe, und sie heimsten eine Masse Geld ein, woraus Mandle übrigens gar kein Hehl machte. Er sagte dem Chef, daß er zweierlei Sachen nicht ordentlich nachgehen könnte und daher den Entschluß gefaßt hätte, den Dienst an den Nagel zu hängen.«

    Prüfend hielt Socrates Smith Umschau, ob noch etwas dem Koffer einverleibt werden mußte, um dann fortzufahren: »Möglich, daß auch Enttäuschung zu dem Entschluß beitrug. Mandle brannte darauf, Deveroux, der den Raub in der Lyoner Bank verübte, zu fassen, und dieser schlüpfte ihm durch die Finger und entkam nach Südamerika. Diese und noch ein oder zwei Affären brachten ihm einen inoffiziellen Verweis vom Chef ein. Nichtsdestoweniger ging es dem Alten sehr gegen den Strich, als Mandle austrat … Auch Stein war ein gescheites Kerlchen, so daß der Yard zu einer Zeit, als er keinen Mann entbehren konnte, zwei wirklich tüchtige Leute auf einmal verlor.«

    »Drei, du altes Fossil!« verbesserte Lex, seinem Bruder einen gelinden Klaps auf den Rücken versetzend. »Du tratest doch auch ungefähr damals aus.«

    »Das wohl«, meinte Socrates so obenhin. »Aber ich zählte nicht mit.«

    2. Kapitel

    Inhaltsverzeichnis

    Stechginster bewachsenes Land umgaben es so dicht, daß es vom Wege aus unsichtbar blieb.

    Die nächste Ortschaft Hindhead befand sich eine Meile entfernt, und von den sanft abfallenden Rasenflächen seines Besitztums konnte John Mandle weite Strecken einer anmutigen Landschaft überblicken.

    Er saß, ein warmes Fell über den Knien, im Wohnzimmer und starrte verdrossen durch die französischen Fenster ins Grüne. Ein grimmiger, grauhaariger Mann mit energischem Gesicht und kantigen Kinnbacken, schien er seiner Umgebung etwas von dem eigenen düsteren Wesen mitzuteilen.

    Ein junges Mädchen, das mit der Post hereinkam, blieb schüchtern neben ihm stehen, während er die Briefe las.

    »Kein Telegramm von Smith?« knurrte er.

    »Nein, Vater.«

    Socrates Smith hatte nicht übertrieben, als er sie lieblich nannte. Für gewöhnlich ist Lieblichkeit ein wenig unirdisch, aber diese junge Dame strahlte Menschlichkeit aus. In Gegenwart ihres Stiefvaters war sie allerdings verzagt, zurückhaltend und so farblos wie eben möglich. Offensichtlich fürchtete sie den Mann, haßte ihn wahrscheinlich in der Erinnerung an ihrer verstorbenen Mutter hartes Los und die Tyrannei, deren Erbe sie angetreten hatte.

    Mandle besaß keine eigenen Kinder, schien solche auch nie entbehrt zu haben. Er verhielt sich dem jungen Mädchen gegenüber wie der Herr gegenüber einem besseren Dienstboten – in der ganzen Zeit ihres Zusammenlebens erfreute er es nie mit der geringsten Zärtlichkeit oder Rücksichtnahme.

    Einer Laune folgend, hatte er die Kleine aus einem guten Pensionat weggeholt, mitten heraus aus dem angenehmen Kreis gleichaltriger Mädchen, und in die gespannte Atmosphäre von »Waldfrieden« verpflanzt, in die Gesellschaft einer nervenkranken Frau und eines finsteren, unvernünftigen Mannes, der oft tagelang kein Wort sprach. Molly fühlte, daß er sie um das Glück, das die Schule ihr brachte, geprellt hatte; geprellt um die Mittel, durch die sie sich einen Lebensunterhalt und die Unabhängigkeit hätte erwerben können; geprellt um all ihren Glauben an Menschen und um viel von ihrem Glauben an Gott.

    »Sind die Zimmer fertig?« bullerte er.

    »Ja, Vater.«

    »Tu dein Bestes, um es ihnen behaglich zu machen. Socrates Smith ist ein alter Freund von mir.«

    Ein kleines Lächeln spielte um Mollys Mund.

    »Socrates! Welch ein putziger Name!«

    »Wenn er ihm selbst gut genug ist, hat er es auch für dich zu sein!« fauchte John Mandle.

    Sie schwieg.

    »Zehn Jahre habe ich ihn nicht gesehen«, fuhr er fort, und seine Stieftochter wußte, daß er laut dachte; denn nie und nimmer würde er sich der Mühe unterzogen haben, mit ihr vertraulich zu reden. »Zehn Jahre! … Ein heller Kopf … ein wundervoller Mensch!«

    Sie machte einen neuerlichen Versuch, ein Gespräch anzuknüpfen.

    »Er ist ein großer Detektiv, nicht wahr?« fragte sie und erwartete, angefahren zu werden. Doch zu ihrer Überraschung nickte er.

    »Der größte und geschickteste in der Welt – bestimmt jedenfalls in England. Und nach allem, was ich höre, tritt sein Bruder in seine Fußstapfen.«

    »Ist der Bruder noch jung?«

    John Mandle schoß unter seinen zottigen Augenbrauen hervor einen kalten Blick auf das junge Mädchen.

    »Fünfundzwanzig«, sagte er. »Merk dir übrigens ein für allemal, daß ich keine Liebeleien dulde.«

    Mollys liebliches Gesicht wurde rot; ihr rundes Kinn hob sich mit einem Ruck.

    »Ich habe nicht die Gewohnheit, mit deinen Gästen Liebeleien anzufangen«, zürnte sie. »Warum sagst du mir solche garstigen Worte?«

    »Das genügt!« Er kniff die Lippen zusammen.

    »Für dich, jedoch nicht für mich«, rief sie empört. »Seit Mutters Tod habe ich deine Tyrannei ertragen, und meine Geduld ist zu Ende. Du machtest diesen schönen Fleck hier zu einer Hölle, in der ich nicht länger ausharren will!«

    »Wenn es dir hier nicht behagt, kannst du gehen.«

    »Eben das habe ich vor. Sobald deine Gäste abgereist sind, gehe ich nach London, um zu arbeiten.«

    »Da wird was Gutes draus werden!« spottete er, ohne den Kopf nach ihr zu wenden. »Was kannst du denn?«

    »Dank dir, nichts! Hättest du mich auf der Schule gelassen, so würde ich wenigstens so viel gelernt haben, um als Lehrerin mein Brot verdienen zu können.«

    Ein höhnisches Lachen antwortete ihr.

    »Als Lehrerin! … Du redest Blech, Molly. Vergiß nicht, daß du keinen Penny erbst, wenn du mich vor meinem Tode im Stich läßt.«

    »Ich will dein Geld nicht – habe es nie gewollt«, beteuerte sie erregt. »Meine Mutter vermachte mir ein paar Schmucksachen … »

    »Die ich ihr kaufte«, schnitt er ihr das Wort ab. »Ihr stand nicht das Recht zu, sie dir zu vermachen.«

    »Bis heute habe ich von ihnen ja auch noch nichts gesehen.« Sie wandte sich und ging zur Tür, als er sie zurückrief. Noch nie hatte der Ton seiner Stimme so sanft geklungen, und bei dieser unerwarteten und ungewohnten Sanftheit hemmte sie unwillkürlich ihren Schritt.

    »Molly, du mußt Nachsicht mit mir haben – ich bin ein sehr kranker Mann!«

    Sie wurde weich.

    »Es tut mir leid, Vater. Ich hätte daran denken sollen. Schmerzen deine Knie sehr?«

    »So sehr, daß ich nicht stehen kann«, murrte er. »Gerade jetzt, da ich einen alten Freund erwarte, meldet sich der verdammte Rheumatismus und wird mich wohl eine Woche ans Bett fesseln! … Schick mir gleich die Leute mit dem Rollstuhl; ich will in mein Arbeitszimmer.«

    Mit Hilfe von Kammerdiener und Gärtner wurde John Mandle in den großen, luftigen Raum überführt, den er an das Haus angebaut hatte und der ihm zur Arbeit wie auch als Schlafzimmer diente, so oft rheumatische Anfälle ihm das Treppensteigen beschwerlich machten.

    Als der Wagen am Nachmittag Socrates Smith und seinen Bruder brachte, stand John Mandles Rollstuhl auf dem Rasen vor dem Hause.

    »Holla!« rief Soc überrascht. »Was ist mit Ihnen los, John?«

    »Dieser höllische Rheumatismus!« knurrte der andere. »Freut mich, daß Sie gekommen sind, Socrates. Sie haben sich nicht im geringsten verändert!«

    »Und dies ist mein Bruder«, stellte Socrates vor.

    Molly bekam die Gäste erst zu Gesicht, als Lexington den Rollstuhl zum Tee ins Wohnzimmer schob, und ihr Anblick ließ den jungen Mann den Atem anhalten.

    »Sie ist wundervoll, Socrates«, erklärte er begeistert, sobald die Brüder allein waren. »Himmlisch! Hast du jemals solche Augen gesehen … und solche Haut, so zart und fleckenlos wie ein Rosenblatt? Hast du die fabelhafte Haltung bemerkt?«

    »O, Lex, hör auf!« wehrte Socrates. »Zu denken, daß ich dich selbst hierher brachte und damit vielleicht die Mühe langer Jahre vernichte! Nachdem ich dich vor den Listen des weiblichen Ge…«

    Der Jüngere ließ ihn nicht ausreden.

    »Quassele nicht! Als ob du nicht sehr genau wüßtest, wie schön sie ist!«

    »Sie ist nicht übel«, gestand der vorsichtige Socrates, »aber für mich eben weiter nichts als ein Mädchen.«

    »Du bist ein Heide und ein Spießbürger!«

    »Beides zusammen kann ich nicht sein«, philosophierte der Ältere. »Was mir übrigens auffiel …«

    Er stockte aus Loyalität gegen seinen Freund.

    »Ah!« entfuhr es Lex erwartungsvoll. »Du meinst sicher die Art und Weise, wie er sie behandelt!«

    Socrates bejahte.

    »Er ist brutal«, versicherte Lex nachdrücklich. »Und ein Mann, dem das Anstandsgefühl so völlig mangelt, daß er mit einer jungen Dame umspringt, als wäre sie ein Hund, geht über mein Verständnis. Hast du gehört, wie er sie wegen des Zuckers anpfiff?«

    »Mir scheint, er haßt sie, und sie wird auch keine warmen Gefühle für ihn hegen … Ein interessanter Haushalt, Lex;

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