Drei geheimnisvolle Schlüssel
Von Ralf Kramp
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Über dieses E-Book
Doch der Ferienbeginn macht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Olli ist verzweifelt. Er muss Ferien bei seinem Onkel machen. Der wohnt tief in der Eifel, und Tim und Steffi beschließen, ihn zu besuchen. Ollis Onkel ist Wissenschaftler und lebt in einem katastrophalen Haushalt. Und dann tauchen plötzlich zwei Männer im schwarzen Anzug zum Kaffee auf, die die Kinder erst kürzlich gesehen haben - und zwar ausgerechnet bei ihrem Besuch im Museum!
Ralf Kramp
Ralf Kramp, geb. 1963 in Euskirchen, lebt in einem alten Bauernhaus in der Eifel. Für sein Debüt »Tief unterm Laub« erhielt er 1996 den Förderpreis des Eifel-Literatur-Festivals. Seither erschienen zahlreiche Kriminalromane und Kurzgeschichten. In Hillesheim in der Eifel unterhält er zusammen mit seiner Frau Monika das »Kriminalhaus« mit dem »Deutschen Krimi-Archiv« (30.000 Bände), dem »Café Sherlock«, einem Krimi-Antiquariat und der »Buchhandlung Lesezeichen«. Im Jahr 2023 wurde er mit dem Ehren-Glauser für »herausragendes Engagement für die deutschsprachige Krimiszene« ausgezeichnet.
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Buchvorschau
Drei geheimnisvolle Schlüssel - Ralf Kramp
Abschied
Lauter oller Kram
Manchen passiert nie etwas, anderen dafür andauernd. Ich schätze, ich bin so ein Fall, der ständig von einer haarsträubenden Geschichte in die nächste hineinstolpert. Nicht, dass es mich stören würde, nein, nein. Bisher bin ich ja immer glimpflich davongekommen. Und Abenteuer reizen mich nun mal.
Viele sagen, dass bei uns in der Eifel so gut wie nie was passiert, dass es bei uns öde und langweilig ist. Das bringt mich jedes Mal auf die Palme, denn Tatsache ist nun mal, dass sich hier eine ganze Menge abspielt.
So zum Beispiel diese Geschichte im letzten Sommer. Jungejunge, wenn ich daran zurückdenke …
Es war der Tag, an dem »der Magenmilde« so gut gelaunt war, dass er unseren Unterricht kurzerhand ins Museum verlegt hatte.
Unser Museum in Bad Münstereifel beherbergt eine ganze Menge oller Sachen, die uns etwas über die Geschichte unseres Städtchens erzählen sollen.
»Der Magenmilde« ist unser Geschichtslehrer Dr. Hag, ein alter Berliner mit schlohweißem Haar. »Hag, genau wie der Kaffee, mit einem A«, sagt er immer, und wir nennen ihn, wenn er gut drauf ist, »der Magenmilde«, »der Reizarme« oder auch »der Koffeinfreie«.
Hag war also, wie gesagt, bester Dinge. Die Ferien standen bevor, und er hatte beschlossen, uns die letzten Schulstunden mit einem Ausflug ins Heimatmuseum zu versüßen.
Der alte Bau, in dem das Museum untergebracht war, war angeblich fast neunhundert Jahre alt, und dafür ist er eigentlich noch ziemlich gut in Schuss.
»Das ist bestimmt sehr interessant«, freute sich mein Freund Olli und knuffte Steffi mit dem Ellenbogen in die Seite.
Olli ist der Schlaumeier unserer Klasse. Hinter seinen dicken Brillengläsern zwinkern immer lustig die kleinen Äugelchen.
Steffi, die bereits das Urlaubsfieber gepackt hatte, nickte abwesend. Sie war damit beschäftigt, mindestens alle fünf Minuten auf die Uhr zu sehen. »Wir fahren nach Spanien«, schwärmte sie nun schon seit Wochen und ging Olli und mir damit mittlerweile gehörig auf den Keks. »Da scheint den ganzen Tag die Sonne.«
Olli kratzte sich an seinem rötlichen Bürstenkopf und grinste schief. »Da würde ich ja doch nur im Schatten rumliegen. Das wäre nix für mich. Ich fahre für ein paar Tage zu meinem Onkel in die Vulkaneifel.«
»Super spannend«, sagte ich ironisch.
»Ich kann ja auch nix dafür. Meine Eltern sind für eine halbe Woche verreist, meine Brüder sind mit Freunden nach Holland, und zu Hause wollen sie mich natürlich nicht allein lassen.«
»Warum nehmen sie dich denn nicht mit?«, fragte Steffi und guckte schon wieder auf die Uhr.
»Oh nein, ohne mich. Ich will nicht. Sie besuchen meine Oma in Norddeutschland, und die küsst mich immer so ab und hat nur ein winziges Gästezimmer. Dann schon lieber ein paar Tage bei Onkel Friedbert.«
Ich trat betrübt in das Museum hinein. Wirklich klasse. Alle verreisten, nur ich konnte wieder zu Hause hocken. Seit dem Kauf unseres Hauses in Buchscheid vor einem Jahr sparten meine Eltern an allen Ecken und Enden. Und deshalb musste dieses Jahr leider auch der Urlaub dran glauben.
Für nächstes Jahr hatte Paps uns einen »Wahnsinnsurlaub« versprochen. »Mindestens dreimal um die Welt.«
Mom hatte sich dabei grinsend an die Stirn getippt. Wahrscheinlich würde es wieder nur Belgien werden, aber immerhin.
Sechsundzwanzig Schüler drängelten sich durch den kleinen Eingangsraum des Museums, und der Museumsleiter, ein großer, dicker Mann mit Stoppelfrisur, ließ aufmerksam den Blick über unsere Köpfe schweifen. Er schien jemand zu sein, den so leicht nichts aus der Ruhe bringen konnte.
Er hätte sich besser auf die konzentriert, die vorneweg gelaufen waren, noch bevor der »Magenmilde« seine übliche »Ich möchte euch bitten, nichts anzufassen«-Predigt vom Stapel gelassen hatte.
Unter dieser lärmenden Vorhut, die bereits die Ausstellungsräume geentert hatten, war nämlich ausgerechnet Lollo, die großmäuligste Tussi, der ich je begegnet bin. Und die wiederum war die kleine Schwester von Steve, dem durchgeknallten Motorradfreak, der uns in unserem Dorf Buchscheid seit Jahr und Tag mit seiner Gang piesackte, wo er nur konnte. Ein echtes Spatzenhirn! Und seine jüngere Schwester stand ihm in nichts nach. Pink gefärbte Haare, schreckliche Klamotten – Lollo war der Totalausfall in unserer Klasse. Sie hätte auf der Landkarte Deutschland nicht mal zeigen können, wenn man ihr den Finger drauf festgeklebt hätte, und in Mathe reichte ihr Grundwissen gerade mal bis zum Einmaleins mit fünf. Dafür hatte sie allerdings eine reichlich große Klappe, und wenn irgendwo was schief ging, konnte man ziemlich sicher sein, dass Lollo ihre schwarz lackierten Finger mit im Spiel hatte.
Deshalb beschlich mich schon so eine leise Ahnung, als sie in den Museumsräumen verschwunden war, bevor der »Reizarme« nachkommen konnte.
»Langsam Kinder, langsam«, rief Hag und wedelte mit dem Arm.
»Was ist dein Onkel Friedbert denn für ein Mensch?«, fragte ich Olli. »Mann, Steffi, guck nicht dauernd auf die Uhr.«
»Nur noch sieben Stunden, Tim«, sagte sie grinsend.
»Onkel Friedbert ist ganz nett«, sagte Olli und wischte sich die Brille. Der große Pulk war mittlerweile im Inneren des Museums angelangt, und wir konnten nachrücken. »Er hat unglaublich viele Bücher.«
»Wird ja immer spannender.« Ich gähnte herzhaft, und gleichzeitig tat mir Olli leid, der bestimmt nicht in großen Jubel ausgebrochen war, als er sein Reiseziel erfahren hatte.
Der Museumsleiter, Herr Bongart, begann jetzt mit seiner Führung.
In diesem Moment blitzte etwas, und ich zuckte zusammen. Links neben mir hatte Marcel Keutgen begonnen, Fotos zu machen. Marcel war Mitarbeiter der Schülerzeitung und hatte sich fest vorgenommen, später einmal ein großer Journalist zu werden.
Wo war Lollo? Sie verhielt sich erstaunlich still. Normalerweise dauerte es bei solchen Ausflügen höchstens fünf Minuten, bevor eine Katastrophe losbrach und Hag sie vor die Tür setzte.
Aber der Vortrag des Museumsleiters wurde unerwarteterweise nicht gestört. Wir erfuhren viel über die römische Wasserleitung, die einst von Trier bis Köln gereicht hatte, und über die Geschichte der Stadt Bad Münstereifel, über ihre Klöster und ihre Grafen. Ich kann nicht behaupten, dass ich mich für diese alten Geschichten sehr interessiere, aber ich hörte aufmerksam zu. Wer konnte schon wissen, ob der »Magenmilde« uns nicht nach den Ferien abfragen würde.
Immer wieder blitzte es kurz auf, wenn Marcel ein Foto machte, und rechts neben mir reckte Steffi fortwährend den Arm nach oben, um das Zifferblatt ihrer Uhr zu erkennen.
Olli hatte die Augen hinter seinen fingerdicken Brillengläsern weit aufgerissen und klebte förmlich an Herrn Bongarts Lippen. Ich hatte gar nicht gewusst, dass Olli sich so sehr für Geschichte interessierte. Je länger ich ihn kannte, umso erstaunter war ich, was alles an Wissen in seinen kugelrunden, rothaarigen Kopf hineinpasste. Der Mensch nutzt nur zwanzig Prozent seines Gehirns, so hatte ich gelernt. Bei Olli war ich mir sicher, dass er sich irgendwann einen zusätzlichen Wissensspeicher hinter die Ohren nähen lassen würde.
Wäre das ein Rundgang durch die »Enterprise«, dann wäre ich selbst mit Sicherheit noch aufmerksamer gewesen. So aber erfreute ich mich nur von Etage zu Etage an den wunderbaren alten Sachen, an den fetten Holztruhen und an den klotzigen Kanonenkugeln, an den Vitrinen, in denen die Metallgegenstände und die Mineralien lagen, und der Vortrag rauschte an meinen Ohren vorbei.
Irgendwann gelangten wir dann wieder ins Erdgeschoss, und ich beobachtete aus den Augenwinkeln heraus, dass im Vorraum bereits andere Besucher standen. Zwei Männer in schwarzen Anzügen, die angesichts der großen Schülergruppe kurzerhand auf dem Absatz kehrt machten und wieder hinausgingen.
Da wurde es plötzlich still um mich herum, und ich sah die Augen aller Mitschüler auf mich gerichtet.
»Und?«, fragte Hag lächelnd. »Was meinst du, Tim?«
Erwischt. Man kann träumen soviel man will, selbst tagsüber, mit offenen Augen, selbst