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Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur
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eBook1.614 Seiten13 Stunden

Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur

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Über dieses E-Book

"Der Höxter" gilt als ein bedeutendes Standardwerk für die Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte, Literatur und Kultur. Die zwischen 1927 und 1930 erstmals erschienene systematische Quellensammlung des jüdischen Frankfurter Lehrers und Schriftstellers Dr. Julius Höxter (1873-1944) verdeutlicht den immensen Beitrag der jüdischen Religion zu den bleibenden Errungenschaften der Geistes- und Kulturgeschichte. Das Buch enthält zahlreiche wesentliche und beispielhafte Zeugnisse des vielfältigen inneren Lebens und der bewegten äußeren Geschichte des Judentums von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Die Quellenstücke sind in wortgetreuer und sinngemäßer deutscher Übersetzung dargeboten. Die umfassende Textsammlung wird in dieser Neuausgabe erstmals durch zentrale Dokumente aus der neuesten Zeit erweitert und durch aktuelle Literaturangaben ergänzt.
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum13. Juli 2009
ISBN9783843800242
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    Buchvorschau

    Quellentexte zur jüdischen Geschichte und Literatur - Julius Höxter

    Einleitung

    Das Judentum gilt als die älteste monotheistische Weltreligion. Gegenwärtig sind ca. 13 Millionen Menschen jüdischen Glaubens. Lebendige jüdische Gemeinden sind in allen Teilen der Erde anzutreffen. Jüdische Geschichte, Literatur und Lebensformen gehören als lebendige Ausdrucksformen des immensen schöpferischen Beitrags der jüdischen Religion zu den bleibenden Errungenschaften der Geistes- und Kulturgeschichte der Menschheit. Gerade in Deutschland gehört das Judentum zu den grundlegenden Faktoren bei der Entstehung der eigenen – von den Nationalsozialisten aufgegebenen – Zivilisation und Kultur. Ohne das Verständnis des Judentums bleibt – nicht nur – das Verständnis der gesamten deutschen Geschichte unvollständig.

    »Der Höxter« gilt seit seinem Erscheinen als ein bedeutendes Standardwerk für die umfassende Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte, Literatur und Kultur. Die zwischen 1927 und 1930 erstmals veröffentlichte systematische Quellensammlung des jüdischen Frankfurter Lehrers und Schriftstellers Dr. Julius Höxter enthält zahlreiche wesentliche und beispielhafte Zeugnisse des vielfältigen inneren Lebens und der bewegten äußeren Geschichte des Judentums von seinen biblischen Anfängen bis zur Gegenwart des Verfassers. Enthalten sind sowohl vollständige jüdische und nichtjüdische Dokumente und Urkunden als auch Ausschnitte aus umfangreichen Werken in wortgetreuer und sinngemäßer deutscher Übersetzung.

    Der eigentliche Anlass dieser Sammlung von charakteristischen und wesentlichen Quellenstücken aus weit über zwei Jahrtausenden jüdischer Glaubensgeschichte bestand in der Darbietung von lehrreichem Anschauungsmaterial für den schulischen Unterricht in der jüdischen Geschichte und Literatur. Höxters Quellensammlung gelingt es bis heute, die Vergangenheit aus der Geschichte herauszuholen. Sie ermöglicht Verständnis und Toleranz und steht dabei zugleich im Kontext einer langen Tradition, die die Existenz des Judentums in seiner religiösen und kulturellen Dimension an Bildung und Erziehung knüpft. In den Konturen des jüdischen Unterrichts spiegeln sich jüdische Geschichte und Kultur. Lernen und Lehren gehören zur kulturellen Identität des Judentums und haben von alters her tragende Bedeutung für seinen Fortbestand. Dies war auch dem nationalsozialistischen Staatsapparat bewusst, der im Juni des Jahres 1942 jeglichen Unterricht für jüdische Kinder untersagte.

    Julius Höxter wurde 1873 im hessischen Treysa geboren. Er beendete sein Studium der Geschichtswissenschaft mit einer verfassungsgeschichtlichen Doktorarbeit über »Die Vorgeschichte und die beiden ersten Jahre des »immerwährenden« Reichstags zu Regensburg« (Heidelberg 1901). Nach Absolvierung des Lehrerseminars in Hannover wirkte er zunächst als Lehrer in der westfälischen Stadt Ahlen. Im Jahre 1904 kam er nach Frankfurt/Main, wo er seine engagierte pädagogische Arbeit an der Religionsschule der Israelitischen Gemeinde, dem Goethe-Gymnasium und dem Wöhler-Realgymnasium im Frankfurter Stadtteil Westend fortsetzte. Zu den Absolventen der letztgenannten Lehranstalt während der Zeit seiner Lehrtätigkeit gehörten der Philosoph und Sozialpsychologe Erich Fromm (1900–1980; Abitur 1918) und der Schriftsteller und Nobelpreisträger für Literatur Elias Canetti (1905–1994; Abitur 1923). Auch neben seiner schulischen Arbeit betätigte sich der umtriebige jüdische Gelehrte in umfänglicher Weise. Im Jahre 1922 beteiligte sich Höxter an der Gründung des »Jüdischen Beamtenbundes«, der die rechtliche und wirtschaftliche Stellung der jüdischen Gemeindeangestellten zu sichern suchte. Daneben gründete er die Frankfurter »Vereinigung israelitischer Religionslehrer und -lehrerinnen«, der er bis 1937 vorstand. Die von ihm initiierte »Dr. Julius Höxter-Stiftung« diente der Prämierung und Förderung von wissenschaftlichen und methodischen Arbeiten, Lehrbüchern und Lehrmitteln. Höxter beteiligte sich ebenso aktiv am Gemeindeleben der reformorientierten Frankfurter Israelitischen Gemeinde, der bis 1933 mehr als 30.000 Mitglieder angehörten. So wirkte er über lange Jahre als Vorsteher und Leiter des konservativen Gottesdienstes an den hohen Feiertagen in der 1893 erbauten und in der Pogromnacht vom 9. zum 10. November 1938 verwüsteten Westend-Synagoge in der Unterlindau 23. Höxter gelang im Jahre 1939 die Emigration nach England, wo er im Jahre 1944 im Alter von 71 Jahren starb.

    Höxters umfassende Textsammlung wird in dieser Neuausgabe erstmals durch eine Auswahl zentraler Dokumente aus der neuesten Zeit erweitert und durch aktuelle Literaturangaben ergänzt. Die Rechtschreibung wurde behutsam aktualisiert.

    Landau, im Mai 2009

    Michael Tilly

    Vorwort

    Das vorliegende Quellenlesebuch versucht, einen lang gehegten Wunsch der jüdischen Lehrerschaft zu verwirklichen. Seit einer Reihe von Jahren fordert man mit Recht für einen ersprießlichen Unterricht in der jüdischen Geschichte und Literatur eine systematische Quellensammlung, welche sowohl Proben des geistigen Schaffens unserer Denker und Dichter gibt als auch das innere Leben und die äußere Geschichte unserer Ahnen veranschaulicht. Die Forderung des arbeitsschulmäßigen Unterrichts, dass in Geschichte und Literatur die Schüler sich ein Bild des Geschichtsverlaufs, der geschichtlichen Persönlichkeit auf Grund der Quellennachrichten erwerben, macht es dem Lehrer sogar zur unabweisbaren Pflicht, jedem Schüler ein solches Quellenlesebuch in die Hand zu geben. Das Buch will daher den Freunden der vortragenden Methode das Anschauungsmaterial, den Anhängern der arbeitsschulmäßigen Lehrart den Baustoff vermitteln, ohne jedoch die vorhandenen Lehr- und Lernbücher der jüdischen Geschichte überflüssig zu machen. Obwohl sich die Sammlung auf die wichtigsten und hervorragendsten Erscheinungen beschränkt, ermöglicht sie doch, je nach der Einstellung des Lehrers und nach der Eigenart der Schüler, eine beliebige Auswahl.

    Die geschichtlichen Gestalten, Ereignisse, Zustände spiegeln sich in zuverlässigen zeitgenössischen Quellen, die, der Darstellung der jüdischen Geschichte folgend, zeitgeschichtlich und nach Ländern geordnet sind. Die Quellenstücke sind nicht bearbeitet, sondern in wortgetreuer und sinngemäßer deutscher Übersetzung dargeboten, um die Ursprünglichkeit tunlichst zu bewahren. Soweit gute Übersetzungen der jüdischen Quellen vorhanden sind, wurden sie benutzt; die nichtjüdischen Quellen sind indessen meistens aus dem Lateinischen, Mittelhochdeutschen, Französischen und Italienischen für das Lesebuch übersetzt worden. Eine Auswahl jüdischer Dichtung und Prosa soll später in der hebräischen Ursprache in einem Sonderband erscheinen. Da das Quellenlesebuch keinen wissenschaftlichen Charakter hat, bleiben philologische Textuntersuchungen und historische Quellenkritik im Allgemeinen unberücksichtigt. Das Buch sieht seine Aufgabe und seinen Zweck vornehmlich darin, den Schüler jüdische Geschichte und Literatur in Geist und Gemüt erleben, jede Erscheinung aus ihrer Zeit verstehen und aus der unerschöpflichen Fundgrube der jüdischen Vergangenheit Wissen und Willen, Liebe und Kraft gewinnen zu lassen für das Judentum und für eine bewusste und tatkräftige Anteilnahme am jüdischen Leben der Gegenwart.

    Für die wertvollen Ratschläge und Anregungen, die mir aus nahestehenden Fachkreisen zuteil wurden, spreche ich auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aus.

    Frankfurt a. M., Februar 1927

    Julius Höxter

    I. Teil

    Altertum und frühes Mittelalter

    Von der Zerstörung des 1. Tempels bis zum Untergang des Gaonats 586 v. – 1040 n. besonders im Morgenland

    Methodische Bemerkungen für die Hand des Lehrers

    Die Quellensammlung bietet einen reichhaltigen Maximalstoff, um dem Lehrer einen möglichst breiten Spielraum zur individuellen Auswahl zu lassen.

    Die Anordnung der Quellen nach jüdischer und nichtjüdischer Herkunft erscheint für diesen Teil zweckmäßig, da dadurch naheliegenden Verwechslungen von vornherein vorgebeugt wird. Ferner ist so der einheitliche Zusammenhang der internen Quellen, welche hauptsächlich Proben der jüdischen Literatur geben, und der externen, die mehr die politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Juden dartun, besser gewahrt. Aus Mangel an jüdischen Quellen für die ersten Jahrhunderte werden die nichtjüdischen vorangestellt. Damit man sich schnell im Quellenlesebuch zurechtfinden und man es jedem Lehr- und Lernbuch der jüdischen Geschichte und Literatur zu Grunde legen kann, folgen die Quellen chronologisch aufeinander. Im praktischen Gebrauch jedoch braucht man sich weder an die Trennung der Quellen nach ihrer Herkunft noch an die zeitgeschichtliche Anordnung zu halten, sondern kann sich dem Gang des eingeführten Lehrplans und -buchs anpassen. So gehören z. B. Fr. Closener, Deutsche Chronik über die Verfolgung unter Rindfleisch (A. XXII, I) und Kina über die Judenverfolgung im Frankenland (B. XXVIII), vielleicht auch Mordechai ben Hillel (B. XXIX), der den Märtyrertod dabei erlitt, zusammen. Wie man die Quellen nach sachlichen Gesichtspunkten zusammenstellen kann, zeigt ein am Ende dieser Bemerkungen angeführtes Beispiel systematischer Inhaltsangabe.

    Es empfiehlt sich, folgende Stücke der Oberstufe vorzubehalten: A. III, VIII, XI, XIII, XIX, XXIII, XXVI; B. I, 2, VI, 2, XI, XXIII, XXIX, XXX, XXXIV.

    Was die methodische Handhabung des Quellenlesebuchs im arbeitsschulmäßigen jüdischen Religionsunterricht betrifft, so wird man durchweg von der gemeinsamen Schullektüre auszugehen haben. Diese regt die Schüler zur freien geistigen Selbsttätigkeit, zur Entfaltung der eigenen Denkkraft an. Nach einer kurzen einleitenden Zielangabe und freien Wahl des einzuschlagenden Weges, die beide auch von den Schülern gefunden und bestimmt werden können, beginnt das ungebundene Unterrichtsgespräch über Inhalt und Bedeutung des Gelesenen innerhalb der Klassengemeinschaft. Fragen und Antworten sind Produkte eigenen Nachdenkens der Schüler, während der Lehrer durch Zwischenfragen und Hinweise mehr dafür sorgt, dass Weg und Ziel nie aus dem Auge verloren werden. Den Abschluss der Aussprache bildet das sachliche Ordnen und logische Zusammenfassen der losen Gedanken, Empfindungen und Werturteile, welche spontan aus Kopf und Herz der Schüler hervorgegangen sind. Wenn der Lehrer die rechte Persönlichkeit sowie Herr des Stoffes und der Disziplin ist, das volle Zutrauen seiner Schüler besitzt, so kann er die arbeitsschulmäßige Lektüre wertvoller typischer Quellenstücke außerordentlich fruchtbringend gestalten.

    Das Quellenlesen soll aber nicht nur die geistige Eigentätigkeit der Schüler wecken und dadurch das Verständnis der jüdischen Quellen vermitteln, sondern auch das gemütvolle Einfühlen und Mitfühlen, das seelische Erleben der jüdischen Jugend, das innere Ergriffensein von geschichtlichem Geschehen und der bezwingenden Macht der religiösen Persönlichkeit, die Ahnung des Heiligen und die Ehrfurcht vor dem Göttlichen. Aus dem Erlebnis quillt Leben, fromme Gesinnung, jüdisches Bewusstsein und religiös-sittliche Tat, das Letzte und Höchste, was der jüdische Religionsunterricht erstrebt. Für den Arbeitsunterricht werden vornehmlich Quellen zur äußeren Geschichte, Stellung im Staate, Recht und Wirtschaft oder Proben der Exegese und der Responsen als Grundlage dienen, für den Erlebnisunterricht hauptsächlich Selbsterlebnisse der Geschichtsschreiber, synagogale und geschichtliche Dichtungen, Gebete und Sittenlehren. Auch diejenigen Lehrer, die im jüdischen Geschichtsunterricht die abgerundete Darbietung des Lehrers voranstellen und die Quellen zur Veranschaulichung und Verlebendigung nachfolgen lassen, können die Lektüre in den Dienst des Arbeits- und Erlebnisunterrichts stellen.

    I 1. Der Untergang des Reiches Juda. (1)

    (Aus Seder Olam Rabba, einer historischen Chronik aus der Mischnazeit; sie wird auf Rabbi Jose ben Chalaphta, Schüler von Rabbi Akiba, zurückgeführt, um 150 n.)

    Im neunten Jahre seiner Regierung am zehnten des zehnten Monats kam Nebukadnezzar, der König von Babylon, er und sein ganzes Heer gegen Jerusalem, und sie belagerten es; sie bauten Wälle ringsum. Die Stadt kam in Belagerungszustand bis in das elfte Jahr des Königs Zidkia. Im vierten Monat, am neunten des Monats, hatte die Hungersnot ihren Höhepunkt in der Stadt erreicht; es war kein Brot mehr da für das Volk des Landes; die Stadt wurde erbrochen, und alle Soldaten flohen und verließen die Stadt durch das Tor der Doppelmauer, das zum Garten des Königs (führt); und da die Kasdim (Chaldäer-Babylonier) rings um die Stadt waren, gingen sie den Weg durch die Araba (Ebene). Aber das Chaldäerheer jagte dem König nach und erreichte den Zidkia in den Ebenen von Jericho, und sein ganzes Heer war versprengt. Sie nahmen den König gefangen und brachten ihn vor den König von Babylon nach Ribla im Lande Chamat, wo er mit ihm rechtete. Der König von Babel schlachtete vor Zidkias Augen seine Söhne hin, und auch alle Fürsten von Juda schlachtete er in Ribla hin. Die Augen Zidkias blendete man und legte ihn in Ketten; der König von Babylonien brachte ihn nach Babylon und hielt ihn bis zu seinem Tode gefangen. (Jer. S2, 4–11.) Durch volle achtundzwanzig Tage wurde der Berg durchwühlt und verwüstet. So heißt es auch: Am siebenten des fünften Monats, das ist das neunzehnte Regierungsjahr Nebukadnezzars, des Königs von Babylonien, kam Nebusaradan, der Oberste der Leibwächter, ein Knecht des Königs von Babylonien, nach Jerusalem und verbrannte das Haus des Ewigen und das Haus des Königs und alle Häuser in Jerusalem, und alle Häuser der Vornehmen verbrannte er. Und die Mauer Jerusalems ringsherum zertrümmerte das Chaldäerheer, das bei dem Obersten der Leibwächter war. (II. Kön. 25, 8. 9. 10.) … So wanderten aus Juda achthundertzweiunddreißig Seelen (Jer. 52, 29) in die Verbannung von der Heimat weg …; in drei Verbannungen viertausendsechshundert (Jer. 52, 30) und aus Benjamin und den übrigen Stämmen siebentausend, die mit Jojachin ins Exil gingen.

    2. Zions Klage. (5)

    (Aus der pseudepigraphischen Schrift »Das vierte Buch Esra« 10, 19–24.)

    (Ein Weib klagte und jammerte über den Tod ihres einzigen, jahrelang ersehnten Sohnes und wollte keinen Trost annehmen.) Da fuhr ich nochmals fort, zu ihr zu reden und sprach: »Nein, Weib! nein, Weib! so darfst du nicht tun; sondern lass dich willig bereden um Zions Unglück, lass dich trösten durch Jerusalems Schmerz.

    Du siehst doch, wie

    unser Heiligtum verwüstet ist,

    unser Altar niedergerissen;

    unser Tempel zerstört,

    unser Gottesdienst aufgehoben;

    unsere Harfe in den Staub geworfen,

    unser Jubellied verstummt,

    unser Stolz gebeugt;

    unseres Leuchters Licht erloschen,

    unseres Bundes Lade geraubt;

    unsere Heiligtümer verunehrt,

    der Name, nach dem wir heißen, geschändet;

    unsere Edlen mit Schmach bedeckt,

    unsere Priester verbrannt,

    unsere Leviten gefangen;

    unsere Jungfrauen befleckt,

    unsere Weiber vergewaltigt;

    unsere Greise verunehrt,

    unsere Gerechten fortgeführt;

    unsere Kinder geraubt,

    unsere Jünglinge zu Sklaven geworden

    und unsere Helden schwach.

    Und schlimmer als alles dieses:

    Dem Siegel Zions ist jetzt seine Ehre versiegelt

    und ist unseren Hassern in die Hand gegeben.

    So schüttle deine tiefe Traurigkeit ab,

    lass die Fülle der Schmerzen fahren,

    dass der Allmächtige sich dir versöhne

    und der Höchste dir Ruhe schenke,

    Trost von deinem Gram!«

    II 1. Alexander der Große in Jerusalem. (2)

    (Aus Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XI, 8.)

    (Während der Belagerung von Tyrus forderte Alexander der Große den Hohenpriester auf, alle Abgaben, die er früher dem Darius geleistet, nunmehr ihm zu entrichten. Als der Hohepriester unter Berufung auf den Treueid gegenüber den Persern das Ersuchen ablehnte, beschloss Alexander, Jerusalem anzugreifen. Da offenbarte Gott dem Hohenpriester, wie er den Mazedoniern begegnen sollte.)

    Als er nun vernahm, der König sei nicht mehr weit von der Stadt entfernt, schritt er mit den Priestern und dem gesamten Volke in feierlichem, bei anderen Völkerschaften unbekannten Aufzuge aus der Stadt bis zu einem Orte, der Sapha heißt. Die dem Könige folgenden Phöniker und Chaldäer glaubten nun bestimmt, Alexander werde in seinem Zorn ihnen erlauben, die Stadt zu plündern und den Hohenpriester umzubringen. Doch es geschah das gerade Gegenteil. Sobald nämlich Alexander von fern die Menge in ihren weißen Kleidern, die Priester in ihren Byssusgewändern und den Hohenpriester mit dem Kleide aus Hyazinth und Gold, dem Kopfbunde und der goldenen Platte, auf welcher der Name Gottes eingraviert war, erblickte, eilte er allein herbei, bewies dem Namen seine Verehrung und begrüßte den Hohenpriester zuerst. Und da nun auch die Juden insgesamt wie aus einem Munde den Alexander bewillkommten und umringten, gerieten die Könige von Syrien und die übrigen in Erstaunen und glaubten, der König sei seiner Sinne nicht mehr mächtig. Parmenion allein fasste sich ein Herz, schritt auf Alexander zu und fragte ihn, weshalb er, den alle Welt verehre, sich vor dem jüdischen Hohenpriester niederwerfe. Der König entgegnete ihm darauf: »Nicht ihn habe ich angebetet, sondern Gott, dessen höchste Priesterwürde er bekleidet. Diesen Hohenpriester habe ich in demselben Gewande schon im Traume gesehen, als ich zu Dios in Mazedonien mich befand. Und da ich schon überlegte, wie ich Asien unterjochen könne, riet dieser mir, nicht zu zögern, sondern wacker überzusetzen. Er selbst werde meinem Heere voranschreiten und mir die Herrschaft über die Perser verschaffen. Weil ich nun noch keinen anderen Menschen in einem solchen Gewande gesehen habe, erinnerte ich mich bei seinem Anblick sogleich des Traumes und seiner Verkündigung, und ich glaube jetzt, dass ich meinen Kriegszug auf Gottes Geheiß unternehme, dass ich den Darius überwinden, die Macht der Perser vernichten und alle meine Absichten verwirklichen werde.« Nach dieser an Parmenion gerichteten Antwort reichte er dem Hohenpriester die Hand und begab sich in Begleitung der Priester zur Stadt, stieg zum Tempel hinauf, opferte Gott nach des Hohenpriesters Anweisung und erwies diesem wie den Priestern die höchsten Ehrenbezeigungen. Als man ihm nun das Buch Daniel zeigte, in welchem vorausgesagt war, ein Grieche werde der Perser Reich zerstören, hielt er sich selbst für diesen Griechen und entließ voll Freude das Volk. Am folgenden Tage aber rief er sie wieder zusammen und hieß sie Geschenke begehren, so viele sie wollten. Da nun der Hohepriester um die Erlaubnis, nach den väterlichen Gesetzen leben zu dürfen, und um die Befreiung von Abgaben in jedem siebenten Jahre bat, gestand Alexander ihm dies gern zu. Und als man ihn weiter bat, er möge auch den Juden in Babylon und Medien gestatten, nach ihrem Gesetz zu leben, bewilligte er das ebenfalls. Dann erklärte er der Menge, wenn welche von ihnen mit ihm zu Felde ziehen wollten, so sei er bereit, sie mitzunehmen; auch könnten sie beim Heere ihren väterlichen Gebräuchen treu bleiben und danach leben. Darauf ließen sich viele für den Feldzug einschreiben.

    2. Alexander der Große (in der jüdischen Sage). (3 a u. b)

    Im Lande der Amazonen und an der Pforte des Paradieses.

    (Talm. Babl. Traktat Tamid 32 a b.)

    Er (Alexander) sprach zu ihnen (den Alten): »Ich will nach dem Lande (Stadt) Afrika reisen.« Da sprachen sie zu ihm: »Das kannst du nicht, denn finstere Berge trennen es (von hier).« Er sprach zu ihnen: »Ich muss gehen, daher frage ich euch, was ich tun soll?« Sie sprachen zu ihm: »Lass libysche Esel kommen, welche in der Finsternis gehen können, und lass Seile kommen und binde das eine Ende des Seiles an den Ort, wo die Finsternis ihren Anfang nimmt, und das übrige behalte in deiner Hand, um daran den Rückweg wiederzufinden.« Er tat so; er ging und kam nach einer Stadt, welche ganz von Weibern bewohnt war. Er wollte mit ihnen einen Krieg anfangen. Sie sprachen aber zu ihm: »Wenn du uns tötest, so wird es heißen: Er hat Weiber getötet; töten wir aber dich, so wird es heißen: Ein König, den Weiber getötet haben!« Da sprach er zu ihnen: »Bringt mir Brot!« Da brachten sie ihm Brot von Gold auf einem goldenen Tische. Da fragte er sie: »Essen denn die Leute Brot von Gold?« Da sprachen sie zu ihm: »Wenn du nur Brot verlangst, gibt es denn nicht Brot in deiner Stadt, dass du dich aufmachen und hierher kommen musstest?« Als er fortging, schrieb er an die Tür der Stadt: Ich, Alexander von Mazedonien, bin ein Tor gewesen, dass ich nach dem Lande Afrika kam und von Weibern Rat lernte.

    Als er weiterkam, ließ er sich an einer Quelle nieder, aß Brot und hatte kleine gesalzene Fische in seiner Hand. Als man diese (mit dem Wasser) abwusch, fiel in sie ein guter Geruch. Da sprach er: »Daraus kann man schließen, dass diese Quelle vom Paradies kommt.« Manche sagen: Er nahm von dem Wasser und wusch sein Angesicht damit. Andere wieder sagen: Er ging dem Wasser so lange nach, bis er zu dem Eingange des Paradieses gelangte. Daselbst erhob er seine Stimme (und rief): »Öffnet mir die Tür!« Man rief ihm aber die Worte zu (Ps. 118, 20): »Dies ist das Tor des Ewigen, (nur) die Gerechten dürfen da eintreten.« »Ich bin ein König,« versetzte er, »und bin sehr geachtet, gebt mir etwas!« Da gaben sie ihm einen Schädel. Er nahm ihn mit sich und legte ihn auf die eine Wagschale, und all sein Silber und Gold, das er bei sich hatte, legte er auf die andere Wagschale, doch jener war schwerer als dieses. Da fragte er die Rabbinen: »Was ist das?« Sie antworteten ihm: »Es ist der Augapfel von Fleisch und Blut, der nicht satt wird.« Da fragte er sie: »Woher weiß ich, dass es sich so verhält?« Sie antworteten ihm: »Nimm ein wenig Staub und bedecke ihn damit, alsbald wird die Wagschale leichter werden; denn es steht geschrieben: Die Hölle und der Abgrund werden nimmer gesättigt, und die Augen des Menschen werden nicht satt.« (Spr. 27, 20.)

    III. Simon der Gerechte um 200 v. (4)

    (Jesus Sirach K. 50, Übersetzung nach dem von S. Schechter entdeckten und in der »Jewish Quarterly Review« 1898 veröffentlichten hebräischen Urtext. – Aus den Apokryphen [hebr.: Sĕforim gĕnusim = verborgene Bücher], Schriften, die, ursprünglich meist in griechischer Sprache geschrieben, nicht in den Kanon der Heiligen Schrift aufgenommen wurden, aber in die Septuaginta Eingang fanden.)

    Wie prächtig war er, wenn er aus dem Zelt hervorschaute,

    wenn er hervortrat hinter dem Vorhange!

    Wie der Morgenstern zwischen den Wolken hervor

    und wie der volle Mond in den Tagen des Festes

    und wie die Sonne, die über den Tempel des Königs emporstrahlt,

    wie der Regenbogen, der in den Wolken sichtbar wird;

    wie die Blüte an den Zweigen an den Tagen des (Frühjahrs)festes

    und wie die Lilie an Wasserströmen …

    Da legt er die Ehrengewänder an

    und umkleidet sich mit den Prachtgewändern;

    er steigt hinauf zu dem majestätischen Altar …

    und nimmt die Stücke (des Opferfleisches) aus der Hand seiner

    Brüder entgegen

    und steht da über den beiden Holzstößen,

    während ein Kranz von Söhnen ihn umgibt

    wie Zedernsetzlinge auf dem Libanon.

    Ihn umringen alle Söhne Aarons in ihrer Herrlichkeit,

    und die Feueropfer Gottes in ihren Händen

    angesichts der ganzen Gemeinde Israels.

    Nun ist er zu Ende mit dem Dienst am Altar –

    da blasen die Söhne Aarons, die Priester, die Trompeten,

    sie blasen und lassen erschallen den mächtigen Hall,

    um (das Volk) in Erinnerung zu bringen vor dem Höchsten.

    Alle Sterblichen fallen da allzumal

    eilends auf ihr Antlitz zur Erde,

    um anzubeten vor dem Höchsten,

    vor dem Heiligen Israels.

    Der Gesang lässt seinen Klang vernehmen,

    und das Herz des Volkes wird erleuchtet.

    Und es jubeln alle Leute des Landes …

    Als er zu Ende ist mit dem Dienst am Altar …

    steigt er herab und hebt seine Hände empor

    über die ganze Gemeinde Israels.

    Der Segen Gottes ist auf seinen Lippen,

    und des Namens Gottes rühmt er sich.

    IV. Unter syrischer Herrschaft.

    1. Hellenismus in Juda. Jason erschleicht das Hohepriestertum und führt griechische Sitten ein. (5)

    (Das zweite Buch der Makkabäer. K. 4, 7–20. Aus den Apokryphen s. o.)

    Als aber Seleukus mit dem Tode abgegangen war und Antiochus, der den Beinamen des Erlauchten führte, die Regierung angetreten hatte, erschlich sich Jason, des Onias Bruder, das Hohepriestertum, indem er dem Könige bei einer Unterredung 360 Talente Silbers versprach und von einer anderen Einnahme 80 Talente. Außerdem machte er sich anheischig, weitere 150 zu verschreiben, falls ihm gestattet würde, dass er sich aus eigner Macht nicht nur eine Ringschule mit einem Übungsplatze für Jünglinge errichte, sondern auch Einwohnern Jerusalems das Bürgerrecht von Antiochia verleihe. Da der König dies bewilligte, führte Jason, sobald er die Herrschaft ergriffen hatte, bei seinen Volksgenossen griechische Sitten ein. Und er schaffte die menschenfreundlichen Vorrechte ab, die den Juden von den Königen durch Vermittlung des Johannes verliehen worden waren, des Vaters jenes Eupolemus, der als Gesandter, um Freundschaft und Bundesgenossenschaft zu schließen, nach Rom geschickt wurde. Die gesetzmäßigen Einrichtungen hob er auf und ließ gesetzwidrige neue Bräuche an ihre Stelle treten. Mit Absicht nämlich baute er gerade unter der Burg ein Gymnasium und verleitete die edelsten Jünglinge zum Tragen des griechischen Hutes. So stark aber steigerte sich die Vorliebe für das Griechentum und der Übertritt zu ausländischem Wesen durch die übermäßige Verruchtheit des gottlosen und unhohepriesterlichen Jason, dass die Priester sich nicht mehr um den Altardienst bekümmerten, sondern mit Verachtung des Tempels und Vernachlässigung der Opfer auf den Ringplatz liefen, um der gesetzwidrigen Aufführung von Kampfspielen nach der Aufforderung zum Scheibenwerfen beizuwohnen, indem sie die vaterländischen Ehren für nichts achteten, die griechischen Auszeichnungen aber für sehr schön hielten. Darum gerieten sie auch in eine schlimme Lage; denn eben die, deren Sitten sie nacheiferten und denen sie ganz gleich werden wollten, bekamen sie zu Feinden und Peinigern. Es ist ja nichts Geringes, wider die göttlichen Gesetze zu freveln; zuletzt findet sich’s doch.

    2. Antiochus IV. Epiphanes (175–164 v.) trachtet danach, die jüdische Religion zu vernichten. (5)

    (Das erste Buch der Makkabäer. K. 1. Aus den Apokryphen s. o.)

    Sodann ließ der König in sein ganzes Reich ein Schreiben ausgehen, dass alle zu einem Volke werden und ein jeder seine (besonderen religiösen) Gebräuche aufgeben solle. Und alle Völker fügten sich dem Gebote des Königs. Auch aus Israel fanden viele Gefallen an seiner Religion, opferten den Götzen und entweihten den Sabbat. Hierauf sandte der König durch Boten Briefe nach Jerusalem und den Städten Judas: ie sollten sich fortan nach den Gebräuchen richten, die dem Lande fremd waren, die Brandopfer und (sonstige) Opfer und Trankopfer im Heiligtum abstellen, die Sabbate und Feste entweihen, das Heiligtum und die Heiligen (d. h. die Priester, Leviten sowie alle Gesetzestreuen) verunreinigen, Opferhöhen, heilige Haine und Götzentempel errichten, Schweine und unreine Tiere opfern, ihre Söhne unbeschnitten lassen und sich durch allerlei Unreines und Greuliches beflecken, so dass sie des Gesetzes vergäßen und alle Ordnungen (Gottes) abschafften. Und wer dem Gebote des Königs nicht Folge leisten würde, der sollte sterben. Solcherlei Vorschriften ließ er an sein Reich ergehen. Und er setzte Aufseher über das ganze Volk und befahl den Städten Judas, Stadt für Stadt, zu opfern. Und viele aus dem Volke schlossen sich ihnen an, alle, die von dem Gesetz abtrünnig wurden. Und sie verübten Böses im Lande und nötigten Israel, sich in allerlei Schlupfwinkeln zu verbergen.

    Am 15. (25.) Kislew des Jahres 145 (Dez. 168 v.) errichtete er ein verwüstendes Scheusal auf dem (Brandopfer-)Altar und erbaute ringsum in den Städten Opferhöhen. Und sie opferten an den Türen der Häuser und auf den Straßen. Die Gesetzbücher, die sie fanden, zerrissen und verbrannten sie. Und wenn bei jemandem ein Buch des Bundes gefunden wurde, und wenn sich jemand nach dem Gesetz richtete, so überlieferte ihn der Erlass des Königs dem Tode. So verfuhren sie in Ausübung ihrer Macht Monat für Monat in den (einzelnen) Städten mit Israel, mit denen, die betroffen wurden.

    Am 25. des Monats opferten sie auf dem Altar, der auf dem (Brandopfer-) Altar stand. Die Frauen, die ihre Kinder hatten beschneiden lassen, töteten sie dem (königlichen) Befehle gemäß – indem sie ihnen (zugleich) die Kinder an den Hals hingen – samt ihren Familien und denen, die sie beschnitten hatten. Aber viele in Israel zeigten sich standhaft und beschlossen fest bei sich, nichts Unreines zu essen, und wollten lieber sterben, um sich nicht durch Speisen zu verunreinigen und den heiligen Bund zu beflecken, und starben (auch wirklich). Und ein großer (Gottes-) Zorn lag überaus schwer auf Israel.

    3. Erhebung des Mattatias. (5)

    (Das erste Buch der Makkabäer 2.)

    In jenen Tagen trat auf Mattatias, der Sohn des Johannes, des Sohnes Simeons, ein Priester, der zu den Söhnen Jojaribs von Jerusalem gehörte; der wohnte in Modeïn …

    Es kamen aber die Abgesandten des Königs, die zum Abfalle nötigen sollten, nach der Stadt Modeïn, um sie zum Opfern zu bringen. Und viele von Israel liefen ihnen zu; Mattatias aber und seine Söhne versammelten sich. Da hoben die Abgesandten des Königs an und sprachen zu Mattatias also: »Du bist ein Oberster und angesehen und groß in dieser Stadt und stark durch Söhne und Brüder. So tritt nun zuerst heran und tue, was der König befiehlt, wie alle Völker taten und die Männer von Juda und die in Jerusalem Zurückgebliebenen. So wirst du und dein Haus zu den Freunden des Königs gehören, und du und deine Söhne werdet mit Silber und Gold und vielen Geschenken geehrt werden.« Mattatias aber antwortete und rief mit lauter Stimme: »Wenn alle Völker, die sich im Bereiche der Herrschaft des Königs befinden, ihm gehorchen, indem ein jeder der Religion seiner Väter untreu wird, und sie sich nach seinen Geboten richten, so wollen doch ich und meine Söhne und meine Brüder in dem (von Gott) mit unseren Vätern geschlossenen Bunde wandeln. Gott bewahre uns davor, dass wir vom Gesetz und den Satzungen abtrünnig werden sollten. Dem Gesetze des Königs werden wir nicht gehorchen, dass wir von unserer Religion zur Rechten oder Linken abweichen sollten!«

    Als er eben diese Rede beendigt hatte, trat vor aller Augen ein jüdischer Mann herzu, um auf dem Altar zu Modeïn dem Befehle des Königs gemäß zu (opfern). Als das Mattatias sah, geriet er in Eifer, und sein Innerstes erbebte. Und er ließ seinem Zorn freien Lauf, wie es sich gebührte, lief hin und tötete ihn am Altar. Zugleich aber tötete er auch den königlichen Beamten, der zum Opfern nötigen sollte, zerstörte den Altar und eiferte (so) für das Gesetz, wie Pinehas gegenüber Simri, dem Sohne Salus, tat. Sodann ließ Mattatias in der Stadt den lauten Ruf erschallen: »Jeder, der für das Gesetz eifert und den Bund aufrechterhalten will, ziehe aus, mir nach!« So flohen er und seine Söhne ins Gebirge und ließen alle ihre Habe in der Stadt zurück.

    V. Unter der Herrschaft der Makkabäer.

    1. Simon wird zum erblichen Fürsten und Hohenpriester erhoben. (5)

    (Das erste Buch der Makkabäer 14, 25–49)

    Als aber das Volk diese Begebenheiten vernahm, sprachen sie: »Welchen Dank sollen wir Simon und seinen Söhnen abstatten? Denn er und seine Brüder und seine väterliche Familie haben sich tapfer gezeigt und die Feinde Israels von ihnen abgewehrt und ihnen Freiheit geschafft!« So zeichneten sie (es) denn auf eherne Tafeln auf und befestigten (diese) an einer Säule auf dem Berge Zion. Und dies ist die Abschrift der Urkunde: Am 18. Elul des Jahres 172, das ist das dritte Jahr unter dem Hohenpriester Simon, dem Fürsten des Volkes Gottes, wurde uns in einer großen Versammlung der Priester und des Volks und der Obersten des Volks und der Vornehmsten des Landes (Folgendes) kundgetan: Da oft Kriege im Land ausbrachen, haben sich Simon, der Sohn des Mattatias, der Abkömmling der Söhne Jojaribs, und seine Brüder der Gefahr preisgegeben und den Feinden ihres Volks Widerstand geleistet, damit ihr Heiligtum und das Gesetz erhalten bliebe, und erwarben ihrem Volke hohen Ruhm. Und als Jonathan ihr Volk vereinigt hatte und ihr Hoherpriester geworden und zu seinem Volke versammelt worden war, da beschlossen ihre Feinde, in ihr Land einzudringen, um ihr Land zu verheeren und Hand an ihr Heiligtum zu legen. Damals trat Simon auf und kämpfte für sein Volk. Er wendete viel von seinem eignen Vermögen auf, versah die Krieger seines Volks mit Waffen und gab ihnen Sold. Er befestigte die Städte Judäas und Betsura an der Grenze Judäas, das zuvor ein Waffenplatz der Feinde gewesen war, und legte Judäer als Besatzung hinein. Auch Joppe, das am Meere liegt, befestigte er, sowie Gazera, das an das Gebiet von Azotus angrenzt, woselbst sich zuvor die Feinde festgesetzt hatten. Er siedelte dort Judäer an, und was irgend zu ihrem Unterhalt erforderlich war, tat er hinein.

    Als aber das Volk die Treue Simons sah und den Ruhm, den er seinem Volke zu verschaffen suchte, machten sie ihn zu ihrem Anführer und Hohenpriester, weil er alles dieses ausgeführt hatte, und wegen der Gerechtigkeit und Treue, die er seinem Volke bewahrte, und weil er sein Volk auf jede Weise zu heben trachtete. In seiner Zeit gelang es durch seine Hände, dass die Heiden aus ihrem Lande weggeschafft wurden und (ebenso) die in der Stadt Davids, in Jerusalem, die sich eine Burg errichtet hatten, aus der sie Ausfälle machten und (alles) rings um das Heiligtum her verunreinigten und die Heiligkeit (des Tempels) arg schädigten. Und er siedelte Judäer in ihr an und befestigte sie zur Sicherung des Landes und der Stadt und erhöhte die Mauern Jerusalems. Der König Demetrius aber bestätigte ihn demgemäß als Hohenpriester und zählte ihn unter seine Freunde und erwies ihm große Ehre. Denn er hatte gehört, dass die Judäer von den Römern für ihre Freunde und Bundesgenossen und Brüder erklärt würden, und dass sie die Abgesandten Simons ehrenvoll empfangen hatten. So … beschlossen denn die Judäer und die Priester, dass Simon für immer ihr Anführer und Hoherpriester sein solle, bis ein glaubhafter Prophet erstehen würde, und dass er ihr Feldherr sein und ihm die Sorge für das Heiligtum obliegen solle, damit durch ihn (Leute) bestellt würden über ihre (öffentlichen) Arbeiten und über das Land und die Waffen und die Festungen; dass ihm die Sorge für das Heiligtum obliegen und ihm von allen gehorcht werden solle; dass in seinem Namen alle Urkunden im Land abgefasst werden sollten, und dass er sich in Purpur kleiden und goldenen Schmuck tragen solle. Simon aber nahm es an und willigte ein, das Hohepriesteramt zu bekleiden und Feldherr und Volksfürst der Juden und der Priester zu sein und allem vorzustehn. Und diese Urkunde ließen sie auf ehernen Tafeln anbringen und diese an der Mauer des Heiligtums an einem (allen) sichtbaren Ort aufstellen. Eine Abschrift davon aber ließen sie in der Schatzkammer niederlegen, damit Simon und seine Söhne sie besäßen.

    2. Johann Hyrkans Abfall von den Pharisäern. (6)

    (Talm. Babl. Trakt. Kidduschin = Heiligungen 66 a; der Traktat handelt von den Eheschließungen.)

    Es ereignete sich einst, dass König Jannai (Johann Hyrkan, 135–106 v.) nach Kochalit ins Wüstenland (im Nordosten von Peräa) gezogen war und sechzig Städte daselbst erobert hatte. Bei seiner Heimkehr freute er sich sehr, lud die Weisen Israels zu sich ein und sprach zu ihnen: »Als unsere Väter mit dem Bau des Heiligtums beschäftigt waren, aßen sie Steppenpflanzen, auch wir wollen solche zur Erinnerung an unsere Väter essen.« Man trug nun diese auf goldenen Tischen auf und aß sie. Unter ihnen (den Geladenen) befand sich auch ein niederträchtiger, böser Spötter namens Elasar ben Poira. Dieser sprach nun zum König Jannai: »König Jannai, die Pharisäer sind im Herzen gegen dich!« »Was soll ich tun (um mich davon zu überzeugen)?« »Bringe sie in Harnisch, indem du das Stirnblech (des Hohenpriesters) zwischen deinen Augen trägst.« Er tat also. Da sprach ein Greis namens Jehuda ben Gedidja zu König Jannai: »König Jannai, begnüge dich mit der Krone des Königtums und überlasse die Krone des Priestertums den Nachkommen Arons.« Man erzählte sich nämlich, dass seine (des Königs) Mutter nach Modin gefangen geführt wurde (was ihre Nachkommen zum Priestertum untauglich gemacht hätte). Die Sache wurde untersucht, und sie stellte sich als leeres Gerücht heraus. (Die Richter verurteilten den Verleumder nicht zum Tode, sondern nur zur Geißelung.) Hierauf wurden die Weisen Israels im Zorne (aus den Ämtern) verdrängt. Da sprach Elasar ben Poira zu König Jannai: »König Jannai, ein gewöhnlicher Mann in Israel würde dieses Recht genießen, und ein König in Israel und Hoherpriester soll das gleiche Recht genießen!« »Und was soll ich tun?« »Wenn du auf meinen Rat hören willst, tritt sie nieder« (vernichte sie). »Und was soll aus der Lehre werden?« »Sie steht zusammengerollt in einer Ecke; wer lernen will, komme und lerne aus ihr.« Rab Nachman ben Jizchak sagte: »In diesem Augenblick war er schon von ketzerischen Gedanken erfüllt. Er hätte sonst antworten müssen, dass das nur bei der schriftlichen Lehre möglich wäre, wie aber würde es mit der mündlichen Lehre sein?« So reifte das Unglück durch Elasar ben Poira heran, und die Weisen Israels wurden umgebracht, und die Welt war verödet, bis Simeon ben Schetach kam und der Lehre zu ihrer früheren Stellung verhalf.

    3. Pharisäer, Sadduzäer und Essäer. (2. 7. 4)

    a) Pharisäer und Sadduzäer.

    (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVIII, 1. Jüdischer Krieg II, 8.)

    Die Pharisäer leben enthaltsam und kennen keine Annehmlichkeiten. Was vernünftige Überlegung als gut erscheinen lässt, dem folgen sie und halten es überhaupt für ihre Pflicht, den Vorschriften der Vernunft nachzukommen. Die Alten ehren sie und maßen sich nicht an, den Anordnungen derselben zu widersprechen. Wenn sie behaupten, alles geschehe nach einem bestimmten Schicksal, so wollen sie damit dem menschlichen Willen nicht das Vermögen absprechen, sich selbst zu bestimmen, sondern lehren, es habe Gott gefallen, die Macht des Schicksals und die menschliche Vernunft zusammenwirken zu lassen, so dass jeder es nach seinem Belieben mit dem Laster oder der Tugend halten könne. Sie glauben auch, dass die Seelen unsterblich sind und dass dieselben, je nachdem der Mensch tugendhaft oder lasterhaft gewesen, unter der Erde Lohn oder Strafe erhalten. Infolge dieser Lehren besitzen sie beim Volke einen solchen Einfluss, dass sämtliche gottesdienstliche Verrichtungen, Gebete wie Opfer, nur nach ihrer Anleitung dargebracht werden. Ein so herrliches Zeugnis der Vollkommenheit gaben ihnen die Gemeinden, weil man glaubte, dass sie in Wort und Tat nur das Beste wollten.

    Die Sadduzäer hingegen, die zweite der obengenannten Sekten, leugnen das Schicksal völlig und behaupten, Gott habe mit dem Tun und Lassen der Menschen gar nichts zu schaffen; vielmehr seien gute wie böse Handlungen gänzlich dem freien Willen anheimgestellt, und nach eigenem Gutdünken trete ein jeder auf die eine oder andere Seite. Weiterhin leugnen sie auch die Fortdauer der Seele sowie die Strafen und Belohnungen in der Unterwelt. Während aber die Pharisäer sich eng aneinander anschließen und zum Wohle der Gesamtheit die Eintracht hochhalten, ist das Benehmen der Sadduzäer gegen ihresgleichen weit unfreundlicher, so dass sie mit ihren Gesinnungsgenossen so abstoßend wie mit Fremden verkehren.

    b) Essäer. (2. 7. 4)

    (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XVIII, 1. Jüdischer Krieg II, 8.)

    Die Essäer dagegen lehren, man müsse alles dem Willen Gottes anheimgeben. Sie glauben an die Unsterblichkeit der Seele und halten den Lohn der Gerechtigkeit für das erstrebenswerteste Gut. Wenn sie Weihgeschenke in den Tempel schicken, bringen sie kein Opfer dar, weil sie heiligere Reinigungsmittel zu besitzen vorgeben. Aus diesem Grunde ist ihnen der Zutritt zum gemeinsamen Heiligtum nicht gestattet, und sie verrichten demgemäß ihren Gottesdienst besonders. Übrigens sind es Menschen von vortrefflichen Sitten, und sie beschäftigen sich nur mit Ackerbau. Ganz besonders bewunderungswürdig und lobenswert aber sind sie wegen einer bei den Griechen und den anderen Völkern völlig unbekannten, bei ihnen jedoch nicht etwa erst seit kurzer Zeit, sondern schon seit vielen Jahren herrschenden ausgleichenden Gerechtigkeit, infolge deren sie vollkommene Gütergemeinschaft haben und dem Reichen nicht mehr Genuss von seinen Gütern lassen wie dem Armen. Nach dieser Lehre leben über viertausend Menschen. Sie heiraten ebensowenig, als sie Knechte halten, da sie das Letztere für Unrecht, das Erstere aber für die Quelle alles Streites halten.

    Auf eine eigentümliche Art verehren sie die Gottheit. Bevor nämlich die Sonne aufgeht, sprechen sie kein unheiliges Wort, sondern sie richten an das Gestirn gewisse altherkömmliche Gebete, als wollten sie seinen Aufgang erflehen. Hierauf werden sie von den Vorstehern zu dem Tagewerk entlassen, auf das ein jeder von ihnen sich versteht. Wenn sie sodann bis zur fünften Stunde fleißig gearbeitet haben, kommen sie wieder an einem bestimmten Ort zusammen, schürzen ein linnenes Tuch um und waschen sich den Leib in kaltem Wasser. Nach dieser Reinigung begeben sie sich in ein besonderes Gebäude, das kein Angehöriger einer anderen Sekte betreten darf, und versammeln sich hier, gereinigt, als ginge es in ein Heiligtum, im Speisesaal. Dort setzen sie sich in aller Ruhe nieder, und es legt alsdann der Bäcker ihnen der Reihe nach Brote vor, während der Koch jedem eine Schüssel mit einem einzigen Gericht aufträgt. Ehe das Mahl beginnt, spricht der Priester ein Gebet, und vor dem Gebet darf niemand etwas verzehren. Nach dem Mahle betet er wiederum, so dass zu Anfang und zu Ende desselben Gott als der Spender der Nahrung geehrt wird. Nachdem sie sodann ihre gleichsam heiligen Kleider abgelegt, begeben sie sich wieder an ihre Arbeit bis zur Abenddämmerung. Hierauf kehren sie zurück und speisen auf dieselbe Weise; sind zufällig Fremde da, so nehmen diese am Mahle teil. Weder Geschrei noch sonstiger Lärm entweiht je das Haus, sondern ein jeder lässt den andern reden, wie ihn die Reihe trifft.

    (Aus Plinius, Historia naturalis V, 17.)

    »Die Essener (Essäer) leben am westlichen Ufer des Asphaltsees (des Toten Meeres) abseits vom See, um seiner schädlichen Wirkung zu entgehen. Es ist dies ein Volk, das einzig in der Welt dasteht, ein sonderbares Volk, ohne Weiber, das sich von Venus losgesagt hat, das kein Geld gebraucht und nur in der Gesellschaft von Palmen lebt. Es wird durch ständigen Zufluss von Ankömmlingen erneuert, die in großer Zahl dorthin kommen, von jenen Lebensmüden (vita fessos), die sich nach schweren Schicksalsschlägen von der Lebensweise dieses Volkes angezogen fühlen. So … lebt ein ewiges Volk, in dem niemand geboren wird; so vermehrt es sich allein dadurch, dass andere mit dem Leben unzufrieden sind …«

    4. Gegen die Sadduzäer. (5)

    (Aus »Die Psalmen Salomos« 4, 1–8, einer pseudepigraphischen Dichtung: »Ein Gedicht Salomos gegen die Menschenknechte«. Vermutlich richtet sich die Anklage gegen den Hasmonäerfürsten Alexander Jannai, der als das Haupt der Sadduzäer und wegen seines gottlosen Lebenswandels von den Pharisäern gehasst wurde.)

    Was sitzest du, Unheiliger, im Rate der Frommen,

    da doch dein Herz weitab ist vom Herrn,

    (und) du mit Übertretungen den Gott Israels reizest?

    An Worten und an Gebärden alle (andern) überragend,

    (ist er) mit harten Worten (bereit), die Schuldigen im Gericht zu verurteilen.

    Er ist voran, Hand an ihn zu legen wie im (frommen) Eifer,

    während er doch selbst in vielfache Sünde und Unreinheit verstrickt ist.

    Seine Augen sind auf jedes Weib ohne Unterschied gerichtet,

    seine Zunge lügt (selbst) beim eidlichen Vertrage.

    Des Nachts und insgeheim sündigt er, weil er sich ungesehen glaubt;

    durch die Augen hält er mit jedem Weibe sündige Verabredung.

    Hurtig dringt er in jedes Haus ein – harmlos, als täte er nichts Arges.

    Rotte, Gott, aus, die in Heuchelei leben unter den Frommen,

    durch siechen Leib und Armut (raffe weg) ihr Leben!

    Gott, decke auf die Werke der Menschenknechte!

    Zu Gelächter und Gespötte (müssen werden) ihre Taten,

    so, dass die Frommen ihres Gottes Gericht anerkennen,

    wann die Sünder den Gerechten aus den Augen hinweggetan werden,

    die Menschenknechte, die trügerisch fromm reden.

    5. Wiederberufung der Pharisäer zum Synhedrion. 28. Tebet. (8)*

    (Měgillat Taanit = Fastenrolle, kalendarisches Verzeichnis meist freudiger Gedenktage, an denen nicht gefastet werden durfte, entstanden um 65 n. im Kreise von Eleasar ben Chananja, dem Haupt der Zeloten; mit Erklärungen der Gedenktage, deren heutige Fassung bis ins 7. Jahrhundert hinunterreicht. Nach Měgillat Taanit Kap. 4 haben die Pharisäer den Tag des 14. Tammus, an dem die Ansicht der Sadduzäer, dass »Auge um Auge, Zahn um Zahn« u. a. m. wörtlich zu verstehen sei, verworfen wurde, zum Festtag gemacht.)

    Am 28. Tebet wurde das Synhedrion wieder nach Gesetz und Recht gebildet. Als die Sadduzäer, unter denen sich auch der König (Alexander) Jannai und seine Gemahlin Salome (Alexandra) befanden, die Sitze im Synhedrion inne hatten, war außer Simon ben Schetach nicht einer von den Israeliten (Pharisäern) dabei. Man stellte Fragen und behandelte gesetzliche Entscheidungen; doch niemand war imstande, seine Meinung aus der Tora zu begründen. Da sprach Simon ben Schetach zu ihnen: »Wer seine Ansicht aus der Tora zu beweisen vermag, ist würdig, Mitglied des Synhedrions zu sein, wer es nicht versteht, ist dessen unwürdig.« Einmal nun kam eine Sache bei ihnen zur Verhandlung, für die niemand aus der Tora einen Beweis erbringen konnte. Nur ein Greis fühlte sich zum Sprechen genötigt und erbat sich von Simon ben Schetach Zeit zur Antwort bis zum folgenden Tage. Nachdem er sich lange hin und her besonnen und eingesehen hatte, dass er nicht aus der Tora zu beweisen verstand, schämte er sich, seinen Sitz im großen Synhedrion wieder einzunehmen. Darauf setzte Simon ben Schetach einen seiner Schüler an dessen Stelle, weil das Synhedrion nicht weniger als 71 Mitglieder haben dürfe. So machte er es jeden Tag, bis alle (Sadduzäer) entfernt waren und ein Synhedrion nach seinem Sinne gebildet war. Den Tag aber, an welchem das sadduzäische Synhedrion ganz durch ein pharisäisches ersetzt war, machte man zu einem Festtag.

    VI. Volksfeste im alten Israel.

    1. Darbringung der Erstlingsfrüchte in Jerusalem. (9)

    (Aus der Mischna, Traktat Bikkurim = Erstlinge, III. Abschn. 2–8. Mischna.)

    In welcher Weise brachte man die Erstlingsfrüchte (nach Jerusalem)? – Alle Bewohner der Orte, die zu einem Standbezirke gehörten ¹, versammelten sich in der Stadt des Standältesten und übernachteten auf dem freien Platze der Stadt, ohne die Häuser zu betreten. Morgens in der Frühe redete der Vorsteher sie mit den Worten an: »Auf, lasst uns nach Zion hinaufziehen zum Hause des Ewigen, unseres Gottes.« (Jes. 2, 3.) Die in der Nähe (Jerusalems) Wohnenden brachten (frische) Feigen und Weintrauben, die Entfernteren dürre Feigen und Rosinen. Der (zum Freudenopfer bestimmte) Stier ging vor ihnen her, die Hörner mit Gold belegt, einen Kranz aus Ölbaumzweigen auf dem Kopfe; die Flöte ertönte vor ihnen her, bis sie nahe vor Jerusalem anlangten. Sobald sie dort ankamen, sandten sie Boten vorauf und bekränzten ihre Erstlinge. Die Stellvertreter der Priester sowie der Leviten und die Schatzmeister kamen ihnen entgegen, und zwar kamen so viele, als die Achtung vor den Ankommenden erheischte. Und alle Handwerker in Jerusalem standen vor ihnen auf und begrüßten sie mit den Worten: »Brüder, Männer aus dem und dem Orte, seid uns willkommen!«

    Die Flöte ertönte weiter vor ihnen her, bis man an den Tempelberg gelangte. Hier aber nahm ein jeder, selbst König Agrippa, seinen Korb auf die Schulter und zog hinauf, bis er an den Vorhof kam. Sobald man da anlangte, stimmten die Leviten den Gesang an (Psalm 30): »Ich erhebe dich, Gott, weil du mich aus der Tiefe gezogen hast, dass du nicht meine Feinde sich über mich freuen ließest.« Die Tauben, welche an den Körben hingen, wurden zu Brandopfern genommen, und was sie sonst in der Hand hielten, gaben sie den Priestern. Während man noch den Korb auf der Schulter hatte, las man aus den Worten der Schrift von: »Ich bezeuge heute vor dem Herrn, deinem Gotte« (Deuteron. 26, 3), bis zum Ende des ganzen Abschnittes. R. Jehuda sagt, bis: »Ein wandernder Aramäer war mein Vater« (a. a. O. V. 5). Bei diesen Worten aber nahm man den Korb von der Schulter, fasste ihn am Rande an, der Priester legte seine Hand darunter und schwenkte ihn, las dann ebenfalls von jenen Worten an bis zum Ende des Abschnittes, setzte den Korb an den Altar hin, warf sich zur Anbetung nieder und ging hinaus … Die Reichen brachten ihre Erstlinge in Körben von Silber und Gold; die Armen aber brachten sie in Zweigkörben aus abgeschälten Weidenruten; diese Körbe wurden mit den Erstlingen den Priestern gegeben.

    2. Die Freude des Wasserschöpfens. (9)

    (Aus der Mischna, Traktat Sukka = Laubhütte, V. Abschn. 1–4. Mischna.)

    … Wer den Jubel von Bet Haschĕūba (vermutlich Ort des Wasserschöpfens, im Hinblick auf Jes. 12, 3) nicht gesehen, hat in seinem Leben noch keinen Jubel gesehen. Am Ausgange des ersten Feiertages des Festes stieg man in den Vorhof der Frauen hinab, um daselbst eine wichtige Einrichtung herzustellen. Dort waren goldene Leuchter mit je vier goldenen Schalen am oberen Ende. Vier Leitern standen vor jedem Leuchter, und vier Jünglinge aus der Blüte der Priesterschaft hielten Ölkrüge von insgesamt hundertundzwanzig Log (ungefähr 42 Liter; nach einer alten Überlieferung war das der Gesamtinhalt aller Krüge) in den Händen und füllten die einzelnen Schalen. Aus den abgetragenen Röcken der Priester und aus ihren Gürteln hatte man Dochte gemacht; diese zündete man an, und es war kein Hof in Jerusalem, der nicht vom Licht von Bet Haschĕūba widerstrahlte. Die Frommen und die »Männer der Tat« führten mit brennenden Fackeln in den Händen einen Tanz vor ihnen (den Zuschauern) auf und trugen ihnen Lieder und Gesänge vor. Zahllose Leviten spielten die Harfe, die Leier, die Zimbel, die Trompete und andere Instrumente auf den fünfzehn Stufen, die entsprechend den fünfzehn Stufenliedern des Psalters von der Halle der Israeliten nach der Frauenhalle hinabführten. Auf ihnen standen die Leviten mit Musikinstrumenten und sangen Lieder. Zuletzt treten zwei Priester in das obere Tor, das von dem Vorhof der Israeliten zum Vorhof der Frauen hinabführt. In den Händen halten sie zwei Trompeten, aus denen beim ersten Hahnenruf ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton erschallt. Man gelangt zur zehnten Stufe – ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton. Man gelangt zum Vorhof – ein gedehnter, ein schmetternder und wieder ein gedehnter Ton. Und so bliesen sie weiter, bis man an das nach Osten hinausführende Tor gelangte. Hatte man dieses erreicht, so wandte man das Antlitz nach Westen und sprach: »Unsere Väter kehrten, wenn sie an diesem Orte standen, dem Tempel des Ewigen den Rücken zu, ihr Gesicht aber dem Osten, und sie warfen sich ostwärts vor der Sonne nieder; wir aber, unsere Augen sind auf Gott gerichtet« …

    3. Der fünfzehnte Ab. (9)

    (Aus der Mischna, Traktat Taanit = Fasten, IV. Abschn. 8. Mischna.)

    Rabban Simon ben Gamliel berichtete: Es hat in Israel keine fröhlicheren Tage gegeben als den fünfzehnten Ab und den Versöhnungstag. Denn an ihnen zogen die Töchter Jerusalems in weißen Kleidern hinaus, und zwar in geborgten, um diejenigen, die keine besaßen, nicht zu beschämen, weshalb auch alle Kleider ein Reinigungsbad erforderten. Die Töchter Jerusalems zogen also hinaus und führten in den Weingärten Reigentänze auf. Und was sangen sie dabei? »Jüngling, erhebe die Augen und betrachte, was du dir wählst. Richte deinen Blick nicht auf Schönheit, richte deinen Blick auf Familie. Trügerisch ist Anmut und eitel ist Schönheit; eine gottesfürchtige Frau, nur sie ist lobenswert.« Und es heißt auch: »Gebet ihr von der Frucht ihrer Hände, es rühmen sie in den Toren ihre Werke.« (Spr. Sal. 31, 30–31.)

    VII. Aus dem religiösen und sozialen Leben.

    1. Die Verkündigung des Neumonds. (9)

    (Aus der Mischna, Traktat Rosch Haschana = Neujahrsfest, II. Abschn. 2–7. Mischna.)

    Anfangs wurden Feuerzeichen angewendet. Als die Samaritaner (durch falsche Feuerzeichen) Verwirrung anrichteten, verordnete man, dass Boten hinausziehen sollten. Wie wurden die Feuerzeichen hergestellt? Man schaffte lange Zedernzweige herbei nebst Rohr, Oleasterholz und Werg von Flachs, umwickelte alles mit einer Schnur und bestieg eine Bergspitze, wo man es in Brand setzte und so lange hin und her, aufwärts und abwärts schwenkte, bis man den Genossen auf der zweiten Bergspitze ebenso verfahren sah. Und so auch auf dem Gipfel des dritten Berges. Und von welchen Orten wurden die Feuerzeichen gegeben? Vom Ölberge nach Sarteba, von Sarteba nach Agrippina, von Agrippina nach Hauran, von Hauran nach Bet Baltin. In Bet Baltin rührte man sich nicht eher von der Stelle, schwenkte vielmehr hin und her und auf und ab, bis man die ganze Gola (das Exil, gemeint ist Babylonien, in erster Linie die Stadt Pumpedita) wie ein Flammenmeer vor sich sah.

    Ein großer Hof war in Jerusalem, der Bet Jasek genannt wurde. Dort versammelten sich alle Zeugen, und dort wurden sie vom Gerichtshof vernommen. Man bereitete ihnen große Mahlzeiten, damit sie einen Anreiz hätten zu kommen. Vormals durften sie sich den ganzen Tag von dort nicht entfernen. Rabban Gamliel der Ältere verordnete, dass sie zweitausend Ellen nach jeder Richtung gehen dürften.

    … Wie verhört man die Zeugen? Das zuerst erschienene Paar wird zuerst vernommen, indem man zunächst den älteren von beiden eintreten lässt und zu ihm spricht: »Sage, wie du den Mond gesehen hast. Vor der Sonne oder hinter der Sonne? Nördlich von ihr oder südlich von ihr? Wie hoch stand er, wohin neigte er und wie breit war er?« Sagt er: vor der Sonne, so ist seine Aussage nichtig. Hierauf lässt man den zweiten eintreten und verhört ihn. Werden ihre Worte in Übereinstimmung befunden, so ist ihr Zeugnis von Bestand. Man befragt die anderen Paare dann noch über einige Hauptpunkte; nicht als ob man ihrer bedürfe, sondern nur, damit sie nicht enttäuscht davongehen, vielmehr einen Anreiz haben, wiederzukommen. Der Vorsitzende des Gerichtshofes spricht: »Měkuddasch« (Geweiht!), und alles Volk stimmt nach ihm an: »Měkuddasch, Měkuddasch«.

    2. Der Einzug des Hohenpriesters in den Tempel vor dem Versöhnungstag. (10 a u. b)

    (Beschreibung eines angeblichen Augenzeugen, des »römischen Konsuls Marcus«. Der im Schebet Jehuda von Salomo ibn Verga eingeschaltete Bericht ist nach den Untersuchungen von Fritz Baer jüdischen Ursprungs und enthält vorwiegend Stellen aus Talmud und Midrasch und Auszüge aus der Schilderung des herodianischen Tempels bei Josippon.)

    Sieben Tage vor dem Versöhnungstage wurden in der Behausung des Hohenpriesters mehrere Stühle bereitgestellt, und zwar 1. für den Vorsitzenden des hohen Gerichts, 2. für den Nassi (Fürsten), 3. für den König, 4. für den Hohenpriester und 5. für dessen Stellvertreter. Außerdem wurden noch siebzig Sessel gestellt für die siebzig Mitglieder des hohen Gerichtshofes. Der älteste der Priester stand auf und hielt an den Hohenpriester eine ernst ermahnende Anrede: »Erwäge wohl«, sprach er zu ihm, »vor wen du hintrittst, und dass der geringste Verstoß in der Ausführung des Dienstes dich verantwortlich macht und die Versöhnung des Volkes beeinträchtigt, denke aber auch daran, dass die Blicke von ganz Israel auf dich gerichtet sind. Untersuche also deinen Wandel, ob er stets lauter war, denn auch die kleinste Sünde wiegt oft viele gute Taten auf. Dem Allwissenden allein ist solcher Fehler bekannt. Untersuche auch den Wandel deiner priesterlichen Amtsbrüder und bessere sie. Erwäge ferner, dass du vor dem König aller Könige erscheinst, der auf dem Richterstuhle sitzt und mit seinem Blick den Lasterhaften verschmäht! Wie darfst du dich ihm also zu nähern wagen, wenn dich der Feind, die Unlauterkeit, begleitet?« Hierauf erwiderte ihm der Hohepriester, dass er seinen Wandel bereits untersucht und wegen alles dessen, worin er gefehlt, aufrichtige Buße getan habe; auch habe er bereits seine Amtsbrüder in dem Vorhof des Tempels versammelt und sie dort bei Gott beschworen, dass jeder sowohl seine eigenen Sünden als auch die seiner Amtsgenossen bekenne, er ihnen aber für jedes Vergehen eine angemessene Bußübung vorschreiben wolle. – Auch der König sagte ihm viel Verbindliches und versicherte ihn seiner Gunst, wenn er glücklich das Allerheiligste verlassen werde.

    Hierauf wurde öffentlich ausgerufen, dass der Hohepriester im Begriff sei, ein Zimmer im Tempel zu beziehen, worauf sich das Volk versammelte, um ihn zu begleiten. Hierbei wurde folgende Ordnung beobachtet: Voran gingen diejenigen, die ihre Abkunft von dem Königshause Israel ableiteten, dann diejenigen, welche vom Königsgeschlechte David abstammten, vor ihnen wurde ausgerufen: »Huldigt der Regierung des Hauses David!« Ihnen folgten die Leviten in blauseidenen Gewändern, an sechsunddreißigtausend Personen; vor diesen rief man aus: »Beweiset Ehrfurcht dem Hause Levi!« Auf diese folgten vierundzwanzigtausend Priester in weißseidenen Gewändern, hinter ihnen gingen die Sänger, dann die Musikanten, dann die Tubenbläser, dann die Torschließer, dann die Räucherwerkverfertiger, dann die Vorhangweber, dann ein Trupp Kartophelos ², dann die bei den Tempelbauten Beschäftigten, dann die Siebzig des hohen Gerichtshofes, dann hundert Zugordner mit silbernen Stäben; schließlich kamen der Hohepriester und hinter ihm paarweise die ältesten Priester. An jeder Straßenecke begrüßten ihn Häupter der Hochschulen und riefen ihm zu: »Bete zu unserem Schöpfer, dass er uns ferner erhalte, damit wir dem Studium seiner Lehre leben können.«

    Wenn der Zug endlich am Eingang des Tempels angelangt war, wurde ein Gebet für den König, das Haus David, für die Priester und dann für den Tempel gesprochen, wobei die zahlreiche Menge ein so lautes Amen rief, dass die Vögel aus der Luft zur Erde stürzten. Alsdann verneigte sich der Hohepriester gegen das Volk, trennte sich weinend und voll Ehrerbietung von ihm und wurde von zwei Assistenten in sein Zimmer geführt und von den übrigen Priestern abgesondert.

    Beim Zuge aus dem Tempel war die Pracht noch größer; hier zog nämlich die ganze Volksmenge Jerusalems weiß gekleidet vor dem Hohenpriester her. Alle Fenster waren erleuchtet und mit bunten Teppichen behangen, und oft war es der Fall, dass der Hohepriester wegen der großen Volksmenge und des starken Gedränges vor Mitternacht seine Wohnung nicht erreichen konnte. Denn obgleich alles eilte, ging niemand nach Hause, bevor er nicht die Hand des Hohenpriesters gefasst hatte. Am folgenden Tag, der wegen der glücklichen Zurückkunft des Hohenpriesters aus dem Allerheiligsten als Feiertag betrachtet wurde, veranstaltete dieser ein großes Fest, zu welchem er seine Verwandten und Freunde einlud.

    3. Soziale Fürsorge, (1)

    (Talm. Babl. Baba Batra 8 b.)

    Die Rabbanan lehrten: Die (Beiträge zur) Almosenkasse werden durch zwei (Personen) eingesammelt und durch drei verteilt. Eingesammelt werden sie durch zwei, weil man die Herrschaft über eine Gemeinde zumindest zweien zuerteilt, und verteilt durch drei wie bei (Rechtsurteilen) in Geldangelegenheiten. (Speisen) zur Armenschüssel werden durch drei eingesammelt und durch drei verteilt, weil das Einsammeln der Verteilung gleichgestellt ist. Von der Schüssel wird täglich verteilt, von der Armenkasse an jedem Rüsttag des Sabbat. Die Armenschüssel ist für die Armen aus aller Welt, die Armenkasse für die einheimischen. Die Einwohner einer Stadt dürfen aber von der Armenkasse der Schüssel (Beträge zuweisen) und von der Schüssel für die Kasse (Naturalien zu Geld machen) und dies zu jedem beliebigen gemeinnützigen Zwecke verwenden. Und die Einwohner einer Stadt dürfen Bestimmungen treffen wegen der Maße der Preise und der Arbeitslöhne …

    VIII. Unter der Herrschaft Roms.

    1. Juden in Rom zur Zeit des Pompejus. (11c)*

    (Aus der Rede Ciceros »Pro Flacco«, worin der judenfeindliche Redner den römischen Prokonsul in Asien Valerius Flaccus im Jahre 59 wegen Beschlagnahme der von den Juden Kleinasiens gesammelten Tempelgelder vor Gericht verteidigte. Sie zeigt den politischen Einfluss der Juden in Rom.)

    »Nun zur Verdächtigung wegen des (von Flaccus konfiszierten) jüdischen Goldes. Zweifellos ist eben diese der Grund, warum sich dieser Rechtsstreit nicht weit von der Aurelischen Terrasse (der Ort der größten Volksansammlungen) abspielt. Diesem Klagepunkt zuliebe hast du, Lälius (der Ankläger), diesen Ort und diese Volksmenge aufgesucht; denn du weißt wohl, wie zahlreich die Bande ist, wie einmütig, wie entscheidend diese Menge ist, wie sie in allen Versammlungen den Ton angibt. Also will ich leise reden, damit mich nur die Richter hören, denn es fehlt nicht an Menschen, die diese Menge gegen mich, wie auch gegen jeden anderen rechtschaffenen Bürger aufbringen könnten, und es liegt mir nichts daran, ihnen diese Aufgabe zu erleichtern.

    Angesichts dessen, dass alljährlich in jüdischem Auftrag aus Italien und aus allen unseren Provinzen Gold nach Jerusalem ausgeführt wurde, hat Flaccus in einem Edikt die Goldausfuhr aus Asien (Kleinasien) untersagt. Wer von euch, meine Herrn Geschworenen, würde wohl diese Maßnahme nicht aufrichtig gutheißen? Gegen die Ausfuhr von Gold hat sich der Senat wie früher oft, so besonders unter meinem Konsulat entschieden ausgesprochen. Diesen abergläubischen Barbaren entgegenzutreten, war nur ein Gebot der Strenge; feinstes Gefühl für Würde aber verriet es, dass er die Judenschar, die immer in den Volksversammlungen gelärmt und getobt hat, der Rücksicht auf den Staat hintangesetzt hat. Aber, sagt man, der Sieger Gnaeus Pompejus hat nach der Einnahme Jerusalems in dem dortigen Tempel nichts angerührt. Das ist, neben vielen andern, eine besonders kluge Maßnahme von ihm gewesen; er hat einfach in der so misstrauischen und schmähsüchtigen Stadt keine Handhabe zu übler Nachrede hinterlassen wollen. Denn nicht die Religion dieser Leute, waren es doch Juden und Landesfeinde, hat meines Erachtens den großen Feldherrn daran gehindert, sondern sein Ehrgefühl …

    Jeder Staat, Lälius, hat seine Religion; wir haben die unsrige. Schon zu jener Zeit, als Jerusalem noch fest stand und die Juden Frieden hielten, waren doch ihre religiösen Bräuche unverträglich mit dem Glanze dieses Imperiums, mit der Würde unseres Namens und den Grundsätzen unserer Ahnen, um so mehr jetzt, da dieses Volk durch bewaffneten Aufstand seine wahre Einstellung zu unserer Herrschaft verraten hat. Wie teuer es den unsterblichen Göttern ist, hat der Ausgang erwiesen: Es ist besiegt, zinspflichtig und unfrei.«

    2. Juden unter Julius Caesar.

    a) Erlass zugunsten Jerusalems und Hyrkans. (2)

    (Flavius Josephus, Antiquitates: Jüdische Altertümer XIV, 10.)

    »Gajus Caesar, zum fünften Mal Konsul, verordnet hiermit, dass den Juden erlaubt sein soll, die Stadt Jerusalem besetzt zu halten und zu befestigen, ferner, dass der jüdische Hohepriester und Fürst Hyrkanus, Alexanders Sohn, dieselbe nach seinem Gutdünken regieren darf, sowie, dass den Juden in jedem zweiten Jahre von den Getreideabgaben ein Kor erlassen werden und in Zukunft weder Steuerverpachtungen bei ihnen stattfinden noch immer die nämlichen Steuern bezahlt werden sollen.«

    b) Dekret über die Ernennung Hyrkans zum Ethnarchen. (2)

    (Flavius Josephus, Jüdische Altertümer XIV. Buch, 10. Kap.)

    Julius Caesar, zum zweiten Mal Imperator und Pontifex maximus, verordnet nach Anhörung seines Rates wie folgt: Weil der Jude Hyrkanus, Sohn des Alexander, sowohl jetzt als auch früher, im Frieden wie im Kriege, sich stets treu und ergeben gegen uns bewiesen hat, was ihm auch schon viele unserer Machthaber bezeugten, … in Erwägung dessen ernenne ich Hyrkanus, den Sohn Alexanders, und dessen Söhne zu Ethnarchen der Juden, gestatte ihnen, das jüdische Hohepriestertum ihrem Gebrauche gemäß für immer beizubehalten, und befehle, dass er selbst und seine Söhne zu unsern Bundesgenossen und besonderen Freunden gerechnet werden. Alles, was nach ihren Gesetzen den Hohenpriestern zusteht oder ihnen durch die Güte anderer Wohltäter verliehen worden ist, soll ihm und seinen Söhnen verbleiben … Dass in Judäa überwintert werde, oder dass man Geld von den Juden eintreibe, will ich hiermit verbieten … An Alexanders Sohn Hyrkanus, den Hohenpriester der Juden, sollen Gesandte geschickt werden, um über ein Schutz- und Trutzbündnis mit ihm zu verhandeln. Der Wortlaut dieses Vertrages soll auf eherne Tafeln eingegraben und diese im Kapitol, in Tyrus, Sidon, Askalon und in den Tempeln in römischer und griechischer Sprache aufgehängt werden …

    c) Erlass an die Insel Paros (um 46) wegen Aufhebung von Verordnungen, die sich gegen religiöse Vereinigungen und Gemeindebildungen der Juden richten. (2)

    (Aus Flavius Josephus, Antiquitates XIV, 10.)

    »Gajus Julius, Praetor und Konsul der Römer, an den Magistrat, den Senat und das Volk von Paros. Die Juden in Delos und einige der jüdischen Mietwohner sind in Gegenwart eurer Gesandten bei mir vorstellig geworden und haben angezeigt, dass ihr sie durch Verordnungen hindert, ihre althergebrachten Gebräuche und ihren Gottesdienst zu vollziehen. Es hat mein Missfallen erregt, dass ihr solche Bestimmungen gegen unsere Freunde und Bundesgenossen erlasst und ihnen verbietet, nach ihren Gesetzen zu leben und Geld zu gemeinsamen Mahlen wie zum Gottesdienste beizutragen, besonders da ihnen dies noch nicht einmal in Rom untersagt ist. Denn unser Praetor und Konsul Gajus Caesar hat, als er die Verordnung erließ, durch welche alle Versammlungen in der Stadt Rom verboten wurden, jene Zusammenkünfte, Geldsammlungen und Veranstaltungen von Gastmahlen ausdrücklich von dem Verbote ausgenommen. Ebenso gestatte auch ich, obgleich ich

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