Urlaubslandsleute: ... jede Menge Vorurteile für die Reise
Von Helge Sobik, Jörn Grenzer und Jürgen Sepp Buchegger
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Über dieses E-Book
"Zwei Dinge haben Helge Sobik schließlich vor Vergeltungsmaßnahmen aus dem Ausland bewahrt: Dass er zu guter Letzt auch den Deutschen durch den Wolf drehte und dass zwischen all den unfairen Unterstellungen stets ein liebevolles Lächeln und Augenzwinkern hervorblitzte. Das jetzt erschienene Buch (...) ist ein Lektüretipp für alle, die Sinn für schrägen Humor haben ..."
(Sonntag aktuell)
"... führt die gängigen Verallgemeinerungen ad absurdum. (...) Sobiks freche, kleine Impressionen aus aller Welt zeigen, daß viele Klischees zwar stimmen, aber man dennoch immer neugierig bleiben sollte um in jedem Land, und in jedem Volk das ganz Eigene und Originelle zu entdecken."
(NDR 1, Bücherwelt)
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Buchvorschau
Urlaubslandsleute - Helge Sobik
Gepäck
EIN TOLLES HUPKONZERT UM MITTERNACHT
Der Spanier: Temperament fast rund um die Uhr
Der Spanier liebt es, wenn sogar seine Mahlzeit farbenfroh gerät. Was immer er gerade greifen kann, schüttet er mit Begeisterung in eine große Pfanne und brät es so lange, bis es gelb wird. Dann ist es lecker, und der Spanier freut sich sehr – entweder weil er neue Freunde zur Paella-Party in sein Haus eingeladen hat. Oder weil er Gastwirt ist und hinterher für die farbenfrohe Mahlzeit kräftig kassieren wird. Verdenken kann man es ihm nicht. Schließlich besucht der Tourist den Spanier ja, um Spezialitäten kennen zu lernen und Geld auszugeben. Und um in sein Mittelmeer zu steigen, das der Spanier gern heizen würde, um die Saison noch ein bisschen zu verlängern. Die ertragsstarke Paella-Nummer würde dann noch ein, zwei Wochen länger funktionieren.
Damit es entlang der Küste nett aussieht, Farbtupfer auch abseits der Pfannen das Bild beleben und es hübsch duftet, hat schon der Vorvater des Spaniers sehr viele Orangenbäumchen gepflanzt. Der Binnen-Landsmann beneidet ihn darum, denn im Hinterland ist es meist karger als an der Küste, und Paella-Imbisse aufzustellen lohnt sich dort auch nicht, weil der Urlauber immer nur den Küstenspanier besuchen will.
Der ist lauter und tut temperamentvoller als der Zugereiste: Fährt im Auto sehr gerne ganz dicht auf, hupt, findet Blinken uncool, fährt waghalsige Überholmanöver und immer schneller als der Polizist erlaubt, um gleich danach sowieso rechts abzubiegen. Klar, dass er dabei wild gestikuliert und sich das halb offene Hemd rauft, weil ihm mal jemand erzählt hat, dass das toll südländisch sei und den Urlauber halb beeindrucke, halb einschüchtere.
Wenn es ums Langeaufbleiben geht, ist der Spanier übrigens auch temperamentvoll: Er isst abends erst gegen zehn, geht frühestens um Mitternacht tanzen, schwenkt dabei kraftvoll die Spanierin und guckt schmachtend. Klar, dass er – wo immer er kann und darf und nichts auf die Finger bekommt – besonders gerne auch die Urlauberin schwenkt, vorausgesetzt sie ist noch einigermaßen jung und einigermaßen knackig oder hat wenigstens andere Vorteile.
Falls der Spanier ausnahmsweise nicht gerne tanzt, flaniert er spät nachts noch ein bisschen um die Platane seines Dorfes oder holt den zweitklapprigsten Holzstuhl heraus und hockt sich zu Opa an den Straßenrand. Der wird abends immer zu Beginn der Dämmerung herausgesetzt und brüllt dann dem anderen Opa von der gegenüberliegenden Straßenseite ein Gespräch zu. Manchmal wird die Unterhaltung unterbrochen, wenn vorbeirasende Autos die Worte mitnehmen. Dann genießt Opa einfach nur die gesellige Stimmung im Freien und den Familienanschluss.
Der Fremde versinkt allzu schnell in Ehrfurcht vor der rein aufbleibzeitlichen Kondition des Spaniers und missversteht sie als Ausdruck von Draufgängertum und Temperament. Dabei bekommt der Spanier das Langeaufbleiben nur hin, weil er mittags heimlich schläft und auch sonst gern Päuschen macht. Zwei, drei Stunden Auszeit gönnt er sich irgendwann zwischen Mittag und Nachmittag und nennt das ganze Siesta, was fast so hübsch klingt wie Fiesta, aber das Gegenteil meint. Böse Zungen behaupten übrigens, der Spanier mache diese ausgiebige Sofapause nur deshalb, um zweimal am Tag den kompletten Berufsverkehr mit An- und Abreise, mit selbstgebasteltem Stau und toll lautem Hupkonzert inszenieren zu können, was ja wiederum temperamentvoll südländisch ist. Falls er nicht nach Hause fährt oder außerhalb der Mittagszeit noch eine Siesta braucht, lässt sich das meistens flexibel einrichten oder schon bei der Berufsauswahl berücksichtigen.
Als Kellner beispielsweise gibt es nur im Sommer und da vor allem abends richtig Stress. Mittags kann man toll zwischen leeren Tischen herumgammeln. Oder als Bankangestellter. Da ist der Stress so groß, dass man im Sommer nach der Siesta gar nicht erst zum Schalter zurückkehren muss. Mittags ist Feierabend. Oder als Klempner, Pizzabote oder Leihwagen-direkt-ins-Hotel-bring-Fahrer: Ein, zwei Tage Verspätung sind da ganz normal. So viel Zeit muss sein. Ist doch alles angenehm relaxed und wäre doch bestimmt auch bei uns mal ulkig und toll südländisch, wenn Ostern der Weihnachtsmann erschiene, weil er den Termin verdreht hat oder kurzfristig noch ein Hupkonzert einbauen, zwei, drei ausgesprochen wilde Gesten in der halboffenen roten Kutte einstudieren oder Schläfchen halten musste.
Am Ende ist das alles nicht schlimm. Der Ausländer mag den Spanier wegen der vielen Strände, die dem gehören. Wegen des Meeres und der vielen Sonne, die der hat. Und natürlich auch wegen des locker-leichten Lebens so ganz ohne Verpflichtungen. Er bewundert ihn für sein Temperament und heimlich auch für die Hupkonzerte, die er sich zu Hause nur traut, wenn eine ihm irgendwie sympathische Fußballmannschaft gerade ein mindestens mäßig bedeutendes Spiel gewonnen hat. Und außerdem ist der Urlauber die eigene ewige Pflichterfüllung sowieso leid. Da lobt er sich den Spanier. Und falls der Klempner, der Hotelboy mit den Koffern oder wer auch immer zwei Tage später doch noch aufkreuzt, dann ist man eben kurz temperamentvoll zueinander, versöhnt sich gleich danach gestenreich und verabredet sich für irgendeinen unbestimmten Abend im Haus des Spaniers. Warum? Um gemeinsam irgendetwas toll Landestypisches so lange zu braten, bis es richtig schön gelb ist.
EIN BISSCHEN KNOBLAUCH KANN NICHT SCHADEN
Der Grieche: das Urlaubsaroma aus der Knolle
Der Grieche ist ein freundlicher Geselle mit sehr weit offenem Hemd. Er liebt es, wenn alles und jeder kräftig nach Knoblauch riecht. Damit das nicht weiter stört, ist es am praktischsten, wenn alle dasselbe Aroma verbreiten. Dann nimmt es niemand mehr wahr, und nur noch den unmittelbaren Neuankömmling trifft kurzfristig der Schlag.
So kam es, dass der Grieche ursprünglich vor allem die Hafenpromenaden entlang seiner vielen Fähr-Anleger und später auch die Nachbarschaft der Ferienhotels dicht an dicht mit Restaurants spickte, in denen es überall das Gleiche gibt, das aber sehr lecker. Der Fremde steht dort spätestens am Ankunftsabend zur Immunisierung Schlange, findet das alles ganz toll, super urig und sehr südländisch. Da stört ihn nicht mal, dass er auf einem klapperigen Schrumpf-Stuhl mit zu kleiner Sitzfläche hocken muss. Und selbst der Retsina, den er mit Weißwein verwechselt und aus Versehen bestellt hat, schmeckt plötzlich.
An besonders schönen Abenden kommt sogar ein Grieche mit noch offenerem Hemd und geschulterter Gitarre herum, klampft gegen ein Kleingeld, und alles wird noch viel netter. Gitarren werden in Griechenland übrigens nur zusammen mit Blechkruzifixen verkauft, denn wann immer der Grieche mit einem Saiteninstrument herumläuft, baumelt im Ausschnitt stets ein riesiges Kreuz. Warum es beim Musikanten größer sein muss als beispielsweise beim Kellner, weiß keiner.
Der Vor-Ort-Grieche steht sehr hoch in der Gunst des Fremden – auch deshalb, weil bei ihm, anders als beim Exil-Griechen, alles echt ist: Die Weinreben an der Restaurantwand, die Trauben – nichts ist aus Plastik. Sogar die antiken Götter, die in den Mauernischen herumstehen, sind echt getöpfert und nicht aus Kunststoff. Der Vor-Ort-Grieche hat Stil.
Geschickt verleitet er den Fremden, als Erstes einen Berg Tsatsiki zu essen. Den hat er