Die Erfindung der Reinheit: Eine andere Geschichte der frühen Neuzeit
Von Peter Burschel
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Peter Burschel
Peter Burschel hat den Lehrstuhl für Kulturgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Göttingen und leitet die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel.
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Buchvorschau
Die Erfindung der Reinheit - Peter Burschel
f.
I. Prolog
Als im Sommer 1480 eine türkische Flotte in Apulien landete und ganz Italien in helle Aufregung versetzte, griff in Rom der Dominikanermönch Georg von Ungarn zur Feder, um die Erfahrungen festzuhalten, die er zwanzig Jahre lang als Gefangener im Osmanischen Reich gemacht hatte. Das Buch, das er schrieb, erschien bereits im folgenden Jahr, ohne seinen Verfasser zu nennen, trug den Titel »Tractatus de moribus, condictionibus et nequicia Turcorum«¹ und erlebte in den kommenden Jahrzehnten mehrere Nachdrucke und Übersetzungen: so 1530 als »Chronica vnnd beschreibung der Türckey« mit einer Vorrede von Martin Luther.² Obwohl Georg seinen »Tractatus« durchaus als Leidensgeschichte entwirft, in deren Verlauf er achtmal zu fliehen versucht,³ lässt er sein Publikum doch nachdrücklich wissen, dass im Reich des Bösen alles seine Ordnung hat. Hier herrschen Tugend – und Zucht. Hier weiß man zu schweigen, wo Stille gefordert ist. Vor allem aber: Hier regiert die Reinheit, die »mundicia«, die »puritas«.⁴ Ob im Haus oder auf der Straße: Die Liebe der Türken zur Reinheit ist so groß, dass sie fast jeden Gegenstand des täglichen Lebens, ja, dass sie fast jede Tätigkeit verdächtigen, unrein zu sein. Wollen sie ein Huhn essen, füttern sie es eine Woche lang ausschließlich mit reinem Korn, »purum granum«, obwohl sie es doch nach der Schlachtung ohnehin völlig ausbluten lassen.⁵ Wollen sie beten, sorgen sie zuvor für makellose körperliche Reinheit: »in corpore minimam maculam non sustinerent«, wobei sie drei Waschungen, »lotiones«, zu unterscheiden wissen, denen Georg einen eigenen Abschnitt widmet.⁶ Damit aber keineswegs genug. Ich übersetze: »Aus demselben Grund trinken die Türken auch keinen Wein und essen kein Schweinefleisch, denn das macht, wie sie sagen, den Menschen unrein. Man vermeidet auch nach jedem Samenerguss, mit jemandem zu reden, und möglichst auch, von jemandem gesehen zu werden, bevor man nicht den ganzen Körper im Wasser untergetaucht oder mit Wasser übergossen hat. In den Städten benutzen sie dafür Bäder, die durchgehend geöffnet sind. Wo es aber keine Bäder gibt, haben sie in ihren Häusern einen abgesonderten, eigens dafür hergerichteten Raum.«⁷ Nur konsequent, dass Georg zudem ausführlich darauf eingeht, wie »honeste« die Türken ihre Notdurft verrichten, und dabei zugleich die Warnung ausspricht, dass jeder, der bei ihnen – »modo Christianorum« – im Stehen pinkele, als Ketzer angesehen werde. Und nur konsequent auch, dass er diese Beobachtungen sowohl mit der »simplicitas« der Türken in Verbindung bringt, die vor allem darin zum Ausdruck komme, dass ihnen alle Formen des schönen Scheins zuwider seien, als auch mit der »honestas« ihrer Frauen, die alles in den Schatten stelle, was er unter Christen je gesehen habe.⁸
Obwohl das Tableau türkischer Tugenden im »Tractatus« damit noch keineswegs vollständig erfasst ist, kann die Frage nicht länger warten: Wollte da jemand dreißig Jahre nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels Kopf und Kragen riskieren? Oder, etwas konkreter: Kannte der Dominikaner Georg von Ungarn nicht das Pauluswort aus dem Titus-Brief (1,15), dass den Reinen alles rein ist, den Unreinen – und den Ungläubigen – aber nichts? Es wird niemanden überraschen, Georg von Ungarn kannte das Wort – offenbart das aber erst nach Abschluss seiner (fast möchte man sagen ethnologischen) Beobachtungen und überführt seinen »Tractatus« damit in den Diskurs über die »Türkengefahr«, der seit Mitte des 15. Jahrhunderts die westeuropäische Wahrnehmung des Osmanischen Reiches bestimmte.⁹ Die Reinheit der Türken, so Georg, sei eine rein äußere Reinheit, eine List des Teufels, die dazu diene, die Christen am Ende der Zeit vom wahren Glauben abzubringen. Denn, ich übersetze noch einmal: »Die äußeren Sitten, mores exteriores, mögen noch so vollkommen sein: Wenn sie einem lasterhaften, unreinen und fleischlichen Antrieb entspringen, sind sie ein Ärgernis. … Obwohl also die Sitten der Verworfenen dem Auge des Betrachters wohlgefällig erscheinen, ziehen sie doch, einem Mühlstein gleich, die Verworfenen selbst und jene, die ihnen nahe sind, in den Abgrund der Verzweiflung. Und mögen dagegen die Sitten der Erwählten, mores electorum, auch noch so lasterhaft, ja, vom Gewicht der Leidenschaften entstellt sein, so lässt die himmlische Ordnung, celestis disciplina, sie doch wegen der Reinheit ihres Antriebs, propter affectus puritatem, ganz leicht und gleichsam zu Flügeln werden, auf denen sich die Erwählten wie Adler in die Höhe schwingen, um alle irdischen Eitelkeiten, um alle Fehler und Sorgen hinter sich zu lassen: unaufhaltsam und ohne jemals schwach zu werden.«¹⁰