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Geist & Leben 2/2020: Zeitschrift für christliche Spiritualität
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eBook199 Seiten2 Stunden

Geist & Leben 2/2020: Zeitschrift für christliche Spiritualität

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Über dieses E-Book

Jörg Nies eröffnet das "Osterheft" mit einer kurzen Reflexion über das in der ignatianischen Spiritualität bedeutsame Wort magis im Kontext der "Geistlichen Übungen". Unter der Rubrik Nachfolge stellt Markus Kneer den Eremiten Jules Monchanin vor, der sich in Indien im christlich-hinduistischen Dialog engagierte und sogar einen Aschram gründete, um Hin-duist(inn)en einen Zugang zu der ihnen noch unbekannten kontemplativen Dimension des Christentums zu eröffnen. Auch Philipp Dessauer, Priester des Oratoriums des hl. Philipp Neri, war mit der Spiritualität fernöstlicher Religion vertraut und setzt sich in seinem Wer-ken "Die naturale Meditation" (1961) sowie "Meditation im christlichen Dasein" (1968 post-hum erschienen) intensiv mit der Frage auseinander, was Meditation eigentlich sei und wie man die Kunst der Meditation erlernen könne. Lorenz Wachinger verdanken wir ein kleines Kompendium der maßgeblichen Einsichten dieser Schriften. Mit Gregor Taxachers Beitrag über den in der Spiritualität der Wüstenvater zentralen Begriff der "Anapausis" tauchen die Leser(inne)n in eine Zeit ein, in der, so Hans Zander, "die Religion noch nicht langweilig war". Im Bereich Kirche findet sich in diesem Heft auch wieder ein kleiner ökumenischer Schwerpunkt. Der rumänisch-orthodoxe Theologe Iuliu-Marius Morariu zeichnet das Leben und Wirken Myrrha Lot-Borodines nach, die Katholik(inn)en die Orthodoxie näherbrachte und dabei das gemeinsame christliche Erbe in den Vordergrund stellte. Ulrich Ruh geht der Frage nach, was es gegenwärtig bedeutet, ökumenisch Kirche zu sein. Durch die mangelhaf-te Aufarbeitung der Missbrauchskrise hat die Bezeugung des christlichen Glaubens durch die katholische Kirche in der Gesellschaft massiv an Glaubwürdigkeit verloren. Martin Höhl lotet in diesem Zusammenhang die Spannung zwischen den Polen Missbrauch und Evangelisie-rung im "Synodalen Weg" aus. Die aktuelle Krisenstimmung in Kirche und Welt kann Gläubi-ge in einer Haltung der Enttäuschung und des Mistrostes gefangen halten. Diese spiegelt sich, so Jörg Nies, auch in Pieter Bruegels Gemälde "Der Misanthrop" wider. Allerdings scheint am Horizont des Bildes eine Hoffnungsperspektive auf. Christian Herwartz führt die Kirche an ihre Anfänge zurück und lädt uns zu einer Betrachtung der Emmaus-Perikope ein, die überraschende Perspektiven eröffnet. In der Passionsgeschichte spielt der Apostel Judas eine tragende Rolle. Sukzessive wird der "Verräter" zum Feindbild par excellence und Proto-typ des "treulosen Juden". Martin Steiner macht auf diese problematische Interpretation der Judas-Figur aufmerksam und stellt ihr Amos Oz' Judasroman entgegen. Die dialogische Öff-nung des Zweiten Vatikanischen Konzils markierte die Abkehr vom katholischen Antijudais-mus und bereitete den Boden für das interreligiöse Gespräch mit Juden und Muslimen. Christoph Gellners Beitrag reflektiert die Bedeutung geteilter spiritueller Erfahrungen in der Begegnung von Muslim(inn)en und Christ(inn)en und entfaltet sie anhand des Gedankens religionsverbindender Gastfreundschaft bei Louis Massignon. Edith Kürpick stellt, ebenfalls in der Kategorie Reflexion, Überlegungen dazu an, was es heißen kann, ungeteilt beim Herrn zu sein und ihm ganzheitlich nachzufolgen. Das wichtigste Gebet der Christenheit ist zweifels-ohne das Vater unser. Obwohl der Gebetstext vielen Christ(inn)en seit Kindertagen bekannt ist, inspiriert er auch heute noch Menschen zu Nachdichtungen. Stephan Schmid-Keiser prä-sentiert unter Lektüre eine Auswahl literarischer Zugänge zum Vater unser und erschließt deren theologisches Potenzial. Nicht erst seit Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus fasziniert sein Namensgeber Franz von Assisi weit über kirchliche Kreise hinaus. Deshalb be-spricht Niklaus Kuster drei jüngst erschienene Franziskus-Biografien im Horizont der aktuel-len Forschung.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Apr. 2020
ISBN9783429064686
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    Buchvorschau

    Geist & Leben 2/2020 - Echter Verlag

    Ambivalentes „magis"

    Wer sich mit der ignatianischen und jesuitischen Spiritualität beschäftigt, wird schnell auf das Wort magis aufmerksam. Das lateinische magis, im Spanischen más, bedeutet zunächst einmal schlicht mehr. Heute ist es u.a. der Name eines Programms, das um den Weltjugendtag 2005 entstand und seitdem jungen Erwachsenen Erfahrungen ermöglichen will, anhand derer sie sich selbst, andere und Jesus Christus besser kennenlernen sollen. Das Ziel ist, mehr mit Gott zu leben.

    Gerade für jene, die mehr erleben wollen, ist Abwechslung und Aktivität reizvoll. Kombiniert mit der Frage, wie und wo ich Gott erfahren kann, öffnen sich viele Möglichkeiten, die ein ignatianisches Vokabular beschreibt. Experimente sind bereits in der ersten Ausbildungsphase der Jesuiten, dem Noviziat, von entscheidender Bedeutung. In verschiedenen Kontexten wird erprobt, wie Gott in allen Dingen gesucht und gefunden werden kann. Die Geistlichen Übungen (GÜ) sind dabei besonders wichtig. Sie helfen einerseits bereits gemachte Erfahrungen betend zu reflektieren und andererseits eine neue Haltung für kommende Aufgaben und Situationen zu entwickeln. Leitend ist die Frage, wie Gott mehr gedient werden kann. Entsprechend greift der Wahlspruch des Jesuitenordens den Komparativ auf: ad maiorem Dei gloriam alles zu größerer Ehre Gottes.

    Wie kann Gott also mehr, und dabei schwingt auch besser und wirksamer mit, verherrlicht werden? Das ist nicht allgemeingültig festzulegen. Vielmehr geht es darum, immer wieder neu anzusetzen und eine jeweils aktuelle Antwort zu geben. Was ist jetzt, in diesem Augenblick, wichtiger, passender und hilfreicher?

    Ignatius von Loyola schrieb die Geistlichen Übungen im 16. Jahrhundert. Ihr Ansatz und ihre Methode haben auch noch im 21. Jahrhundert eine bleibende Bedeutung. Ihre Neuartigkeit, ihr Moment der überraschenden Sichtweise haben sie allerdings auf einen ersten Blick eingebüßt. In einer Gesellschaft, die ständig auf der Suche nach Verbesserung und Steigerung der Produktivität ist, können geistliche Begriffe, die auf mehr zielen, wie spirituelle Wiedergänger des längst Bekannten erscheinen, aber nur schwer Gegenakzente setzen. Im ignatianischen magis liegt eine Versuchung, wenn es einen ohnehin vorhandenen Leistungsdruck geistlich begründet und weiter verstärkt.

    Die ignatianische Spiritualität kann leicht in eine Schieflage geraten, da sie erstaunlich modern ist und auch durch Begriffe wie Effizienz und Optimierung beschrieben werden kann. Das magis ist hierfür besonders anfällig, denn die Suche nach dem, was immer mehr ist, initiiert einen infiniten Regress. Sie ist per definitionem nicht abzuschließen und ist immer wieder neu zu verhandeln. So kann aber nicht nur eine positive Herausforderung, sondern auch eine ständige Belastung entstehen. Selbst wenn der Maßstab an einer Perspektive, die auf Gott ausgerichtet ist, genommen wird, so kommt die Aufgabe des Entscheidens und entsprechenden Handelns dem Individuum zu. Kreiert die ignatianische Spiritualität so aber nicht gerade ein überfordertes Subjekt?

    Ignatius will durch die Geistlichen Übungen den Menschen darauf hin ausrichten, dass er ersehnend (deseando) und das erwählend (eligiendo) sein soll, was ihn mehr (más) zu seinem Ziel führt (GÜ 23). Was mehr bedeutet, ist Teil der geistlichen Unterscheidung, die einzuüben ist. Dabei geht es in erster Linie um Grundsätzliches. Wie will ich mein Leben gestalten? Was ist mein Ziel, das mir eine Richtung vorgibt? Welche Rolle spielt Gott dabei?

    Sind diese Fragen geklärt, relativiert sich die Bedeutung aktueller und je konkreter Situationen. An ihnen soll nur deutlicher werden, was bereits geklärt ist. Es gibt ein Prinzip, das Orientierung gibt und so entlastet. Im Alltag soll das eine Gestalt bekommen, was als Grundsatzentscheidung in den Geistlichen Übungen erkannt wurde.

    Doch verlagern sich so nicht die vielen kleinen Herausforderungen auf eine einzige – und der Druck wächst nur weiter? Die ignatianische Methode kann nur dann funktionieren, wenn sie dialogisch verstanden wird. Der Übende konditioniert nicht sich selbst, sondern er versucht, sich einem Gegenüber zu öffnen. Zu entscheiden, was mehr Gottes Willen entspricht, kommt nicht nur den Übenden, sondern letztlich Gott zu. Denn auch wenn es verschiedene Arten und Zeiten für eine grundsätzliche Wahl, die ein Leben prägen soll, gibt (GÜ 175–188), so ist es allein Gott, der diese Freiheit ermöglicht und zugleich die Entscheidung bestätigt (GÜ 183). Der wählende Mensch erwägt im Gebet, was er für das Bessere hält und legt dies Gott vor. Er muss daher nicht durch die Sorge einer drohenden Fehlentscheidung unter Druck geraten. Im Gebet erfährt er vielmehr, dass er Gott vertrauen darf, der gerade im ambivalenten, da nicht von vornherein festgelegten magis eine Möglichkeit des je individuell-konkreten Weges aufzeigt und mitgehen wird. So wechselt die Perspektive: Die göttliche Logik bestimmt die weltliche und nicht umgekehrt. Zur geistlichen Erfahrung zurückzukehren und diese im Alltag immer mehr zu leben, ist die Bestimmung des magis.

    Pause von der Entfremdung

    Anapausis und die Erlösungssehnsucht der Wüstenväter

    Für P. Johannes Sauerwald OSB

    „Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? (Lk 7,24), fragt Jesus die Fans des Asketen, Propheten und Täufers Johannes. Ähnlich muss sich wohl fragen lassen, wer sich heute für die Wüstenmönche des frühen Christentums interessiert. Wandern wir lesend zu ihnen aus Neugier und Faszination für eine Zeit, „als die Religion noch nicht langweilig war¹? Es gibt ja genug Sensationelles zu bestaunen: ungestüme Radikalität, eine Askese, die mitunter Abenteuergeschichten produziert. Oder sind wir auf der Suche nach Anknüpfungspunkten für unsere eigene christliche Spiritualität, nach deren Quellen in der Tradition? Wir werden dann viele wirklich weise, seelenkundige, auch paradoxe Sprüche finden, die buddhistischen Weisheiten nicht nachstehen. Wir werden auch auf körperliche und seelische Selbstquälerei stoßen, auf Frauenfeindlichkeit und eine geradezu krankhaft anmutende Sexual-Phobie.

    Vielleicht gehen wir aber auch forschend in die Wüste, um die Frage zunächst einmal an die frühen Einsiedler zu richten: „Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Was haben sie dort gesucht, was haben sie dort – wie man so sagt – „verloren gehabt?

    Ich bin bei dieser Nachfrage auf ein Wort gestoßen, dass vielfach variiert in den Sprüchen und Geschichten der Wüstenväter auftaucht: Anapausis (αναπαυσις, als Substantiv) oder anapauein (αναπαυειν, als Verb).² Es scheint eine zentrale Rolle zu spielen bei dem, was die Väter in der Wüste suchten. Es bezeichnet auch das, was sie tatsächlich verloren hatten. Oft beschreibt es aber auch etwas, das sie vermeiden möchten oder sollen, vor dem sie geradezu fliehen. Das ist ein verwirrender, paradoxer Befund – und gerade deshalb eine heiße Spur auf der Suche nach dem, worum es diesen frühen Radikalen einer sich gerade etablierenden Christenheit ging.

    Seine Ruhe haben wollen

    Anapausis bedeutet so viel wie Ruhe.³ Es steckt ja unser Wort Pause darin, und auch in diesem schlichten Sinn wird Anapausis häufig gebraucht: als Unterbrechung von der Arbeit, als Ausruhen. Das Projekt der Einsiedeleien in der Wüste, also die Trennung von der „bürgerlichen Existenz, von den Siedlungen und ihrer Lebensweise, erscheint davon abgeleitet als eine große Unterbrechung der Normalität, wie das Betätigen einer Pausentaste, die den Gang der üblichen Geschäftigkeit stillstellt. Der Aufbruch in die Wüste ist eine Befreiungstat. „Die Freiheit, um die es in der Wüste geht, ist zunächst eine Freiheit von etwas.

    „Ich möchte sorglos sein, wie die Engel sorglos sind, die nicht arbeiten, sondern ununterbrochen Gott dienen, bekennt Johannes Kolobos am Anfang seines Weges ganz ungeschützt (I 128). Der Schritt „aus der Welt hinaus erfolgt also in der Sehnsucht nach einem engelgleichen Leben, das man sich sorglos und deshalb beruhigt vorstellt. Die Wüste ist für die Mönche „der Ort, wo die Seele sich finden kann, und noch stärker, wo sie ‚atmen kann‘"⁵, aufatmen, Luft holen. „Mönch werden wird in den Sprüchen mitunter einfach mit „Ruhe finden wollen gleichgesetzt (z.B. I 148). „Offensichtlich ist (…) die Absicht, Mönch zu werden bzw. sein zu wollen, mit der Suche nach Ruhe identisch.⁶ Gelegentlich hat dies einen sehr greifbaren biografischen Hintergrund: Steuerflucht, Erbprobleme, Militärdienst, kriminelle Vergangenheit. Die gesuchte Ruhe ist durchaus nicht nur „spirituell gemeint.⁷

    Die Mönche gehen also in die Wüste, um schlicht ihre Ruhe zu haben. Zuweilen wird auch die konkrete Wahl der Einsiedelei oder der Entschluss, sich einem erfahrenen Altvater anzuschließen, so begründet: „Ich habe eine solche Hoffnung, dass ich mich bei dir zur Ruhe bringe", sagt dann etwa ein asketischer Anfänger (III 39).

    Die Mönche wissen, dass mit dem Gang in die Wüste die Ruhe noch keineswegs erreicht ist – und durch die mönchische Lebensweise allein auch gar nicht erreicht werden kann. „Ich bin schon siebzig Jahre im Mönchsgewand, und noch keinen einzigen Tag fand ich Ruhe, bekennt Abbas Theodoros von Pherme (I 113). Schließlich sind auch die Einsiedler nicht wirklich allein, sondern meist umgeben von anderen Einsiedlern. Das führt zu so viel Streit und Zwietracht, dass ein Bruder ausrufen kann: „Ich habe keine Ruhe, bis ich mich nicht gerächt habe. (I 285) Hier muss ein anderer Mönch seelsorgerisch dafür sorgen, dass der Bruder Ruhe findet vor seinen Rachegelüsten; wie es an anderer Stelle heißt: „Wirf von dir alle Verfehlungen und alles Böse, damit du Ruhe findest. (III 23) Denn die Ruhe ist auch die des guten Gewissens (III 41), sie hat mit dem Verhältnis zu den anderen zu tun: „Verachte niemanden, verurteile niemanden, verleumde nicht, dann gewährt Gott dir Ruhe. (III 41) Und weil dies so häufig nicht gelingt, sind auch Reue und Buße ein Weg zur Ruhe zurück: „Vertrau dich Gott an mit vielen Tränen, und du hast Ruhe." (III 55)

    Pause machen

    Wer also ausgezogen ist, um in der Wüste Ruhe zu finden, muss feststellen, dass sie auch dort nicht einfach da ist, sondern erst gefunden, hergestellt und erreicht werden will. „Eine Wüstenerfahrung (…) ist gleichbedeutend mit einer Reise ins Innere, auf der man doch immer wieder mit der Welt konfrontiert wird."⁸ Die Existenz des Einsiedlers soll Ruhe von der Welt – im Sinne der profanen, „weltlichen Lebensweise – sein. Aber weil sie das dann doch nicht ist, weil „die Welt mit und in den Brüdern mitgezogen ist, gilt es, die Unterbrechung, die Pause nun in der asketischen Existenz einzuüben, zu praktizieren. Das bedeutet auch für die strengen Wüstenmönche, mitunter Pause zu machen, auch von der Askese und den geistlichen Übungen. Für frisches Wasser zu sorgen, kann anapauein heißen, also erfrischen, erquicken (I 185). Anapausis kann bedeuten, regelmäßig eine Pause vom Fasten zu machen und besser jeden Tag ein halbes Brot zu essen als nur jeden zweiten Tag ein ganzes (I 206). Auch das Mönchsein benötigt eine Pausentaste, welche das Geschehen zwischendurch anzuhalten vermag – und „aufhören oder „anhalten ist tatsächlich auch eine der gewöhnlichen Wortbedeutungen von anapauein.

    Nun verbinden wir heute die Pause vor allem mit „Arbeit. Ihr gilt ja unsere ganze Anspannung. Als Pause von der Arbeit dienen uns deshalb auch Entspannungstechniken. Für die Wüstenmönche sieht es geradezu umgekehrt aus: Ihre Hauptbeschäftigung ist das meditierende Sitzen, das Gebet, das Schweigen. Allerdings arbeiten sie auch, für ihren Lebensunterhalt und um nicht dem Müßiggang zu verfallen. Aber diese Arbeit soll gerade keinen hohen Eigenwert haben. Sie soll wie nebenbei ablaufen, soll „leicht von der Hand gehen⁹. So berichtet eine anonyme Geschichte davon, wie ein großer Alter sich die Arbeit jüngerer Brüder vorführen lässt: Seile flechten oder Binsenmatten oder Siebe anfertigen, all das heißt er gut, auch das Schönschreiben. Aber: „Für das Leinenweben habe ich nichts übrig, weil es geschäftig ist." (II 170) Offenbar ist diese Tätigkeit zu sehr auf das Produkt gerichtet und das Produkt zu wertvoll – so wird die Arbeit zum eigentlichen Zweck, sie absorbiert den Mönch, und damit auch seine Ruhe.

    Der Mönch soll sich nicht an seine Arbeit verlieren, indem es ihm in der Arbeit um das Produkt geht. Er soll zur Welt der Dinge Distanz, ja Indifferenz gewinnen, um zu sich selbst zu finden. Die Arbeit der Mönche dient gerade ihrer Loslösung von der „Welt". Deshalb werden in den Apophtegmata Pausen von der Arbeit nie Thema. Eher hat die Arbeit selbst Pausencharakter, ganz im Wortsinn unseres Leitbegriffs: weil sie ruhig sein soll.

    Versacken

    Doch nun die irritierende Gegenprobe: Anapausis ist an einer Vielzahl von Stellen ein deutlich negativ besetzter Begriff. Anapausis ist geradezu das, wovon der Mönch geflohen ist – und was er unter allen Umständen zu vermeiden hat, was er sogar „hassen"

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