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Theologie neu denken: Themen und Überlegungen als Beitrag zu einer lebendigen Theologie
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eBook360 Seiten4 Stunden

Theologie neu denken: Themen und Überlegungen als Beitrag zu einer lebendigen Theologie

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Über dieses E-Book

Vom Neudenken des Opfertods Jesu über eine Korrektur im Vaterunser denkt das Buch ebenso nach wie über Wahrhei und Demokratie, das Abendmahl in Pandemiezeiten oder das Gebet im öffentlichen Gottesdienst. Daneben schwärmt der Autor von der Lust im Verkündigungsdienst und zeigt das Wirken des Heiligen Geistes in der Welt in der "EUseinandersetzung" mit Kirche und Glaube. Die theologische Auseinandersetzung ohne Scheuklappe macht Lust auf eine Kirche von morgen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum12. Mai 2021
ISBN9783753187815
Theologie neu denken: Themen und Überlegungen als Beitrag zu einer lebendigen Theologie

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    Buchvorschau

    Theologie neu denken - Joachim PENNIG

    Die einzelnen Beiträge

    Grafik 3

    Konsequenz der Liebe statt Opfertod

    Plädoyer für die Differenzierung in der Betrachtung des Todes Jesu

    Das fatale Märchen vom Opfertod Jesu

    Eine Neubesinnung auf das Erlösungshandeln Jesu Christi

    Führt Gott in Versuchung

    Ein Beitrag zur Diskussion um das Vaterunser-Verständnis in unserer Zeit

    Es sei denn, dass die Kirche lebt

    Hören und Verstehen als Säulen der EUseinandersetzung für die Zukunft der Kirche

    Jedermann! Hast du deinen Schöpfer ganz vergessen…

    Von der Notwendigkeit der Kirche für die Zukunft der Gesellschaft

    Von der Analyse des Gewordenen - zur Aussicht des zu Werdenden

    Die Notwenigkeit Gottes in der Welt

    Offenbarungseid Gebet

    Eine Überlegung zur Reformation des gottesdienstlichen Gebets

    Das Sakrament des Altars – Abendmahl

    Ein Plädoyer für den Einzelkelch nicht nur in Zeiten der Pandemie

    Nachdenken über die Trinität

    Eine Forderung theologischer Ehrlichkeit: Opera ad extra sunt indivisa

    Ruach - Geist

    Vom Heiligen Geist zum Zeitgeist und zurück

    Schatten einer Dienstzeit

    Theologie als ganzheitliches Konzept

    Bekenntnis zum Pfarrersein

    Ein Erfahrungsimpuls zum Pfarrer*innen-Bild

    Offenbarungseid Gebet

    Vom Anspruch des Gebets im öffentlichen Gottesdienst

    Demokratie - Wahrheit

    vom gleichberechtigten Zusammenleben aller Menschen

    Der Verlust der Differenzierung

    oder die Komplexitätsüberforderung

    Prolegomena

    Christliche Theologie ist nicht verstaubtes Dogma, sondern aktuelle vom biblischen Glauben her reflektierte Lebenshilfe. Wer dogmatisch festschreibt und aufhört Leben und biblischen Geist in Relation zu bringen, vergewaltigt Gott. Denn Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten (Mt 22,32 //). Deshalb ist Theologie treiben eine lebenswichtige und niemals endende Aufgabe. Dabei werden sicher auch bisher gültige Anschauungen neu gedacht und neu bewertet, verändert sich die Perspektive und die Gewichtungen, werden liturgische Texte neu formuliert, gibt es eine fortwährende Diskussion um die Wahrheit, die stets neu gefunden werden will.

    So verstehe ich die hier zusammengestellten Themen und Überlegungen als Beitrag zu diesem Prozess, zu dieser Diskussion. Und natürlich ist dieser Prozess nie abgeschlossen und ganz aktuell, weil er eben eine ganze Kirche betrifft, die Kirche Gottes, und die ist stets eine vorläufige, unvollkommene, lebendige, neu zu entdeckende:

    Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin(1.Kor 13,12).

    Diese Auseinandersetzungen sind anstrengend und erzeugen Widerspruch. Deshalb ist mir wichtig hier zu sagen, dass das normal und angebracht ist, solange es um die Suche nach der biblischen Wahrheit geht. Ein Bild aus der Konfliktforschung ist mir dabei wichtig: Wir beide gegen das Problem. Das bedeutet, dass nicht jemand der eine andere Meinung vertritt als ich das Problem darstellt, sondern dass wir beide auf der gleichen Seite der Suchenden und Fragenden stehen, und unser gemeinsamer Feind, wenn man das so sagen will, ein Problem ist, das gelöst werden will - positiv ausgedrückt: die Wahrheit die zu finden ist.

    Aus dieser Sicht: Viel Freude und Anregung beim Lesen.

    Kleinostheim, April 2021

    Konsequenz der Liebe statt Opfertod

    Überlegungen zu einer Diskussion von Joachim Pennig, Pfr. em.

    Gott ist kein Masochist

    Der dreieinige Gott ist in der Bibel, der Heiligen Schrift des Christentums, gut und breit bezeugt als der Gott der Liebe. Ein Gott, der sich Menschen zuwendet und für sie eintritt, sie annimmt und entlastet, sie zurückführt in lebensnotwendige Gemeinschaft, und der das Leben in der Beziehung zu Schöpfung und Schöpfer dem Tod in der Beziehungslosigkeit vorzieht.

    Diesen Befund würdigend komme ich zu dem Schluss, dass sein Tod gegen so manche Tradition, die sich in den Köpfen festgesetzt hat, neu bedacht werden will.

    Der Artikel von Prof. Michael Wolter (Für uns gestorben. Wie gehen wir sachgerecht mit dem Tod Jesu um?, in: Für uns gestorben. Sühne - Opfer - Stellvertretung, hg.v. V. Hampel / R. Weth, Neukirchen-Vluyn 2010, 1-15) im Korrespondenzblatt, der die wissenschaftlich erhebbaren historischen Fakten der gegenwärtigen Forschungslage darstellt, schreit nun förmlich nach einer theologischen Fortsetzung. Denn bei Jesu Tod geht es nur bedingt um historische Fakten vielmehr aber um die theologische Einordnung.

    Mehr als vierzig Jahre Predigtdienst am Karfreitag haben diese Frage ohnehin wach gehalten und in meinem theologischen Denken stets neu von den verschiedensten Seiten (und Predigtabschnitten her) zur Diskussion gestellt und meine Haltung und Erkenntnis zu diesem Punkt mitgeprägt und Gestalt werden lassen. Denn die Frage heißt: Was aus dem biblischen Befund entnommene Evangelium von der Kreuzigung kann dem zeitgemäßen Menschen heute das sagen, was Gott gemeint hat, damit er sein Leben danach ausrichte und selig werde?

    Eine dritte Motivation zu diesen Gedanken fühle ich in der nahezu evangelischen Offenheit von Papst Franziskus und Teilen der katholischen Bischöfen und Priestern, auch über die Frage, zum Kreuzestod Christi, neue nachzudenken.

    Ich schreibe diese Gedanken auch bewusst jetzt, wo die nächste Karfreitags-Predigt wieder weit ist und die Gedanken von Ostern bestimmt werden, denn das ist Teil des Problems, den Karfreitag abgelöst von Ostern betrachten zu wollen.

    Opfertod und Kreuzigung sind neu zu denken

    Die Predigt am Karfreitag hat, ganz ohne Übertreibung, Jahr für Jahr den meisten Predigtschweiß von mir verlangt. Was sage ich am Karfreitag den Menschen? Den Menschen, die durch einen schuldlosen Unfall ein Kind, eine Mutter, eine ganze Familie verloren haben; den Menschen, die an Krebs erkrankt sind obwohl sie auch nicht schlechter und besser sind als alle Anderen; den Menschen, die vom Leben benachteiligt, mit mäßigen Begabungen ausgestattet, auf der Schattenseite des Lebens oft nicht mehr das Nötigste haben. Sage ich denen und vielen anderen allen: Eure Schuld hat Gott an das Kreuz gebracht? Was werden sie bei „Schuld" wohl denken? Was wird denen dieser Satz zum Leben helfen? Zu welcher guten Haltung und Tat wird sie das motivieren? Wird es sie dazu führen drei Tage später Auferstehung zu feiern? Und die zentrale Frage: Ist es wirklich das, was Gott zu mir am Karfreitag sagt? Was in Evangelium und Predigtabschnitt rechtfertigt das?

    Wenn Gott quer durch die Bibel ein Gott ist, der die Menschen liebt, weil sie seine Geschöpfe, seine Kinder sind und nichts unterlässt ihnen zu zeigen, wie sie gut leben können, und dann in der Taufe ihnen die Bindung an die Erbsünde abnimmt, warum sollte Gott dann seinen Tod uns zum Vorwurf machen wollen? Das passt nicht. Und das ist auch kein Evangelium.

    Das ist eher so komisch, wie die Logik eines Confiteor am Anfang eines Gottesdienstes, das uns erst bei unserer Schuld festnagelt, um dann im nächsten Atemzug zu sagen: Ätschibätsch - Gott hat sich unser schon längst erbarmt… Alles schon in Butter, ich wollte Dir nur mal kräftig Angst machen. Es wundert mich nicht, dass viele Menschen das nicht mehr mit sich machen lassen, es wundert mich mehr, dass immer noch welche da sind, die das scheinbar klaglos hinnehmen. Und wenn wir ehrlich sind, ist in vielen Gottesdiensten vom fröhlichen Christsein auch nicht mehr viel zu spüren, bzw. es wird oft mit Clownerien und Firlefanz versucht - doch die Menschen merken Substanzlosigkeit schnell und bleiben dann erst recht weg. Bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, schaut mal ehrlich hin, denn ich sage Euch keine Geheimnis: Ein menschlich und theologisch ehrlich durchdachter Gottesdienst zieht auch wieder Menschen an (siehe J. Pennig, Liturgie für die Seele, E-Book, neobook-Verlag 2018). Wenn es aber nicht stimmig ist, wenn es aufgesetzt und runtergespult daherkommt - weil‘s halt so ist - dann wird ein denkender und aufgeklärter Mensch, das Weite suchen.

    Deinen Tod o Herr verkünden wir …

    Weit verbreitet, und in jüngster Zeit nach meinem Eindruck wieder mehr, ist der Schwerpunkt „Opfertod" beim Abendmahl wie am Karfreitag. Aber das ist eine unzulässige Einengung, unzulässig nach dem biblischen Befund. Ich skizziere hier, sicher auch noch unvollständig, was ich einmal im Studium gelernt habe, und im Pfarramt erlebt habe, dass es stimmt, welche vielen Aspekte der Tod Jesu in der biblischen Verkündigung bekommt, und ALLE sind wichtig und je nach Zeit und Anlass von mehr oder weniger Bedeutung (siehe Jürgen Roloff, Neues Testament, Neukirchener Verlag, 1977, S 181 -195):

    - Göttlich notwendiges Geschehen: Der Menschensohn muss viel leiden… Mk 8,31; 14,21.49; Lk 24,44ff;

    - Märthyrer- und Prophetentod: Jerusalem, die du tötest die Propheten und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! Mt 23,37; 1 Thess 2,15; Lk 11,49ff; 13,34; Acta 7,52;

    - Geschick des leidenden Gottesknechts: Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird…Acta 8,26-40; 1. Pet 2,22 ff;

    - Versöhnung Gottes mit den Menschen: Gott versöhnte die Welt mit sich selbst… 2. Kor 5,18ff

    - Liebeshingabe Gottes: Also hat Gott die Welt geliebt… Joh 3,16; Rm 8,31ff.38f; 2.Kor 5,14;

    - Lösegeld oder Freikauf: …, dass er sein Leben gebe als ein Lösegeld für die Vielen. Mk10,45; 1. Kor 6,20; 7,13; Gal 3,13; 4,5;

    - apotrophäische Lebenshingabe, Sterben aus Liebe für andere: Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Röm 5,8f; 1 Kor 15,3; Eph 5,25;

    - Opfer für die Erlösung der Welt: Nach Gottes Willen sind wir geheiligt ein für alle Mal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi. Hebr 10,10ff; 9,14; Eph 2,14; 5,2;

    Diese Vielfalt betrachtend kann ich unmittelbar nach den Einsetzungsworten beim Abendmahl die Engführung durch das von der Gemeinde meist im Trauerritus gemurmelte „Deinen Tod o Herr verkünden wir …" einfach nicht mehr nachsprechen. Es stimmt nicht. Nicht zum Abendmahl. Es geht um etwas anderes. Und das wird hier nicht benannt: Es geht um die Liebe Gottes, die konkret wird zum Anfassen in Brot und Wein und in der Gemeinschaft des Altars.

    Jesus >musste< nicht am Kreuz sterben

    Einer meiner Lieblings-Erkenntnisse aus 40 Jahren angewandter Theologie steckt in dem Satz: „>Muss< gibt es im evangelischen Wortschatz nicht!" Gott zwingt nicht. Gott macht frei. Auch seinen Sohn. Sonst hätte er die Welt und die Menschen anders geschaffen. Das wäre ja ein Leichtes für ihn gewesen. Hat er aber nicht! Er hat uns in Freiheit geschaffen, wohl wissend welche Arbeit und Mühe es sein würde, uns immer wieder von Neuem einzuladen, um uns zu werben, zu buhlen, zu reden und zu bebbern, Sonntag für Sonntag auf unzählig vielen Kanzeln sein Wort verkünden zu lassen. Aber er zwingt eben nichts und niemanden. Er stellt es uns frei, einladend, lieb machend, uns für ihn - sprich für Leben und Liebe - zu entscheiden. Das und genau das, hat auch Jesus gemacht. Vorbildlich und superkonsequent. Diese Konsequenz der Liebe und Annahme von Menschen nach dem Willen Gottes stellte die Machtstrukturen der Menschen in Frage, weshalb sie ihn stoppen wollten. Egal wie. Und weil seine Konsequenz vom inneren Prinzip her unantastbar war, dachten sie, es gäbe nur den Weg ihn zu töten. Und hier kommt dann Prof. Wolter mit seinem Artikel. Das Kreuz ist eine geschichtliche Entscheidung DIESER damals agierenden Menschen und kein Plan Gottes.

    Gott sandte seinen Sohn nicht auf die Welt um am Kreuz zu sterben, sondern um die Menschen zu erlösen. Heißt: Ihnen noch einmal und eph hapax zu zeigen, sie einzuladen, ihnen bis zur letzten Konsequenz vor Augen zu führen, sich doch „um Himmels willen" für die Liebe zu entscheiden, also für Gott, statt für eine eigene zweifelhafte, weil zerstörende Macht.

    Dass Jesus am >Kreuz< endete, ist seiner Zeitgeschichte, einer konkreten historischen Situation geschuldet. Gott wäre es viel lieber gewesen, die Menschen hätten sich bekehrt und Liebe und Vergebung gelebt und Jesus wäre als alter Mann an Altersschwäche gestorben und das Leben hätte gar keinen Beweis für die Kraft der Liebe in der Auferstehung gebraucht. Aber so lief es nicht. Historisch nicht und deshalb auch theologisch nicht. Und deshalb kam die Auferstehung noch hinzu als untrügliches Zeichen, dass die Liebe stärker ist, sogar stärker als der Tod (Hohes Lied 8,6). Aber eigentlich hätte es das Sterben Jesus gar nicht gebraucht, wären die Menschen Gott auf andere Weise gefolgt.

    Dass es das Kreuz wurde, was dann zum Zeichen des Christentums wurde, ist also salopp gesagt historischer Zufall. Die Verkündigung aber hat sich mehr um das zu kümmern, warum es überhaupt zum Kreuz kam: Die Konsequenz der Liebe. Das ist das Thema vom Karfreitag. Das ist der Kern des Abendmahles. Das ist das Zentrum aller Osterverkündigung. Das ist die Mitte der Bibel. Und das unterscheidet die Heilige Schrift des Christentums von anderen heiligen Schriften dieser Welt. Nicht Jesu Tod gilt es zu verkünden, sondern seine Liebe, die stärker ist als alles was wir uns vorstellen können, sogar stärker wie der Tod.

    Good Friday

    die anglikanische Bezeichnung des Karfreitag gefällt mir in dieser Hinsicht recht gut. „Der Segensreiche Freitag". Der Weg der Liebe, der auch vor dem Tod nicht zurückscheut, und sich auch unter Folter und Lebensangst nicht von seinem Weg der Liebe und Vergebung abbringen lässt, das ist das Evangelium am Karfreitag. Jesus ging diesen Weg freiwillig (siehe das Gebet in Gethsemane). Nicht als Opfer, sondern als aufrechter Gott, der in seiner Treue zu den Menschen unbeugsam konsequent wahrhaftig bleibt. Er wurde hingerichtet, weil die Macht der Menschen Angst hatte, dass seine Haltung ihn tatsächlich zum König des auswählten Volkes Gottes machen könnte, in dem Sinne, dass unter seiner Haltung das einträfe, was in der antiken Königsideologie als mustergültig galt und schon als Folie hinter Gen 1 und 2 steht: Machet Euch die Erde untertan. Das spielt darauf an, dass Friede und Glück, Sicherheit und Wohlstand vom König durch geschicktes, treu verlässliches Handeln herbeigeführt wird. Diesen Ansatz zeigt Jesus in der punktuellen Verwirklichung: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt (Mt 5,11 //) . Diese Linie verlässt Jesus nicht, selbst als Widerstand aus den eigenen Reihen kommt (Judas Ischariot), die Menschen sich von Gott abwenden (Kreuzige ihn!), oder auch die Mächtigen Religionsführer und politischen Herrscher Angst schüren, vor einem Verhalten, das gerade aus der Angst heraus führen würde - wovor sie scheinbarAngst haben. Menschen ohne Angst sind den Mächtigen immer ein Dorn im Auge, denn sie lassen sich nur mit Wahrhaftigkeit regieren.

    Da klingeln uns doch die Ohren bis zum Wehtun. Und da erkennen wir die Verantwortung für unsere Predigt heute. Sie deckt diese Angstmache auf, verkündet Mut zur Annahme von Menschen und verkündet die Liebe als Grundpfeiler des Zusammenlebens aller Schöpfung. Und sie zeigt uns das Muster Gottes selbst: Sich in Freiheit für die Konsequenz auf diesem Weg zu entscheiden. Das führt zur Überwindung von Tod und Zerstörung, zum Zurückdrängen von falscher Macht und niederdrückender Struktur, hin zur Solidarität der Schöpfung mit dem Schöpfer und dem Lebensrecht für alle in Gleichheit und Frieden, Wohlstand und Glück.

    Welch eine Botschaft!

    Utopie? Nein. Österliche Wirklichkeit nach der Konsequenz der Liebe am Freitag zuvor. Diese Wirklichkeit hat einmal Herrschende zum Zittern gebracht, den Mächtigsten Angst eingejagt, der Weltstruktur das fürchten gelehrt. Haben wir das verraten? Verkünden wir lieber den Tod Gottes - bis er irgendwann mal kommt, statt mit ihm jetzt und hier zu rechnen? Das würde Kirche lebendig zeigen und die Welt verändern. Traun wir uns! Gott vertraut uns schließlich seine Kirche an. In Liebe.

    Das fatale Märchen vom Opfertod Jesu

    Eine Neubesinnung auf das Erlösungshandeln Jesu Christi

    Joachim Pennig, Pfr. em.

    Die Anfrage aus der theologisch verantworteten Praxis

    Ins Nachdenken gekommen

    Grob geschätzt tausend Menschen habe ich im Laufe meines Dienstes auf dem Weg zu ihrer letzten Ruhe begleitet. Bei Wind und Wetter, bei Sonne und Vogelgezwitscher und eisigem Schneesturm, bei strömendem Regen und sommerlich warmer Brise. Manchmal mit riesiger Trauergemeinde, immer wieder mal nur mit dem Bestatter zusammen. Ca. 25 Friedhöfe waren dabei mein Wirkungsfeld. Wenn ich vor dem Sarg zum Grab gelaufen bin und der Weg weiter war, hatte ich oft Zeit zum Grübeln: Manchmal habe ich den Weg genossen als ein Weg durch den Frühling in die Aussicht des ewigen Lebens, das ich dort am Grab dann verkündigen durfte; manchmal als bitter kalte Wegstrecke, Symbol eines Lebens, das da sein Ende gefunden hatte; manchmal in Gedanken ganz bei den Menschen, denen ich einen gangbaren Weg in eine schwierig vor ihnen liegende Zukunft zeigen wollte, mit dem Trost und der Ermutigung aus Gottes Wort. So kamen auch die Grundlagen der folgenden Gedanken zu Stande, die nie aufgehört haben in mir zu arbeiten, und sich regelmäßig in der Predigtarbeit wiedergefunden haben. Denn Leben und Sterben und Predigen gehören ja zusammen, das eine fließt in das andere hinein und wieder zurück.

    Immer häufiger bin ich dabei über die sog. „Opfertheologie" gestolpert. Christus habe sich für uns geopfert. Sein Tod sei ein Opfer für unsere Sünden. Durch das Opfer seines Todes würden wir erlöst sein zum Leben. Und immer häufiger habe ich – einmal neugierig geworden – Anhaltspunkte in Bibel und Glaube gefunden, die dem laut und heftig widersprachen. Was meint man eigentlich damit? Sollte ich einem Sterbenden damit trösten, dass Jesus ja auch gestorben ist, einen Opfertod für ihn!?

    Unzählige Male habe ich Abendmahl mit Menschen gefeiert. In sehr vielen Gottesdiensten mit unterschiedlichen Gemeinden, aber auch häufig fünf oder sechs Mal hintereinander im Krankenhaus am Samstagabend unter diversen Rahmenbedingungen, manchmal bis ich vor Müdigkeit den Segen fast nicht mehr sprechen konnte. Und wie oft im Hospiz, in der Intensiv- oder Palliativstation mit Sterbenden und deren Angehörigen. Und immer wieder tauchte die Frage auf: Was nützt es diesen da gegenwärtigen Menschen, dass Christus für sie gestorben ist? Ist es nicht wichtiger, dass er in diesem Moment da ist, lebt, hilft, begleitet, tröstet stärkt? Der Opfertod war dabei wirklich nicht der helfende Aspekt aus den vielen Möglichkeiten der Deutung des Todes Jesu, wie sie in der Bibel angesprochen werden.

    Das hat mich immer mehr ins Nachdenken und Bibellesen gebracht mit dem wachen Auge des Suchenden. Wie ist der Tod Jesu zu verstehen, worin liegt sein Geheimnis und wo seine Hilfe? Da ich selber immer näher an den Tod hin älterwachse, bin ich mittlerweile ganz sicher: Ich brauche keinen Opfertod, auch und gerade nicht von meinem Gott. Und diese Überzeugung höre ich immer häufiger und deutlicher bei vielen Menschen, nicht selten auch als Grund dafür, warum Menschen der Kirche den Rücken kehren. Hier also ist Hinschauen gefragt, ehrliches Nachspüren und theologisches Suchen und Fragen an und in der Bibel, mitten in unserer Zeit, mitten unter den Menschen, wie sie fragen und suchen.

    Martin Kähler schrieb 1911 in: Das Kreuz. Grund und Maß der Christologie: „Ohne Kreuz keine Christologie auch kein Zug, der nicht am Kreuz seine Berechtigung aufzuzeigen hätte." (In ders., Schriften zur Christologie und Mission 1971, S. 302)

    2009 sagte Superintendent Burckhard Müller in einer Radioandacht im WDR in der Passionszeit: „Ich glaube nicht, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist. Das löste sowohl einen Sturm der Entrüstung wie Jubelschreie begeisterter Erleichterung aus, wie „Welt online berichtete. (https://www.welt.de/kultur/article3429266/Warum-starb-Jesus-Christus-am-Kreuz.html)

    In eben diese Richtung äußerte sich auch Cornelia Richter, auf eine Anfrage hin (Prof. Dr. Cornelia Richter, gefunden in: Uni Bonn, online. Zur Diskussion siehe auch Stellungnahme zum Artikel »Im Blut ist das Leben!« Deutsches Pfarrerblatt - Heft: 7/2002):

    Sie schreiben, der Opfertod Jesu zur Vergebung der Sünden sei ein mittelalterliches Konstrukt (laut epd). Aber es gibt Stellen im NT, die den Opfertod bestätigen: Titus 2,14 Jesus hat sein Leben für uns gegeben, um uns von aller Schuld zu befreien. Wie passt das zusammen?

    Für den Pressetext mussten wir die theologischen Argumente ein wenig kurz fassen und dabei ist in der Tat ein nicht ganz gelungener theologischer Satz herausgekommen. In den Updates selbst finden Sie eine ausführliche Antwort, wenn Sie die sonstigen Antworten zur Christologie anschauen (x x). Doch auch hier gerne noch einmal in Kürze: Es geht nicht darum, den Begriff des Opfertodes „los zu werden", sondern es geht darum, dass er meist mit einer falsch verstandenen Interpretation der Satisfaktionslehre von Anselm v. Canterbury in Verbindung gebracht wird. Also mit der Vorstellung, Gott sei ein rachsüchtiger Gott, der den Kreuzestod seines Sohnes zur Wiedergutmachung gefordert habe. Das steht in dieser Form erstens nicht bei Anselm. Und das, was bei Anselm zu lesen ist, ist vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Vertragsdenkens der Satisfaktion zweitens durchaus sinnvoll. Nur ist es, drittens, wiederum nicht mehr direkt kompatibel mit unserem neuzeitlich-modernen Verständnis von Gerechtigkeit. Deshalb wird in der neutestamentlichen und systematisch-theologischen Forschung heute der Akzent darauf gelegt, dass Jesus sich für andere Menschen hingegeben hat, d.h. dass er der Konsequenz seines Lebens, nämlich dem Tod am Kreuz, nicht ausgewichen ist. Das wiederum könnte man nun lange erläutern, doch dazu verweise ich zunächst nochmals auf die übrigen Antworten, dort finden Sie auch Literaturangaben zum Thema.

    Das Gewicht wieder ins Lot bringen

    Dem Kähler-Zitat ist also auch aus meiner Sicht ein deutlicher Zweifel hinzuzufügen - und namhafte Theologen sehen das doch sehr ähnlich:

    (Vgl: >> Klaus Peter Jörns in: Ritter, Werner H.: Blutiges Verlustgeschäft? Die Vorstellung vom Opfertod Jesu ist fremd und befremdlich – überflüssig ist sie nicht, in: zeitzeichen 4/2006, S. 45. >> Pöhlmann, Horst Georg: Abgründige Wahrheit. Vergibt Gott nur, wenn er Blut sieht? Die Kritik am Sühnetod Jesu, in: zeitzeichen 4/2006, S. 48 >> Dahlferth, Ingolf U.: Der auferweckte Gekreuzigte. Zur Grammatik der Christologie, Tübingen 1994, S. 305; >> Vgl. auch Welt-Artikel: https://www.welt.de/kultur/article3429266/Warum-starb-Jesus-Christus-am-Kreuz.html)

    So schreibt auch der ehemalige Ratsvorsitzende der EKD Professor Wolfgang Huber in seinem Buch: Der christliche Glaube: Jesu Kreuzestod ist nicht eine zwangsläufig geschuldete Sühneleistung zur Besänftigung eines zornigen Gottes, sondern eine aus Freiheit um der Liebe Gottes vollzogene Selbsthingabe. (Zitiert nach http://www.sewaldjo.de/Evangelium_Kernaussagen.pdf; W Huber, Der christliche Glaube, Gütersloh 2008; ähnlich Nikolaus Schneider, Eugen Biser u.a.)

    Ist es nicht vielmehr die Auferstehung, die den Kern der Christologie bildet? Liegt nicht in der Überwindung des Todes die Kraft des Glaubens, statt im Tod? Die Kreuzesverkündigung ist doch nur die Manifestation der vermeintlichen Macht der Menschen, die dann in der Auferstehung ad absurdum geführt wird, weil hier der Macht der Menschen zum Tod, die Macht Gottes zum Leben unübersehbar und unverwechselbar machtvoll gegenübergestellt wurde. Genau deshalb ist auch die Deutung des Todes Jesu, von der ersten Urgemeinde an, differenziert betrachtet worden und unterschiedlich bewertet, während an der Auferstehung nichts zu deuten übrigbleibt. Das

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