Gott suchen und finden: nach Ignatius von Loyola
Von Echter Verlag
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Buchvorschau
Gott suchen und finden - Echter Verlag
GERNOT WISSER
Gott begegnen in allem,
was zum Leben gehört
Gott suchen und finden in allen Dingen, dazu fordert uns der hl. Ignatius auf. Diese Dinge, die Ignatius in den Sinn kommen, in denen wir Gott begegnen können, sind nicht nur Gegenstände, sondern das ganze Leben: Arbeit und Erholung, Essen und Trinken, Gebet und Schlaf. Dementsprechend gibt es für Ignatius auch keine auserwählten, besonderen Orte der Gottesbegegnung wie Kirchen und Kapellen. Gott ist ein Gott des Alltags und will dort gesucht und gefunden werden. Ignatius meinte auf die Frage, warum er seinem Orden nicht das Chorgebet verordnet hat, es solle alle Welt sehen, wenn die Jesuiten nichts arbeiten. Jesuiten sollen sich also nicht hinter den Gebetszeiten verstecken können, da das ganze Leben diese Gebetszeit ist, nicht in der Ausschließlichkeit der kontemplativen Gebetsweise, sondern in der Einschließung von Tun und Beten. Die Geschichte der letzten 450 Jahre der Jesuiten in Österreich als eigener Leib mit seinen Gliedern (Provinz) kann davon Zeugnis geben, inwieweit es uns Jesuiten gelungen ist, das zu leben und auch zu vermitteln. Gottes Präsenz oder manchmal auch seine empfundene Absenz sollen das eigene Leben durchdringen, die Gottesferne als Zeit der Trockenheit und der spirituellen Nacht, die Gottesnähe als beglückendes Gelingen von Leben erfahren werden. Gott suchen und finden in allen Dingen ist kein spiritueller Schatz, den wir für uns selbst gefunden hätten und nun für uns hüten. Wovon wir Jesuiten begeistert und entflammt sind, das wollen wir mit anderen teilen, auf diese Erfahrungen möchten wir andere hinweisen, um so in Offenheit den Glauben vorzuschlagen, damit er in Freiheit angenommen werden kann. Wir sind durch Jesus Christus in Dienst genommen und zu den Menschen gesandt, um ihnen zu helfen, ihren Glauben und damit ihr Leben besser zu leben, oder wie Ignatius sagt, den Seelen zu helfen. Wir sind Gefährten Jesu für die Menschen.
Gernot Wisser SJ ist seit Juli 2008 Provinzial der österreichischen Provinz der Jesuiten. Er lebt in Wien.
SEVERIN LEITNER
Gott suchen und finden
in allen Dingen
Es ist ein Kennzeichen der Spiritualität des hl. Ignatius, dass er von Anfang an konsequent auf alle monastischen Elemente für das Gemeinschaftsleben verzichtet hat. Kein Kloster. »Unser Haus ist die Welt« hat Nadal, sein Schüler, gesagt. Keine Ordenstracht. Nur das Gewand ehrbarer Priester und als innere Haltung die Diensttracht Christi, so lesen wir in den Satzungen. Kein Chorgebet. Stattdessen das einfache und einzeln gebetete Stundengebet, verbunden mit dem Bemühen, »Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden« – so betont Ignatius unaufhörlich in Briefen an die Gefährten. Diese reduktionistische Haltung gegenüber allen äußeren Zeichen steht ganz im Dienste der apostolischen Sendung: Die Mitglieder der Gesellschaft Jesu müssen bereit sein, »viele Orte zu durchwandern«, im Dienst der Kirche und des Evangeliums, auch in Ländern, in denen es kein Ordenshaus gibt, in das man sich zurückziehen und keinen Oberen, mit dem man sich beraten kann.
Die Grundhaltung für dieses Leben war eine vorbehaltlose Liebe zu Christus und ein felsenfestes Vertrauen auf den dreifaltigen Gott, der die Gefährten – die Mitglieder des Ordens bezeichneten sich von Anfang an als »Gefährten Jesu« – in seine besondere Nachfolge gerufen hat. Beide Haltungen werden in den Exerzitien des hl. Ignatius eingeübt und praktiziert. Dazu kam von Anfang an eine lange und gründliche intellektuelle, wissenschaftliche, sprachliche und charakterliche Schulung, die den Jesuiten befähigen sollte, den Glauben und das Evangelium darzulegen, die Kirche zu verteidigen und den Menschen in ihren menschlich-seelischen Nöten zu helfen. Dies ist Spiritualität des Unterwegssein in einer Sendung der Kirche. Sie hat den Jesuiten in allen Zeiten bis heute die Kraft und die Klarheit gegeben, das Evangelium in universeller Weite zu verkündigen und den Menschen in hingebungsvollem Dienst zu helfen. Das Bewusstsein, dass Gott überall beim Jünger ist und in allem gefunden und ihm in allem gedient werden kann, im ganz normalen alltäglichen Dienst oder in extremen Situationen von Verfolgung, ja, sogar Martyrium, hat den Jesuiten die innere Kraft, Ausdauer und Weite gegeben.
Severin Leitner SJ ist seit 2012 Berater des Generaloberen der SJ in Rom und Assistent für Zentral- und Osteuropa.
ADOLFO NICOLÁS
Gott suchen und finden –
Antwort auf Fragen
1. Gott suchen und finden: Welche Entwicklungsstufen im Verstehen und Verwirklichen gibt es in Ihrem Leben?
Ich denke, es geht weniger um Entwicklungsstufen, als darum, Gott zu suchen. Wenn man keine Überraschung von Gott erwartet, wird man ihn nie finden. Es verhält sich oft so wie beim Gebet, wir bekommen nichts, weil wir um nichts beten, um nichts bitten, nichts erwarten. Wenn wir Jesus im Evangelium sagen hören: »Suche und du wirst finden«, denke ich, dass er sich vor allem auf die Suche nach Gott bezieht. Es ist interessant, dass wir viele Male auf ein Bild schauen und wichtige Details übersehen können, die wir nur beachten, wenn jemand anderer uns darauf hinweist. Unsere Welt, unsere Wirklichkeit ist voller Zeichen von Gottes Gegenwart; wenn wir nicht offen dafür sind, können unsere Augen auf dieser wunderbaren Welt ruhen und trotzdem das beste übersehen. Es ist genauso wie bei den hölzernen Götzenbildern des Psalms, die »Augen haben, aber nicht sehen«.
Dasselbe kann man über die Menschen sagen. Es ist so einfach, über Andere zu urteilen, ihr ganzes Leben zu reduzieren auf einen winzigen Fehler. Das ist die Wurzel jeden Vorurteils, sei es nun persönlich oder national wie auch ethnisch. Das ist der Stoff für Witze, die gewöhnlich ihren Grund in einer Karikatur der Wirklichkeit haben. Aber wenn man eine Person trifft und in der Begegnung einen Einblick in ihr Herz bekommt, verschwinden alle Witze, und was bleibt ist das Wunder und die Spur Gottes in dieser Person. So war es bei mir. Superior und später Provinzial zu werden öffnete mir diese Tür zu den Herzen Anderer. Damals erfasste ich, dass ich diese Jesuiten nicht wirklich kannte, bis sie ihr Herz öffneten … und Gott war da, verdeckt hinter manchen Fehlern und Schwächen. Sein Bild war verschwommen und fast unsichtbar geworden aufgrund der oberflächlichen Urteile und der Nachreden, die wir so leicht in Gerüchten verbreiten, ohne nach ihrer Wahrheit zu fragen.
Diese Erfahrung, das Unerwartete im Herzen meiner Mitbrüder zu finden, machte mich aufmerksamer auf das Unerwartete in jeder Angelegenheit. Sie ließ mich fragen: Was suche ich in der Welt, in der ich lebe? Beschränke ich mich auf die Produkte, die der Markt als beachtenswert vorschreibt? Dann würde ich Bequemlichkeit, Macht, Sex, Ansehen und Erfolg suchen. Oder suche ich Gott, Güte, Gerechtigkeit, Großzügigkeit und Weite des Herzens? Das macht den Unterschied!
2. Sie haben in fremden Ländern gearbeitet: Wie gelang es Ihnen, Gott in einer fremden und unbekannten Kultur zu finden?
Für mich war es eine weitere Erfahrung, dass wichtige Dinge nicht leicht oder schnell vonstatten gehen. Ich musste in diesem Bereich wachsen durch verschiedene Stadien hindurch, die ich weder geplant hatte noch planen konnte. Zuerst musste ich frei werden von Vorurteilen, die wir alle in uns tragen. Und ich spreche hier nicht nur vom kulturellen Vorurteil, sondern hauptsächlich vom »religiösen« Vorurteil.
Eine meiner letzten Aufgaben in Japan war die eines Komoderators in einer öffentlichen Diskussion zwischen einem französischen Missionar und einem japanischen Franziskaner über die Bedeutung des Gleichnisses vom Sämann. Der Missionar bot die traditionelle Auslegung von Mission als Aussäen des Wortes Gottes für eine zukünftige Ernte, die verborgen oder in der Hand Gottes bleibt. Der Franziskaner, der zufällig auch ein Bibelkenner war, sprach vom Heiligen Geist, der in den Herzen der Menschen wirkt und der eigentliche Sämann ist; die Gegenwart und die Arbeit des Missionars ist mehr eine Zeit der Ernte, des Einsammelns der Früchte des Wortes Gottes in den Herzen der Menschen. Ich bin kein Bibelgelehrter und kann nicht beurteilen, welche Auslegung besser ist. Ich kann mich nur daran erinnern, dass die Sicht des Franziskaners mich als sehr hoffnungsvoll, offen, großmütig, inspirierend beeindruckte. Sie war auch die Antwort auf die immer überraschende Erfahrung der Begegnung mit nichtchristlichen Männern und Frauen, die eine solch tiefe Liebe leben und ausdrücken, ein Mitgefühl und eine Menschlichkeit, dass sie nur aus der Perspektive Gottes her erklärt werden können.
Die jüngste Erfahrung der dreifachen Katastrophe in Japan¹ und die Art der Reaktion, mit großer Würde, Ruhe, Solidarität und Mitgefühl, kann man nur verstehen, wenn man daran glaubt, dass Gott im Herzen der Menschen wirkt, und wenn man die menschlichen und religiösen Werte berücksichtigt, die in die japanische Kultur eingegangen sind. Gott in einer fremden Kultur zu finden, ist keine theoretische Frage, bei der es darum geht, dass eine bestimmte Auffassung bestätigt oder widerlegt wird; es geht vielmehr um einen tieferen Blick, der das Vordergründige übersteigt, und der die Herzen in einer Tiefe berührt, in der sie unantastbar sind.